Arbeitsrecht
1. Warum ein Arbeitgeber an eine Versorgungszusage gebunden bleibt
GmbH-Gesellschafter/-GF
1. Nicht erkennbare Anträge bei elektronischer Übermittlung: keine offenbare Unrichtigkeit
2. Zahlung nach Eintritt der Insolvenzreife: Wann greift die D&O-Versicherung?
Kapitalanlage und Versicherung
1. Bausparvertrag: Wann fließen Bonuszinsen zu?
2. Kann bei Direktversicherungen die Fünftelregelung angewendet werden?
Lohn und Gehalt
1. Verbilligte Mitgliedschaft im Fitness-Studio und 44-EUR-Grenze
Private Immobilienbesitzer
1. Betriebskostenabrechnung: Darf der Mieter die Zahlungsbelege einsehen?

 

Sonstige Steuern
1. Mittelbare Beteiligung an einer KG: Ist der Erwerb von Grundstücken steuerbefreit?
2. Nebenwohnung aus beruflichen Gründen: Müssen Nichtverheiratete Zweitwohnungssteuer zahlen?
3. Wenn das Finanzamt einen Fehler übernimmt: Offenbare Unrichtigkeit?
 Steuerrecht Arbeitnehmer
1. Wann ist ein Stipendium einkommensteuerpflichtig?
2 Wo liegt die erste Tätigkeitsstätte eines Postzustellers?
Steuerrecht Privatvermögen
1. Private Verkäufe über das Internet: Wann Gewerblichkeit vorliegt
2 Warum ein Biberschaden keine außergewöhnliche Belastung ist
 Steuerrecht Unternehmer
1. Anwalt ohne Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen: Ist der Steuerbescheid ungültig?
2. Bei ordnungsgemäßer Buchführung: Finanzamt muss Schätzung gut begründen
3. Betriebsaufspaltung: Erbengemeinschaft als Anteilseignerin der Betriebsgesellschaft
4. Bewertung eines Grundstücks: Wie gelingt der Nachweis eines geringeren gemeinen Werts?
5. Irrtum bezüglich Reverse-Charge-Verfahren: Führt rückwirkende Rechnungsberichtigung zum rückwirkenden Vorsteuerabzug?
6. Umsatzsteuer: Verzicht auf das Recht zur Privatliquidation
7. Vollstreckungsaufschub auch für Steuerschulden aus Zeiten vor der Corona-Pandemie?
8. Was tun bei fehlender Erfolgsaussicht eines Auskunftsersuchens an die Beteiligten?

 

Arbeitsrecht

  1. Warum ein Arbeitgeber an eine Versorgungszusage gebunden

 Der Arbeitgeber bleibt an Versorgungszusage gebunden. Auch die Änderung von bilanzrechtlichen Bestimmungen rechtfertigt nicht die Anpassung von Versorgungsregelungen, denn eine Störung der Geschäftsgrundlage liegt in diesem Fall nicht vor.

Hintergrund

Eine 87-jährige Witwe verlangte vom ehemaligen Arbeitgeber ihres verstorbenen Ehemannes die Zahlung einer entsprechend der Tarifgehaltserhöhungen angepassten Betriebsrente. Über Jahre hatte sie eine Witwenrente bezogen, die der Arbeitgeber – wie schon zuvor die Betriebsrente des verstorbenen Ehemannes – regelmäßig gemäß der Versorgungszusage an die Gehaltsentwicklung angepasst hatte.

Diese Versorgungszusage, die auch eine Hinterbliebenenversorgung umfasst, wurde dem Ehemann 1976 erteilt und enthält eine Anpassungsregelung. Danach ändern sich die Versorgungsbezüge ebenso wie die Entwicklung der höchsten Tarifgruppe für kaufmännische Angestellte der pfälzischen Eisen- und Metallindustrie.

Im Jahr 2016 erklärte der Arbeitgeber, diese tariflichen Anpassungen nicht mehr länger vorzunehmen, sondern nur Erhöhungen nach § 16 BetrAVG. Dabei stützte er sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB. Als Grund nannte er, dass sich die Rückstellungen für Betriebsrenten in der Handelsbilanz – auch für die der Witwe – nach Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes 2010 (BilMoG) aufgrund gestiegener Barwerte, für ihn erheblich erhöht hätten. Ab Juli 2016 gab der Arbeitgeber dementsprechend Tariferhöhungen nicht mehr weiter.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht gab der Witwe Recht und entschied, dass keine Störung der Geschäftsgrundlage vorlag. Zwar ist es grundsätzlich möglich, die Anpassung von Versorgungsregelungen auf die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB zu stützen. Die Argumentation des Arbeitgebers konnte jedoch im vorliegenden Fall die obersten Richter nicht überzeugen.

Geschäftsgrundlage sind die gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien bei Vertragsschluss über gewisse vorhandene oder künftige Umstände, die aber nicht Vertragsinhalt werden. Es kann auch die Vorstellung von nur einer Partei ausreichen, wenn sie für die andere Partei erkennbar war und nicht von ihr beanstandet wurde.

Vorliegend berief sich der Arbeitgeber aber gar nicht auf solche Vorstellungen, sondern stützte die vermeintliche Verteuerung der Witwenrente auf Umstände, die unverändert Inhalt der Versorgungszusage sind.

Der Anstieg der bilanziellen Rückstellungen aufgrund der angeblich wegen der Änderung des Bilanzrechts gestiegenen Barwerte, erfüllt aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts nicht die Voraussetzungen einer Störung der Geschäftsgrundlage. Rückstellungen haben zwar Auswirkungen auf den bilanziellen Gewinn bzw. Verlust eines Unternehmens. Allerdings berechtigt ein schlechterer wirtschaftlicher Verlauf des Geschäftsjahres den Arbeitgeber nicht zum Widerruf von laufenden Betriebsrenten und somit auch nicht zur Änderung einer Anpassungsregelung. Denn nicht einmal eine wirtschaftliche Notlage kann nach den gesetzlichen Wertungen des Betriebsrentengesetzes einen Widerruf von Versorgungszusagen begründen. In so einem Fall eine Störung der Geschäftsgrundlage anzunehmen, widerspräche der gesetzlichen Risikoverteilung.

 

GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer

 

  1. Nicht erkennbare Anträge bei elektronischer Übermittlung: keine offenbare Unrichtigkeit

Kann das Finanzamt einen Fehler in der Steuererklärung des Steuerpflichtigen nicht erkennen und sich deshalb nicht zu eigen machen, liegt keine offenbare Unrichtigkeit vor. Insbesondere handelt es sich auch nicht um einen Übernahmefehler des Finanzamts.

Hintergrund

Die Kläger erklärten in der elektronisch übermittelten Einkommensteuer-Erklärung für das Jahr 2013 u. a. einen vorläufig ermittelten Gewinn aus der Veräußerung eines Kommanditanteils (Beteiligung an einer GmbH & Co. KG) sowie einen Veräußerungsverlust. Das Finanzamt führte die Veranlagung 2013 erklärungsgemäß durch. Ein ermäßigter Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG wurde nicht angewandt.

Nachdem der Feststellungsbescheid für die GmbH & Co. KG ergangen war, änderte das Finanzamt den Einkommensteuer-Bescheid 2013 zuungunsten der Kläger. Mit ihrem Einspruch verlangten die Kläger die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Weiterhin waren sie der Ansicht, dass der Einkommensteuer-Bescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit berichtigt werden kann. Der Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes war bei der Erstellung der Erklärung zwar gestellt, jedoch in der Anlage G versehentlich dem Veräußerungsverlust zugeordnet worden. Dort war jedoch der Antrag nicht relevant gewesen und deshalb dem Finanzamt von der Steuersoftware nicht übermittelt worden.

Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass mit der Steuererklärung kein wirksamer Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG gestellt worden war.

Bei der Erstellung der Steuererklärung ist zwar ein Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG in das Steuererklärungsprogramm eingegeben worden, aber dieser Antrag ist dem Finanzamt – auch nicht in falsch zugeordneter Form – zugegangen. Weder aus dem Hauptvordruck noch aus den Kennziffern war ein Antrag erkennbar. Es lag somit auch kein Übernahmefehler des Finanzamts vor.

Zwar ist § 129 AO auch anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. Unrichtigkeiten auf der Seite des Steuerpflichtigen sind offenbar, wenn sie sich ohne Weiteres aus dessen Steuererklärung, deren Anlagen sowie anderen in den Akten befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergeben. Das war vorliegend nicht der Fall, denn weder aus dem übermittelten Hauptvordruck noch aus den dazu eingereichten Anlagen war ersichtlich, dass überhaupt ein Antrag gestellt worden war. Die elektronische Eingabemaske, aus der der Fehler erkennbar gewesen wäre, wurde dem Finanzamt nicht übermittelt.

 

  1. Zahlung nach Eintritt der Insolvenzreife: Wann greift die D&O-Versicherung?

 Leistet der GmbH-Geschäftsführers nach Eintritt der Insolvenzreife der GmbH trotzdem Zahlungen, kann er auf Ersatz des dadurch entstandenen Schadens in Anspruch genommen werden. In der Regel muss dafür die D&O-Versicherung aufkommen, entschied der Bundesgerichtshof. Damit ist eine bislang höchst umstrittene Rechtsfrage geklärt.

