Mandantenbrief Steuern Unternehmer September 2016

 

Unternehmer
und Freiberufler


1.

Transporter: 1-%-Regelung darf
nicht angewendet werden

2.

Geschenke: Aufwendungen müssen
getrennt aufgezeichnet werden

3.

Nicht mehr vermietbare Wohnung:
Wann fällt die Einkunftserzielungsabsicht weg?

4.

Beschäftigung eines
Arbeitnehmers: Ist die Tätigkeit noch freiberuflich oder schon gewerblich?

5.

Können Sonderbetriebsausgaben
nachträglich berücksichtigt werden?

6.

Häusliches Arbeitszimmer
abziehbar trotz Schreibtisch in der Praxis?

7.

Betriebsvermögen: Wie wird eine
Garage eines Einfamilienhauses behandelt?

8.

Vorsteuerabzug: Welche Anschrift
darf in der Rechnung verwendet werden?

9.

Vermietung: Wie groß muss ein
Briefkasten sein?

10.

Belegeinsicht: Macht der
Vermieter unverlangt Kopien, trägt er die Kosten

GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer


1.

Vorsteuerabzug auch für Anteile
an Tochtergesellschaften möglich?

2.

Personengesellschaft und
Generationennachfolge: Wann entfällt das Buchwertprivileg?

3.

GmbH-Beschlüsse: Gerichte können
das Stimmverhalten eines Gesellschafters nur in Härtefällen korrigieren

 

 Unternehmer und Freiberufler

 

1.  Transporter:
1-%-Regelung darf nicht angewendet werden

 

Ein Transporter mit nur 2 Sitzen wird
normalerweise nicht privat genutzt. Deshalb ist eine Versteuerung des geldwerten
Vorteils nach der 1-%-Regelung nicht möglich.

 

Hintergrund

Der
Kläger nutzte einen 2-sitzigen Transporter mit geschlossenem, fensterlosem
Laderaum. Das Finanzamt hielt diesen für eine private Nutzung für geeignet und
wendete deshalb die 1-%-Regelung an.

Das
Finanzgericht sah das anders und entschied, dass der Transporter für
Privatfahrten mit der Familie nicht brauchbar ist, da er nicht über
ausreichende Sitzplätze verfügt. Die 1-%-Regelung gilt hier nicht, wenn das
Fahrzeug aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung
typischerweise so gut wie ausschließlich nur zur Beförderung von Gütern
bestimmt ist.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigte diese Auffassung. Bei
dem Transporter war kein Vorteil aus einer privaten Nutzung des Fahrzeugs nach
der 1-% -Regelung anzusetzen. Ist ein Fahrzeug für eine private Nutzung nicht
geeignet, kommt auch eine Versteuerung eines privaten Vorteils in Betracht.
Einen Nachweis durch ein Fahrtenbuch hält der Bundesfinanzhof nicht für
erforderlich. Im vorliegenden Fall spricht das Vorhandensein von nur 2 Sitzen
gegen eine Privatnutzung.

Der Bundesfinanzhof fordert nur, dass das Fahrzeug
typischerweise einer privaten Nutzung nicht dient. Würde man auch ein
2-sitziges Fahrzeug grundsätzlich für private Besorgungen für geeignet halten,
wäre jeder beliebig große Lkw und damit eigentlich jedes Fahrzeug auch privat
einsetzbar.

 

2.  
Geschenke:
Aufwendungen müssen getrennt aufgezeichnet werden

 

Aufwendungen für Geschenke an Kunden
müssen getrennt aufgezeichnet und dafür gesonderte Konten innerhalb der
kaufmännischen Buchführung eingerichtet werden. Aufzeichnungen auf getrennten
Konten innerhalb eines in die Buchführung integrierten Controllingsystems
reichen jedoch nicht aus.

