1. Eingetragene Lebenspartner: Zusatzrente wird rückwirkend angepasst
2. Zweckwidrige Nutzung durch Mieter: Wohnungseigentümer haben Unterlassungsanspruch
3. Kirchensteuerpflicht liegt auch bei Unkenntnis der eigenen Taufe vor
4. Wann der Vermieter nicht für Stromverbrauch des Mieters aufkommen muss
5. Altersrente: Wann liegt eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung vor?
6. Zur Rückzahlung von Ausbildungskosten
7. Verwaltungsbestellung und Verwaltervertrag: Wechselwirkung von Bestellungs- und Ermächtigungsbeschluss
8. Öffentliche Arbeitgeber müssen Schwerbehinderte zu einem Vorstellungsgespräch einladen
9. Falsche Angaben zur Arbeitszeit rechtfertigen fristlose Kündigung
10. Ist die Schwester für die Pflege des schwerbehinderten Bruders kindergeldberechtigt?
11. Kosten für Rufbereitschaft des Hausmeisters sind keine Betriebskosten
12. Familienkasse darf eigene Fehler nicht ignorieren

 

  1. Eingetragene Lebenspartner: Zusatzrente wird rückwirkend angepasst

 Bei der Berechnung der betrieblichen Altersversorgung wurden eingetragene Lebenspartner gegenüber Ehegatten benachteiligt. Deshalb muss nun nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Zusatzrente eines Beschäftigten im öffentlichen Dienst neu berechnet werden – und das rückwirkend.

 Hintergrund

Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes erhalten nach Renteneintritt regelmäßig eine Zusatzversorgung über die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Diese wurde bei Eheleuten nach deren günstigeren Steuerklasse berechnet, wenn sie einen entsprechenden Antrag stellten. Der Beschwerdeführer bezieht seit 1998 eine solche Zusatzrente. Dieser wurde jedoch die für Unverheiratete geltende Steuerklasse I/0 zugrunde gelegt. Nachdem er im Jahr 2001 eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet und darüber die VBL im Oktober 2006 unterrichtet hatte, beantragte er im Jahr 2011 eine Neuberechnung seiner Rente, und zwar ab dem Zeitpunkt der Verpartnerung. Die VBL leistete eine Nachzahlung nur für den Zeitraum ab der Mitteilung über die Verpartnerung. Die Klage auf eine höhere Zusatzrente für die Zeit davor blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

 Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht gab dem Beschwerdeführer Recht und entschied, dass er in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzt war, soweit ihm die Vorinstanzen für die Zeit vor November 2006 einen Anspruch auf Neuberechnung der Rente unter Verweis auf den fehlenden Antrag verweigerten.

Die formale Gleichbehandlung hinsichtlich des erforderlichen Antrags auf Neuberechnung der Zusatzrente bewirkte hier eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Zwar scheint es formal gleich, sowohl verheiratete als auch verpartnerte Anspruchsberechtigte an einen Antrag zu binden. Tatsächlich war die Situation der Betroffenen jedoch in dem hier streitigen Zeitraum in einer Weise unterschiedlich, dass die formale Gleichbehandlung tatsächlich eine Ungleichbehandlung in der Sache bewirkt. Im Unterschied zu Eheleuten konnten verpartnerte Versicherte nach damals geltendem Recht nicht erkennen, dass sie ebenso wie Eheleute einen Antrag hätten stellen müssen. Die Regelung zum Antragserfordernis galt für sie schon nach dem Wortlaut nicht, denn eine Rentenberechnung auf Grundlage der günstigeren Steuerklasse war nur für Verheiratete vorgesehen. Zudem waren Rechtsprechung und Fachliteratur damals mehrheitlich der Auffassung, dass eine Gleichstellung zugunsten des Beschwerdeführers mit der Ehe nicht geboten war. Geändert hat sich dies erst mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts v. 7.7.2009. Erst dann war für verpartnerte Versicherte erkennbar, dass eine Regelung, die sich auf Eheleute bezog, auch auf sie Anwendung finden würde, und auch sie einen Antrag stellen müssen, um die daran gebundenen positiven Wirkungen zu erreichen.

