Mandantenbrief Steuern Privatpersonen Mai 2015

 

Privatbereich

1.

Progressionsvorbehalt: Privates
Krankentagegeld ist nicht einzubeziehen

2.

Außergewöhnlichen Belastungen:
Beschränkte Abziehbarkeit ist verfassungsgemäß

3.

Bei Abriss und Neubau des
Familienheims keine Befreiung von der Erbschaftsteuer

4.

Arbeiten zu Hause: Förster kann
Dienstzimmer unbeschränkt steuerlich absetzen

5.

Abfindung: Wann es die
Fünftelregelung trotz Teilleistung gibt

6.

Verwitterte Fenster: Kein
Anspruch des Mieters auf Instandsetzung oder Mietminderung

7.

Arbeitsunfall: Der Weg zum
Mittagessen ist versichert – oder doch nicht?

8.

Aufnahmen mit Dashcam: Damit
können Autofahrer nichts beweisen

9.

Mutter darf richtigen Vater
ihres Kindes verschweigen

10.

Die Belehrung über das
Widerrufsrecht darf auch auf der Rückseite abgedruckt werden

11.

Mindestabstand muss eingehalten
werden – auch wenn von hinten gedrängelt wird

12.

Wohnungseigentum: Gemeinschaft
darf rechtswidrigen Zustand auch nach Ablauf der Verjährung beseitigen

1.         
Progressionsvorbehalt:
Privates Krankentagegeld ist nicht einzubeziehen

 

Gesetzliches Krankengeld wird in den Progressionsvorbehalt einbezogen, das
Krankentagegeld aus einer privaten Krankenversicherung jedoch nicht. Das ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, urteilte der Bundesfinanzhof.

 

Hintergrund
Die Versicherte A ist in einer gesetzlichen Krankenversicherung
pflichtversichert. Sie bezog im Streitjahr 2009 Krankengeld in Höhe von rund
6.900 EUR, das vom Finanzamt als Lohnersatzleistung dem Progressionsvorbehalt
unterworfen wurde.

Die dagegen erhobene Klage war ohne
Erfolg. Das Finanzgericht war der Ansicht, dadurch, dass nur das Krankengeld
aus einer gesetzlichen, nicht aber das Krankentagegeld aus einer privaten
Krankenversicherung dem Progressionsvorbehalt unterliege, werde weder der
Gleichheitssatz noch das Sozialstaatsprinzip verletzt.

 

Entscheidung
Auch der Bundesfinanzhof verneinte einen Verfassungsverstoß. Die Revision wurde
daher zurückgewiesen.

Der besondere Steuersatz (Progressionssteuersatz) ist anzuwenden, wenn
Lohnersatzleistungen der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung
bezogen werden. Der Bundesfinanzhof hatte bereits für 1999 und 2002
entschieden, dass die Einbeziehung des Krankengelds der gesetzlichen
Krankenkassen in den Progressionsvorbehalt verfassungsgemäß ist, obwohl das
Krankentagegeld aus einer privaten Krankenversicherung nicht dem
Progressionsvorbehalt unterliegt. Ausschlaggebend für diese Rechtsprechung war
in erster Linie die unterschiedliche Ausgestaltung in öffentlich-rechtlicher
bzw. privater Organisationsform und die dadurch bedingten unterschiedlichen Grundstrukturen
sowie die unterschiedliche Ausrichtung durch das Solidarprinzip bei der
gesetzlichen Krankenversicherung einerseits und das Äquivalenzprinzip bei der
privaten Krankenversicherung andererseits.

An dieser Unterscheidung, die die unterschiedliche Behandlung rechtfertigt,
hält der Bundesfinanzhof auch für 2009 fest. Die ab 2009 geltende allgemeine
Krankenversicherungspflicht und der in der privaten Krankenversicherung
eingeführte Basistarif mit Kontrahierungszwang rechtfertigen keine andere
Beurteilung. Auch nach Einführung der allgemeinen Krankenversicherungspflicht
und des Basistarifs bestehen weiterhin grundsätzlich Unterschiede zwischen
gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Es kam lediglich zu punktuellen
Annäherungen.