 

Hintergrund

Die Klägerin, eine in der Baubranche tätige GmbH,
hatte mehrere 1.000 Kalender mit Firmenlogo herstellen lassen. Diese versandte
sie an Kunden, Architekten und sonstige Empfänger. Das Finanzamt erkannte die
anteiligen Kosten für die Kalender nicht als Betriebsausgaben an. Zwar wurde
die Grenze von damals 40 EUR nicht überschritten. Jedoch verbuchte die Klägerin
die Aufwendungen innerhalb der kaufmännischen Buchführung nur auf Konten, auf
denen sie auch andere Betriebsausgaben erfasst hatte. Das Finanzamt sah es als
nicht ausreichend an, dass die Aufwendungen auf besonderen Konten innerhalb des
in die Buchführung integrierten Controllingsystems ohne unangemessenen Aufwand
ermittelt werden konnten.

 

Entscheidung

Das
Finanzgericht entschied zuungunsten der Klägerin und bestätigte die Auffassung
des Finanzamts. Die Begründung der Richter: Die Kalender sind Werbegeschenke,
deren Wert die Grenze von 40 EUR pro Kunde nicht überschreiten darf.
Entscheidend ist aber, ob die vom Gesetz geforderte gesonderte Aufzeichnung
vorliegt. Dies verneinten die Finanzrichter. Wird ein Controllingsystem
eingesetzt, birgt dies die Gefahr von Manipulationen. Das gilt auch dann, wenn
eine Überprüfung mit einem angemessenen Arbeits- und Zeitaufwand ermöglicht
ist.

 

3.
Nicht mehr
vermietbare Wohnung: Wann fällt die Einkunftserzielungsabsicht weg?

 

Steht eine Wohnung mehr als 5 Jahre leer
und ist sie wegen ausstehender Sanierungen, deren Realisierung ungewiss ist,
nicht vermietbar, kann die Einkunftserzielungsabsicht entfallen.

 

Hintergrund

Der
Kläger ist Eigentümer einer Eigentumswohnung. Diese war zunächst vermietet,
steht aber seit 1999 wegen eines Sanierungsstaus in der Wohnanlage leer. Für
die Jahre 2006 bis 2010 machte der Kläger Verluste aus Vermietung und
Verpachtung von insgesamt 36.737 EUR steuerlich geltend.

Diese
erkannte das Finanzamt jedoch nicht an. Denn seiner Ansicht nach führt ein lang
andauernder Leerstand dazu, dass eine Einkunftserzielungsabsicht entfällt. Da
auch nicht absehbar ist, ob und ggf. wann die Wohnung wieder vermietet werden
kann, ist keine Einkunftserzielungsabsicht mehr gegeben.

 

Entscheidung

Auch
das Finanzgericht erkannte die Verluste des Klägers nicht an. Zwar können
Aufwendungen für eine Wohnung, die nach einer vorherigen und auf Dauer
angelegten Vermietung leer steht, während des Leerstands als Werbungskosten
berücksichtigt werden. Erforderlich ist aber, dass der Steuerpflichtige den
ursprünglichen Entschluss zur Einkünfteerzielung nicht endgültig aufgegeben
hat.

Im
vorliegenden Fall befanden sich jedoch die gesamte Wohnanlage und auch die
Wohnung des Klägers wegen des Sanierungsstaus in einem Zustand, der keine
Vermietung erlaubte.

Auch
wenn die Eigentümerversammlung bereits im Jahr 1999 die Sanierung der
Wohnungsanlage beschlossen hatte und die Sanierungs- und Renovierungsarbeiten
im Jahr 2005 zu 50 % abgeschlossen waren, ist nicht absehbar, in welchem
Zeitraum mit einem Abschluss dieser Arbeiten und damit mit einer erneuten
Vermietbarkeit der Wohnung des Klägers gerechnet werden kann. Auch wenn dies an
der fehlenden Mitwirkung der anderen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft
liegt, war die Einkunftserzielungsabsicht des Klägers spätestens im Jahr 2005
entfallen.

 

4.   
Beschäftigung
eines Arbeitnehmers: Ist die Tätigkeit noch freiberuflich oder schon
gewerblich?

 

Beschäftigt ein Freiberufler einen
Arbeitnehmer, ist die Grenze zwischen freiberuflicher und gewerblicher
Tätigkeit schnell überschritten. So wurde bei einem Ingenieur, dessen
Arbeitnehmer einen Großteil seiner beruflichen Arbeit selbstständig ohne seine
Beteiligung erledigten, als gewerblich tätig eingestuft.