Wird ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot festgestellt, folgt daraus grundsätzlich die Verpflichtung, die Rechtslage rückwirkend verfassungsgemäß zu gestalten. Eine auf den Zeitpunkt der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft zurückwirkende Gleichbehandlung verpartnerter und verheirateter Personen ließ sich nur erreichen, indem auf einen entsprechenden kurz danach gestellten Antrag hin die Rente auch rückwirkend angepasst wird. Daher kann der Beschwerdeführer hier verlangen, dass seine Versorgungsrente unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse III/0 rückwirkend auf den Zeitpunkt der Begründung seiner eingetragenen Lebenspartnerschaft neu berechnet wird.

 

  1. Zweckwidrige Nutzung durch Mieter: Wohnungseigentümer haben Unterlassungsanspruch

 Ist eine Teileigentumseinheit als „Laden“ bezeichnet, darf der Mieter der Räume darin keine Eisdiele betreiben. Wegen dieser Nutzung entgegen der Zweckbestimmung können die Wohnungseigentümer einen Unterlassungsanspruch direkt gegen den Mieter geltend machen.

 Hintergrund

Eine Teileigentumseinheit war in der Teilungserklärung als „Laden“ bezeichnet. Der Mieter dieser Einheit betrieb dort eine Eisdiele. Sowohl in den Räumen als auch auf der davor gelegenen Außenfläche standen Tische und Stühle für die Gäste.

Mit ihrer Klage gegen den Mieter wollten die Wohnungseigentümer erreichen, dass dieser die Nutzung der Teileigentumseinheit als Eisdiele beendet.

Entscheidung

Die Unterlassungsklage gegen den Mieter hatte vor dem Bundesgerichtshof Erfolg. Die Wohnungseigentümer haben gegen den Mieter einen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung der von ihm gemieteten Teileigentumseinheit als Gastronomiebetrieb.

Der Bundesgerichtshof bejahte einen Unterlassungsanspruch der Wohnungseigentümer gegen den Mieter eines Sonder- oder Teileigentümers, da dieser die Einheit der Zweckbestimmung widersprechend nutzte.

Zur Begründung führen die Richter aus: Durch die bestimmte Bezeichnung einer Sondereigentumseinheit in der Teilungserklärung, z. B. als Laden, wird die zulässige Nutzung dieser Einheit beschränkt, wenn es sich – wie hier – um eine Regelung im Sinne einer Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter handelt. Solche Vereinbarungen wirken zwar zunächst nur zwischen den Wohnungseigentümern, können aber durch Eintragung im Grundbuch zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden. Wenn eine Teilungsvereinbarung wie vom Gesetz vorgesehen im Grundbuch eingetragen wird und eine Zweckbestimmung enthält, wird hierdurch der Inhalt des Sondereigentums ausgestaltet. Dies enthält zwar nicht den Charakter eines absoluten Rechts mit dinglicher Wirkung gegenüber jedermann. Eine der Zweckbestimmung widersprechende Nutzung beeinträchtigt aber das Eigentum der übrigen Wohnungseigentümer. Dies gilt nicht nur, wenn der Sondereigentümer seine Einheit zweckwidrig nutzt, sondern auch bei einer zweckwidrigen Nutzung durch einen Mieter.

Nach all dem hat jeder Wohnungseigentümer einen Unterlassungsanspruch gegen einen Mieter, wenn dieser Gemeinschaftseigentum oder Sondereigentum zweckwidrig nutzt.

 

  1. Kirchensteuerpflicht liegt auch bei Unkenntnis der eigenen Taufe vor

 Selbst wenn ein Steuerbürger nicht weiß, dass er als Kind getauft wurde, ist er trotzdem kirchensteuerpflichtig. Mit der Taufe wird die Kirchenmitgliedschaft begründet, sie kann nur durch einen Kirchenaustritt beendet werden.

