Steuerrecht Unternehmer und Freiberufler

 

1. Eingabefehler nach intensiver Prüfung: Finanzamt kann sich nicht auf eine offenbare Unrichtigkeit berufen
2. Gewerbeverlust: Unternehmensidentität darf nicht unterbrochen werden
3. Keine gesonderte und einheitliche Feststellung bei Anwachsung von Gesellschaftsanteilen an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft
4. Kleinunternehmer und Regelbesteuerung: Im Zweifel muss das Finanzamt fragen
5. Kleinunternehmergrenze bestimmt sich nach dem Gesamtumsatz
6. Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz
7. Processing-Leistungen eines Unternehmens gegenüber einer Bank sind nicht steuerfrei
8. Umsatzsteuer: Auch ein vertraglich festgelegter Vorabgewinn ist steuerpflichtig
9. Wann entsteht bei einem “sale and lease back” die Steuer?
GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
1. Formwechsel und Eintritt eines persönlich haftenden Gesellschafters
2. Wer nicht in der Gesellschafterliste eingetragen ist, gilt gegenüber der Gesellschaft nicht als Gesellschafter

 

Steuerrecht Unternehmer

  1. Eingabefehler nach intensiver Prüfung: Finanzamt kann sich nicht auf eine offenbare Unrichtigkeit berufen

 Prüfen mehrere Mitarbeiter des Finanzamts einen Steuerfall inhaltlich und unterläuft bei der Bearbeitung ein Eingabefehler, kann der Steuerbescheid nicht geändert werden. Denn es fehlt an dem “mechanischen Versehen” als Voraussetzung für eine offenbare Unrichtigkeit.

Hintergrund
X erzielte bei der Veräußerung eines GmbH-Anteils einen Veräußerungsgewinn von 132.900 EUR. Dieser unterlag nach dem Teileinkünfteverfahren zu 60 %, d. h. in Höhe von 79.740 EUR der Besteuerung. X erklärte diesen Betrag ordnungsgemäß unter der Kennziffer 45.28 in der elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung.

Im Veranlagungsverfahren wurde unter Kennziffer 45.83 (Beschreibungstext: “personell ermittelter steuerfreier Veräußerungsgewinn”) der Wert “79.740 EUR” eingetragen. Richtig wäre hier der Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG mit dem Wert “0 EUR” einzutragen gewesen. Es konnte nicht geklärt werden, durch welchen Sachbearbeiter beim Finanzamt die unrichtige Eintragung bei der Kennziffer 45.83 vorgenommen wurde.

Durch den Falscheintrag wurde von dem zutreffend erklärten Veräußerungsgewinn von 79.740 EUR ein “steuerfrei bleibender Veräußerungsgewinn” in gleicher Höhe abgezogen. Die Folge: Die Einkünfte aus der Veräußerung wurden mit 0 EUR berücksichtigt.

In einem Prüfhinweis wurde die vollumfängliche Prüfung des Falls – u. a. die Einkünfte aus der Anteilsveräußerung – angeordnet und auf die Prüfung bestimmter Prüfpunkte (u. a. Teileinkünfteverfahren) durch den Sachgebietsleiter hingewiesen. Keine der 3 mit dem Fall befassten Stellen bemerkte den Falscheintrag.

Nachdem bei einer Außenprüfung der Fehler entdeckt worden war, erließ das Finanzamt wegen einer offenbaren Unrichtigkeit einen geänderten Bescheid. Diesem wurde der erklärte Veräußerungsgewinn von 79.740 EUR zugrunde gelegt. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht ab, es ging von einem mechanischen Versehen aus.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied, dass die Voraussetzungen für eine Bescheidänderung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nicht vorlagen. Offenbare Unrichtigkeiten sind mechanische Versehen (z. B. Schreibfehler, Rechenfehler, Eingabefehler, Übertragungsfehler). Dagegen schließen Fehler in der Rechtsanwendung (fehlerhafte Willensbildung, Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen) die offenbare Unrichtigkeit aus. Die entsprechende Korrekturvorschrift ist daher nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Eine Berichtigung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit ist somit ausgeschlossen, wenn das Finanzamt aufgrund eines Prüfhinweises den Fall überprüft hat, es im Rahmen dieser Überprüfung zu einer neuen Willensbildung der zuständigen Beamten gekommen ist und daher die Möglichkeit eines Rechtsirrtums nicht auszuschließen ist.