Der Bundesfinanzhof verneint auch einen Verstoß gegen das
Sozialstaatsprinzip. Dieses gebietet im Steuerrecht lediglich, das
Existenzminimum vor einem steuerlichen Zugriff zu verschonen. Dem
Sozialstaatsprinzip ist kein Gebot zu entnehmen, Sozialleistungen in einer
bestimmten Weise oder einem bestimmten Umfang zu gewähren bzw. Angehörige der
gesetzlichen Sozialversicherung mit Angehörigen anderer Sicherungssysteme
gleichzustellen.

 



 

2.         
Außergewöhnlichen
Belastungen: Beschränkte Abziehbarkeit ist verfassungsgemäß

 

Bei Arbeitnehmern gehören die Altersvorsorgebeiträge
zum Bruttolohn. Beamte müssen dagegen keine Altersvorsorgebeiträge leisten.
Trotzdem führt die Berechnung der zumutbaren Belastung nicht zu einer
verfassungswidrigen Besserstellung von Beamten gegenüber Arbeitnehmern.

 

Hintergrund
Der Kläger
begehrt die Berücksichtigung zusätzlicher außergewöhnlicher Belastungen. Seiner
Ansicht nach ist die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der zumutbaren
Belastung um die geleisteten Beiträge an das Versorgungswerk zu kürzen. Die
Berechnung der zumutbaren Belastung verstößt gegen den Gleichheitssatz, da bei
Beamten die „fiktiven“ Beiträge zur Altersvorsorge nicht
berücksichtigt werden. Hieraus ergeben sich ein niedrigerer Gesamtbetrag der
Einkünfte und eine entsprechend geringere zumutbare Belastung, was letztlich zu
höheren abziehbaren außergewöhnlichen Belastungen bei Beamten führt. Das
Finanzamt verweist darauf, dass die zumutbare Belastung nach den geltenden
gesetzlichen Regelungen zutreffend ermittelt wurde.

 

Entscheidung
Eine
verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Beamten gegenüber Arbeitnehmern bei
der Berechnung der zumutbaren Belastung liegt nicht vor. Die Ermittlung der
zumutbaren Belastung aus dem Gesamtbetrag der Einkünfte unterscheidet von
vornherein nicht nach der Art der erzielten Einnahmen eines Steuerpflichtigen.
Sie ist dementsprechend für Beamte und Arbeitnehmer in gleicher Weise aufgrund
derselben Parameter durchzuführen. Die Ermäßigung der Einkommensteuer durch die
Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen eines Steuerpflichtigen wird als
Billigkeitsvorschrift angesehen. Bei der Ausformung solcher Regelungen steht
dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Auch der Bundesfinanzhof
hat in seiner bisherigen Rechtsprechung keine verfassungsrechtlichen Verstöße
darin gesehen, dass Bemessungsgrundlage der zumutbaren Eigenbelastung der
Gesamtbetrag der Einkünfte und nicht zum Beispiel das zu versteuernde Einkommen
ist.

 

3.         
Bei Abriss und
Neubau des Familienheims keine Befreiung von der Erbschaftsteuer

 

Vererben Eltern ihre Wohnimmobilie an die Kinder, ist
dieser Vorgang unter bestimmten Voraussetzungen von der Erbschaftsteuer
befreit. Diese Steuerbefreiung kann jedoch nicht in Anspruch genommen werden,
wenn die Immobilie wegen des sanierungsbedürftigen bzw. maroden Zustandes
abgerissen und neubebaut wird.

 

Hintergrund        
Eine
Mutter vererbte das seit Jahren nicht renovierte und sanierte Wohnhaus aus den
50er Jahren an ihren Sohn. Die Wohnfläche betrug nur 50m². Der Sohn riss das
Wohnhaus ab. Er teilte dem Finanzamt mit, dass der Abriss wegen des maroden
Zustandes unausweichlich gewesen wäre und er einen Neubau plane, den er selbst
zu Wohnzwecken nutzen wolle. Da der Wert der Erbschaft insgesamt den
persönlichen Freibetrag von 400.000 EUR überstiegen hatte, beantragte er für
das Wohnhaus die Steuerbefreiung für die Vererbung des „Familienheims“.
Das Finanzamt verweigerte die Steuerbefreiung, weil diese an den Fortbestand
des alten Wohnhauses gekoppelt sei.