 Hintergrund

Der Kläger wurde 1963 geboren und 1964 in der ehemaligen DDR im evangelischen Glauben getauft. In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2015 kreuzte er „nicht kirchensteuerpflichtig“ an. Das Finanzamt setzte dagegen Kirchensteuer fest. Mit seiner Klage trägt der Kläger vor, dass er nichts von seiner Taufe und der daraus resultierenden Kirchenmitgliedschaft wusste. Aus einer Stellungnahme der Evangelisch-Lutherischen Kirche ging hervor, dass der Kläger ein getaufter evangelischer Christ war. Seinen Kirchenaustritt erklärte er erst im Jahr 2016.

 Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage ab und entschied, dass der Kläger im Jahr 2015 kirchensteuerpflichtig war. Er war unstreitig im Jahr 1964 getauft worden und hatte damit wirksam die Kirchenmitgliedschaft begründet. In 2015 hatte er zudem noch keine Austrittserklärung abgegeben. Das Finanzgericht wies darauf hin, dass eine Kindstaufe ein Mitgliedschaftsverhältnis zur jeweiligen Religionsgemeinschaft ohne Berücksichtigung des Kindeswillens begründet. Das galt auch in der ehemaligen DDR.

Im Zweifel musste er sich bei Auskunftspersonen (z. B. seinen Eltern) nach seiner etwaigen Taufe bzw. Kirchensteuerpflicht erkundigen.

 

  1. Wann der Vermieter nicht für Stromverbrauch des Mieters aufkommen muss

 Verfügt eine vermietete Wohnung in einem Mehrfamilienhaus über einen eigenen Stromzähler, ist in der Regel nicht der Hauseigentümer Vertragspartner des Stromversorgers, sondern der Mieter.

 Hintergrund

Im Mietvertrag über eine Wohnung war vereinbart, dass die Mieter mit dem Versorger direkt einen Vertrag über die Stromversorgung abschließen. Der Stromverbrauch in dem Haus wurde über Zähler erfasst, die jeweils einer bestimmten Wohnung zugeordnet waren. Ein Energieversorger verlangte vom Eigentümer eines Mehrfamilienhauses die Zahlung von Stromkosten für eine der im Haus gelegenen Wohnungen sowie die Kosten für einen erfolglosen Sperrversuch.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Eigentümer des Hauses nicht für die Stromkosten aufkommen musste. Denn zwischen ihm und dem Versorger war kein Stromlieferungsvertrag zustande gekommen.

Im Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens ist grundsätzlich ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrags zu sehen. Diese wird von demjenigen konkludent angenommen, der aus dem Leitungsnetz Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt.

Empfänger des Vertragsangebots ist derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Das kann auch ein Mieter oder Pächter sein. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, wer den Strom verbraucht. Der Vertrag soll regelmäßig gerade mit der Person begründet werden, die aufgrund ihrer tatsächlichen Verfügungsgewalt in der Lage ist, die angebotene Energie zu entnehmen. Bei einer vermieteten Wohnung ist dies typischerweise der Mieter.

Dementsprechend war im vorliegenden Fall der Mieter der Adressat des Vertragsangebots. Nur diesem stand aufgrund des Mietvertrags die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Versorgungseinrichtungen in der Wohnung zu. Zudem wurde der Verbrauch in der Wohnung über einen eigenen Zähler erfasst, sodass der Versorger den Verbrauch individuell zuordnen konnte. Demzufolge musste der Hauseigentümer die Zurverfügungstellung des Stroms nicht als an ihn gerichtetes Vertragsangebot verstehen.

 

  1. Altersrente: Wann liegt eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung vor?

 Bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine verfassungswidrige doppelte Besteuerung von Leibrenten aus einer Basisversorgung anzunehmen ist, müssen die voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rentenbeträge und die aus versteuertem Einkommen geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen verglichen werden.

 Hintergrund

Der Kläger bezog seit 2007 eine Altersrente, die eine Leibrente darstellte und die einen gesetzlich vorgesehenen Besteuerungsanteil von 54 % hatte. Das Finanzamt erfasste diese Altersrente entsprechend den gesetzlichen Vorgaben. Der Kläger sah darin eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppelbesteuerung und strebte mit seiner Klage einen Besteuerungsanteil von 30 % an.