Von diesen Grundsätzen ausgehend lagen im vorliegenden Fall die Berichtigungsvoraussetzungen wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nicht vor. An dem Fall waren mehrere Bearbeiter tätig und die Kennziffer 45.83 hätte von jedem dieser Bearbeiter ausgefüllt werden können. Fest stand nur, dass die Veranlagung als “Intensiv-Prüfungsfall” von 2 Bearbeitern inhaltlich geprüft wurde.

Deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass bereits die ursprüngliche Eintragung des unzutreffenden Werts bei Kennziffer 45.83 auf unzutreffenden rechtlichen Erwägungen beruhte und nicht lediglich mechanisch erfolgte. Es kam daher nicht mehr darauf an, ob die weitere Überprüfung des Steuerfalls sich auf eine bloße Plausibilitätskontrolle beschränkte oder eine “echte” Inhaltsprüfung darstellte.

  1. Gewerbeverlust: Unternehmensidentität darf nicht unterbrochen werden

 Bei einer Besitzpersonengesellschaft besteht die Unternehmensidentität so lange fort, wie sie mit der Betriebskapitalgesellschaft verflochten bleibt. Ein vortragsfähiger Gewerbeverlust geht jedoch mangels Unternehmensidentität unter, wenn die Tätigkeit nicht nur vorübergehend unterbrochen oder geändert wird.

Hintergrund
Die Geschäftstätigkeit der K-KG umfasste bis 30.6.2005 Produktion und Handel. Im Zuge einer Umstrukturierung wurde zum 1.7.2005 das Anlagevermögen der K-KG an die R-GmbH (Kommanditistin) verpachtet und das Umlaufvermögen an sie veräußert. Zum 30.6.2006 wurde der Betriebspachtvertrag wieder aufgehoben. Das Anlagevermögen wurde auf die R-GmbH übertragen. Das Betriebsgrundstück wurde an die R-GmbH vermietet.

Das Finanzamt stellte zunächst antragsgemäß auf den 31.12.2005 einen vortragsfähigen Gewerbeverlust der K-KG fest. Später vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass der festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust wegen Wegfalls der Unternehmensidentität aufgrund des Wechsels von der Produktion zur Betriebsverpachtung ab 1.7.2005 untergegangen war. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage statt.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Die für den Verlustabzug geforderte Unternehmensidentität bedeutet, dass der im Anrechnungsjahr bestehende Gewerbebetrieb identisch ist mit dem Gewerbebetrieb, der im Jahr der Entstehung des Verlusts bestanden hat. Die Unternehmensidentität muss zwischen Anrechnungsjahr und Verlustentstehungsjahr ununterbrochen bestanden haben. Bei nicht nur vorübergehender Unterbrechung oder andersartiger Tätigkeit kann zwar eine einkommensteuerrechtlich unerhebliche Betriebsunterbrechung (“ruhender Gewerbebetrieb”) vorliegen. Gewerbesteuerrechtlich entfällt jedoch die Unternehmensidentität.

Fraglich war, ob die Unternehmensidentität bei der K-KG im Erhebungszeitraum 2006 aufgrund der Aufhebung des Betriebspachtvertrags zum 30.6.2006 entfallen ist. Denn bei einer Besitzpersonengesellschaft besteht die Unternehmensidentität jedenfalls so lange fort, als sie mit der nämlichen Betriebskapitalgesellschaft sachlich und personell verflochten bleibt. Denn dann übt die Besitzpersonengesellschaft aufgrund ihrer Verflechtungen gegenüber dem nämlichen “Kunden” (Vertragspartner) ununterbrochen eine nutzungsüberlassende Tätigkeit aus, die sich nach ihrem Gesamtbild als die wirtschaftlich identische (originär) gewerbliche Tätigkeit darstellt.