 

Hintergrund

Eine
Sozietät aus 2 Ingenieuren führte u. a. Hauptuntersuchungen für Kfz durch. 3
weitere Ingenieure, die als Arbeitnehmer beschäftigt waren, übernahmen den weit
überwiegenden Teil der Aufträge. Diese erledigten sie eigenverantwortlich ohne
Beteiligung der Gesellschafter. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die
Gesellschafter nicht mehr eigenverantwortlich tätig sind. Deshalb sah es deren
Einkünfte als gewerblich an und unterwarf sie der Gewerbesteuer.

 

Entscheidung

Vor
dem Finanzgericht hatten die Gesellschafter keinen Erfolg mit ihrer Klage. Denn
das Gericht schloss sich der Auffassung des Finanzamts an. Es fehlt die von der
Rechtsprechung geforderte höchstpersönliche, individuelle Arbeitsleitung
gegenüber dem Abnehmer der Leistung. Dass die Gesellschafter der Sozietät durch
die gesetzlichen Vorgaben gehindert waren, auf die von ihren Arbeitnehmern
durchgeführten Prüfungen entscheidend Einfluss zu nehmen, ändert nichts an den
steuerlichen Anforderungen. Das Zurverfügungstellen der Prüfgeräte und eine
stichprobenartige Kontrolle der Mitarbeiter genügt nicht.

Ob
eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre, wenn die Gesellschafter jedes
Prüfprotokoll selbst unterzeichnet hätten, hat das Finanzgericht offengelassen.

 

5.
Können
Sonderbetriebsausgaben nachträglich berücksichtigt werden?

 

Ein fehlerhafter Bilanzansatz kann in der
ersten noch offenen Bilanz korrigiert werden. Erforderlich ist allerdings, dass
das entsprechende Wirtschaftsgut noch vorhanden ist.

 

Hintergrund

Die
Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft machte selbst getragene
Rechtsberatungskosten aus den Jahren 2008 und 2009 als Sonderbetriebsausgaben
geltend. Diese waren bei der Erstellung der Steuererklärungen der entsprechenden
Jahre jedoch noch nicht erklärt worden, sodass die Steuerbescheide ohne Berücksichtigung
der Sonderbetriebsausgaben erlassen wurden. Gegen die Bescheide 2009 legte die
Gesellschaft Einspruch ein. Bezüglich des Jahres 2008 verlangte sie, dass die
Sonderbetriebsausgaben im Wege der Bilanzberichtigung in 2009 berücksichtigt
werden, was das Finanzamt aber zurückwies. Im Klageverfahren erkannte das
Finanzamt die Sonderbetriebsausgaben für 2009 an, nicht jedoch die für 2008.

 

Entscheidung

Auch
das Finanzgericht gewährte keinen Abzug der Sonderbetriebsausgaben für 2008.
Die Richter sahen die Voraussetzungen für eine Korrektur nach den Grundsätzen
des formellen Bilanzzusammenhangs hier nicht als erfüllt an. Die Bilanz ist
zwar falsch, weil die Einlagen nicht zutreffend erfasst wurden und sich damit
eine Gewinnänderung ergibt. Es steht jedoch auch unstreitig fest, dass die
Steuerfestsetzung 2008 bestandskräftig ist. Deshalb kommt eine Änderung nur
noch in der ersten noch offenen Steuerfestsetzung in Betracht. Weiterhin ist
erforderlich, dass der Bilanzierungsfehler an dem maßgeblichen Stichtag, hier
2009, weiterhin vorliegt. Hier ist das aber nicht der Fall, da der Bilanzierungsfehler
im Fehlerjahr 2008 verbleibt.

 

6. 
Häusliches
Arbeitszimmer abziehbar trotz Schreibtisch in der Praxis?

 

Wer in seiner Praxis über einen
Schreibtischarbeitsplatz verfügt, kann trotzdem die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer
abziehen. Das gilt vor allem dann, wenn die Praxisräume für die Erledigung von
Büroarbeiten nicht oder nur eingeschränkt geeignet sind.

 

Hintergrund

Der
Kläger ist selbstständiger Logopäde. In seinen Praxisräumen hatte er zwar einen
Schreibtischarbeitsplatz eingerichtet. Zur Erledigung von Büroarbeiten nutzte
er aber ein häusliches Arbeitszimmer. Denn in der Praxis konnte er Büroarbeiten
u. a. wegen der Versorgung der Patienten nur bedingt erledigen.