Hintergrund

Der Geschäftsführer einer GmbH hatte trotz Insolvenzreife verschiedene Zahlungen geleistet. Der Insolvenzverwalter der GmbH verlangte Ersatz dieser Schäden nach § 64 S. 1 GmbHG. Zugunsten des Geschäftsführers war bereits mehrere Jahre vor der Insolvenz eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter von Gesellschaften mit beschränkter Haftung („D&O-Versicherung“) abgeschlossen worden. Der Geschäftsführer trat seine Ansprüche gegen die Versicherung an die GmbH ab. Die Versicherung war der Ansicht, dass die D&O-Versicherung für Ersatzansprüche nach § 64 S. 1 GmbHG nicht einstandspflichtig ist. Der Insolvenzverwalter sah dies anders.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof entschied, dass Ansprüche der GmbH gegen den Geschäftsführer auf Ersatz von Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife grundsätzlich von einer D zu ersetzen sind. Grundlage hierfür sind die „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten“ (ULLA).

Leistet ein Geschäftsführer einer GmbH nach Eintritt der Insolvenzreife, d.h. nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der GmbH, Zahlungen, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind, ist er gegenüber der GmbH nach § 64 S. 1 GmbHG zum Ersatz dieser Zahlungen verpflichtet. Die Ersatzpflicht besteht unabhängig davon, ob bei der GmbH durch die Zahlung ein Schaden entstanden ist.

Gerade für die betragsmäßig häufig bedeutsame Haftung des Geschäftsführers nach § 64 S. 1 GmbHG bestand in den vergangenen Jahren die Unsicherheit, ob bzw. in welchen Fällen die D&O-Versicherung ersatzpflichtig ist. Es ergingen einige Urteile von Oberlandesgerichten, die eine solche Ersatzpflicht ablehnten. Begründet wurde dies häufig damit, dass die Versicherungsbedingungen nur die Einstandspflicht für „Schadensersatzansprüche“ vorsehen, der Anspruch nach § 64 S. 1 GmbHG aber ein „schadensunabhängiger Ersatzanspruch eigener Art“ zugunsten der Insolvenzgläubiger ist.

Der Bundesgerichtshof hat dieser Rechtsprechung nun eine Absage erteilt. Seines Erachtens konnten die relevanten Versicherungsbedingungen aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers nur so ausgelegt werden, dass versicherte „Schadensersatzansprüche“ weit zu verstehen ist und deswegen auch Ersatzansprüche eigener Art wie den aus § 64 S. 1 GmbHG umfasst. Die Einbeziehung von Ansprüchen nach § 64 S. 1 GmbHG entsprach auch dem Zweck des Abschlusses einer D&O-Versicherung.

 

Kapitalanlage & Versicherung

 

  1. Bausparvertrag: Wann fließen Bonuszinsen zu?

 Bonuszinsen aus einem Bausparvertrag gelten erst dann als zugeflossen, wenn der Bausparer unter Auflösung seines Bausparvertrags auf das Bauspardarlehen verzichtet.

Hintergrund

Der Kläger hatte im Jahr 1995 einen Bausparvertrag abgeschlossen. In den allgemeinen Bedingungen war u. a. geregelt, dass der Bausparer einen Bonus erhält, wenn die Voraussetzungen der Zuteilung erfüllt sind und der Bausparer auf ein Bauspardarlehen verzichtet. Dieser Bonus wurde im Zeitpunkt der kompletten Auszahlung des Bausparguthabens fällig und dem Bausparkonto erst in diesem Zeitpunkt gutgeschrieben. Die Bausparkasse ermittelte den Bonus jährlich und hielt ihn auf einem separaten Bonuskonto fest. In seinen Einkommensteuererklärungen 2010 bis 2012 erklärte der Kläger die in den einzelnen Jahren auf seinen Bausparvertrag entfallenen Bonuszinsen. Im Jahr 2013 wurde dem Kläger der Bausparvertrag nebst Bonuszinsen ausbezahlt. In der Einkommensteuererklärung 2013 gab der Kläger lediglich die Bonuszinsen für das Jahr 2013 an. Das Finanzamt war jedoch der Ansicht, dass der gesamte Auszahlungsbetrag i. H. v. 25.725,77 EUR erst im Jahr 2013 zugeflossen war. Der Kläger war dagegen der Meinung, dass die Bonuszinsen dann als zugeflossen gelten, wenn sie von der Bausparkasse auf dem jährlich fortgeführten Bonuskonto gutgeschrieben wurden.

Entscheidung

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts gelten Einnahmen als in dem Jahr bezogen, in dem sie zugeflossen sind. Sie sind grundsätzlich dann zugeflossen, wenn der Empfänger wirtschaftlich über sie verfügen kann oder verfügt hat. Guthabenzinsen eines Bausparvertrags sind dann zugeflossen, wenn sie dem Bausparguthaben zugeschlagen worden sind. Da in den allgemeinen Bedingungen des Bausparvertrags geregelt war, dass die Bonuszinsen erst bei Auszahlung des gesamten Bausparguthabens fällig und dem Bausparkonto gutschrieben werden, gelten die Bonuszinsen auch erst in diesem Zeitpunkt als zugeflossen. Der Zeitpunkt, zu dem die Bonuszinsen auf dem Bonuskonto festgehalten wurden, zählte nicht als Zuflusszeitpunkt. Vielmehr handelte es sich hier um einen buchungstechnischen Vorgang, der die entsprechenden Beträge für den Fall festgehalten hat, dass der Bausparer deren Auszahlung in Anspruch nimmt. Darüber hinaus fehlte dem Kläger nach Auffassung des Gerichts der Anspruch auf die Bonuszinsen für die Zeiträume vor dem Jahr 2013. Einen Anspruch hätte der Kläger dann gehabt, wenn der Bausparvertrag zuteilungsreif war und der Kläger auf das Bauspardarlehen verzichtet hätte. Zwar war die Zuteilungsreife bereits im Jahre 1999 gegeben, da sowohl die Mindestsparzeit von 22 Monaten erreicht wurde als auch das Mindestsparguthaben zu diesem Zeitpunkt eingezahlt war. Jedoch fehlte es an dem definitiven Verzicht des Klägers auf Auszahlung des Bauspardarlehens. Dieser erfolgte erst im Jahr 2013 mit der Auflösung des Bausparvertrags.

 

  1. Kann bei Direktversicherungen die Fünftelregelung angewendet werden?

 Die Begünstigung einer Einmalzahlung durch die Fünftelregelung setzt voraus, dass die Zahlung für den betreffenden Lebens-, Wirtschafts- und Regelungsbereich atypisch ist. Ob dies auch für Einmalzahlungen aus vorzeitig gekündigten Direktversicherungen gilt, war Gegenstand eines Verfahrens beim Bundesfinanzhof.

Hintergrund

X erzielte im Jahr 2016 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und erhielt außerdem von einer Pensionskasse eine Einmalzahlung in Höhe von rund 26.000 EUR. Diese besteuerte das Finanzamt in vollem Umfang als sonstige Einkünfte.

Der Einmalzahlung lagen 2 Rentenversicherungsverträge (Direktversicherungen) zugrunde, die die früheren Arbeitgeber als Versicherungsnehmer für X abgeschlossen hatten und die durch Entgeltumwandlung finanziert wurden. Die Beiträge wurden nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei gestellt. Die Auszahlung der Altersrenten zugunsten des versicherten Klägers sollte im Jahr 2032 beginnen.

Im Jahr 2015 wurden die Verträge zunächst beitragsfrei gestellt, später auf Wunsch des X gekündigt und mit Wirkung zum 1.1.2016 aufgelöst und ausgezahlt. Das Finanzamt lehnte die Anwendung der Fünftelregelung ab.

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Denn die Auszahlung war seiner Ansicht nach atypisch, da wegen Unverfallbarkeit eine Kündigung eigentlich ausgeschlossen gewesen war. Außerdem entsprach die Auszahlung vor dem Erreichen der Altersgrenze nicht dem typischen Ablauf von Altersvorsorge-Verträgen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Der ermäßigte Steuersatz der Fünftelregelung erfordert – neben den „Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten“ – zur Einschränkung des eher zu weit gefassten Wortlauts zusätzlich die „Außerordentlichkeit“ der Einkünfte. Dabei ist das Kriterium der Atypik als entscheidend anzusehen. Die Begünstigung einer Einmalzahlung setzt danach voraus, dass die Zahlung für den betreffenden Lebens-, Wirtschafts- und Regelungsbereich atypisch ist. Ob darüber hinaus in dem Vertrag die Möglichkeit einer Kapitalabfindung bereits von Anfang an vorgesehen war oder nicht, stellt sich lediglich als ein Indiz dafür dar, ob eine Kapitalabfindung im betreffenden Lebens- oder Wirtschaftsbereich typisch oder atypisch ist.

Dass nach den Vertragsbedingungen eine Kündigung nicht möglich war, führt für sich allein nicht zur Außerordentlichkeit. Im vorliegenden Fall lag in der Akzeptanz der Kündigung ein Aufhebungsvertrag. Ein solcher konnte zwischen der Versicherungsgesellschaft und dem Versicherungsnehmer (Arbeitgeber) im Einverständnis der versicherten Person (X) auch ohne ausdrückliche Regelung in den Versicherungsverträgen geschlossen werden. Die Kündigung bzw. Aufhebung nach eingetretener Unverfallbarkeit der Anwartschaft widersprach auch nicht dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG). Die bereits unverfallbare Versorgungsanwartschaft des X wurde einvernehmlich durch die Auszahlung des Rückkaufswertes abgefunden.