Davon ausgehend ist die Unternehmensidentität im Erhebungszeitraum 2006 möglicherweise nicht entfallen. Das würde voraussetzen, dass durch den Übergang von der Produktion zur Verpachtung zwischen der K-KG (Besitzpersonengesellschaft) und der R-GmbH (Betriebskapitalgesellschaft) eine Betriebsaufspaltung begründet worden wäre. Diese müsste trotz der erneuten Änderung ihrer Tätigkeit über diesen Zeitpunkt hinaus fortbestanden haben. Dazu fehlen allerdings ausreichende Tatsachen. Das Finanzgericht muss nun im zweiten Verfahrensgang aufklären, ob die K-KG mit der R-GmbH ab dem 1.7.2005 und über den 1.7.2006 hinaus personell verflochten war.

 

  1. Keine gesonderte und einheitliche Feststellung bei Anwachsung von Gesellschaftsanteilen an einer vermögensverwalten-den Personengesellschaft

 Wenn ein Gesellschafter aus einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft gegen eine Abfindung ausscheidet und sein Anteil den verbleibenden Gesellschaftern anwächst, wird dieser Anwachsungserwerb durch die verbleibenden Gesellschafter jeweils einzeln verwirklicht.

Hintergrund
An der X-GbR waren ursprünglich A, B, C, D zu je 25 % beteiligt. Im Jahr 2005 ging der Anteil des A unter Nießbrauchsvorbehalt auf seine Kinder F und G über.

Im Jahr 2006 schied B aus der GbR aus. Sein Gesellschaftsanteil von 25 % wuchs den verbliebenen Gesellschaftern C, D, F, G an. Im Gegenzug wurde von der GbR eine Abfindung an B gezahlt.

Im Jahr 2007 veräußerte die GbR eine Immobilie. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, mit dem Ausscheiden des B hätten die verbliebenen Gesellschafter dessen Gesellschaftsanteil (25 %) – und damit auch einen Bruchteil des gesamthänderisch gebundenen Immobilienvermögens – entgeltlich “angeschafft”. Durch die Veräußerung erzielten sie Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft. Dementsprechend stellte das Finanzamt Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften fest und verteilte diese auf der Gesellschafterebene jeweils zu 1/3 auf A (als Nießbrauchsberechtigter), C und D.

Das Finanzgericht wies die Klage, mit der sich die GbR gegen den Ansatz von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften wandte, ab.

Entscheidung
Die Revision vor dem Bundesfinanzhof hatte Erfolg. Für die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften fehlte die gesetzliche Grundlage. Der Bundesfinanzhof änderte daher den Feststellungsbescheid, sodass keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften festgestellt wurden.

Zur Begründung führten die Richter aus: Veräußert eine grundstücksbesitzende GbR eine in ihrem Gesamthandsvermögen befindliche Immobilie, ist über die Frage, ob durch das Veräußerungsgeschäft ein Einkünftetatbestand verwirklicht wurde, nur dann im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung zu entscheiden, wenn die Tatbestandsmerkmale gemeinsam in der Einheit der Gesellschaft verwirklicht werden.

Verfahrensrechtlich ist eine gesonderte und einheitliche Feststellung und Zurechnung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Fällen, in denen die Anschaffung oder Veräußerung einer Gesellschaftsbeteiligung als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter gilt, regelmäßig nicht zulässig. Denn der rechtliche Vorgang wird nicht gemeinsam und in der Einheit der Gesellschaft, sondern individuell durch den Gesellschafter verwirklicht.

Hiervon ausgehend war die vom Finanzamt vorgenommene gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus der Veräußerung der Immobilie schon aus verfahrensrechtlichen Gründen fehlerhaft. Denn die Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Erzielung von Einkünften lagen nicht vor.

