Mandantenbrief Steuern Privatpersonen November 2014

 

Privatbereich

1.

Abgeltungsteuer:
Kapitalerträge unter Angehörigen

2.

Verlust einer
Darlehensforderung

3.

Kein Splittingtarif für (noch)
nicht eingetragene Lebenspartner

4.

Auch Schneeschippen fällt
unter haushaltsnahe Dienstleistungen

5.

Eigentümer können Stellplätze
zugelassenen Fahrzeugen vorbehalten

6.

Einspruch durch einfache
E-Mail ist unwirksam

7.

Der gesetzliche Zinssatz von 6
% pro Jahr ist nicht verfassungswidrig

8.

Grundstückskosten für einen
behindertengerechten Neubau sind nicht abziehbar

9.

Mieter muss Arbeiten tagsüber
dulden

10.

Kindergeld für die nicht
verheiratete Tochter mit eigenem Kind

11.

Erfassung von
Ausgleichzahlungen zwischen ehemaligen Eheleuten

12.

Vorauszahlung von
Zahnbehandlungskosten als Gestaltungsmissbrauch

13.

Wann können Eltern oder
Ehegatten Schenkungen wegen Notbedarfs zurückfordern?

14.

Riester-Verträge sind in der
Regel pfändbar

1. 
Abgeltungsteuer:
Kapitalerträge unter Angehörigen

 

Die Anwendung des
Abgeltungsteuersatzes für Einkünfte aus Kapitalvermögen ist nicht deshalb
ausgeschlossen, weil Gläubiger und Schuldner Angehörige sind.

 

Hintergrund
Die Eheleute schlossen
mit ihrem Sohn und ihren beiden volljährigen Enkeln Verträge über die Gewährung
festverzinslicher Darlehen in Höhe von insgesamt 860.000 EUR. Die
(unbesicherten) Darlehen dienten der Anschaffung fremdvermieteter Objekte durch
die Darlehensnehmer. Eine Vereinbarung über eine Vorfälligkeitsentschädigung
wurde nicht getroffen. Aus den Darlehen erzielten die Eheleute im Streitjahr
2009 Kapitalerträge von rund 29.000 EUR.

Das Finanzamt erfasste die
Zinsen als der tariflichen Einkommensteuer unterliegende Kapitalerträge. Die
Klage, mit der die Eheleute die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes von 25 %
geltend machten, wurde vom Finanzgericht mit dem Hinweis auf den
Gesetzeswortlaut zurückgewiesen. Danach ist der Abgeltung­steuersatz
ausgeschlossen, wenn Gläubiger und Schuldner „einander nahestehende Personen“
sind.

 

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof
vertritt einen großzügigeren Standpunkt und gab der Klage statt. Zunächst führt
der Bundesfinanzhof aus, dass die Darlehen nach den Maßstäben des
Fremdvergleichs anzuerkennen und der Besteuerung zugrunde zu legen sind.

Sodann legt der
Bundesfinanzhof dar, dass die Eheleute als Gläubiger einerseits und der Sohn
sowie die Enkel als Schuldner andererseits – entgegen der Auffassung des
Finanzamts – keine „einander nahestehende Personen“ i. S. d. gesetzlichen
Regelung sind. Die weite Auslegung, dass darunter alle Personen fallen sollen,
die zueinander in einer engen Beziehung stehen, widerspricht dem Willen des
Gesetzgebers. Danach soll ein Näheverhältnis nur dann vorliegen, wenn auf eine
der Vertragsparteien ein beherrschender oder außerhalb der Geschäftsbeziehung
liegender Einfluss ausgeübt werden kann oder ein eigenes wirtschaftliches
Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen besteht. Ein – wie im
Streitfall – lediglich aus der Familienzugehörigkeit abgeleitetes persönliches
Interesse genügt nicht.

Diese enge Auslegung des
Ausschlusstatbestands „Näheverhältnis“ ist auch aus verfassungsrechtlichen
Gründen geboten. Gegen die Ungleichbehandlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen
gegenüber anderen Einkunftsarten, die nach dem progressiven Tarif besteuert
werden, bestehen zwar keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Es würde jedoch zu
einer Diskriminierung der Familie führen, wenn der Ausschluss des gesonderten
Tarifs an bestimmte enge familienrechtliche Beziehungen geknüpft würde und –
anders als bei fremden Dritten – auch dann eintreten würde, wenn der
Darlehensvertrag einem Fremdvergleich standhält. Dies gilt auch dann, wenn
aufgrund des Steuersatzgefälles die Entlastung des Darlehensnehmers durch den
Schuldzinsenabzug höher ist als die steuerliche Belastung des Darlehensgebers
und sich somit ein Gesamtbelastungsvorteil ergibt.

 

2. Verlust
einer Darlehensforderung

 

Der Verlust einer aus einer
Gehaltsumwandlung entstandenen Darlehensforderung kann insoweit zu
Werbungskosten führen, als der Arbeitnehmer ansonsten keine Entlohnung erhalten
hätte.

 

Hintergrund
A war Arbeitnehmer der
Firma H. Wegen finanzieller Schwierigkeiten der H mussten die Arbeitnehmer
aufgrund einer mit dem Betriebsrat geschlossenen Vereinbarung sog.
Invest-Überstunden leisten. Eine Auszahlung des Überstundenguthabens war
ausgeschlossen. Die Arbeitnehmer hatten nur die Möglichkeit, das Guthaben in
Genussrechtskapital – eine Gewinnbeteiligung ohne gesellschaftsrechtliche
Mitgliedschaftsrechte – umzuwandeln oder einen Arbeitszeitausgleich
durchzuführen. A war ein Arbeitszeitausgleich wegen seiner zeitlichen Einbindung
nicht möglich. Er wandelte daher im März 2004 134 Invest-Überstunden in
Genussrechtskapital um und versteuerte einen Bruttoarbeitslohn von 3.915 EUR,
für den ihm netto ein Genussrechtskapital von 2.491 EUR gutgeschrieben wurde.