Nachdem das Finanzgericht die Klage im ersten Rechtsgang abgewiesen hatte, hob der Bundesfinanzhof diese Entscheidung auf und verwies die Sache zurück. Die Bundesrichter forderten, dass zur Prüfung einer etwaigen doppelten Besteuerung u. a. die voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge und die aus versteuertem Einkommen geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen miteinander verglichen werden müssten.

Entscheidung

Das Finanzgericht legte im zweiten Rechtsgang die Hinweise des Bundesfinanzhofs zugrunde und kam zu dem Ergebnis, dass auch nach den Prüfungsmaßstäben des Bundesfinanzhofs keine verfassungswidrige doppelte Besteuerung vorlag. Nachdem die Finanzrichter die vom Bundesfinanzhof geforderten Vergleichsgrößen ermittelt hatte, ergab sich daraus, dass die Summe der voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rentenbeträge höher ist als die Altersvorsorgeaufwendungen, die der Kläger aus versteuertem Einkommen geleistet hatte.

 

  1. Zur Rückzahlung von Ausbildungskosten

 Scheidet ein Angehöriger der Bundeswehr vorzeitig aus dem Soldatenverhältnis aus, kann er verpflichtet sein, das ihm gewährte Ausbildungsgeld sowie die Kosten seiner Fachausbildung zurückzuzahlen.

 Hintergrund

Der Kläger war Zeitsoldat und studierte während seiner Dienstzeit Medizin. Anschließend verweigerte er den Kriegsdienst. Die Bundesrepublik Deutschland gewährte ihm für die Dauer seiner Beurlaubung zum Studium ein sog. Ausbildungsgeld. Darüber hinaus bekam er die Kosten der von ihm bei der Bundeswehr absolvierten Fachausbildungen bezahlt.

Die Bundeswehr forderte nach dem vorzeitigen Ausscheiden diese Kosten zurück, soweit der Kläger diese bis zu seinem vorzeitigen Ausscheiden aus der Bundeswehr noch nicht „abgedient“ hatte.

Entscheidung

Die Klage gegen den Rückforderungsbescheid hatte keinen Erfolg. Die Bundeswehr war berechtigt, durch Rückforderungsbescheid den Vorteil abzuschöpfen, den der Kläger dadurch erlangt hatte, dass er während seines Studiums nicht selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen musste.

Es war rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte zur Ermittlung der vom Kläger ersparten Aufwendungen für Lebensunterhalt, Studiengebühren und Lernmittel typisierend und pauschalierend auf die Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerks zum durchschnittlichen Bedarf studentischer Lebenshaltung zurückgegriffen hatte.

Die Beklagte forderte vom Kläger darüber hinaus auch zu Recht die Kosten der von ihm bei der Bundeswehr absolvierten Fachausbildungen, insbesondere der klinischen Weiterbildung zum Facharzt für Anästhesie, zurück, soweit er diese bis zu seinem vorzeitigen Ausscheiden aus der Bundeswehr noch nicht „abgedient“ hatte.

Ermessensfehlerhaft und daher rechtswidrig war der Rückforderungsbescheid lediglich insoweit, als die Bundeswehrverwaltung eine Stundung oder Ratenzahlung des Erstattungsbetrags mit unzureichender Begründung abgelehnt hatte.

 

  1. Verwaltungsbestellung und Verwaltervertrag: Wechselwirkung von Bestellungs- und Ermächtigungsbeschluss

 Wohnungseigentümer dürfen die Beschlüsse über die Bestellung des Verwalters und den Abschluss des Verwaltervertrags getrennt fassen. Die Unwirksamkeit eines Beschlusses hat nicht automatisch die Unwirksamkeit des anderen zur Folge.

 Hintergrund

In einer Eigentümerversammlung im September 2015 bestellten die Wohnungseigentümer mit Beschluss zu TOP 2 für den Zeitraum bis Ende 2017 einen neuen Verwalter. Unter TOP 3 beschlossen sie, 3 Wohnungseigentümer zum Abschluss eines Verwaltervertrags zu ermächtigen.