 

Entscheidung      
Das
Finanzgericht gab dem Finanzamt Recht. Zwar reicht es aus, wenn der Erbe die
Wohnimmobilie der Eltern „alsbald“ zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Im
Fall der vollständigen physischen Beseitigung des Wohnhauses fehlt es aber am
für die Steuerbefreiung erforderlichen Fortbestand des „familiären
Lebensraumes“. Die umfassende Sanierung bzw. Renovierung des Gebäudes vor
dem Einzug hätte das Finanzgericht anerkannt.

Den maroden Zustand des Wohnhauses hat das
Finanzgericht ebenso wenig als „zwingenden Hinderungsgrund“ anerkannt
wie die geringe Wohnfläche. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass nur
persönliche Hinderungsgründe (wie z. B. Pflegebedürftigkeit oder Tod)
unschädlich für die Steuerbefreiung sind.

 



 

4.         
Arbeiten zu Hause:
Förster kann Dienstzimmer unbeschränkt steuerlich absetzen

 

Wer sich zu Hause ein Arbeitszimmer im überwiegenden
Interesse seines Arbeitgebers einrichtet, kann die hierfür entstehenden Kosten
in voller Höhe von der Steuer absetzen. Die Abzugsbeschränkung für häusliche
Arbeitszimmer gilt für diese Fälle nicht. Von dieser Regelung hat jetzt ein
Förster profitiert.

 

Hintergrund
Der
Diplom-Forstwirt leitete im Streitjahr 2008 für den Landesbetrieb Wald und Holz
NRW als Betreuungsförster einen Forstbezirk. Die Forstbehörde legte besonderen
Wert darauf, dass er in der Nähe seines Betreuungsreviers wohnte und in seinem
Wohnhaus ein Dienstzimmer einrichtete. In dem Dienstzimmer sollten regelmäßige
Sprechzeiten abgehalten werden. Außerdem stellte die Behörde die technische
Büroausstattung zur Verfügung. Das Zimmer musste im Krankheitsfall für einen
Vertreter des Klägers zugänglich sein. Die Funktionsfähigkeit des Dienstzimmers
konnte von der Forstbehörde vor Ort überprüft werden. Die Kosten für das Zimmer
von 3.417 EUR wollte der Kläger als Werbungskosten geltend machen. Das
Finanzamt berücksichtigte im Hinblick auf die Abzugsbeschränkung für häusliche
Arbeitszimmer aber nur 1.250 EUR.

 

Entscheidung
Das
Finanzgericht Köln war auf der Seite des Försters und beurteilte das
Dienstzimmer als externes Büro des Dienstherrn. Damit unterliegt es nicht der
Regelung für häusliche Arbeitszimmer. Unerheblich war, dass zwischen dem Kläger
und der Forstbehörde kein Mietvertrag über das Dienstzimmer geschlossen worden
ist und der Kläger eine steuerfreie Nutzungsentschädigung erhalten hatte.
Entscheidend war vielmehr, dass das Interesse des Klägers, zur Erledigung
büromäßiger Arbeiten einen Raum in der eigenen Wohnung zur Verfügung zu haben,
von den Belangen der Behörde überlagert worden ist.

 

5.         
Abfindung: Wann es
die Fünftelregelung trotz Teilleistung gibt

 

Wird eine Entlassungsentschädigung in zwei
Teilbeträgen ausbezahlt, stellt sich die Frage, ob die ermäßigte Besteuerung
nach der Fünftelregelung dann noch in Betracht kommt. Ja, sagt das
Finanzgericht Baden-Württemberg, wenn im Erstjahr lediglich ein absolut als
auch prozentual geringfügiger Betrag ausgezahlt wird und die Auszahlung des
weitaus größeren Restbetrags im zweiten Jahr erfolgt.

 

Hintergrund
Der
Steuerpflichtige erhielt eine Entlassungsentschädigung über insgesamt 115.000
EUR, die im Jahr der Beendigung des Arbeitsverhältnisses lediglich i. H. v.
10.200 EUR und der Restbetrag von 104.800 EUR im Folgejahr ausgezahlt wurde.
Während der Steuerpflichtige für den im Folgejahr gezahlten Betrag die
ermäßigte Besteuerung der sog. Fünftelregelung begehrte, lehnte das Finanzamt
dies ab, da keine geringfügige Zahlung und damit keine für die Inanspruchnahme
der ermäßigten Besteuerung notwendige Zusammenballung vorliegt. Dies ist hier
nicht der Fall, da der Teilbetrag im Verhältnis zur Hauptleistung über 5 %
liegt.