Die Frage der Atypik ist im Rahmen der betrieblich und steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge auf der Grundlage empirisch-statistischer Daten wertend zu beantworten. Für die wertende Beurteilung der Einmalzahlung ist auf sämtliche Versicherungsverträge abzustellen, die zu zu versteuernden Leistungen aus Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen führen und die während der Geltung der im Streitjahr maßgebenden Rechtslage durch eine einmalige Kapitalabfindung bei Rentenbeginn oder vorzeitig durch Kündigung bzw. durch sonstige Vertragsauflösung mit der Folge einer Auszahlung des Rückkaufswertes beendet worden sind. Nicht einzubeziehen sind Altersvorsorgeverträge.

Mangels statistischen Materials konnte der Bundesfinanzhof nicht beurteilen, ob es nur in atypischen Einzelfällen zur Kapitalabfindung bei Rentenbeginn bzw. zur vorzeitigen Beendigung von Versicherungsverträgen aus dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung durch Kündigung oder sonstige Aufhebung verbunden mit einer Auszahlung des Rückkaufswertes kommt oder nicht. Dies wird das Finanzgericht im zweiten Gang feststellen müssen.

 

Lohn und Gehalt

 

  1. Verbilligte Mitgliedschaft im Fitness-Studio und 44-EUR-Grenze

Auch wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ermöglicht, für die Dauer eines ganzen Jahres verbilligt in einem Fitness-Studio zu trainieren, gilt die monatliche 44 EUR-Grenze.

Hintergrund

Die Klägerin schloss mit dem Betreiber verschiedener Fitness-Studios (X-Fitness) eine Vereinbarung, nach der die Klägerin zu einem ermäßigten Preis Lizenzen erwarb, sodass die Arbeitnehmern der Klägerin das Training bei sämtlichen Partnern der X-Fitness absolvieren konnten.

Die Laufzeit des Vertrags betrug zunächst 12 Monate und verlängerte sich bei Nichtkündigung für weitere 12 Monate. Für die von ihr erworbenen 20 Lizenzen zahlte die Klägerin pro Monat jeweils 50,28 EUR einschließlich Umsatzsteuer. Die Arbeitnehmer zahlten monatlich einen Eigenanteil an die Klägerin von 16 EUR bzw. 20 EUR. Sie erhielten eine Teilnahmeberechtigung und einen Mitgliederausweis ausgehändigt.

Die Klägerin ging davon aus, dass wegen des Eigenanteils der Arbeitnehmer die 44 EUR-Freigrenze nicht überschritten und der geldwerter Vorteil nicht zu versteuern ist.

Das Finanzamt vertrat dagegen die Auffassung, dass aufgrund der 1-jährigen Vertragsbindung der Vorteil im Zeitpunkt der Überlassung der Teilnahmeberechtigung i. H. d. Jahressumme (50,28 EUR x 12 = 603 EUR) zugeflossen und damit die Freigrenze überschritten ist. Das Finanzgericht folgte dem nicht, sondern gab der Klage der Klägerin statt.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof schloss sich dem Urteil des Finanzgerichts an und wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück. Die Klägerin wandte ihren Arbeitnehmern durch die vergünstigten Trainingsbedingungen steuerbare Sachbezüge zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu. Die Zuwendung bestand in der Einräumung eines verbilligten Rechts seitens der Klägerin zur Nutzung der Anlagen. Die Arbeitnehmer hatten – trotz der schriftlichen Trainingsberechtigung und des Mitgliedsausweises – keinen verbrieften Anspruch gegen X-Fitness. Sie hatten lediglich gegenüber der Klägerin einen fortlaufend zu erfüllenden Anspruch darauf, dass sie die Anlagen verbilligt nutzen konnten. Dieser Vorteil ist den Arbeitnehmern als laufender Arbeitslohn monatlich zugeflossen. Denn für den Zufluss von Arbeitslohn kommt es nicht auf das Innehaben von Ansprüchen an, sondern auf die Erfüllung dieser Ansprüche.

Zuflusszeitpunkt ist der Tag, an dem der Arbeitnehmer durch die Erfüllung seines Anspruchs die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt, also der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt. Die Klägerin erfüllte ihr Leistungsversprechen nicht bereits mit der Aushändigung der Teilnahmeberechtigung oder des Mitgliedsausweises, sondern erst mit der laufenden Gewährung der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit.

Bei der Gewährung eines vergünstigten Jobtickets dagegen hat der Arbeitgeber in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer den Fahrschein ausgehändigt bekommt, seinen Anspruch auf den verbilligten Erwerb vollständig erfüllt. Damit ist der Arbeitslohn als sonstiger Bezug bereits zugeflossen.

Für die Bewertung des Sachbezugs ist der um übliche Preisnachlässe geminderte übliche Endpreis am Abgabeort, d. h. grundsätzlich der günstigste Einzelhandelspreis am Markt, anzusetzen. Wird die Ware oder Dienstleistung jedoch an Endverbraucher überhaupt nicht vertrieben, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Wert eines Sachbezugs anhand der Kosten bemessen wird, die der Arbeitgeber seinerseits dafür aufgewendet hat.

So liegt der Fall hier. Denn eine identische oder gleichartige Dienstleistung, wie sie die Klägerin ihren Arbeitnehmern verbilligt zugewandt hat, wurde fremden Endverbrauchern am Markt überhaupt nicht angeboten. Die Nutzung der X-Fitness-Anlagen wurde nur gegenüber Unternehmen angeboten, die eine bestimmte Anzahl von Nutzungslizenzen erwarben. Endverbraucher wie die Arbeitnehmer der Klägerin hatten keine Möglichkeit, eine solche Trainingsberechtigung zu erwerben. Die Trainingsberechtigung war nicht mit einer üblichen Mitgliedschaft in einem Fitness-Studio vergleichbar. Da somit eine identische oder vergleichbare Leistung fremden Endverbrauchern am Markt nicht angeboten wurde, ist eine Schätzung des geldwerten Vorteils anhand der Kosten des Arbeitgebers grundsätzlich zulässig. Dementsprechend war aufgrund der monatlichen Kosten der Klägerin pro Lizenz (50,28 EUR) und der Zuzahlungen der Arbeitnehmer (16 EUR bis 20 EUR) die 44-EUR-Grenze nicht überschritten.

 

Private Immobilienbesitzer

 

  1. Betriebskostenabrechnung: Darf der Mieter die Zahlungsbelege einsehen?

 Ein Mieter hat nicht nur das Recht, die Rechnungen im Zusammenhang mit der Betriebskostenabrechnung einzusehen, sondern auch die dazu gehörigen Zahlungsbelege. Der Mieter muss für das Einsichtsrecht kein besonderes Interesse darlegen.

Hintergrund

Die Vermieterin einer Wohnung verlangt vom Mieter die Nachzahlung einer Betriebskostenabrechnung i. H. v. 1.262 EUR. Der Mieter hatte in die der Abrechnung zugrundeliegenden Rechnungsbelege Einsicht genommen. Eine darüberhinausgehende Einsichtnahme in die entsprechenden Zahlungsbelege lehnte die Vermieterin jedoch ab. Daraufhin verweigerte der Mieter die Leistung der Nachzahlung.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof entschied zugunsten des Mieters, dass dieser die Nachzahlung derzeit nicht leisten muss, weil die Vermieterin die verlangte Einsicht in die Zahlungsbelege nicht gewährt hatte.

Zur Begründung führt das Gericht weiter aus: Einem Mieter steht gegenüber dem auf eine Betriebskostenabrechnung gestützten Zahlungsverlangen des Vermieters ein zeitweises Leistungsverweigerungsrecht zu, und zwar solange, bis ihm eine berechtigterweise begehrte Belegeinsicht gewährt wurde.

Zu den Abrechnungsunterlagen, auf die sich das Einsichtsrecht des Mieters bezieht, gehören neben den Rechnungen auch die dazugehörigen Zahlungsbelege über die in der Abrechnung auf die Mieter umgelegten Betriebskosten. Mit Hilfe dieser Belege wird der Mieter in die Lage versetzt, die Berechtigung der jeweils in Rechnung gestellten Beträge zu überprüfen. Der Mieter muss für das Einsichtsrecht kein besonderes Interesse darlegen. Es genügt sein allgemeines Interesse, die Tätigkeit des abrechnungspflichtigen Vermieters zu kontrollieren.

 

Sonstige Steuern

 

  1. Mittelbare Beteiligung an einer KG: Ist der Erwerb von Grundstücken steuerbefreit?

 Der Erwerb von Grundstücken unterliegt grundsätzlich der Grunderwerbsteuer. Dies gilt auch für einen Grundstückserwerb bei einer mittelbaren Beteiligung der veräußernden Gesellschaft an einer KG.

Hintergrund

Aufgrund notariellen Kaufvertrags erwarb die Klägerin A KG von der C KG Grundstücke in Z-Stadt für einen Kaufpreis von 6.500.000 EUR. Die Beteiligungsverhältnisse stellten sich wie folgt dar:

  • A KG: CT KG (alleinige Kommanditistin), KG A Beteiligungs GmbH (persönlich haftende Gesellschafterin ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen der A);
  • CT KG: CT Treuhand GmbH (alleinige Kommanditistin), C KG (persönlich haftende Gesellschafterin ohne Beteiligung am Vermögen).