Das Landgericht hielt beide Beschlüsse für unwirksam. Der Beschluss über die Ermächtigung zum Abschluss des Verwaltervertrags widerspreche ordnungsmäßiger Verwaltung, weil zahlreiche Klauseln der AGB-Kontrolle nicht standhielten. Die Unwirksamkeit des Ermächtigungsbeschlusses hat zur Folge, dass auch der Beschluss über die Verwalterbestellung für ungültig zu erklären war.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof teilte die Auffassung des Landgerichts nicht. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Eigentümer in getrennten Beschlüssen über die Verwalterbestellung und den Abschluss des Verwaltervertrags befinden können, wenn beide Beschlüsse in derselben Eigentümerversammlung gefasst und dabei jedenfalls die Eckpunkte des Verwaltervertrags (Laufzeit und Vergütung) festgelegt werden.

Bei der Ausgestaltung eines abzuschließenden Verwaltervertrags haben die Wohnungseigentümer ein Gestaltungsermessen. Die Ermächtigung einzelner Eigentümer zum Abschluss eines Verwaltervertrags widerspricht dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Wohnungseigentümer die Grenzen dieses Ermessens überschritten haben.

Die Wohnungseigentümer sind nicht verpflichtet, stets die niedrigste Vergütung zu vereinbaren. Einem Verwalter, mit dem sie gut zurechtkommen, können sie auch eine höhere Vergütung zahlen. Der Verwaltervertrag muss allerdings sicherstellen, dass der Verwalter vertraglich zu allen Leistungen verpflichtet ist, die seine Organstellung als Verwalter mit sich bringt. Zudem muss der Inhalt des Vertrages dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen.

Die Ermessensgrenzen überschreiten die Wohnungseigentümer nicht dadurch, dass sie einen Verwaltervertrag schließen, der Klauseln enthält, die einer AGB-Prüfung nicht standhalten. Eine AGB-Kontrolle findet nämlich entgegen einer weit verbreiteten Auffassung bei der Anfechtung eines Ermächtigungsbeschlusses nicht statt. Ob die im Verwaltervertrag enthaltenen Klauseln AGB-konform sind, ist erst bei der Anwendung des Vertrags im Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und dem Verwalter maßgeblich. Deshalb kommt es hier nicht darauf an, ob die Klauseln im Verwaltervertrag AGB-rechtlich bedenklich sind.

Die Wohnungseigentümer haben auch nicht ihr Ermessen bei der Festlegung und Ausgestaltung von Sondervergütungen überschritten. Die Verwaltervergütung entspricht nach Höhe und Ausgestaltung dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn sie dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügt. Dieses Gebot ist nicht schon dann verletzt, wenn die Vergütung die üblichen Sätze überschreitet. Allerdings erfordert eine deutliche Überschreitung der üblichen Sätze sachliche Gründe. Diese Grundsätze gelten auch für Sondervergütungen für einzelne Verwalterleistungen.

Die Aufgaben, die von der Grundvergütung abgedeckt sein sollen, müssen klar und transparent von den Leistungen abgegrenzt sein, die gesondert zu vergüten sind. Zudem muss für die Aufgaben, die in jeder Gemeinschaft laufend anfallen, erkennbar sein, welchen Gesamtumfang die Vergütung hat. Wenn für einzelne Aufgaben oder Aufgabenbereiche Teilentgelte vereinbart sind, überschreiten die Wohnungseigentümer ihr Ermessen nicht schon dann, wenn einzelne Teilentgelte die insoweit übliche Vergütung überschreiten. Dass die hier vereinbarte Vergütung außerhalb des Gestaltungsermessens der Wohnungseigentümer liegt, ist nicht festgestellt.

Wenn die Wohnungseigentümer beide Komplexe in getrennten Beschlüssen abhandeln, ist auch jeder Beschluss für sich darauf zu prüfen, ob er ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Ausgeschlossen ist, einen der Beschlüsse allein deshalb für ungültig zu erklären, weil der andere für ungültig erklärt wird.

 

  1. Öffentliche Arbeitgeber müssen Schwerbehinderte zu einem Vorstellungsgespräch einladen

 Lädt ein öffentlicher Arbeitgeber einen schwerbehinderten Bewerber nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein, wird vermutet, dass der Bewerber wegen seiner Schwerbehinderung nicht eingestellt wurde. Kann der Arbeitgeber diese Vermutung nicht widerlegen, muss er dem Bewerber eine Entschädigung zahlen.