In 2007 wurde über das
Vermögen der H das Insolvenzverfahren eröffnet. Bereits in 2007 stand für A
erkennbar fest, dass auf seine Genussrechtsforderung keine Zahlung erfolgen
wird. Bei der Einkommensteuerveranlagung 2007 erklärte A den Verlust des
Genussrechtskapitals vergeblich als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus
nichtselbstständiger Arbeit. Das Finanzgericht gab der Klage, mit der A den
Kapitalverlust von 2.491 EUR geltend machte, statt.

 

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof
wies die Revision des Finanzamts zurück.

Gewährt ein Arbeitnehmer
ein Darlehen, um Zinsen zu erwirtschaften, stehen regelmäßig die Einkünfte aus
Kapitalvermögen im Vordergrund. Geht in einem solchen Fall die Darlehensvaluta
verloren, ist der Verlust des Kapitals grundsätzlich nicht abziehbar. Der
Verlust kann jedoch als Werbungskosten bei den Einkünften aus
nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigt werden, wenn der Arbeitnehmer das
Risiko des Darlehensverlusts aus beruflichen Gründen bewusst auf sich genommen
hat und daher die Nutzung des Kapitals zur Erzielung von Zinseinkünften in den
Hintergrund rückt.

Entscheidend dafür, was für
die Darlehensgewährung im Vordergrund steht, sind die Gesamtumstände des Falls.
Hier stand die Sicherung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit im
Vordergrund. Denn A hätte, wenn er der Umwandlung des Überstundenguthabens nicht
zugestimmt hätte, keine Entlohnung für die unbezahlt geleisteten Überstunden
erhalten und seinen Arbeitsplatz erheblich gefährdet.

 

3. Kein
Splittingtarif für (noch) nicht eingetragene Lebenspartner

 

Die Partner einer
Lebensgemeinschaft können für Jahre, in denen das Lebenspartnerschaftsgesetz
(LPartG) noch nicht in Kraft war, keine Zusammenveranlagung
wählen.

 

Hintergrund
A lebte seit 1997 mit
C in einer Lebensgemeinschaft. In 1999 schlossen A und C einen notariell
beurkundeten „Partnerschaftsvertrag“ aufgrund dessen A an C Unterhalt zu leisten
hatte.

A wurde für das Streitjahr
2000 vom Finanzamt einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei berücksichtigte
das Finanzamt die Unterhaltszahlungen an C mit dem seinerzeitigen Höchstbetrag
von 13.500 DM. Mit der Klage beantragte A die Zusammenveranlagung mit C und
hilfsweise, die Unterhaltszahlungen mit 40.000 DM als außergewöhnliche Belastung
zu berücksichtigen. Das Finanzgericht wies die Klage ab.

Während des anschließenden
Revisionsverfahrens erging die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur
Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses eingetragener Lebenspartner vom
Ehegattensplitting. A meinte, die Grundsätze dieser Entscheidung müssten auch
für ihn gelten. Denn er habe, da das LPartG erst zum 1.8.2001 in Kraft getreten
sei, im Streitjahr 2000 noch keine Partnerschaft eingehen können. Mit dem 1999
geschlossenen notariellen Partnerschaftsvertrag habe er die stärkst mögliche
Bindung gewählt.

 

Entscheidung
Als Reaktion auf die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde in 2013 das
Einkommensteuergesetz dahin ergänzt, dass die Regelungen zu Ehegatten auch auf
Lebenspartnerschaften anzuwenden sind. Dies gilt rückwirkend in allen Fällen, in
denen – wie im Streitfall – die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig
wurde. Das Gesetz spricht zwar lediglich von
Lebenspartnern/Lebenspartnerschaften und nicht von Partnern einer eingetragenen
Lebenspartnerschaft. Das bedeutet jedoch nicht, dass Partner einer
Lebensgemeinschaft, die keine Partner im Sinne des LPartG sind, in den Genuss
der Vorteile kommen können, die vor der Neuregelung allein Ehegatten vorbehalten
waren. Denn für das Bundesverfassungsgericht war ausschlaggebend, dass wegen der
durch das LPartG ab 2001 bestehenden Möglichkeit gleichgeschlechtlich
orientierter Menschen, eine Lebenspartnerschaft einzugehen, solche
Partnerschaften sich herkömmlichen Ehen angenähert hätten. Vor Einführung des
LPartG war somit auch aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts eine
steuerliche Ungleichbehandlung von Ehegatten einerseits und zusammenlebenden
homosexuellen Paaren andererseits nicht zu beanstanden.

Der Bundesfinanzhof wies
die Revision daher zurück. Auch der Hilfsantrag, höhere Unterhaltsaufwendungen
zu berücksichtigen, blieb ohne Erfolg.

 

4. Auch
Schneeschippen fällt unter haushaltsnahe Dienstleistungen

 

Die Kosten für eine
Schneeräumung auf öffentlichen Gehwegen entlang einer Grundstücksgrenze fallen
nicht unter steuerbegünstigte haushaltsnahe Dienstleistungen, meint die
Finanzverwaltung. Der Bundesfinanzhof sieht das anders.