 

Entscheidung
Vor
dem Finanzgericht bekam der Steuerpflichtige jedoch Recht. Bei dem im Erstjahr
ausgezahlten Betrag von 10.200 EUR handelt es sich um eine unschädliche
geringfügige Teilleistung im Verhältnis zu dem im Folgejahr ausgezahlten Betrag
von 104.800 EUR. Denn bereits nach allgemeinem Verständnis ist eine
Teilleistung von unter 10 % der Hauptleistung geringfügig. Dies wird bestärkt
durch verschiedene im Steuerrecht bestehende 10 %-Grenzen. Entsprechend war
daher die ermäßigte Besteuerung zu gewähren.

 



 

6.         
Verwitterte
Fenster: Kein Anspruch des Mieters auf Instandsetzung oder Mietminderung

 

Auch wenn ein verwitterter Anstrich der Fenster den
Mieter stört, kann er weder Instandsetzung verlangen noch eine Minderung der
Miete geltend machen. Denn für sich allein stellt dies keinen Mietmangel dar.

 

Hintergrund
Die
Mieterin einer Wohnung verlangte von der Vermieterin, die Fenster von außen zu
streichen, da der Außenanstrich sämtlicher Holzfenster abgenutzt und
erneuerungsbedürftig ist. Die Mieterin setzte eine Frist zur Abhilfe; außerdem
erklärte sie, die Miete nur unter Vorbehalt zu zahlen.

Die Vermieterin kam der Aufforderung, die Fenster neu
zu streichen, nicht nach. Die Mieterin verlangt deshalb, dass die Vermieterin
zur Erneuerung des Außenanstrichs der Fenster verurteilt wird. Darüber hinaus
möchte sie die Miete um 5 % mindern, bis der Neuanstrich fertig ist, und bis
dahin auch noch 15 % der Miete zurückbehalten.

 

Entscheidung
Vor
dem Amtsgericht scheitert die Mieterin mit ihrer Klage. Die Begründung der
Richter: Der verwitterte Zustand des Außenanstrichs der Fenster hindert nicht
den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache. Die Befürchtung, das Reinigen der
Fenster sei erschwert, weil man an der abgeblätterten Farbe hängen bleiben
könnte, schränkt den Mietgebrauch nicht ein. Dem Mieter ist es zumutbar, beim
Reinigen der Fenster auf die abgeblätterte Farbe zu achten und es so zu
vermeiden, daran mit der Kleidung oder dem Putztuch hängenzubleiben.

Die Mietsache ist auch sonst nicht mangelhaft. Aktuell
liegt keine Undichtigkeit der Fenster, die dann möglicherweise einen Mangel
begründen vor.

Unter dem Gesichtspunkt eines optischen Mangels kann
die Mieterin eine Instandsetzung des Fensteranstrichs ebenfalls nicht
verlangen. Auch insoweit müsste sich eine Gebrauchseinschränkung ergeben. Dies
könnte etwa dann der Fall sein, wenn die Mieterin in besonderer Weise auf den
optischen Eindruck des Zugangs zu ihrer Wohnung beispielsweise aus beruflichen
Gründen angewiesen ist. Dies ist hier aber nicht der Fall.

Eine Mietminderung kommt nicht in Betracht, da durch
den Zustand der Fenster keine Gebrauchsbeeinträchtigung gegeben ist. Folglich
besteht auch kein Zurückbehaltungsrecht.

 

7.         
Arbeitsunfall: Der
Weg zum Mittagessen ist versichert – oder doch nicht?

 

Wer in der Mittagspause zum Essen geht und dabei einen
Unfall hat, steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Oder
doch nicht? Wie so oft, kommt es auf den Einzelfall an. Die Entscheidung, ob
ein Arbeitsunfall vorliegt oder nicht, ist nicht immer zu verstehen.