 Hintergrund

Der Kläger bewarb sich Anfang August 2015 mit einer E-Mail auf eine Stelle als Quereinsteiger für den Gerichtsvollzieherdienst. Die Bewerbung war mit dem deutlichen Hinweis auf seinen Grad der Behinderung von 30 und seine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen versehen. Der Kläger wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

Der Kläger verlangte mit seiner Klage vom beklagten Land eine Entschädigung in Höhe von 7.434,39 EUR. Das beklagte Land machte demgegenüber geltend, dass die Bewerbung des Klägers aufgrund eines schnell überlaufenden E-Mail-Postfachs und wegen ungenauer Absprachen unter den befassten Mitarbeitern nicht in den Geschäftsgang gelangt war. Deshalb lag keine Benachteiligung wegen der Behinderung des Klägers vor. Das Landesarbeitsgericht sprach dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 3.717,30 EUR zu.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass der Kläger Anspruch auf eine Entschädigung in der zugesprochenen Höhe hatte. Das beklagte Land hätte den Kläger, dessen Bewerbung ihm zugegangen war, zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen. Die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch begründete die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Gleichstellung mit einer schwerbehinderten Person benachteiligt wurde.

Das beklagte Land hat diese Vermutung nicht widerlegt. Es konnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Bewerbung nicht in den Geschäftsgang gelangt war. Die Bewerbung war zugegangen. Dass trotzdem ausnahmsweise eine tatsächliche Kenntnisnahme nicht möglich war, hat das beklagte Land nicht vorgetragen. Auch die Höhe der Entschädigung war im Ergebnis nicht zu beanstanden.

 

  1. Falsche Angaben zur Arbeitszeit rechtfertigen fristlose Kündigung

 Füllt ein Mitarbeiter Überstundenformulare bewusst falsch aus und schreibt er Überstunden auf, die er nicht geleistet hat, darf der Arbeitgeber außerordentlich kündigen. Das gilt auch dann, wenn ein Einverständnis eines Vorgesetzten vorlag.

 Hintergrund

Ein Beschäftigter im öffentlichen Dienst wechselte die Tätigkeit und hatte deshalb keinen Anspruch mehr auf eine Erschwerniszulage. Mit seinem direkten Vorgesetzten und der Personalreferentin war deshalb vereinbart, dass er als Ausgleich pro Monat 7 zusätzliche Überstunden aufschreibt, obwohl er diese nicht leistete. Der Beschäftigte wurde daraufhin außerordentlich gekündigt. In seiner Klage berief er sich darauf, dass er sich darauf verlassen hatte, dass sein Vorgesetzter und die Personalreferentin zulässige Lösungsmöglichkeiten vorschlagen und befugt waren, rechtlich verbindliche Erklärungen abzugeben.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die außerordentliche Kündigung rechtmäßig war. Mit seiner vorsätzlichen falschen Dokumentation der Arbeitszeit verletzte der Kläger in erheblichem Maß seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Dies rechtfertigte eine außerordentliche Kündigung.

Der Kläger durfte insbesondere nicht auf die Absprache mit seinem Vorgesetzten und der Personalreferentin vertrauen. Diese waren nämlich nicht berechtigt, Vereinbarungen und Entscheidungen über die Auszahlung von Überstunden zu treffen. Hierzu wäre der Fachbereich Personal zuständig gewesen. Dies war dem Mitarbeiter auch bekannt.

 

  1. Ist die Schwester für die Pflege des schwerbehinderten Bruders kindergeldberechtigt?

 Übernimmt die Schwester die Betreuung ihres von Geburt an schwerbehinderten Bruders, können die Voraussetzungen für ein Pflegekindschaftsverhältnis vorliegen. Das gilt auch dann, wenn der Bruder schon erwachsen war.