 

Hintergrund
Mit der
Steuerbegünstigung für haushaltsnahe Dienstleistungen hat der Gesetzgeber
Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet, 20 % der Lohnkosten von
Dienstleistern, die bei Arbeiten im und um den Haushalt anfallen, von der Steuer
abziehen können. Der Höchstbetrag des Abzugs liegt bei 4.000 EUR pro Jahr. Im
Streitfall, der die gesetzliche Regelung im Jahr 2008 betraf, hatte ein Ehepaar
eine Firma beauftrag, den Schnee auf der öffentlichen Straßenfront entlang ihres
Grundstücks zu räumen. Dabei entstanden Kosten von 143 EUR, die das Paar als
haushaltsnahe Dienstleistung geltend machte. Das Finanzamt lehnte den Abzug
unter Hinweis auf das Anwendungsschreiben des Bundesfinanzministeriums ab.
Danach sind Dienstleistungen wie die Straßen- und Gehwegreinigung oder der
Winterdienst auf öffentlichem Gelände nicht begünstigt.

 

Gerichte: Begriff Haushalt
darf nicht zu eng ausgelegt werden
            
Schon in der ersten Instanz vor
dem Finanzgericht hatte das Ehepaar Erfolg mit seiner Klage. Denn das Gericht
bejahte anders als das Finanzamt den Zusammenhang mit dem Haushalt und gab der
Klage statt. Auch der Bundesfinanzhof vertrat eine großzügigere Auffassung und
wies die Revision des Finanzamts zurück. Der Begründung zufolge müsse eine
„haushaltsnahe Dienstleistung“ eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung
aufweisen oder damit im Zusammenhang stehen. Dazu gehören hauswirtschaftliche
Arbeiten, die Mitglieder des Haushalts oder Beschäftigte erledigt und die in
regelmäßigen Abständen anfallen.

Die Dienstleistung müsse
außerdem im räumlichen Bereich des Haushalts geleistet werden. Dazu gehören
zunächst die Wohnung und das Grundstück. Der Begriff „im Haushalt“ dürfe aber
nicht nur räumlich, sondern müsse auch funktional ausgelegt werden, heißt es in
dem Urteil weiter. Denn die Grenzen eines Haushalts werden nicht nur durch die
Grenzen des Grundstücks abgesteckt. Vielmehr müssten auch Tätigkeiten auf
fremdem Grund, die in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang zum Haushalt stehen,
berücksichtig werden. Dazu gehörten die Reinigung von Straßen und Gehwegen sowie
der Winterdienst. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs gilt das insbesondere
dann, wenn der Eigentümer oder Mieter dazu verpflichtet ist. Derartige
Aufwendungen sind daher nicht nur anteilig für das Privatgelände, sondern in
vollem Umfang begünstigt.

Der Bundesfinanzhof wies
schließlich noch auf den eigentlichen Grund für die Einführung der
Steuerbegünstigung hin: die Bekämpfung der Schwarzarbeit. Auch dies spreche für
eine nicht zu enge Gesetzesauslegung, denn Grundstückseigentümer und
Dienstleister könnten sonst vereinbaren, dass nur die Schneeräumung auf dem
Grundstück korrekt abgerechnet und die Reinigung des Gehwegs „schwarz“ bezahlt
werde.

 


 

5. Eigentümer
können Stellplätze zugelassenen  Fahrzeugen vorbehalten

 

Eine Regelung, dass auf den
gemeinschaftlichen Stellplätzen einer Wohnungseigentumsanlage nur angemeldete
Fahrzeuge parken dürfen, entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung.

 

Hintergrund
Ein Wohnungseigentümer
wendet sich mit einer Anfechtungsklage gegen mehrere Beschlüsse, die die
Eigentümer in einer Eigentümerversammlung gefasst haben.

Die Eigentümer fassten
unter anderem den Beschluss, dass auf den gemeinschaftlichen Stellplätzen nur
angemeldete Pkw abgestellt werden dürfen. Anhänger sowie Wohnwagen dürfen dem
Beschluss zufolge dort längstens für 14 Tage geparkt werden.

Ein Wohnungseigentümer hat
gegen den Beschluss Anfechtungsklage erhoben. Der Beschluss führe dazu, dass
einzelne Eigentümer privilegiert würden, während andere faktisch von der
Mitbenutzung ausgeschlossen würden. Dies sei hier der Fall, weil er auf einem
der Stellplätze ein Wohnmobil abstellen wolle, das im Winter abgemeldet sei.

 

Entscheidung
Die Anfechtungsklage
hat keinen Erfolg. Die beschlossene Nutzungsregelung, dass auf den Stellplätzen
nur angemeldete Fahrzeuge abgestellt werden dürfen, entspricht ordnungsgemäßer
Verwaltung.

Die gemeinschaftlichen
Stellplätze sind nicht nur den Wohnungseigentümern, sondern auch Dritten
zugänglich, wie etwa den Fahrzeugen der städtischen Reinigungsbetriebe,
Postfahrzeugen oder Fahrzeugen von Besuchern. Auch wenn es sich nicht um eine
öffentliche Fläche im Rechtssinne handelt, ist es daher geboten, dafür zu
sorgen, dass dort nur zugelassene Fahrzeuge stehen, damit bei Schadensfällen
eine Pflichtversicherung eintritt, jedenfalls dann, wenn die Fahrzeuge bewegt
werden.

Ebenfalls ist es nicht zu
beanstanden, dass Anhänger, Wohnwagen usw. nicht länger als 14 Tage auf den
Stellplätzen abgestellt werden dürfen. Die Stellplätze sind keine
Dauerparkeranlage, sondern müssen allen Wohnungseigentümern gleichmäßig zur
Verfügung stehen. Dementsprechend ist auch zu gewährleisten, dass die Eigentümer
im Wechsel dort parken können.

Die beschlossene Regelung
stellt keine Privilegierung anderer Eigentümer dar. Vielmehr stellte die
bisherige Praxis, dass der Kläger ein nicht angemeldetes Wohnmobil abstellte,
eine Privilegierung des Klägers dar. Dadurch wurde von ihm nämlich praktisch ein
Dauernutzungsrecht ausgeübt. Dies müssen die anderen Eigentümer, die die
Stellplätze auch nutzen wollen, nicht hinnehmen. Die Regelung ist daher nicht zu
beanstanden.