Das
Finanzamt erkannte die Kosten des Arbeitszimmers nicht als Betriebsausgaben an,
weil seiner Auffassung nach für die Bürotätigkeit ein anderer Arbeitsplatz zur
Verfügung stand.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht gab dagegen dem Kläger Recht. Anders
als bei einem Arbeitnehmer indiziert der Schreibtischarbeitsplatz eines
Selbstständigen im Büro bzw. in der Praxis, dass ihm dieser Arbeitsplatz für
alle Aufgabenbereiche seiner Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht. Erforderlich
ist jedoch, dass ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang
und in der konkret erforderlichen Art und Weise nutzen kann. Denn nur dann ist
der Steuerpflichtige nicht auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen. Kann er
aber seinen Arbeitsplatz im Büro bzw. der Praxis nur eingeschränkt nutzen und
muss er im häuslichen Arbeitszimmer einen nicht unerheblichen Teil seiner
beruflichen Tätigkeit verrichten, gilt das Abzugsverbot für das Arbeitszimmer
nicht.

Im vorliegenden Fall steht dem Kläger für die Ausübung
seiner erforderlichen Büro- und Verwaltungsarbeiten kein anderer Arbeitsplatz
im konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und
Weise zur Verfügung. Denn die Betriebsräume sind nur eingeschränkt für diese
Tätigkeiten nutzbar, da sie vorwiegend als Therapieräume für Patienten
ausgestattet sind. Büroarbeiten mit Patientendaten sowie Lohnabrechnungen sind
aber vertraulich vorzunehmen und können deswegen nicht in der Praxis erfolgen.
Der Kläger kann die Kosten des Arbeitszimmers deswegen bis zum Höchstbetrag von
1.250 EUR abziehen.

 

7. Betriebsvermögen:
Wie wird eine Garage eines Einfamilienhauses behandelt?

 

Stellt der Steuerpflichtige seinen Pkw in
einer Garage eines Einfamilienhauses ab, das beiden Ehegatten je zur Hälfte
gehört, kann der Miteigentumsanteil des Ehemanns an der Garage zum gewillkürten
Betriebsvermögen gerechnet werden. Eine Entnahme führt deshalb zur Versteuerung
der entstandenen stillen Reserven.

 

Hintergrund

Die
Ehegatten waren Miteigentümer eines Einfamilienhauses mit einer Doppelgarage.
In dieser wurde neben einem privaten auch ein betrieblicher Pkw abgestellt.
Seinen hälftigen Miteigentumsanteil an der Doppelgarage aktivierte der Ehemann
und wies ihn in der Bilanz aus, bis er im Jahr 2009 seinen Miteigentumsanteil
an dem Grundstück auf seine Ehefrau übertrug.

Das
Finanzamt beurteilte dies als eine Entnahme des Miteigentumsanteils an der
Garage und erfasste die entstandenen stillen Reserven als Entnahmegewinn. Der
Kläger war dagegen der Ansicht, dass die Aktivierung der anteiligen Garage von
Anfang an unzulässig war.

 

Entscheidung

Die
Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Die Garage wird zwar nicht zum
notwendigen Betriebsvermögen, wenn dort ein betrieblicher Pkw abgestellt wird.
Sie konnte jedoch als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden. Dafür
genügt es, wenn ein Wirtschaftsgut geeignet und dazu bestimmt ist, dem Betrieb
zu dienen. Mit der Aktivierung hatte der Kläger die Zuordnung zum gewillkürten
Betriebsvermögen dokumentiert.

 

8. 
Vorsteuerabzug:
Welche Anschrift darf in der Rechnung verwendet werden?

 

Ist es für den Vorsteuerabzug ausreichend,
dass der leistende Unternehmer in der Rechnung eine Anschrift angibt, unter der
er postalisch erreichbar ist, oder ist eine Anschrift erforderlich, unter der
er seine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet? Diese Frage legt der
Bundesfinanzhof dem Europäischen Gerichtshof vor.