 Hintergrund

Die Klägerin war die Schwester des am 24.9.1950 geborenen und am 1.3.2018 verstorbenen schwerbehinderten Mannes. Die Schwerbehinderung (100 GdB) mit den Merkzeichen „G“ und „H“ lag von Geburt an vor. Es bestand die Notwendigkeit ständiger Begleitung. Der Bruder lebte in einer eigenen Wohnung und bezog Eingliederungshilfe sowie Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Die Betreuung des Bruders oblag neben der Lebenshilfe in erster Linie seiner Mutter. Die Klägerin übernahm nach dem Tod der Mutter im Mai 2017 die Betreuung ihres Bruders, sie war zur gesetzlichen Betreuerin bestellt. Im Haushalt der Schwester stand dem Bruder ein eigenes Zimmer zur Verfügung stand und er lebte an allen Wochenenden im Haushalt der Schwester.

Ihren Antrag auf Gewährung des Kindergeldes für ihren Bruder ab dem Monat Juni 2017 lehnte die Familienkasse ab. Sie war der Ansicht, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld nicht vorlagen, weil der Bruder eine eigene Wohnung bewohnte. Ein Pflegekindschaftsverhältnis zur Klägerin bestand daher nicht. Die Klägerin macht geltend, dass die Wohnsituation auch schon lange vor dem Tod der Mutter bestanden und der Gewährung von Kindergeld nicht entgegengestanden hatte.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Die Richter waren davon überzeugt, dass die Klägerin die Verantwortung für das materielle Wohl ihres Bruders trug und sich auch als gerichtlich bestellte Betreuerin vollumfänglich um seine Belange kümmerte.

Der Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses stand nicht entgegen, dass der Bruder der Klägerin auch in einer eigenen Wohnung lebte. Das Erfordernis der Haushaltsaufnahme und die Voraussetzung des Bestehens eines engen Familienbandes stehen in gegenseitiger Wechselwirkung, weil die Haushaltsaufnahme auch Ausdruck der geforderten besonderen familienähnlichen Beziehung ist. Das Finanzgericht war davon überzeugt, dass der Haushalt der Klägerin den Mittelpunkt der Lebensinteressen ihres Bruders darstellte, zumal die Klägerin für das materielle Wohl ihres Bruders und das Maß der Fürsorge verantwortlich war.

 

  1. Kosten für Rufbereitschaft des Hausmeisters sind keine Betriebskosten

 Eine Notdienstpauschale des Hausmeisters darf der Vermieter nicht als Betriebskosten umlegen. Die entsprechenden Aufwendungen gehören vielmehr zu den Verwaltungskosten, die der Vermieter tragen muss.

 Hintergrund

In einer Betriebskostenabrechnung hatte die Vermieterin eine „Notdienstpauschale“ für den Hausmeister auf die Mieter umgelegt. Diese erhielt der Hausmeister für seine Notdienstbereitschaft bei Störungen wie Stromausfall, Ausfall der Heizung oder Wasserrohrbrüchen außerhalb der üblichen Geschäftszeiten.

Die Mieter zahlten den auf diese Position entfallenden Betrag nicht. Nach ihrer Auffassung handelt es sich nicht um umlagefähige Betriebskosten.

Entscheidung

Vor dem Bundesgerichtshof bekamen die Mieter Recht. Sie müssen den auf sie umgelegten Anteil der Notdienstpauschale nicht zahlen. Bei diesen Kosten handelte es sich nicht um umlagefähige Betriebskosten, sondern um Verwaltungskosten, die der Vermieter tragen muss.

Betriebskosten sind die Kosten, die dem Eigentümer durch das Eigentum an dem Grundstück oder durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. Von den umlagefähigen Betriebskosten abzugrenzen sind neben den Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung auch die Verwaltungskosten. Beide sind nicht als Betriebskosten umlagefähig.

Verwaltungskosten sind die Kosten der zur Verwaltung des Gebäudes erforderlichen Arbeitskräfte und Einrichtungen, die Kosten der Aufsicht, den Wert der vom Vermieter persönlich geleisteten Verwaltungsarbeit, die Kosten für die gesetzlichen oder freiwilligen Prüfungen des Jahresabschlusses und die Kosten für die Geschäftsführung.