 

6.  
Einspruch
durch einfache E-Mail ist unwirksam

 

Mit einer einfachen E-Mail
kann der Bescheid einer Behörde nicht wirksam angefochten werden. Betroffene
müssen damit rechnen, dass der Bescheid, gegen den sie sich wenden wollen,
deshalb mangels wirksamer Anfechtung zu ihren Ungunsten bestandskräftig
wird.

 

Hintergrund
Im Streitfall hatte
die Mutter eines volljährigen Kindes gegen den Aufhebungs- und
Rückforderungsbescheid der Familienkasse lediglich mit einfacher E-Mail
Einspruch eingelegt. Die Familienkasse wertete die einfache E-Mail zwar als
wirksamen Einspruch, wies diesen Einspruch jedoch in der Sache als unbegründet
zurück.

 

Entscheidung
Die hiergegen erhobene
Klage der Mutter hatte keinen Erfolg. Das Hessische Finanzgericht entschied,
dass der mit der einfachen E-Mail angegriffene Bescheid – entgegen der
übereinstimmenden Auffassung der Klägerin und der Familienkasse – bereits
mangels wirksamer Anfechtung bestandskräftig geworden ist. Denn ein lediglich
mittels einfacher E-Mail eingelegter Einspruch genüge den gesetzlichen
Erfordernissen nicht. Eine Entscheidung zu der Frage, ob der Bescheid inhaltlich
rechtmäßig war, sei deshalb nicht mehr zu treffen.

Im Einzelnen hat das
Hessische Finanzgericht darauf hingewiesen, dass eine elektronische
Einspruchseinlegung zwingend mit einer sog. qualifizierten elektronischen
Signatur nach dem Signaturgesetz zu versehen sei. Hierdurch werde
sichergestellt, dass die besonderen Zwecke der bisher üblichen Schriftform im
Zeitpunkt der Rechtsbehelfseinlegung auch im modernen elektronischen
Rechtsverkehr erfüllt werden. Nur durch die qualifizierte elektronische Signatur
könne gewährleistet werden, dass der E-Mail neben dem Inhalt der Erklärung auch
die Person, von der sie stammt, hinreichend zuverlässig entnommen werden könne.
Außerdem werde sichergestellt, dass es sich hierbei nicht nur um einen Entwurf
handele, sondern dass die E-Mail mit dem Wissen und dem Willen des Betroffenen
der Behörde zugeleitet worden sei. Dies werde auch durch die gesetzlichen
Regelungen des ab dem 1.8.2013 in Kraft getretenen sog. E-Government-Gesetzes
belegt. Denn der Gesetzgeber habe dort bewusst auf die Versendung elektronischer
Dokumente nach dem De-Mail-Gesetz und eben nicht auf die allgemein gebräuchliche
E-Mail-Kommunikation zurückgegriffen.

Schließlich könne sich die
Klägerin nicht darauf stützen, dass Finanzbehörden und Familienkassen in der
Praxis bisher auch einfache E-Mails als formwirksamen Einspruch angesehen
hätten. Denn der Verwaltung stehe es aufgrund des Prinzips der Gewaltenteilung
nicht zu, mittels Richtlinien (hier: des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung)
die gesetzlichen Formerfordernisse außer Kraft zu setzen. Weil im konkreten
Streitfall seit der Einspruchseinlegung durch einfache E-Mail mehr als ein Jahr
vergangen war, könne sich die Klägerin schließlich auch nicht auf mangelndes
Verschulden im Rahmen eines sog. Widereinsetzungsantrags berufen.

 

7.  Der
gesetzliche Zinssatz von 6 % pro Jahr ist nicht verfassungswidrig

 

Der Bundesfinanzhof hält
den gesetzlichen Zinssatz von 6 % pro Jahr nicht für verfassungswidrig und sieht
deshalb von einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ab.

 

Hintergrund
Zu entscheiden war, ob
der typisierte gesetzliche Zinssatz von 0,5 % pro Monat (= 6 % pro Jahr) für
Aussetzungszinsen noch verfassungsgemäß ist.

Eheleute veräußerten im
April 2002 eine im November 1996 erworbene Eigentumswohnung. Im
Einkommensteuerbescheid 2002 unterwarf das Finanzamt den Veräußerungsgewinn von
rund 62.000 EUR der Einkommensteuer. Mit ihrem Einspruch beriefen sich die
Eheleute auf die Verfassungswidrigkeit der rückwirkenden Verlängerung der
Spekulationsfrist. Auf ihren Antrag gewährte das Finanzamt die Aussetzung der
Vollziehung in Höhe der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuer (rund
30.000 EUR).

Nach Ergehen der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in 2010, dass die Verlängerung der
Spekulationsfrist von 2 auf 10 Jahre teilweise verfassungswidrig und nichtig
ist, behandelte das Finanzamt nur noch einen Teil (rund 34.000 EUR) des
Veräußerungsgewinns als steuerpflichtig und setzte die Einkommensteuer
entsprechend niedriger fest. Die Aussetzung der Vollziehung wurde aufgehoben.
Für den Zeitraum der Aussetzung (11.11.2004 bis 21.3.2011 = 76 Monate) setzte
das Finanzamt im März 2011 die strittigen Aussetzungszinsen in der gesetzlichen
Höhe (0,5 % pro Monat) mit 6.023 EUR fest.

Die dagegen gerichtete
Klage, mit der die Eheleute vortrugen, es habe sich mittlerweile ein
Niedrigzinsniveau stabilisiert, wies das Finanzgericht mit der Begründung ab,
dem Gesetzgeber stehe eine gewisse Beobachtungszeit zu, bevor eine Anpassung an
geänderte Verhältnisse notwendig werde.