 

Hintergrund

K
betreibt einen Kfz-Handel. In den Jahren 2009 bis 2011 kaufte er Fahrzeuge von
Z. Dieser hatte Räumlichkeiten angemietet, in denen er kein Autohaus betrieb,
sondern nur ein Büro unterhielt, von dem aus er seine Fahrzeuge im Onlinehandel
vertrieb. In dem Büro kam nur die Post an, wurde dort sortiert und bearbeitet.
Auch wurden die Akten dort geführt. Am Gebäude befand sich lediglich ein
Firmenschild. Die Fahrzeuge übergab Z an K zum Teil an öffentlichen Plätzen.

Das
Finanzamt wertete die Geschäftsadresse des Z nur als Briefkastenadresse und
damit als Scheinadresse und verweigerte deshalb K den Vorsteuerabzug aus den
Eingangsrechnungen des Z.

Das
Finanzgericht gab dagegen der Klage statt. Seiner Auffassung nach erfordert die
gesetzliche Regelung nicht, dass an der angegebenen Anschrift geschäftliche
Aktivitäten stattfinden. Die anderslautende bisherige Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs ist angesichts der technischen Entwicklung überholt.

Das
Finanzamt legte hiergegen Revision ein.

 

Entscheidung

Der
Bundesfinanzhof setzt das Revisionsverfahren aus und legt die Problematik dem
Europäischen Gerichtshof vor.

Für
den Leistungsempfänger besteht kein Recht auf Vorsteuerabzug, wenn die für den
Vorsteuerabzug erforderlichen Rechnungsangaben fehlen oder sie unzutreffend
sind. Der Bundesfinanzhof hatte erst im letzten Jahr dazu entschieden, dass das
gesetzlich geforderte Merkmal “vollständige Anschrift” nur dann erfüllt ist,
wenn der leistende Unternehmer dort seine wirtschaftlichen Aktivitäten
entfaltet. Unter der von Z angegebenen Adresse fanden jedoch keine ernsthaften
wirtschaftlichen Aktivitäten statt, sodass K der Vorsteuerabzug nicht zusteht.

Der
Bundesfinanzhof hat jedoch Zweifel daran, ob diese Auslegung des nationalen
Rechts mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs übereinstimmt. Denn
dieser hatte in einem Fall das Vorliegen der formellen Rechnungsvoraussetzungen
bejaht, obwohl an der im Handelsregister und auch in der Rechnung als
Gesellschaftssitz bezeichneten Anschrift eine wirtschaftliche Tätigkeit gar
nicht möglich war. Nach diesem Urteil könnte man davon ausgehen, dass für den
Vorsteuerabzug nicht alle formellen Rechnungsvoraussetzungen vorliegen müssen,
jedenfalls keine Anschrift vorausgesetzt wird, unter der wirtschaftliche
Tätigkeiten entfaltet werden.

 

9.  
Vermietung:
Wie groß muss ein Briefkasten sein?

 

Ein Briefkasten muss auch dickere und
größere Umschläge vollständig aufnehmen und gegen unbefugte Entnahme der Post
geschützt sein. Erfüllt der Briefkasten diese Eigenschaften nicht, darf der
Mieter vom Vermieter verlangen, einen anderen Briefkasten anzubringen.

 

Hintergrund

Der
zur Wohnung gehörende Briefkasten der Mieterin befindet sich zusammen mit den
übrigen Briefkästen in einer Briefkastenanlage. Diese ist von außen zugänglich.
Der Briefkasten selbst ist 32 cm hoch, 6 cm breit und 8 cm tief. Der Schlitz
für den Einwurf ist 22,9 cm breit.

In
den Briefkasten können Unterlagen mit der Größe DIN A 4 beziehungsweise C
4-Briefumschläge eingeworfen werden, wenn diese dünn sind. Gegen die Entnahme
von Umschlägen und Zeitungen von außen ist der Briefkasten nicht geschützt.

Die
Mieterin beanstandete deshalb den Briefkasten. Daraufhin beantragte der
Vermieter in einer Eigentümerversammlung das Anbringen eines gesonderten
Briefkastens für die Mieterin. Diesen Antrag lehnten die übrigen Wohnungseigentümer
jedoch ab.