 

Hintergrund
Grundsätzlich
gilt: Unfälle, die sich in Pausen ereignen, sind nur dann versichert, wenn der
Versicherte im konkreten Zeitpunkt des Unfallereignisses mit der Motivation der
Nahrungsaufnahme unterwegs war. Bei anderen privaten Verrichtungen entfällt der
Versicherungsschutz. Besonders schwierig für Betroffene: Bei ihnen liegt die
Beweislast.

Entscheidung
Wie
heikel das sein kann, musste eine Sekretärin feststellen, die in ihrer
Mittagspause in der Frankfurter Fußgängerzone stürzte und sich eine
Halsmarkquetschung zuzog.

Die Unfallgenossenschaft lehnte eine Entschädigung mit
der Begründung ab, dass sich die Frau im Unfallzeitpunkt auf dem Weg zu einer
Reinigung befunden habe, um Kleidung abzuholen. Anscheinend hatte sich die Frau
dahingehend gegenüber der Berufsgenossenschaft geäußert.

Die verletzte Sekretärin hatte argumentiert, sie habe
sich beim Sturz auf der Treppe an der Frankfurter Hauptwache auch auf dem Weg
zu einem neben der Reinigung liegenden Fast-Food-Restaurant befunden.

Das Landessozialgericht Hessen konnte zwar nicht
zweifelsfrei klären, ob die Frau die Treppe mit dem Ziel betreten habe, um im
Schnellrestaurant zu essen. Doch diese Zweifel reichten dem Gericht, um einen
Anspruch gegen die Unfallversicherung zu verneinen.

 

8.         
Aufnahmen mit
Dashcam: Damit können Autofahrer nichts beweisen

 

Eigentlich ist das keine ganz schlechte Idee: Ein
Autofahrer installiert im Auto eine Kamera und zeichnet während der Fahrt das
Geschehen auf. Im Falle eines Unfalls hätte er gleich ein Beweismittel parat.
Doch leider ist das Ganze aus Datenschutzgründen unzulässig und kann sogar mit
einem Bußgeld geahndet werden.

 

Hintergrund
Eine
Autofahrerin wollte in einem Zivilprozess Aufnahmen einer Kamera, die sie im
Auto installiert hatte, als Beweismittel vor Gericht einbringen, um damit den
Hergang eines Unfalls zu dokumentieren.

 

Entscheidung
Das
Landgericht Heilbronn entschied aber, dass derartige Aufnahmen in
Zivilprozessen regelmäßig nicht als Beweismittel zur Aufklärung des
Unfallgeschehens verwertet werden können. Denn: Die laufende Aufzeichnung des
Verkehrsgeschehens durch diese Kameras verletzt sowohl das allgemeine
Persönlichkeitsrecht als auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
der Betroffenen.

Die permanente Videoaufzeichnung des gesamten
Verkehrsgeschehens durch die Dashcams stellt nach Meinung der Richter einen
schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar, der auch nicht durch
das Interesse an einer Beweissicherung gerechtfertigt sei. Zudem sind durch
derartige Aufnahmen immer sehr viele Personen in ihren Persönlichkeitsrechten
betroffen.

Nach Ansicht der Richter verstößt eine permanente,
anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs über eine Dashcam somit insbesondere
auch gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Das unzulässige Filmen des
Straßenverkehrs per Dashcam kann deshalb sogar mit einem Bußgeld geahndet werden.

 

9.         
Mutter darf
richtigen Vater ihres Kindes verschweigen

 

Eine Mutter darf die Identität des Vaters ihres Kindes
für sich behalten. Auch Väter von Kuckuckskindern haben keinen
Auskunftsanspruch, da es keine Rechtsgrundlage dafür gibt.

 

Hintergrund
Die
damals 20-Jährige führte, als sie schwanger wurde, mit dem Antragsgegner eine
Beziehung. Nachdem die beiden geheiratet hatten, wurde die Tochter Anfang
Oktober 1991 ehelich geboren und der Ehemann rechtlicher Vater des Kindes. 3
Jahre später teilte ihm die Beschwerdeführerin mit, dass die Tochter von einem
anderen Mann gezeugt worden sein könnte. Die Ehe wurde im Jahr 1995 geschieden.