 

Entscheidung
Auch vor dem
Bundesfinanzhof war den Eheleuten kein Erfolg beschieden. Der Bundesfinanzhof
verneint – jedenfalls für den Streitzeitraum bis März 2011 –
verfassungsrechtliche Bedenken gegen den typisierten Zinssatz. Er lehnte daher
eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ab und wies die Revision zurück.

Zunächst verweist der
Bundesfinanzhof auf den weitreichenden Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers
im Bereich des Steuerrechts. Um das Massenverfahren praktikabel zu handhaben,
sind Typisierungen und Vereinfachungen unerlässlich. Zwar lag der
Effektivzinssatz für Einlagen privater Haushalte deutlich unter dem gesetzlichen
Zinssatz. Für den Vergleich ist jedoch auch der Darlehenszinssatz (Finanzierung
von Steuernachzahlungen) heranzuziehen. Bei dem Vergleich mit diesem Zinssatz
hält sich der gesetzliche Satz (6 % pro Jahr) noch in einem angemessenen Rahmen.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Forderungen des Finanzamts
regelmäßig nicht besichert sind, sodass der (höhere) Zinssatz für unbesicherte
Darlehen heranzuziehen wäre.

Sodann betont der
Bundesfinanzhof, dass sich der Marktzins erst nach dem streitgegenständlichen
Verzinsungszeitraum (März 2011) auf relativ niedrigem Niveau stabilisiert hat.
Der Bundesfinanzhof hatte daher im Streitfall nicht zu entscheiden, ob sich die
wirtschaftlichen Verhältnisse für die Folgezeit so entscheidend geändert haben,
dass die gesetzgeberische Entscheidung durch neue, im Zeitpunkt des
Gesetzeserlasses noch nicht abzusehende Entwicklungen entscheidend in Frage
gestellt wird.

 

8. Grundstückskosten
für einen behindertengerechten Neubau sind nicht abziehbar

 

Bei der Errichtung eines
behindertengerechten Bungalows sind auch die auf die zusätzliche
Grundstücksfläche entfallenden Anschaffungskosten nicht als außergewöhnliche
Belastung zu berücksichtigen.

 

Hintergrund
Die Eheleute X
errichteten in 2009/2010 einen Bungalow. Die Ehefrau leidet an Multipler
Sklerose und ist schwerbehindert (Grad der Behinderung 80). Aufgrund der
behinderungsbedingten Anforderungen an die Wohnfläche entschlossen sie sich für
die eingeschossige Bauweise. Diese erforderte im Vergleich zu einer
mehrgeschossigen Bauweise aufgrund des Bebauungsplans den Erwerb einer um 152 qm
größeren Grundstücksfläche. Dadurch ergaben sich Mehrkosten für den Baugrund von
rund 13.000 EUR.

Die Eheleute machten diese
Mehrkosten vergeblich als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzgericht
vertrat einen großzügigeren Standpunkt und gab der Klage statt. Es ging davon
aus, die behindertengerechte Gestaltung (Wendeflächen für den Rollstuhl,
breitere Türen, größerer Sanitärbereich usw.) habe eine um 46 qm größere
Grundfläche erfordert mit der Folge, dass die Eheleute aufgrund der
Bauvorschriften (Grundflächenzahl) zur Anschaffung eines größeren Baugrundstücks
gezwungen gewesen seien.

 

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof
widerspricht dem Finanzgericht. Das Finanzgerichtsurteil wurde auf die Revision
des Finanzamts aufgehoben. Die Klage wurde abgewiesen.

Der Bundesfinanzhof
bekräftigt zunächst den Grundsatz, dass die Mehraufwendungen für die
behinderungsgerechte Gestaltung des Wohnumfelds regelmäßig zwangsläufig
erwachsen. Das gilt auch für behinderungsbedingte Mehrkosten für einen Umbau
oder Neubau. Denn eine schwerwiegende Behinderung begründet eine tatsächliche
Zwangslage, die eine behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfelds
unausweichlich macht.

Anders ist es jedoch bei
den Anschaffungskosten für ein Grundstück. Hier fehlt es an der
Zwangsläufigkeit. Das gilt selbst dann, wenn der Betreffende infolge Krankheit
oder Unfall in seiner bisherigen Wohnung oder in seinem bisherigen Haus nicht
weiterhin wohnen kann. Denn die Anschaffungskosten für ein Grundstück weisen
zunächst keinen Bezug zur Krankheit oder Behinderung auf, da sie einem Gesunden
ebenfalls entstanden wären.

Dies gilt auch für die
Mehrkosten für ein größeres Grundstück, das erforderlich ist, um die
persönlichen Wohnvorstellungen behinderten- oder krankheitsgerecht zu
verwirklichen. Denn dieser Mehraufwand ist – anders als behinderungsbedingte
bauliche Maßnahmen – nicht in erster Linie der Krankheit oder Behinderung
geschuldet, sondern Folge des frei gewählten Wohnflächenbedarfs. Der Aufwand
wird von der Abgeltungswirkung des Grundfreibetrags erfasst und kann nicht
nochmals als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

 

9.  
Mieter
muss Arbeiten tagsüber dulden

 

Die Pflicht des Mieters,
Instandsetzungs- oder Modernisierungsarbeiten in der Wohnung zu dulden, bezieht
sich zeitlich auf die üblichen Arbeitszeiten an Werktagen. Dabei muss der
Vermieter auf die Belange des Mieters Rücksicht nehmen.

 

Hintergrund
Der Vermieter einer
Wohnung verlangt vom Mieter, den Austausch vorhandener Heizkostenverteiler sowie
Wasserzähler gegen Geräte auf der Basis von Funktechnik zu dulden. Die Arbeiten
sollen tagsüber an einem Werktag stattfinden.