Zu den als Betriebskosten umlagefähigen Kosten für den Hausmeister gehören die Vergütung, die Sozialbeiträge sowie alle geldwerten Leistungen, die der Eigentümer dem Hausmeister für seine Arbeit gewährt, soweit diese nicht die Instandhaltung, Instandsetzung, Erneuerung, Schönheitsreparaturen oder die Hausverwaltung betreffen. Dies sind zum einen Aufwendungen für bestimmte Wartungs-, Pflege- und Reinigungsarbeiten, zum anderen die Kosten, die durch die typische Hausmeister-Aufgabe, im Mietobjekt für Sicherheit und Ordnung zu sorgen, verursacht werden.

Diese Aufgaben sind dadurch gekennzeichnet, dass sie routinemäßig in bestimmten Intervallen durchgeführt werden. Mit einer Notdienstpauschale werden hingegen Tätigkeiten abgegolten, die der Grundstücksverwaltung und nicht dem Sicherheits- oder Ordnungsbereich zuzuordnen sind. Dieser Teil der Vergütung bezieht sich auf die Aufnahme von Störungsmeldungen und das Beauftragen erforderlicher Reparaturen. Dies sind Verwaltungstätigkeiten, die tagsüber vom Vermieter beziehungsweise Verwalter erbracht werden, sodass die diesbezüglichen Kosten nicht als Betriebskosten umlagefähig sind.

 

  1. Familienkasse darf eigene Fehler nicht ignorieren

 Wer einen Fehler macht, muss dafür geradestehen. Das gilt auch für eine Familienkasse, die unberechtigt gezahltes Kindergeld zurückfordern will.

 Hintergrund

Die Familienkasse hatte unberechtigt gezahltes Kindergeld zurückgefordert und hierauf nicht verzichtet, weil der Anspruchsberechtigte als Rückzahlungspflichtiger gegenüber dem Jobcenter einen entsprechend höheren Leistungsanspruch gehabt hätte. Den Verzicht auf die Rückforderung des Kindergeldes aus Billigkeitsgründen lehnte die Familienkasse ab.

Entscheidung

Vor dem Finanzgericht hatte die Klage teilweise Erfolg. Die Verpflichtung zu einer Billigkeitsmaßnahme setzt voraus, dass der Kindergeldberechtigte seinerseits in zumutbarer Weise mitgewirkt hat und dass die Behörde hingegen nicht alles ihr Mögliche und Zumutbare getan hat, um die ungerechtfertigte Kindergeldgewährung zu vermeiden. Im vorliegenden Fall hatte die Familienkasse lediglich das Mitverschulden des Anspruchsberechtigen dargestellt. Ihr eigenes Mitverschulden hinsichtlich der Höhe des Rückforderungsanspruches hatte sie jedoch nicht gesehen.

Zwar hatte der Anspruchsberechtigte seine Mitwirkungspflichten verletzt, als er keine Nachweise für Bewerbungen und Ähnliches einreichte, die Familienkasse hätte aber mit der gebotenen Sorgfalt bei der Bearbeitung des Falles das Auflaufen eines derart hohen Rückforderungsbetrages verhindern können.

Die sehr allgemein gehaltene Belehrung führt hinsichtlich der Mitwirkungspflichten nicht unbedingt dazu, dass die Kindergeldberechtigten ihre Verpflichtungen detailliert erkennen. Damit letztlich nicht derart hohe Summen zurückgefordert werden müssen, die die Betroffenen oftmals in Zahlungsschwierigkeiten bringen können, gibt es die Bearbeitungshinweise „halbjährliche Überprüfung von Kindern ohne Arbeitsplatz“.

Durch die Verletzung der Mitwirkungspflicht des Anspruchsberechtigten hatte die Familienkasse zwar einen Anspruch auf Rückforderung des unrechtmäßig gezahlten Kindergeldes. Vorliegend war jedoch ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 1.890 EUR nur entstanden, weil der Bearbeitungshinweis nicht beachtet wurde. Der Anspruchsberechtige kann im Nachhinein auch keine SGB II-Leistungen mehr beantragen. Das Ermessen der Familienkasse war daher auf Null reduziert, sodass der teilweise Erlass nach Auffassung des Finanzgerichts die einzig sachgerechte Entscheidung war.