Im Jahr 2010 hatte er die Vaterschaft erfolgreich
angefochten und forderte die Mutter auf, ihm wegen der zu Unrecht geleisteten
Unterhaltszahlungen den Namen des mutmaßlichen leiblichen Vaters mitzuteilen.
Dies verweigerte sie. Sowohl das Amtsgericht, das Oberlandesgericht und auch
der Bundesgerichtshof verurteilten die Mutter zur Auskunftserteilung.

 

Entscheidung      
Im
Gegensatz zum Bundesgerichtshof hat das Bundesverfassungsgericht jedoch einen
Auskunftsanspruch des Scheinvaters abgelehnt. Dafür bedarf es einer
gesetzlichen Grundlage, die es derzeit nicht gibt.

Die mit der Auskunftserteilung einhergehende
Grundrechtsbeeinträchtigung der Mutter wiegt schwer. Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht der Mutter schützt mit der Privat- und Intimsphäre das
Recht, ob, wie und wem gegenüber Einblicke in die Intimsphäre und das
Geschlechtsleben gewährt werden. Damit ist auch das Recht umfasst, bestimmte
geschlechtliche Beziehungen zu einem Partner nicht offenbaren zu müssen.

Demgegenüber steht der einfachgesetzliche
Regressanspruch des Scheinvaters, den der Gesetzgeber durchsetzungsschwach
ausgestaltet hat.

Es ist Sache des Gesetzgebers, wie das Interesse der
Mutter an der Geheimhaltung intimer Daten gegenüber dem Interesse des Vaters an
der Rückzahlung des von ihm geleisteten Kindesunterhalts zum Ausgleich gebracht
wird.

 

10.    
Die Belehrung über
das Widerrufsrecht darf auch auf der Rückseite abgedruckt werden

 

Versicherungen müssen bei einem
Lebensversicherungsvertrag das Widerrufsrecht abdrucken. Dass die Belehrung auf
der Rückseite des Versicherungsscheins dargestellt wird, macht sie nicht
unwirksam.

 

Hintergrund
Der
Kläger schloss am 1.11.2000 eine fondsgebundene Lebensversicherung ab. Bis zum
Juli 2009 hatte er Prämien in Höhe von 5.368 EUR in den Vertrag eingezahlt.

Nach 9 Jahren versuchte der Versicherungsnehmer, den
Vertrag zu widerrufen, und wollte alle geleisteten Beiträge zurückbekommen.
Grundsätzlich galt nach damaligem Recht für Versicherungsverträge, die nach dem
Policenmodell abgeschlossen wurden, ein Widerspruchsrecht von 14 Tagen, wenn
eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erfolgt war.

Die 14-Tages-Frist beginnt ab dem Zeitpunkt, zu dem
der Versicherungsnehmer den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen
und die weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen
erhalten hat.

Der Versicherte begründete seinen Anspruch auf
Rückabwicklung damit, dass er über das Widerspruchsrecht nicht vollständig,
zutreffend und wirksam informiert worden ist, weil die Belehrung auf der
Rückseite des Versicherungsscheins abgedruckt war.

 

Entscheidung
Dieser
Auffassung schloss sich das Oberlandesgericht Frankfurt nicht an. Es ist der
Ansicht, dass der Abdruck der Informationen zum Widerspruch auf der Rückseite
die Belehrung nicht unwirksam macht. Schließlich sind auch andere Schriftstücke
zum Versicherungsabschluss auf beiden Seiten bedruckt gewesen. Zudem war die
Belehrung zum Widerruf in sich geschlossen und drucktechnisch durch Fettdruck
besonders hervorgehoben worden.

Deshalb kann man der Versicherung nicht den Vorwurf
einer unübersichtlichen, unklaren Gestaltung machen. Die Belehrung konnte vom
Verbraucher nicht übersehen werden.

Der Kläger hatte deshalb nur 14 Tage nach Erhalt der
Versicherungsunterlagen Zeit, den Vertrag zu widerrufen. Diese Frist war bei
Erklärung des Widerrufs im Jahr 2009 damit längst verstrichen.

 

11.    
Mindestabstand muss
eingehalten werden – auch wenn von hinten gedrängelt wird

 

Beim Autofahren sollte unbedingt der Mindestabstand zum vorausfahrenden
Auto eingehalten werden. Denn für zu dichtes Auffahren gibt es keine
Entschuldigung – auch nicht, wenn von hinten gedrängelt wird.