Der Mieter lehnt eine
Ausführung der Arbeiten vor 18 Uhr ab, da er berufstätig ist.

 

Entscheidung
Der Mieter muss den
Austausch der Heizkostenverteiler und der Zähler an einem Werktag zwischen 10
und 13 Uhr oder 15 bis 18 Uhr nach vorheriger schriftlicher Ankündigung mit
einer Frist von 2 Wochen dulden.

Beim Austausch der Geräte
handelt es sich um eine Bagatellmaßnahme, die keiner detaillierten Ankündigung
bedurfte.

Der Vermieter ist nicht
gehalten, für Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten ausschließlich die
Terminwünsche des Mieters zu beachten. Die Duldungspflicht des Mieters bezieht
sich in zeitlicher Hinsicht auf die üblichen Arbeitszeiten an Werktagen. Zwar
muss der Vermieter auf die Belange des Mieters Rücksicht nehmen. Hier war aber
nicht erkennbar, warum es dem Mieter nicht möglich sein soll, die relativ kurz
dauernden Arbeiten tagsüber ausführen zu lassen. Der pauschale Hinweis des
Mieters, er sei berufstätig, reicht nicht aus. Auch war nicht ersichtlich, wieso
es dem Mieter unzumutbar sein soll, dem Vermieter den Zugang zu der Wohnung zu
ermöglichen oder einen Dritten damit zu beauftragen.

 

10. Kindergeld
für die nicht verheiratete Tochter mit eigenem Kind

 

Ab 2012 ist der
Unterhaltsanspruch, der der nicht verheirateten Tochter gegen den Vater ihres
Kindes zusteht, für den Kindergeldanspruch ohne Bedeutung.

 

Hintergrund
X ist Vater einer
Tochter (T), für die er Kindergeld bezog. T ist Mutter eines 2010 geborenen
Kindes. Sie befand sich in einer Berufsausbildung.

Die Familienkasse hob
gegenüber V die Festsetzung des Kindergelds für T ab Januar 2013 auf, weil nicht
mehr die Eltern gegenüber T unterhaltspflichtig seien, sondern der Vater des
Kindes.

Das Finanzgericht gab der
Klage mit der Begründung statt, nach der Rechtslage ab 2012 komme es auf etwaige
Unterhaltsansprüche gegen den Vater des Kindes nicht mehr an.

 

Entscheidung
Ebenso wie das
Finanzgericht ist auch der Bundesfinanzhof der Auffassung, dass der
Unterhaltsanspruch, der T gegen den Vater ihres Kindes zusteht, für die
Kindergeldberechtigung des X ohne Bedeutung ist. Damit steht X für die in 1992
geborene (über 18-jährige, noch nicht 25 Jahre alte) T Kindergeld zu, da sie
sich in Berufsausbildung befand und noch keine erstmalige Berufsausbildung oder
ein Erststudium abgeschlossen hatte.

Der Bundesfinanzhof beruft
sich auf den Gesetzeswortlaut. Danach ist ab 2012 die Höhe der Einkünfte und
Bezüge des Kindes – im Gegensatz zu der bis Ende 2011 geltenden Rechtslage –
ohne Bedeutung. Der Bundesfinanzhof hatte bereits in einem früheren Urteil unter
Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die Verheiratung
eines Kindes der kindergeldrechtlichen Berücksichtigung nicht entgegensteht,
weil dafür keine typische Unterhaltssituation vorausgesetzt wird. Der
Unterhaltsanspruch eines verheirateten Kindes gegenüber seinem Ehegatten wirkt
sich auf den Kindergeldanspruch nicht aus. Wie der Bundesfinanzhof in dem
aktuellen Fall nun entschieden hat, gilt Entsprechendes auch für den
Unterhaltsanspruch einer nicht verheirateten Tochter gegen den Vater ihres
Kindes.

 

11. Erfassung
von Ausgleichzahlungen zwischen ehemaligen Eheleuten

 

Fließen zwischen ehemaligen
Eheleuten zur Vermeidung des Versorgungsausgleichs Ausgleichszahlungen, sind
diese Zahlungen beim Empfänger steuerlich nicht zu erfassen.

 

Hintergrund
Die Klägerin ist seit
dem Jahr 2006 in zweiter Ehe wieder verheiratet und wurde in den Streitjahren
2006 und 2007 mit ihrem zweiten Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Im Zuge des
Scheidungsverfahrens bez. der im Jahr 1994 geschlossenen ersten Ehe hatte die
Klägerin mit ihrem ehemaligen, ersten Ehemann im Februar 2006 zur Vermeidung des
Versorgungsausgleichs eine notariell beurkundete und vom Familiengericht
genehmigte Ausgleichsvereinbarung getroffen. Nach dieser Vereinbarung übertrug
der ehemalige Ehemann im Jahr 2006 an die Klägerin einen Bausparvertrag mit
einem Wert von ca. 30.000 EUR und zahlte einen Geldbetrag in Höhe von 5.000 EUR.
In den Jahren 2007 bis 2010 waren nach der Vereinbarung vom Februar 2006
zugunsten der Klägerin durch den ehemaligen Ehemann zudem weitere Zahlungen in
Höhe von 32.000 EUR (2007), 23.000 EUR (2008) und jeweils 20.000 EUR (2009 und
2010) zu erbringen.

Während das Finanzamt den
zwischen den ehemaligen Eheleuten vereinbarten und durchgeführten finanziellen
Ausgleich in den Jahren 2006 und 2007 zu Lasten der Klägerin als sonstige
Einkünfte in Form von wiederkehrenden Bezügen der Besteuerung unterwarf, stellte
sich die Klägerin auf den Standpunkt, dass die Ausgleichzahlungen mangels
Rechtsgrundlage nicht steuerbar sind.