Aufgrund eines Treuhandvertrags hielt die CT Treuhand GmbH als Treuhänderin die Kommanditanteile an der CT KG für die C KG (Treugeberin), also die Verkäuferin der Grundstücke. An der C KG war eine Vielzahl von Kommanditisten beteiligt, nicht aber die Klägerin oder deren Gesellschafterin.

Das Finanzamt setzte gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer mit 6,5 % i. H. v. 416.000 EUR fest. Die Klägerin war dagegen der Ansicht, dass der Erwerb der Grundstücke von der Grunderwerbsteuer befreit war. Denn die Grunderwerbsteuer wird bei Grundstücksübertragungen zwischen Personengesellschaften nicht erhoben, soweit die übertragende Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar über weitere Personengesellschaften am Vermögen der erwerbenden Personengesellschaft beteiligt ist.

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage ab und entschied, dass der Grunderwerbsteuerbescheid rechtmäßig war. Der Erwerb der Grundstücke war vorliegend nicht von der Grunderwerbsteuer befreit. Der notarielle Kaufvertrag über die Grundstücke war grunderwerbsteuerpflichtig. Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand wird nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG die Steuer nicht erhoben, soweit Anteile der Gesellschafter am Vermögen der erwerbenden Gesamthand den jeweiligen Anteilen dieser Gesellschafter am Vermögen der übertragenden Gesamthand entsprechen. Für Zwecke des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG kann nicht durch eine unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft auf die dahinterstehenden – mittelbar – Beteiligten durchgeschaut werden. Kapitalgesellschaften werden im Rahmen der § 5 GrEStG und § 6 GrEStG grundsätzlich nicht als transparent angesehen. Ihnen wird als dinglich Berechtigten grunderwerbsteuerrechtlich das Vermögen der Personengesellschaft zugeordnet.

Die Grunderwerbsteuer wird insgesamt nicht erhoben, wenn der teils unmittelbar, teils mittelbar allein vermögensmäßig beteiligte Gesellschafter einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft seine Beteiligungen auf eine andere Gesamthandsgemeinschaft überträgt, an deren Vermögen er unmittelbar und/oder – durch weitere Gesamthandsgemeinschaften – mittelbar allein beteiligt ist.

  • 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG will den Grundstückserwerb von einer Gesamthand insoweit von der Grunderwerbsteuer befreien, als aufgrund der gesamthänderischen Verbundenheit der Gesellschafter das Grundstück trotz des Rechtsträgerwechsels in dem durch die § 5 GrEStG und § 6 GrEStG abgesteckten Zurechnungsbereich verbleibt. Damit knüpfen § 5 GrEStG und § 6 GrEStG an die die Gesamthand kennzeichnende unmittelbare dingliche Mitberechtigung der Gesamthänder am Gesellschaftsvermögen an. Die sachenrechtliche (dingliche) Mitberechtigung folgt bürgerlich- und handelsrechtlich aus dem Mitgliedschaftsrecht bzw. aus der Gesellschafterstellung. Nur diese vermittelt die unmittelbar dingliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen, die von § 5 GrEStG und § 6 GrEStG vorausgesetzt wird. Wirtschaftliche Gesichtspunkte spielen keine Rolle. Gemessen hieran scheidet eine Befreiung des Erwerbs aus.

 

  1. Nebenwohnung aus beruflichen Gründen: Müssen Nichtverheiratete Zweitwohnungssteuer zahlen?

 Mietet ein Unverheirateter aus beruflichen Gründen eine Zweitwohnung in Hamburg an, muss er damit rechnen, Zweitwohnungssteuer zahlen zu müssen. Dass Verheiratete von dieser Steuer ausgenommen sind, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

Hintergrund

Der Kläger wohnte seit dem Jahr 2015 an seinem Hauptwohnsitz zusammen mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn. In Hamburg unterhielt er aus beruflichen Gründen eine Nebenwohnung, die er in der Regel von Dienstag bis Donnerstag nutzte. Im Jahr 2018 reichte er eine Steuererklärung zur Zweiwohnungssteuer ein und beantragte gleichzeitig die Befreiung davon. Er begründete dies damit, dass die Nebenwohnung aus beruflichen Gründen erforderlich und die Verlegung des Hauptwohnsitzes aus privaten Gründen nicht möglich war. Das Finanzamt lehnte die Befreiung von der Zweitwohnungssteuer ab, da dies für nichteheliche Lebensgemeinschaften nicht in Betracht kommt. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage.

Entscheidung

Die Klage gegen die Festsetzung der Zweitwohnungssteuer hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht wies die Klage ab. Zwar begünstigt der Hamburgische Gesetzgeber Eheleute und Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz mit der bestehenden Regelung über das verfassungsrechtlich gebotene Maß hinaus. Diese Privilegierung von Eheleuten war jedoch vorliegend verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften war nach Ansicht des Finanzgerichts nicht zu erkennen. Selbst wenn zu dieser nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein gemeinsames, minderjähriges Kind gehört, war es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Zweitwohnung zu besteuern. Dass es berufliche Gründe für die Einrichtung der Nebenwohnung gab, änderte an diesem Ergebnis nichts.

 

  1. Wenn das Finanzamt einen Fehler übernimmt: Offenbare Unrichtigkeit?

 Ist ein Versehen eines Steuerpflichtigen klar aus den Steuerakten des Finanzamts erkennbar, veranlagt das Finanzamt aber trotzdem so, wie der Steuerpflichtige es fälschlicherweise beantragt hat, kann der entsprechende Steuerbescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit geändert werden.

Hintergrund

Die Klägerin war Eigentümerin von vermieteten Mehrfamilienhäusern. Für das Jahr 2016 reichte sie die Einkommensteuererklärung inklusive 2 Anlagen V und weiteren Erläuterungen für diese Mehrfamilienhäuser „F-Straße 29 und 31“ elektronisch beim Finanzamt ein. Bis einschließlich 2015 hatte sie jeweils eine Wohnung in diesen Objekten unentgeltlich jeweils an eine Tochter überlassen und die AfA entsprechend gekürzt. Für das Jahr 2016 erklärte sie in den Anlagen V, dass sie diese Wohnungen an Angehörige vollentgeltlich vermietet hatte. Trotzdem kürzte sie aufgrund Datenübernahme aus dem Vorjahr wiederum die AfA.

Nachdem das Finanzamt die Einkommensteuerveranlagung 2016 erklärungsgemäß durchgeführt hatte, beantragte die Klägerin die Berichtigung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides 2016 wegen einer offenbaren Unrichtigkeit. Das Finanzamt lehnte die Berichtigung ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass der Einkommensteuerbescheid 2016 nach § 129 AO zu berichtigen ist, weil eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit vorliegt.

Die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO setzt grundsätzlich voraus, dass die offenbare Unrichtigkeit in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist. Allerdings ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. Im Fall eines derartigen Übernahmefehlers kommt eine Berichtigung jedoch nur in Betracht, wenn die Fehlerhaftigkeit für das Finanzamt als offenbare Unrichtigkeit erkennbar war.

Vorliegend hat das Finanzamt die offenbar fehlerhaften Angaben der Klägerin bezüglich der Kürzung der AfA als eigene übernommen. Die Fehlerhaftigkeit der Angaben war für das Finanzamt auch als offenbare Unrichtigkeit erkennbar. Denn nach Aktenlage war aus dem Vergleich der Anlagen V aus dem Jahr 2015 mit dem Jahr 2016 unzweifelhaft ersichtlich, dass die bis zum Jahr 2015 erfolgte Kürzung der AfA allein auf der unentgeltlichen Überlassung der Wohnungen an die Töchter beruhte. Für das Jahr 2016 war für das Finanzamt zudem eindeutig erkennbar, dass die bisher unentgeltlich überlassenen Wohnungen nunmehr entgeltlich an die Töchter überlassen worden waren.

 

Steuerrecht Arbeitnehmer

 

  1. Wann ist ein Stipendium einkommensteuerpflichtig?

Leistungen aus einem Stipendium können steuerbare wiederkehrende Bezüge darstellen. Das ist der Fall, wenn die Leistungen aus dem Stipendium an eine entsprechende Weiterbildungsverpflichtung anknüpfen und eine fehlende Entlohnung ausgleichen.

Hintergrund

Die Klägerin hatte ein Medizinstudium in Libyen abgeschlossen und war im Jahr 2014 wie eine Assistenzärztin an einer deutschen Klinik als sog. Gastärztin zur Facharztweiterbildung tätig. Die Klinik zahlte ihr kein Entgelt. Von der Libyschen Botschaft erhielt sie ein monatliches Stipendium. Nach Beendigung ihrer Studienzeit wollte die Klägerin nach Libyen zurückkehren.

Das Finanzamt besteuerte das Stipendium als sonstige Einkünfte. Das Finanzgericht gab der Klage statt und entschied, dass es sich bei den Zahlungen aus dem Stipendium um freiwillig begründete Unterhaltszahlungen des libyschen Staates handelte.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied, dass steuerbare Bezüge vorliegen, wenn die Stipendiumsleistungen die fehlende Entlohnung seitens der Klinik ausgleichen sollten.