Die
Mieterin verlangt deshalb vom Vermieter, dass dieser auf eigene Kosten einen
Briefkasten für ihre Wohnung anbringt, der insbesondere gegen die unbefugte
Entnahme von Postsendungen schützt.

 

Entscheidung

Die Klage der Mieterin hat Erfolg. Die Überlassung der Mietsache in einem
zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand umfasst auch die
Zurverfügungstellung eines Briefkastens, der eine ordnungsgemäße Postzustellung
ermöglicht.

Der vorhandene Briefkasten entspricht nicht der entsprechenden DIN. Denn er
ist so beschaffen, dass eingeworfene Umschläge und Zeitungen durch die Klappe
von außen wieder entnommen werden können. Ein ordnungsgemäßer Briefkasten muss
jedoch mit einem Entnahmeschutz versehen oder so tief sein, dass auch größere
Briefumschläge nicht wieder entnommen werden können.

Darüber hinaus ist der Einwurfschlitz nur 22,9 cm breit. Laut der DIN ist
aber eine Breite von mindestens 23 cm erforderlich.

 

10. Belegeinsicht:
Macht der Vermieter unverlangt Kopien, trägt er die Kosten

 

Der Vermieter muss dem Mieter Einsicht in
die Originalbelege gewähren, die der Betriebskostenabrechnung zugrunde liegen.
Versendet der Vermieter unaufgefordert Kopien der Belege, muss er die
Kopierkosten selbst tragen. Das gilt vor allem dann, wenn er die Belege auch
per Fax oder E-Mail hätte schicken können.

 

Hintergrund

Nach
einer Betriebskostenabrechnung verlangten die Mieter Einsicht in die
Originalbelege. Da die Wohnung sich in größerer Entfernung vom Sitz der
Vermieterin befindet, verlangten die Mieter Einsicht in die Belege an ihrem Wohnort.
Alternativ waren sie mit einer Übersendung von Kopien einverstanden, lehnten
jedoch eine Übernahme der Kopierkosten ab. Außerdem teilten sie der Vermieterin
mit, dass auch eine Übersendung per Fax oder E-Mail möglich ist. Die
Vermieterin übersandte den Mietern per Post Belegkopien und verlangte von den
Mietern Ersatz der Kopierkosten.

 

Entscheidung

Mit ihrer Klage hatte die Vermieterin keinen Erfolg. Das Gericht entschied,
dass die Kopierkosten zu ihren Lasten gehen.

Die Originalbelege zur Betriebskostenabrechnung können von den Mietern
grundsätzlich am Sitz des Vermieters eingesehen werden. Ist dies – wie im
vorliegenden Fall – wegen der Entfernung zwischen der Wohnung und dem Sitz der
Vermieterin den Mietern nicht zuzumuten, folgt daraus ein Einsichtsrecht am Ort
der Mietwohnung.

Der Vermieter schuldet in diesem Fall die Vorbereitung und Durchführung der
Einsichtnahme. Die dabei entstehenden Kosten muss der Vermieter tragen.
Entscheidet sich der Vermieter dagegen, den Mietern Kopien der Originalbelege
zu übersenden – im vorliegenden Fall auch noch unaufgefordert –, trägt dafür
ebenfalls der Vermieter die Kosten.

Nur wenn der Mieter ausdrücklich die Übersendung von Kopien wünscht, trägt
er die dafür entstehenden Kosten.

 

 



 

 GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer

 
 

1.  
Vorsteuerabzug
auch für Anteile an Tochtergesellschaften möglich?

 

Für den Erwerb von Beteiligungen an einer
Tochtergesellschaft steht einer geschäftsleitenden Holding der volle
Vorsteuerabzug zu. Denn GmbH u. Co. KG ist vom Begriff der juristischen Person
umfasst.

 

Hintergrund

Die A-GmbH u. Co. KG war an 2 Tochtergesellschaften, die
ebenfalls GmbH u. Co. KG waren, als Kommanditistin beteiligt. Die
Tochtergesellschaften waren Eigentümerinnen eines jeweils von ihnen betriebenen
Containerschiffs. Gegenüber den Tochtergesellschaften erbrachte A
“administrative Leistungen”. Dazu gehörten z. B. die Durchführung von
Gesellschafterversammlungen, betriebliche Beratungen usw. A erhielt für diese
Leistungen eine Vergütung.