 

Entscheidung
Die Klage hatte
Erfolg. Das Hessische Finanzgericht entschied, dass die von der Klägerin
erhaltenen Ausgleichzahlungen keiner Einkunftsart zuzuordnen sind.
Entschädigungen seien zu verneinen, weil die Klägerin durch den Verzicht auf den
Versorgungsausgleich nicht auf zukünftige Einkünfte aus nichtselbstständiger
Arbeit verzichtet habe. Bei den Ausgleichszahlungen handele es sich auch nicht
um den Ersatz für Renteneinkünfte sondern vielmehr um Ersatzleistungen für
Verluste oder Wertminderungen im nicht steuerverhafteten Privatvermögen. Solche
Ersatzleistungen unterlägen aber nicht dem Anwendungsbereich des
Einkommensteuergesetzes und könnten damit auch nicht der Einkommensteuer
unterliegen. Schließlich habe die Klägerin als ausgleichsberechtigter Ehegatte
mit dem Verzicht auf den Versorgungsausgleich gegen Abfindung einen
Vermögenswert – nämlich das Recht auf Bildung einer Versorgungsanwartschaft – in
seiner Substanz endgültig aufgegeben. Dabei handele es sich um einen
veräußerungsähnlichen Vorgang, der auch nicht der Besteuerung unterliege.

 

12. Vorauszahlung
von Zahnbehandlungskosten als Gestaltungsmissbrauch

 

Die Vorauszahlung der
gesamten Kosten einer sich über mehrere Jahre erstreckenden Zahnbehandlung zum
Zwecke des Abzugs der Gesamtkosten im Zahlungsjahr als außergewöhnliche
Belastung kann gestaltungsmissbräuchlich sein.

 

Hintergrund
Streitig war, ob im
Streitjahr 2009 vorausbezahlte Kosten einer Zahnbehandlung in Höhe von 45.000
EUR in diesem Jahr als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind. Die
Behandlung erstreckte sich über 2 Jahre. Die Zahlung erfolgt nicht aufgrund
einer Festkostenvereinbarung, sondern als Vorauszahlung auf die anfallenden
Gesamtkosten, bevor der größte Teil der Behandlung sowie die erforderlichen
prothetischen Maßnahmen durchgeführt wurden. Der Steuerpflichtige erhielt im
Streitjahr von seinem früheren Arbeitgeber eine Abfindung in Höhe von 250.000
EUR für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2008.

Das Finanzamt sah in der
Geltendmachung des vorausgezahlten Betrags einen Gestaltungsmissbrauch und
berücksichtigte im Schätzwege lediglich die Kosten, die in 2009 auf bereits
angefallene Zahnbehandlungen entfielen.

 

Entscheidung
Das Finanzgericht wies
die Klage des Steuerpflichtigen ab. Zwangsläufig entstandene Krankheitskosten
sind grundsätzlich im Veranlagungszeitraum der Verausgabung, vermindert um zu
erwartende Ermäßigungen, zu berücksichtigen. Ein zum Abzug im Jahr der
Verausgabung in voller Höhe berechtigender Zahlungsabfluss liegt jedoch dann
nicht vor, wenn zum Steuerabzug berechtigende Kosten ohne wirtschaftlich
vernünftigen Grund vorausgezahlt werden, weil die Vorauszahlung in diesem Fall
einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten darstellt.

Im Streitfall lag kein
wirtschaftlich vernünftiger außersteuerrechtlicher Grund dafür vor, dass der
Steuerpflichtige die gesamten Kosten der sich über einen Zeitraum von fast 2
Jahren erstreckenden Zahnbehandlung bereits bei Beginn der Behandlung im
Dezember 2009 vorausbezahlt hat. Einzig verbleibender Grund für die
Vorauszahlung im Dezember 2009 war daher die Erzielung eines maximalen
Steuervorteils, der sich vor allem daraus ergab, dass der Steuerpflichtige wegen
der im Streitjahr erhaltenen Abfindung in Höhe von 250.000 EUR einer hohen
Steuerprogression unterlag. Entsprechend war daher als außergewöhnliche
Belastung nur der Teil der Kosten der Zahnbehandlung im Streitjahr abzugsfähig
ist, der im Fall einer angemessenen Gestaltung entstanden wäre.

 

13. Wann
können Eltern oder Ehegatten Schenkungen wegen Notbedarfs zurückfordern?

 

Schenkungen, auch im Rahmen
vorweggenommener Erbfolge, sind für alle Beteiligten riskant, soweit es um eine
umfassende Vermögensübertragung geht. Der Schenker riskiert die finanzielle
Abhängigkeit vom Ehepartner und den Kindern, schlimmstenfalls Altersarmut. Wann
kann in einem solchen Fall die Schenkung wiederrufen werden?

 

Soweit der Schenker nach
der Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt
selbst zu bestreiten, kann er von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks
fordern.

 

Gesetzliches
Rückforderungsrecht
               
Der Anspruch auf Rückgewähr
des Geschenks wegen Notbedarfs setzt nur voraus, dass die Schenkung vollzogen
ist und die schenkende Person nach Abschluss des Schenkungsvertrags nicht in der
Lage ist, ihren angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Es kommt nicht darauf an,
ob der Notbedarf vor oder nach Vollziehung der Schenkung entstanden ist. Eine
Rückforderung kommt auch bei gemischter Schenkung in Betracht.

Das Rückforderungsrecht
besteht gegenüber jedem Beschenkten, unabhängig vom Verwandtschaftsgrad.

 

Abwendung der Herausgabe
des Geschenks
             
Der Beschenkte kann die
Herausgabe des Geschenks durch Zahlung des für den Unterhalt erforderlichen
Betrags abwenden. Der Rückforderungsanspruch ist auf die regelmäßig
wiederkehrenden Leistungen zur Bedarfsdeckung beschränkt.