Obwohl die Klägerin wie eine Assistenzärztin in der Klinik arbeitete, war sie nicht als Arbeitnehmerin einzuordnen. Denn die Zahlungen der Botschaft stellten kein Entgelt „für“ eine Leistung der Klägerin gegenüber der Klinik und somit keinen Arbeitslohn von dritter Seite dar. Das Stipendium wurde in erster Linie aus eigenwirtschaftlichem Interesse des Staates Libyen (Stärkung des dortigen Gesundheitssystems) und nicht im Interesse der Klinik (Entlastung des Klinikbetriebs) gewährt.

Der Bundesfinanzhof hat sich in mehreren Urteilen ausdrücklich für die Steuerbarkeit ausgesprochen und vertritt auch im vorliegenden Fall grundsätzlich die Steuerpflicht. Zum einen dienen Stipendien regelmäßig dazu, den Empfänger bei einem Forschung- oder Ausbildungsvorhaben zu unterstützen. Das steigert die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stipendiaten. Zum anderen ist er der Ansicht, dass für die Ausnahme von der Steuerbarkeit erforderlich ist, dass der Empfänger für die ihm gewährten Leistungen keine Gegenleistung zu erbringen hat.

Der Bundesfinanzhof weist darauf hin, dass die Facharztweiterbildung in Deutschland im Rahmen einer vergüteten ärztlichen Berufstätigkeit erfolgt. Die Stipendienleistungen an die Klägerin waren an die Erfüllung dieser im Rahmen der Fortbildung zu erbringenden Dienstleistung in der Klinik gebunden und sollten die fehlende Entlohnung seitens der Klinik ausgleichen. Damit stellt sich das Stipendium aus Sicht des Stipendiaten als Gegenleistung für seine im Rahmen der Fortbildung erbrachte Berufstätigkeit dar. Die Gegenleistung kann anstatt dem Stipendiengeber auch einem Dritten (hier der Klinik) gegenüber erbracht werden. Ein kausales Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung genügt.

Hiervon ausgehend verwies der Bundesfinanzhof die Sache an das Finanzgericht zurück. Das Finanzgericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, in welchem rechtlichen Verhältnis die Klägerin zu der Klinik stand. Sollte sich ergeben, dass die Klägerin für das Stipendium eine kausale Gegenleistung erbracht hat und damit die Steuerbarkeit gegeben wäre, hätte das Finanzgericht die Frage der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. Nr. 44 EStG (Stipendien aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen) zu prüfen.

 

  1. Wo liegt die erste Tätigkeitsstätte eines Postzustellers?

 Die erste Tätigkeitsstätte eines Postzustellers liegt im Zustellpunkt bzw. Zustellzentrum, dem er zugeordnet ist und an dem er arbeitstäglich vor- und nachbereitende Tätigkeiten (z.B. Sortiertätigkeiten, Abschreibpost, Abrechnungen) ausübt.

Hintergrund

Der Kläger ist als Postzusteller am Zustellpunkt tätig. Die Sendungen kommen morgens aus dem Briefzentrum zum Zustellpunkt und werden von den Zustellern grob auf die Zustellbezirke verteilt. Anschließend steckt jeder Zusteller die von ihm auszutragende Post auf Gangfolge und macht seine Runde. Danach bearbeitet er die sog. Abschreibpost (Post, bei der der Adressat unbekannt, unbekannt verzogen oder verzogen ist) und Abrechnungen (z.B. für Nachnahmen, Nachentgelte oder Zollgebühren). Die Vorarbeiten dauern gut 2 Stunden, die Nacharbeiten etwa 20 bis 30 Minuten.

Für die Jahre 2015 bzw. 2016 machte der Kläger den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei Auswärtstätigkeit mit einer Abwesenheit von mindestens 8 Stunden für 144 bzw. 133 Tage geltend. Er war der Ansicht, dass der Zustellbezirk als weiträumiges Tätigkeitsgebiet und nicht als erste Tätigkeitsstätte anzusehen war. Das Finanzamt erkannte die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen nicht an. Das Finanzgericht wies die Klage ab, da der Zustellpunkt erste Tätigkeitsstätte des Klägers war und er nicht mehr als 8 Stunden außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte tätig wurde.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof folgte mit seiner Entscheidung dem Finanzgerichtsurteil. Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für die erste Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, nicht mehr an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören.

Davon ausgehend war der Zustellpunkt als erste Tätigkeitsstätte des Klägers anzusehen. Der Zustellpunkt ist eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Dienstherrn des Klägers. Dieser war dem Zustellpunkt dauerhaft (unbefristet) zugeordnet. Der Kläger ist am Zustellpunkt auch in dem erforderlichen Umfang tätig geworden. Als Zusteller hatte er im Zustellpunkt arbeitstäglich Tätigkeiten auszuführen, die ebenso zum Berufsbild eines Postzustellers gehören wie das Zustellen der Briefe im Zustellbezirk (Übernahme und Sortierung der Sendungen, Vorbereitung des Handwagens und Nacharbeiten nach der Zustellrunde). Diese Tätigkeiten im Zustellpunkt sind Teil der Berufstätigkeit eines Postzustellers.

Jedoch war der Kläger an den geltend gemachten Tagen nicht mehr als 8 Stunden von seiner Wohnung und dem Zustellpunkt als erster Tätigkeitsstätte abwesend, sodass die Voraussetzungen für die Gewährung der Verpflegungspauschbeträge nicht vorlagen. Eine Abwesenheit von mehr als 8 Stunden von der Wohnung reicht nicht aus.

 

Steuerrecht Privatvermögen

 

  1. Private Verkäufe über das Internet: Wann Gewerblichkeit vorliegt

 Wer viele Gegenstände über einen längeren Zeitraum im Internet verkauft, muss damit rechnen, dass das Finanzamt die Verkäufe besteuern will. Allein die Veräußerung über eine Internetplattform führt jedoch nicht bereits zur Gewerblichkeit, hat nun der Bundesfinanzhof zugunsten der Verkäufer entschieden.

Hintergrund

X unterhielt in den Jahren 2010 – 2012 einen gewerblichen Internet-Shop, den X-Service. Über diesen Shop veräußerte er Modelleisenbahnen und Zubehörartikel. Daneben hatte er über die Internetplattform eBay weitere Umsätze getätigt, die er nicht erklärt hatte. Es handelte sich dabei um ca. 1.500 Verkäufe von Eisenbahn-Modellen.

Das Finanzamt ging davon aus, dass die Verkäufe über eBay in unmittelbarem Zusammenhang mit dem X-Service standen und erließ entsprechende Einkommensteuer- und Gewerbesteuer-Messbescheide.

X argumentierte dagegen, dass die eBay-Verkäufe aus einer seit 1997 privat aufgebauten Sammlung stammten, die ursprünglich nicht zum Verkauf bestimmt gewesen war. Er musste die Sammlung jedoch verkaufen, um den im Jahr 2010 eröffneten gewerblichen X-Service zu finanzieren. Der X-Service und die eBay-Verkäufe waren aufgrund der Modellunterschiede und der Lagerung in verschiedenen Gebäuden voneinander getrennt.

Das Finanzgericht wies die Klage ab und entschied, dass auch die Verkäufe über eBay dem Gewerbebetrieb zuzuordnen sind. Die Auflösung einer privat angelegten Sammlung durch eine Vielzahl von Verkäufen war gewerblich.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Das Finanzgericht unterstellte, dass X über eBay lediglich seine Privatsammlung veräußert hat, und bejahte trotzdem die Gewerblichkeit. Dies stellt einen Rechtsfehler dar, der zur Aufhebung und Zurückverweisung führt.

Wurden die über eBay verkauften Modelle für den Gewerbebetrieb angeschafft (X-Service), sind die daraus erzielten Einnahmen den gewerblichen Einkünften zuzurechnen. Hatte X dagegen – wie von ihm behauptet – die Modelle für eine privat aufgebaute Sammlung angeschafft, könnten sie gleichwohl später wegen Vermischung oder Branchenüblichkeit dem Gewerbebetrieb (X-Service) zugerechnet werden.

Wenn die Modelle zu keiner Zeit dem Betriebsvermögen des X-Service zuzuordnen waren, stellt sich die Frage, ob die eBay-Verkaufstätigkeit für sich isoliert als gewerblich anzusehen ist. Nur wenn dies bejaht wird, wären die privat erworbenen Modelle mit Aufnahme der Verkaufsaktivitäten in das Betriebsvermögen eingelegt worden. Wird dies jedoch verneint, wäre die isolierte eBay-Verkaufstätigkeit ertragsteuerlich irrelevant.

Das Finanzgericht hat im zweiten Rechtsgang festzustellen, ob X die verkauften Modelle bereits ursprünglich für seinen Gewerbebetrieb oder aber für die private Sammlung erworben hat.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass branchenübliche Geschäfte regelmäßig im betrieblichen Bereich abgewickelt und dem Gewerbebetrieb zuzurechnen sind. Eine Aussonderung privater Geschäftsvorfälle ist nur möglich, wenn anhand objektiver Umstände dargelegt wird, dass die entsprechenden Wirtschaftsgüter eindeutig vom betrieblichen Bereich getrennt wurden und die Geschäftsvorfälle privat veranlasst sind. Andernfalls sind die Wirtschaftsgüter notwendiges Betriebsvermögen.

Für die Frage, ob die eBay-Tätigkeit als solche über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinausgeht, ist in Zweifelsfällen auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. Danach gehört zum Handel als typische gewerbliche Tätigkeit die Anschaffung zur Weiterveräußerung.