Für
die Aufwendungen der A im Zusammenhang mit der Einwerbung des Kapitals für die
Beteiligung an den 2 Einschiffsgesellschaften fiel Umsatzsteuer an. Diese
machte A als Vorsteuer geltend.

Dagegen
war das Finanzamt der Ansicht, dass das eingeworbene Kapital zu 77,69 % dem
nichtwirtschaftlichen Bereich des Haltens von Anteilen an den
Tochtergesellschaften dient. Für diesen scheidet ein Vorsteuerabzug aus.
Deshalb ließ das Finanzamt nur anteilige Vorsteuern, nämlich 22,31 %, zum Abzug
zu.

Das
Finanzgericht schloss sich dieser Vorgehensweise an und wies die Klage der A
ab.

Mit
der Revision machte die A den vollen Vorsteuerabzug geltend.

 

Entscheidung

Der
Bundesfinanzhof setzte zunächst das Revisionsverfahren aus und legte dem Europäischen
Gerichtshof die Frage vor, ob der Vorsteuerabzug anteilig berechnet werden
darf. Außerdem problematisierte er, ob eine Personengesellschaft wie die GmbH
u. Co. KG Organgesellschaft sein kann bzw. ob die Beschränkung auf juristische
Personen als Organgesellschaften mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Der
Europäische Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass durch das entgeltliche
Eingreifen in die Verwaltung der Beteiligungsgesellschaften eine
wirtschaftliche Tätigkeit begründet wird. Damit ist eine geschäftsleitende
Holding grundsätzlich in voller Höhe vorsteuerabzugsberechtigt. Darüber hinaus
ist eine Organschaft nicht auf juristische Personen beschränkt.

Nach
diesen Grundsätzen steht also A als geschäftsführender Holding der
Vorsteuerabzug in vollem Umfang zu. Sie ist Unternehmerin und hat die
Tätigkeit, an alle ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt administrative und
kaufmännische Leistungen zu erbringen. Da eine geschäftsleitende Holding keinen
nichtwirtschaftlichen Bereich hat, kommt ein nur teilweiser Vorsteuerabzug
nicht in Betracht.

Wie
der Europäische Gerichtshof ist auch der Bundesfinanzhof der Auffassung, dass
eine GmbH u. Co. KG eine Organgesellschaft sein kann. Deshalb hob er das Urteil
des Finanzgerichts auf und verwies die Sache zurück. Das Finanzgericht muss
jetzt die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachholen, insbesondere
zur finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung der
Tochtergesellschaften in das Unternehmen der A.

 

2. Personengesellschaft
und Generationennachfolge: Wann entfällt das Buchwertprivileg?

 

Wird ein zurückbehaltenes Wirtschaftsgut
später zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen übertragen, entfällt
dadurch nicht die Buchwertprivilegierung einer Teilmitunternehmer-Anteilsübertragung.

 

Hintergrund

In der A-GmbH u. Co. KG war A ursprünglich alleiniger
Kommanditist und Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Im Jahr
1998 übertrug A auf seinen Sohn B unentgeltlich 90 % seines KG-Anteils und 25 %
seiner GmbH-Anteile. Ein von A an die KG vermietetes Betriebsgrundstück wurde
im Sonderbetriebsvermögen des A erfasst und nicht mitübertragen. Die A-KG
führte die Buchwerte unverändert fort. Im Jahr 2011 übertrug A das Betriebsgrundstück
unentgeltlich auf die G-KG, an der er alleine beteiligt ist.

Wegen
der Übertragung des Betriebsgrundstücks an die G-KG in 2011 ging das Finanzamt
davon aus, dass die Übertragung des Mitunternehmeranteils auf B nicht zum
Buchwert möglich ist. Vielmehr müssen wegen der Grundstücksübertragung in 2011
rückwirkend in 2008 die stillen Reserven in dem auf B übertragenen KG-Anteil
besteuert werden. Eine Buchwertfortführung ist nach Ansicht des Finanzamts nur
dann möglich, wenn das zurückbehaltene Wirtschaftsgut von dem Übertragenden
innerhalb einer Frist von 5 Jahren nicht aus dem Betriebsvermögen entnommen
oder veräußert werde.