 

Wann ist der
Rückforderungsanspruch ausgeschlossen?
        
Der Anspruch auf Herausgabe des
Geschenks ist aber ausgeschlossen, soweit der Beschenkte bei Berücksichtigung
seiner sonstigen Verpflichtungen (gegenwärtig) außerstande ist, das Geschenk
herauszugeben, ohne dass sein standesmäßiger Unterhalt oder die Erfüllung seiner
gesetzlichen Unterhaltspflichten gefährdet wird.

 

Rückforderung eines
Grundstücks

Macht der verarmte Schenker den
Rückforderungsanspruch bezüglich eines Rechts an einem Grundstück geltend, kann
der Beschenkte seiner auf Zahlung entsprechend der Bedürftigkeit des Schenkers
gerichteten Zahlungspflicht dadurch entgehen, dass er die Rückübertragung des
Geschenks anbietet.

 

Nach Ablauf der
10-Jahres-Frist ist eine Rückforderung nicht mehr möglich
    
Der Anspruch auf Herausgabe des
Geschenks ist ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Eintritts der Bedürftigkeit des
Schenkers seit der Leistung des geschenkten Gegenstandes 10 Jahre verstrichen
sind.

Die 10-Jahres-Frist beginnt
mit Vollzug der Schenkung zu laufen. Wird ein Grundstück ohne Gegenleistung
übertragen, ist dies bereits dann der Fall, wenn der Beschenkte auf der Basis
eines formgerechten Schenkungsvertrags und der Auflassung einen Antrag auf
Eintragung der Rechtsänderung beim Grundbuchamt gestellt hat.

Nur wenn eine notariell
Rückforderungsklauseln zugunsten des Schenkers vereinbart worden sind, ist das
Rückforderungsrecht nicht auf 10 Jahre beschränkt.

 


 

14.   Riester-Verträge
sind in der Regel pfändbar

 

Finanzhäuser vermitteln in
der Regel, das in Riester-Verträgen angesparte Vermögen sei nicht pfändbar. Das
Gegenteil ist richtig, wie ein Urteil des Amtsgerichts München belegt.
Sämtliches Vermögen in Riester-Verträgen, soweit es auf Beiträgen beruht, die
(noch) nicht gefördert wurden, kann jederzeit gepfändet werden.

 

Das Amtsgericht München
schließt dies aus dem Wortlaut des Einkommensteuergesetzes, wo nicht von
förderfähigen, sondern nur von geförderten Beiträgen gesprochen wird. Bei den
nicht geförderten Beiträgen handelt es sich dem Amtsgericht München zufolge
nicht nur um solche Beiträge, die von Anfang als nicht förderfähige
Überzahlungen vertraglich vereinbart wurden, sondern auch um sämtliche Beiträge,
für die eine Förderung zum Pfändungszeitpunkt tatsächlich noch nicht erfolgt
ist.

 

Förderfähigkeit von
Beiträgen steht einer Pfändbarkeit bei Riester nicht entgegen
      
Weil wegen der Pfändbarkeit im
Wortlaut der gesetzlichen Vorschriften nur auf die tatsächlich geförderten, aber
nicht die prinzipiell „förderfähigen“ Beiträge und das daraus aufgebaute
Vermögen abgestellt wird, ist das gesamte angesparte Riester-Kapital aus
Beiträgen, für die noch keine Förderung geleistet wurde, pfändbar.

Die Pfändung erfolgt auch
insoweit, als Antragsfristen noch nicht abgelaufen sind und die Förderung daher
grundsätzlich noch möglich wäre. Dies gilt auch, wenn im Jahr Beiträge
eingezahlt wurden, aber die Förderung noch nicht, sondern erst nach Ablauf des
Jahresendes beantragt werden kann. Und auch, wenn die Förderung schon beantragt
wurde, aber über den Förderantrag noch nicht entschieden wurde oder die
Förderung noch nicht ausgezahlt wurde, ist eine Pfändung möglich.

 

Kein Pfändungsschutz in
unbegrenzter Höhe durch Verteilung auf mehrere Verträge
  
Kein Riester-Sparer kann sein Vermögen in
unbegrenzter Höhe auf beliebig viele Riester-Verträge verteilen, und bei jedem
einzelnen Vertrag, wenn er entdeckt wird, jeweils noch eine Pfändung verhindern,
indem er auf die gesetzliche Fördermöglichkeit verweist. Der Gesetzgeber schützt
nur die tatsächlich geförderten Beiträge und das daraus angesparte
Riester-Kapital.

Der Insolvenzverwalter
erhält oft das gesamte Riester-Vermögen aus überzahlten Beiträgen selbst für
Jahre der Förderung zurück, dazu die Beiträge der Jahre, für die eine Förderung
noch nicht beantragt beziehungsweise ausgezahlt wurde, und die Beiträge des
laufenden Jahres, für die noch gar kein Förderantrag gestellt werden konnte.

Der Riester-Sparer kann
rechtzeitig den Riester-Vertrag ganz oder teilweise kündigen, soweit er für ihn
keine Förderung erhalten hat, muss er dann eine solche nicht zurückzahlen.

Hinsichtlich des Rests muss
der Gläubiger abwarten, ob der Vertrag irgendwann gekündigt wird, oder sich der
Versicherungsnehmer das übliche 1/3 Teilkapital bei Rentenbeginn auszahlen
lässt.

Er kann aber spätestens die
Riester-Rente pfänden, wenn das Gesamteinkommen hoch genug ist, auch komplett.
Denn was vorher der Pfändung entgangen ist, kann als Rente gepfändet werden,
soweit mit allem anderen Einkommen zusammen die unpfändbaren Beträge
überschritten werden.