Davon ausgehend fehlt es an dem für einen Händler typischen Ankauf von Objekten in Wiederveräußerungsabsicht, wenn H die Modelle für den Aufbau einer privaten Sammlung angeschafft hat. Allein aus der Verkaufstätigkeit über eBay ergibt sich nicht die Vergleichbarkeit mit der Tätigkeit eines Händlers. Das gilt auch dann, wenn über einen längeren Zeitraum zahlreiche Verkaufsgeschäfte abgewickelt wurden.

  1. Warum ein Biberschaden keine außergewöhnliche Belastung ist

 Schäden, die durch Wildtiere entstehen, können nicht im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen steuerlich berücksichtigt werden. Dies gilt auch für Aufwendungen zur Beseitigung konkreter, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender Gesundheitsgefahren.

Hintergrund

Biber untergruben eine Böschung, worauf diese samt der Terrasse des von den Klägern selbst bewohnten Einfamilienhauses absackte. Eine Fachfirma erneuerte die Pflasterung der Terrasse und die abgesackten Wege. Diese errichtete zudem eine „Bibersperre“ in Form eines mit Wackergeröll verfüllten Grabens. Die Kläger machten die Aufwendungen von ca. 4.000 EUR im Zusammenhang mit einem Biberschaden an Terrasse und Garten als außergewöhnliche Belastung geltend.

Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung an. Die nachgewiesenen Lohnkosten berücksichtigte es als Handwerkerleistungen i. S. d. § 35a Abs. 3 EStG. Das Finanzgericht folgte dem Finanzamt und wies die Klage ab.

Entscheidung

Die Revision der Kläger hatte keinen Erfolg. Die geltend gemachten Aufwendungen zur Beseitigung der Biberschäden und zur Errichtung der Bibersperre erkannte auch der Bundesfinanzhof nicht als außergewöhnliche Belastungen an.

Ziel der gesetzlichen Regelung zu den außergewöhnlichen Belastungen ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Vom Abzug sind daher die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, ausgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn die Aufwendungen einen grundrechtlich geschützten Bereich betreffen.

Davon ausgehend sind die streitigen Aufwendungen bereits dem Grunde nach nicht außergewöhnlich. Denn Wildtierschäden sind keineswegs unüblich. Wildtierarten, die über Jahrzehnte in der deutschen Kulturlandschaft ausgestorben oder stark zurückgedrängt waren, sind in Deutschland wieder heimisch geworden und breiten sich aus. Vielfältige Wildtierpopulationen haben sich auch in den Siedlungsräumen etabliert. Wildtiere können z. T. beträchtliche Schäden verursachen. Ebenso können Wildtierpopulationen – insbesondere in Siedlungsräumen – Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung entsprechender Wildschäden erfordern, wie z.B. die Errichtung von Barrieren und Zäunen, die Vergrämung von Wildtieren oder die Steuerung des Habitats.

Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden durch Wildtiere und für Maßnahmen zur Vermeidung von Wildtierschäden sind daher nicht mit ungewöhnlichen Schadensereignissen wie Brand oder Hochwasser vergleichbar. Aufwendungen in Zusammenhang mit Wildtierschäden sind daher grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, selbst wenn sie zur Beseitigung konkreter, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender Gesundheitsgefahren geleistet werden.

Das Finanzamt hat deshalb die Lohnkosten zutreffend als Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG angesetzt.

 

Steuerrecht Unternehmer

 

  1. Anwalt ohne Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen: Ist der Steuerbescheid ungültig?

 Auch wenn eine nicht dazu befugte Person für einen Steuerpflichtigen eine Steuererklärung abgibt, wird dadurch der Steuerbescheid nicht ungültig.

Hintergrund

Eine Rechtsanwaltskanzlei, die nicht über die Zulassung zur Hilfeleistung in Steuersachen verfügte, hatte eine Steuererklärung für einen ihrer Mandanten abgegeben. Das Finanzamt akzeptierte die Steuererklärung und erließ einen den Angaben entsprechenden Steuerbescheid.

Nachdem der Mandant mit dem Inhalt des Steuerbescheids nicht einverstanden gewesen war, entzog er der Anwaltskanzlei das Mandat und legte selbst Einspruch beim Finanzamt ein. Er machte geltend, dass bei dem von ihm betriebenen Transportunternehmen die angefallenen Betriebsausgaben für seine Fahrzeuge nicht vollständig berücksichtigt worden waren.

Das Finanzamt lehnte eine Änderung ab. Allein aufgrund des Umstands, dass der Anwalt keine Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen hatte, war der Steuerbescheid nicht ungültig.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Ein Steuerpflichtiger kann sich bei Abgabe der Einkommenssteuererklärung der Hilfe eines Steuerberaters oder einer anderen entsprechend befugten Person bedienen. Voraussetzung ist jedoch, dass die betreffende Person oder Institution zur Hilfeleistung in Steuersachen zugelassen ist.

Allerdings sah das Finanzgericht im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für eine Herabsetzung der Steuer. Insbesondere hatte der Kläger nach Ansicht des Gerichts nicht plausibel dargelegt, warum die von seinem Rechtsanwalt übermittelten Angaben unzutreffend waren.

 

  1. Bei ordnungsgemäßer Buchführung: Finanzamt muss Schätzung gut begründen

Auch wenn der Steuerpflichtige bei der Verprobung des Wareneinsatzes unzureichend mitgewirkt hat, darf das Finanzamt keine Schätzung vornehmen, wenn die Buchführung ordnungsgemäß ist.

Hintergrund

Der Kläger war Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, die vor allem im Handel mit Textilien tätig war. Das Finanzamt führte für die Jahre 2007 bis 2009 eine Betriebsprüfung bei der GmbH durch. Im Betriebsprüfungsbericht wurden keine Buchführungsmängel benannt. Da die Gesellschaft bzw. deren gesetzliche Vertreter jedoch keine Angaben zur Verprobung des Wareneinsatzes, Aufzeichnungen und Unterlagen zu Fehleinkäufen sowie Erläuterungen zu Musterkollektionen oder Warenrücksendungen wegen Qualitätsmängeln gemacht hatte, kam es aufgrund dieser Feststellungen zu einer Hinzuschätzung beim Umsatz und Wareneinsatz der GmbH. Ferner wurde eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe der Musterteile angenommen, da deren betriebliche Veranlassung nicht nachgewiesen wurde. Gleiches erfolgte aufgrund von Reisekosten. In seiner Klage machte der Kläger geltend, dass die Buchführung der GmbH ordnungsgemäß gewesen war. Der Finanzverwaltung waren auch alle Buchführungsunterlagen zur Verfügung gestellt worden.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Die Hinzuschätzung war nach Ansicht des Finanzgerichts nicht rechtmäßig. Nach § 162 AO darf eine Schätzung erfolgen, wenn Bücher und Aufzeichnungen, die zu führen sind, nicht vorgelegt werden können oder diese der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können. Eine Buchführung, die den gesetzlichen Vorlagen entspricht, kann regelmäßig der Besteuerung zugrunde gelegt werden, es sei denn, es besteht ein Anlass, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln. Eine formell ordnungsgemäße Buchführung hat dabei die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich. Nur wesentliche Mängel sprechen gegen eine formell richtige Buchführung. Eine fehlerhafte Erfassung von Einnahmen hat die Finanzverwaltung indes nicht festgestellt. Insoweit bestand deshalb keine Schätzungsbefugnis.

Auch die Verprobung des Wareneinsatzes als relativ grobe Prüfungsmethode begründet keine Schätzungsbefugnis. Die Richtigkeitsvermutung einer formell ordnungsgemäßen Buchführung ist nämlich nur entkräftet, wenn das Finanzamt nachweist, dass das Ergebnis nicht zutreffend sein kann. Die Ausführungen der Finanzverwaltung im Prüfungsbericht reichen hierfür nicht aus.

 

  1. Betriebsaufspaltung: Erbengemeinschaft als Anteilseignerin der Betriebsgesellschaft

 Eine personelle Verflechtung kann vorliegen, wenn nur ein Elternteil an dem einen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte hält, zugleich zusammen mit dem minderjährigen Kind die Mehrheit der Stimmrechte an dem anderen Unternehmen hält und das Vermögenssorgerecht allein beim beteiligten Elternteil liegt. Gilt dies auch bei einer Erbengemeinschaft als Anteilseignerin der Betriebsgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung?