 

Hintergrund
Ein
Autofahrer hielt bei einer Geschwindigkeit von 116 km/h nur einen Abstand von
16 Metern zum Vordermann. Da dies eindeutig zu wenig war, kassierte er eine
Geldbuße von 320 EUR und ein Fahrverbot von einem Monat. Das Amtsgericht ließ
die Rechtfertigung des Mannes, dass das nachfolgende Fahrzeug viel zu dicht auf
ihn aufgefahren sei, nicht gelten.

 

Entscheidung
Die
Rechtsbeschwerde des Mannes beim Oberlandesgericht Bamberg war ohne Erfolg.

Das Gericht wies darauf hin, dass es keine Rolle
spielt, wenn der Führer des nachfolgenden Fahrzeugs zu nahe auffahre, wenn auf
der sogenannten Beobachtungsstrecke ausgeschlossen werden kann, dass das voraus
fahrende Fahrzeug plötzlich abbremst oder unerwartet die Spur wechselt.

Der Mann konnte sich auch nicht darauf berufen, dass
er den nötigen Sicherheitsabstand nur ganz vorübergehend unterschritten hatte.
Denn schließlich konnte das nahe Auffahren für eine Strecke von 300 Metern
nachgewiesen werden, was nicht mehr als vorübergehend bezeichnet werden kann.

Schließlich hat die Messung ergeben, dass der Mann
schon zu nah am Vordermann klebte, als sein Hintermann noch nicht zu nah
aufgefahren war.

Das Gericht wies zudem darauf hin, dass selbst wenn
das hinter dem Betroffenen fahrende Auto diesem schon länger unter Verletzung
des gebotenen Abstands gefolgt sei, dies nicht ein zu nahes Auffahren auf das
vordere Fahrzeug rechtfertige.

 

12.    
Wohnungseigentum:
Gemeinschaft darf rechtswidrigen Zustand auch nach Ablauf der Verjährung
beseitigen

 

Ein Wohnungseigentümer muss eine eigenmächtig
ausgeführte Baumaßnahme nach Ablauf der Verjährung nicht mehr zurückbauen.
Allerdings kann die Gemeinschaft den rechtswidrigen Zustand selbst und auf
eigene Kosten beseitigen.

 

Hintergrund
Im
Jahr 2008 hatten die Eigentümer einer Wohnung ihre Dachterrasse eigenmächtig
erweitert, nachdem die übrigen Eigentümer die Zustimmung dazu verweigert
hatten. In den Folgejahren scheiterten mehrere Versuche, die übrigen
Wohnungseigentümer zu einer Genehmigung der Veränderungen zu bewegen.
Schließlich wurde 2013 in einer Eigentümerversammlung beschlossen, dass die
Eigentümer der Dachgeschoss-Wohnung die Dachterrasse auf eigene Kosten
zurückbauen müssen.

Da die Eigentümer der Wohnung die Dachterrasse nicht
zurückgebaut haben, klagt nun die Eigentümergemeinschaft auf Rückbau. Die
Eigentümer der Dachgeschoss-Wohnung sind der Meinung, dass ein eventueller
Rückbauanspruch verjährt ist.

 

Entscheidung
Die
Eigentümer der Dachgeschoss-Wohnung müssen die Dachterrasse nicht zurückbauen.
Zwar besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf Rückbau der rechtswidrigen
Terrassenvergrößerung. Dieser Anspruch ist aber verjährt.

Der Rückbauanspruch besteht seit dem Jahr 2008 und
verjährt innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren. Der Anspruch
ist also Ende 2011, jedenfalls aber Ende 2012 verjährt.
Verjährungsunterbrechende oder verjährungshemmende Handlungen hat die
Wohnungseigentümergemeinschaft nicht vorgenommen.

Die Verjährung hat aber nur zur Folge, dass die
Eigentümer der Dachgeschoss-Wohnung den Rückbau nicht selbst auf eigene Kosten
vornehmen müssen. Der von ihnen geschaffene Zustand bleibt auch nach der
Verjährung des Rückbauanspruchs rechtswidrig und muss von den übrigen
Eigentümern nicht geduldet werden. Diese sind daher berechtigt, die Störung auf
eigene Kosten zu beseitigen.