Das
Finanzgericht kam dagegen zu einem anderen Ergebnis. Seiner Meinung nach lässt
sich aus der gesetzlichen Regelung keine Behaltefrist entnehmen.

 

Entscheidung

Der
Bundesfinanzhof bestätigte das Urteil des Finanzgerichts und entschied, dass
eine spätere Übertragung zurückbehaltener Wirtschaftsgüter des
Sonderbetriebsvermögens der Buchwertprivilegierung für die unentgeltliche
Übertragung (Schenkung) des Teilmitunternehmeranteils nicht entgegensteht. Die
Übertragung des Teilmitunternehmeranteils zum Buchwert erfolgt nämlich auch
dann, wenn der bisherige Betriebsinhaber (Mitunternehmer) Wirtschaftsgüter, die
weiterhin zum Betriebsvermögen derselben Mitunternehmerschaft gehören, nicht
überträgt. Das aber nur, soweit der Rechtsnachfolger den übernommenen
Mitunternehmeranteil über einen Zeitraum von 5 Jahren nicht veräußert oder
aufgibt. Die Übertragung des 90-%-Anteils von A auf B wurde danach zwingend zum
Buchwert durchgeführt.

Das
Buchwertprivileg entfällt nicht rückwirkend, auch nicht dann, wenn ein
zurückbehaltenes Sonderbetriebsvermögen später in ein anders Betriebsvermögen
zum Buchwert überführt wird. Das lässt sich weder dem gesetzlichen Wortlaut
noch der Gesetzessystematik entnehmen.

 

3.  
GmbH-Beschlüsse:
Gerichte können das Stimmverhalten eines Gesellschafters nur in Härtefällen
korrigieren

 

Bei der Stimmabgabe sollen sich die
Gesellschafter von den Interessen der GmbH leiten lassen. Das gebietet die
gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. Wie die Interessen der Gesellschaft am
besten zu wahren sind, haben aber grundsätzlich die Gesellschafter zu
beurteilen. Ein Gesellschafter muss deshalb einer objektiv vernünftigen Maßnahme
nicht zustimmen, wenn dadurch nicht die Existenz der Gesellschaft bedroht wird.

 

Hintergrund

Die
beklagte GmbH ist eine Konzernholdinggesellschaft, deren operatives Geschäft an
zahlreichen Standorten jeweils durch eine Enkelgesellschaft betrieben wird. An
der Holding sind 2 Gesellschafter beteiligt, wobei die Klägerin mit 21,62 % die
kleinere Beteiligung hält. Die Geschäftsführung der GmbH hatte Vorschläge für
neue Standorte erarbeitet und diese den Gesellschaftern im Umlaufverfahren
vorgelegt. Die Klägerin verlangte trotzdem eine Abstimmung im
Gesellschafterkreis. Während sie für sämtliche Standortmaßnahmen stimmte,
stimmte die Mehrheitsgesellschafterin in 9 Fällen dagegen. Die Klägerin
verlangte, dass die ablehnenden Beschlüsse für nichtig erklärt werden.

 

Entscheidung

Der
Bundesgerichtshof entschied zuungunsten der Klägerin. Die Begründung der
Richter: Ein Gesellschafter ist in der Ausübung seines Stimmrechts frei. Er
muss seine Stimmabgabe nicht rechtfertigen. Das gilt auch dann, wenn seine
Beweggründe sachwidrig und unverständlich erscheinen.

Aus
der Treuepflicht lässt sich nur unter bestimmten Voraussetzungen ein bestimmtes
Abstimmungsverhalten ableiten, z. B. wenn die zu beschließende Maßnahme der
Erhaltung wesentlicher Werte, die die Gesellschafter geschaffen haben, dient,
oder zur Vermeidung erheblicher Verluste, die die Gesellschaft bzw. die
Gesellschafter erleiden könnten, erforderlich ist. Auch muss das Abstimmungsverhalten
den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange
zumutbar sein.

Diese
hohen Anforderungen sind im vorliegenden Fall nicht allein deshalb erfüllt,
weil die streitgegenständlichen Standorte für die Beklagte von nicht unerheblicher
wirtschaftlicher Bedeutung waren.