Hintergrund

Die Kläger sind die Rechtsnachfolger des verstorbenen Vaters V. Es besteht eine Erbengemeinschaft aus der Witwe (1/2 Erbteil) und den beiden minderjährigen Kindern (je ¼ Erbteil). V war Gesellschaftergeschäftsführer der V GmbH, an die die Witwe bereits seit Jahren ein Büro- und Lagergrundstück verpachtet hat. Die Witwe wurde im Jahr 2010 zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt. Im Jahr 2012 erfolgte die Bestellung der beiden Kinder als weitere Geschäftsführer. Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass mit der Bestellung der Witwe im Jahr 2010 zur Geschäftsführerin eine Beherrschung der GmbH durch die Witwe vorlag, die zu einer personellen Verflechtung und damit zu einer Betriebsaufspaltung führte. Die Betriebsaufspaltung wurde durch die Bestellung der Kinder als weitere Geschäftsführer im Jahr 2012 beendet, sodass ein Aufgabegewinn zu versteuern ist.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klägerin Recht und entschied, dass keine personelle Verflechtung vorlag. Für diese ist es erforderlich, dass die Person, die das Besitzunternehmen beherrscht, in der Lage ist, im Betriebsunternehmen ihren Willen durchzusetzen. Die Witwe hat die GmbH als Betriebsgesellschaft nicht beherrscht, da sie über keine Stimmrechtsmehrheit verfügt hat. Inhaber des Gesellschaftsanteils war nicht die Witwe, sondern die Erbengemeinschaft. Die Witwe konnte innerhalb der Erbengemeinschaft ihren Willen nicht durchsetzen, da sie über lediglich 50 % der Stimmen verfügte. Eine Beherrschung durch die Witwe lag auch nicht deshalb vor, weil ihr die Anteile der damals minderjährigen Kinder zuzurechnen gewesen wären. Nach Ansicht der Finanzverwaltung kann eine personelle Verflechtung vorliegen, wenn nur ein Elternteil an dem einen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte hält, zugleich zusammen mit dem minderjährigen Kind die Mehrheit der Stimmrechte an dem anderen Unternehmen hält und das Vermögenssorgerecht allein beim beteiligten Elternteil liegt. Dieser Auffassung schließt sich das Finanzgericht jedoch nicht an.

 

  1. Bewertung eines Grundstücks: Wie gelingt der Nachweis eines geringeren gemeinen Werts?

Für die zeitliche Anwendbarkeit der WertV und der ImmoWertV ist entscheidend, ob sie am Bewertungsstichtag in Kraft waren. Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung spielt für die Anwendung der Verordnungen insoweit keine Rolle.

Hintergrund

X erbte im Jahr 2009 einen Anteil an einem Hausgrundstück. Der standardisierte Grundbesitzwert betrug
4.8 Mio. EUR. X versuchte, mit einem nach der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) erstellten Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen. Streitig war insbesondere, wie die untypisch geringe gewerbliche Nutzung zu berücksichtigen war. Der Gutachter hatte dafür den Wert einer anderen Bodenrichtwertzone, in der sich vergleichbar genutzte Grundstücke befinden, übernommen.

Das Finanzgericht wies die Klage ab, da das Gutachten der ImmoWertV widersprach. Die Ableitung des Bodenwerts aus dem Richtwert einer anderen Bodenrichtwertzone sowie die Herleitung des Liegenschaftszinssatzes waren für das Gericht nicht plausibel.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Klage an das Finanzgericht zurück. Für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens sind die Grundbesitzwerte nach §§ 176 bis 198 BewG zu ermitteln. Beim Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts am Bewertungsstichtag ist dieser Wert anzusetzen. Der Steuerpflichtige trägt insoweit die Nachweislast.

Zur Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens gehören sowohl die methodische Qualität als auch die zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen. Die Anforderungen an die methodische Qualität ergeben sich im Wesentlichen aus den §§ 194 ff. BauGB. Daneben sind die WertV i. V. m. den Wertermittlungsrichtlinien und die ImmoWertV, die die WertV ab dem 1.7.2010 abgelöst hat, zu beachten. Die zeitliche Anwendbarkeit richtet sich danach, ob die Regelungen am Bewertungsstichtag in Kraft waren. Die WertV war bis zum 30.6.2010 in Kraft und wurde am 1.7.2010 durch die ImmoWertV abgelöst. Deshalb sind für Bewertungsstichtage bis 30.6.2010 die Vorschriften der WertV und für Bewertungsstichtage ab 1.7.2010 die Vorschriften der ImmoWertV anwendbar. Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ist für die zeitliche Anwendung der WertV und der ImmoWertV nicht von Bedeutung.

Das Finanzgericht hatte jedoch wegen der Erstellung des Gutachtens im Jahr 2017 auf den Bewertungsstichtag 1.6.2009 die ImmoWertV anstatt der WertV angewandt.

 

  1. Irrtum bezüglich Reverse-Charge-Verfahren: Führt rückwirkende Rechnungsberichtigung zum rückwirkenden Vorsteuerabzug?

 Ein Leistungsempfänger, der irrtümlich als Steuerschuldner im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahren behandelt wird, kann nach erfolgter Rechnungsberichtigung mit Umsatzsteuerausweis rückwirkend den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Das soll nach Ansicht der Rechtsprechung entgegen der Verwaltungsauffassung gelten, obwohl in der ursprünglichen Rechnung kein Umsatzsteuerausweis erfolgte.

Hintergrund

Im Fall 11 K 324/19 bezog die klagende S.A. mit Sitz in Luxemburg Leistungen von Unternehmern mit Sitz in Deutschland. Übereinstimmend gingen die Beteiligten davon aus, dass die Leistungen am Sitz der S.A. der luxemburgischen Umsatzbesteuerung unterliegen und die S.A. Steuerschuldner nach § 13b UStG sei. Die Leistenden fakturierten ihre Leistungen mit 0 % Steuer oder ohne Steuerausweis mit Hinweis auf das Reverse-Charge-Verfahren.

Im Fall 11 K 323/19 bezog der klagende Unternehmer mit Sitz in Deutschland Transportleistungen von einer S.A. mit Sitz in Luxemburg. Übereinstimmend gingen die Beteiligten davon aus, dass die Leistungen am Sitz des deutschen Leistungsempfängers der deutschen Umsatzsteuer unterliegen und der deutsche Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b UStG sei. Die S.A. fakturierte ihre Leistungen ohne Steuerausweis mit Hinweis auf die Steuerschuld des deutschen Leistungsempfängers.

Tatsächlich befand sich in beiden Fällen die Geschäftsleitung der S.A. und damit ihr umsatzsteuerlicher Sitz in Deutschland (vgl. § 10 AO). Die Leistungen unterfallen daher in beiden Fällen der deutschen Umsatzbesteuerung. Steuerschuldner sind die jeweils Leistenden. Die Leistenden erteilten deshalb neue Rechnungen mit deutschem Steuerausweis. Die klagenden Leistungsempfänger begehren die rückwirkende Berücksichtigung der Vorsteuern – was nach Verwaltungsauffassung nicht zulässig sei (vgl. BMF, Schreiben v. 18.9.2020, II C 2 – S 7286-a/19/10001 :001, Rz. 23)

Entscheidung

Nach Auffassung des FG ist trotz fehlendem Umsatzsteuerausweis in der ursprünglichen Rechnung eine rückwirkende Rechnungsberichtigung mit Umsatzsteuerausweis im Jahr 2016 und ein rückwirkender Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger auf 2012 möglich. Nach § 13b Abs. 5 UStG schuldet bei Werklieferungen und bestimmten sonstigen Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmer der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer (sog. Reverse-Charge-Verfahren). Da sich in beiden Fällen die Geschäftsleitung der S.A. bzw. ihr umsatzsteuerlicher Sitz tatsächlich in Deutschland befand, unterliegen die Leistungen in beiden Fällen der deutschen Umsatzbesteuerung. Steuerschuldner sind die jeweils Leistenden. Auch nach Auffassung des FG setzt der Vorsteuerabzug grundsätzlich eine ordnungsgemäße Rechnung voraus. Der BFH verlangt als Grundlage für eine mit Rückwirkung berichtigungsfähige Rechnung, dass die Erstrechnung Mindestangaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. Hierfür reicht es jeweils aus, dass die Rechnung diesbezügliche Angaben enthält und die Angaben nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen (BFH, Urteil v. 20.10.2016, V R 26/16; BMF, Schreiben v. 18.9.2020, III C 2 – S 7286-a/191001:001).

Unterlässt der Rechnungsempfänger es, die Erstrechnung insoweit sorgfältig zu prüfen, kann die Rückwirkung beim Vorsteuerabzug versagt werden.

Fehlt eine der 5 o. g. Mindestvoraussetzungen, ist davon auszugehen, dass es sich schon nicht um ein Rechnungsdokument handelt. Dementsprechend kann dieses auch nicht mit Rückwirkung berichtigt werden. Die „Berichtigung“ führt in den Fällen der fehlenden Mindestvoraussetzungen vielmehr zu einem erstmaligen Ausstellen einer (ordnungsgemäßen) Rechnung.

Entgegen der Verwaltungsauffassung entfallen jedoch die o. g. Mindestanforderungen des Umsatzsteuerausweises in der Erstrechnung, wenn die Beteiligten – wie hier – irrig die Steuerschuld des Leistungsempfängers nach § 13b UStG annehmen.

Schließlich verbietet § 13b UStG einen Steuerausweis und verlangt stattdessen einen Verweis auf die Steuerschuld des Leistungsempfängers. Würde im Falle des § 13b UStG entgegen dem Verbot des § 13b UStG Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen, würde der Rechnungsaussteller diese nach § 14c UStG schulden.

 

  1. Umsatzsteuer: Verzicht auf das Recht zur Privatliquidation

 Wird ein Chefarzt auf eine Forschungsprofessur versetzt und verzichtet er damit auf die Möglichkeit zur Behandlung von Patienten durch Privatliquidation, ist eine Entschädigung für den Verzicht auf das chefärztliche Privatliquidationsrecht umsatzsteuerfrei.

Hintergrund

Der Kläger war Chefarzt und Professor sowie Klinikdirektor einer Universitätsklinik. Aufgrund einer Versetzung des Klägers auf eine Forschungsprofessur erhielt er eine „Entschädigung“ für den erklärten Verzicht auf das chefärztliche Privatliquidationsrecht. Als angestellter Chefarzt war er nichtunternehmerisch tätig. Die heilberuflichen Umsätze aus der selbstständigen Chefarzttätigkeit im Nebenberuf waren umsatzsteuerfrei. Trotzdem war das Finanzamt der Ansicht, dass die Entschädigung umsatzsteuerpflichtig war.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied dagegen, dass die Ausgleichszahlung für den Wegfall der Möglichkeit zur Behandlung von Patienten im Nebenamt (Verzichtsleistung) nicht der Umsatzsteuer unterlag. Ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis.

Nach dem zugrundeliegenden Vertrag wurde die Ausgleichszahlung nicht lediglich für den Verzicht auf das Privatliquidationsrecht, sondern u. a. auch für die Aufgabe der Position des Klinikdirektors erbracht. Die Ausgleichszahlung für den Verzicht ist dann nicht der unternehmerischen Sphäre des Medizinprofessors zuzuordnen, wenn sich die Zahlung in erster Linie als Gegenleistung für die vorzeitige Aufgabe der Position des Klinikdirektors darstellt und sich lediglich der Höhe nach an den bisherigen Einkünften aus freiberuflicher medizinischer Tätigkeit orientiert. Vorliegend sind die vom Kläger erbrachten Verzichtsleistungen überwiegend mit seiner beamtenrechtlichen Position als Professor und Klinikdirektor veranlasst und nicht mit seiner bisherigen selbstständigen ärztlichen Tätigkeit.

 

  1. Vollstreckungsaufschub auch für Steuerschulden aus Zeiten vor der Corona-Pandemie?

 Für Steuernachzahlungen besteht während der Corona-Pandemie Vollstreckungsschutz. Das gilt auch für Steuerrückstände aus der Zeit vor der Pandemie. Die Rückstände brauchen also nicht die Folge der Pandemiebetroffenheit zu sein.

Hintergrund

Der Antragsteller betreibt einen Imbiss. Aufgrund einer Außenprüfung erließ das Finanzamt im Dezember 2019 geänderte Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für die Vorjahre mit erheblichen Steuernachzahlungen. Im März 2020 kündigte das Finanzamt die Vollstreckung an und ergriff in der Folge diverse Vollstreckungsmaßnahmen. Den Antrag v. 27.6.2020 auf Vollstreckungsaufschub lehnte das Finanzamt ab. Das BMF-Schreiben v. 19.3.2020, mit dem der Vollstreckungsaufschub geregelt wird, gilt nach Ansicht des Finanzamts nicht für Rückstände aus der Zeit vor dessen Verkündung. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einsteiligen Anordnung begehrte der Antragsteller weiterhin Vollstreckungsaufschub. Er ist der Auffassung, dass das BMF-Schreiben v. 19.3.2020 auch für Rückstände aus der Zeit vor der Pandemie gilt.

Entscheidung

Der Antrag hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass zwar ein Anordnungsgrund vorliegt, es an einem Anordnungsanspruch fehlte. Der Anwendungsbereich des BMF-Schreibens ist grundsätzlich eröffnet, denn der Antragsteller war unmittelbar und nicht unerheblich durch das Coronavirus betroffen. Entgegen der Auffassung des Finanzamts gilt das BMF-Schreiben v. 19.3.2020 auch für Rückstände aus der Zeit vor der Pandemie.

Voraussetzung für einen Vollstreckungsaufschub ist jedoch, dass dem Steuerpflichtigen ein unangemessener Nachteil durch die Vollstreckung droht. Ein solcher kann nur drohen, wenn der Steuerpflichtige die Steuerschuld nicht mit vorhandenen Mitteln begleichen kann. Daher muss der Antragsteller darlegen und glaubhaft machen, dass er zur Begleichung der Steuerschuld nach seinen Vermögensverhältnissen aktuell nicht in der Lage ist.

Auch von der Pandemie nachhaltig negativ betroffene Steuerschuldner, also solche mit Einkommensreduzierungen im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie, die nach ihren allgemeinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ihre Steuerschulden aber gleichwohl bezahlen können, müssen dies weiterhin – trotz Pandemie – tun.

Trotz Pandemie hat aber ein Steuerpflichtiger keinen Anspruch auf Vollstreckungsaufschub, wenn er nicht glaubhaft macht, nach seinen aktuellen Vermögensverhältnissen zur Begleichung der offenen Steuern aktuell nicht in der Lage zu sein. Im vorliegenden Fall fehlte es an dieser Glaubhaftmachung, da der Antragsteller ein Schließfach bei der Bank unterhielt und trotz wiederholter Aufforderung dem Finanzamt den Zugang zu diesem Schließfach verweigert hat.

 

  1. Was tun bei fehlender Erfolgsaussicht eines Auskunftsersuchens an die Beteiligten?

 Steht nicht fest, dass ein Beteiligter nicht mitwirken wird, darf das Finanzamt eine Auskunft ohne einen vorherigen Versuch beim Beteiligten bei einem Dritten einholen. Die entsprechende Erfolgsprognose erfordert jedoch einen klar umrissenen und für die Besteuerung erheblichen Sachverhalt.

Hintergrund

Der Kläger und Kfz-Händler H handelte mit Gebrauchtwagen. Im Rahmen einer Außenprüfung stellte das Finanzamt fest, dass in einigen Fällen der Verkäufer nicht der letzte Halter war. Die Lieferketten zwischen dem letzten Halter und dem Verkäufer konnten deshalb nicht nachvollzogen werden. Das Finanzamt wollte daraufhin die letzten Halter um Auskunft bitten. Da es annahm, dass diese H nicht bekannt waren, hielt es eine vorherige Anfrage bei H nicht für erforderlich und richtete die Auskunftsersuchen an die Halter als Dritte. Anschließend sollten die benannten Käufer um weitere Aufklärung gebeten werden. Vermutet wurde, dass H fiktiv Zwischenhändler eingeschaltet hatte, um die Anschaffungskosten höher erscheinen zu lassen.

Das Finanzgericht wies die Klage des H ab. Eine vorherige Befragung des H hätte keinen Erfolg versprochen. Zu der Frage, an wen und zu welchem Preis der jeweilige Halter sein Fahrzeug veräußerte, hätte er keine Angaben machen können.

Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück.

Steht nicht fest, dass der Beteiligte nicht mitwirken wird, darf das Finanzamt eine Auskunft bei Dritten ohne einen vorherigen Versuch beim Beteiligten nur einholen, wenn die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung anzunehmen ist. Die Erfolgsprognose erfordert einen klar umrissenen und für die Besteuerung erheblichen Sachverhalt. Denn nur so kann das Mitwirkungsverhalten und Mitwirkungsergebnis zutreffend eingeschätzt werden. Ermittlungen „ins Blaue hinein“ sind unzulässig. Trotz des weiten Beurteilungsspielraums des Finanzamts müssen die mitzuteilenden „Tatsachen“ steuererheblich sein. Die Erfolgsprognose muss auf dieser Steuererheblichkeit aufbauen. Dazu muss zumindest das Ziel der Sachaufklärung des Finanzamts klar sein. Folglich hat das Finanzamt den Ermittlungszweck und das potenzielle Ermittlungsergebnis vor dem Erlass des Auskunftsersuchens so zu umreißen, dass die Erfolgsaussichten für eine Mitwirkung des Beteiligten eingeschätzt werden können. Andernfalls fehlt es bereits an der die Prognose tragenden Tatsachengrundlage.

Der Bundesfinanzhof beanstandet im vorliegenden Fall diese Prognoseentscheidung des Finanzamts. Zwar stellt das Finanzamt dar, dass der Verkäufer nicht in jedem Fall der Halter des Fahrzeugs war. Es bleibt jedoch unklar, ob die weitergehende Sachverhaltsaufklärung den H und/oder alle Zwischenhändler in der Lieferkette betreffen sollte. Insbesondere bleibt unklar, warum H nicht vorab befragt werden konnte. Außerdem wird nicht hinreichend klar, welchem Ermittlungszweck die weitere Sachverhaltsaufklärung dienen sollte.

Weiterhin hat das Finanzgericht für die von ihm angenommenen Konstruktion des Vorschiebens von Zwischenhändlern lediglich darauf hingewiesen, es sei lebensnah, dass der Steuerpflichtige solche Manipulationen nicht zugebe. Es fehlt jedoch nach Ansicht des Bundesfinanzhofs an einem konkreten Zusammenhang der Auffälligkeiten in den Lieferketten zu den deshalb notwendigen einzelnen Auskunftsersuchen.

Es ist schon nicht klar, wieso aufgrund der Auffälligkeiten angenommen werden durfte, dass die Zwischenhändler nicht existierten und der Versuch einer Sachverhaltsaufklärung durch H keinen Erfolg verspreche. Deshalb wird das Finanzgericht im weiteren Gang feststellen müssen, ob und wenn ja welchen konkreten Ermittlungszweck das Finanzamt in jedem Einzelfall verfolgte, sodass es im Rahmen seiner Prognose vor dem Erlass jedes Auskunftsersuchens von einer Erfolglosigkeit der Sachaufklärung durch H ausgehen durfte, bzw. ob im Einzelfall bereits ein atypischer Fall vorliegt, der es erlaubt, den ersten Halter als andere Person um Auskunft zu ersuchen.