Durch das Ausscheiden des B war sein Anteil den verbleibenden Gesellschaftern C, D, F, G angewachsen. Diese haben den Anwachsungserwerb aber jeweils einzeln und nicht in der Einheit der Gesellschaft verwirklicht. Denn dieser Erwerb wurde nicht durch die gesamthänderische Bindung geprägt, sondern beruhte auf einer gesellschaftsvertraglichen Regelung, mit der die Gesellschafter für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters vorab eine individuelle (personenbezogene) künftige Zuordnung des Anteils des Ausgeschiedenen vereinbart hatten.

 

  1. Kleinunternehmergrenze bestimmt sich nach dem Gesamtumsatz

 Bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes nach der Kleinunternehmerregelung ist bei einem Händler, der der Differenzbesteuerung unterliegt, auf die Gesamteinnahmen abzustellen. Die Differenz zwischen dem geforderten Verkaufspreis und dem Einkaufspreis (Handelsspanne) ist nicht maßgebend.

Hintergrund
X erzielte in den Jahren 2009 und 2010 der Differenzbesteuerung unterliegende Umsätze aus einem Gebrauchtwagenhandel. Der Gesamtumsatz betrug 27.358 EUR bzw. 25.115 EUR, die Handelsspanne lag bei 17.328 EUR bzw. 17.470 EUR. Bis 2009 war X umsatzsteuerlich Kleinunternehmer, weil die erzielten Margen die Vorjahresumsatzgrenze für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung von 17.500 EUR nicht überstiegen. Das entsprach der bis 2009 geltenden Verwaltungsregelung. Danach war in Fällen der Differenzbesteuerung für die Vorjahresumsatzgrenze auf die Handelsspanne abzustellen.

Ab 2010 änderte sich die Verwaltungspraxis. Nunmehr waren für die Vorjahresumsatzgrenze die vereinnahmten Entgelte (Gesamtumsatz) entscheidend. Dementsprechend versagte das Finanzamt für 2010 die Kleinunternehmerregelung, da der Gesamtumsatz des Vorjahres (2009) mit 27.358 EUR die Grenze von 17.500 EUR überstieg.

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Der Bundesfinanzhof setzte das Revisionsverfahren aus und legte die Problematik dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor.

Entscheidung
Der Europäische Gerichtshof entschied, dass sich die Kleinunternehmergrenze nicht nach der Handelsspanne, sondern nach dem Gesamtumsatz bestimmt. Das ergibt sich seiner Auffassung nach aus dem Wortlaut des Art. 288 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL. Dabei bezieht sich “besteuert” nicht auf den “Betrag”, sondern auf “Lieferungen” oder “Leistungen”.

Der Bundesfinanzhof schloss sich der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs an. Die Umsatzgrenze für die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung für einen der Differenzbesteuerung unterliegenden Wiederverkäufer bestimmt sich somit auf der Grundlage aller von dem Wiederverkäufer vereinnahmten oder zu vereinnahmenden Beträge ohne Umsatzsteuer. Damit war im Streitfall die Umsatzgrenze von 17.500 EUR überschritten. Dementsprechend war die Revision des Finanzamts begründet. Der Bundesfinanzhof hob daher das auf der Gegenmeinung beruhende Finanzgerichtsurteil auf.

 

  1. Kleinunternehmer und Regelbesteuerung: Im Zweifel muss das Finanzamt fragen

Bestehen Zweifel daran, für welche Besteuerungsform sich ein Kleinunternehmer entschieden hat, muss das Finanzamt nachfragen. Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige bei Abgabe der Jahressteuererklärung die Umsatzsteuer nach Allgemeinregeln berechnet hat.

Hintergrund
Im Gründungsjahr 2006 optierte der Kläger zur Regelbesteuerung und berechnete bis einschließlich 2016 die Umsatzsteuer nach der Regelbesteuerung. In den Jahren 2011 und 2012 erzielte er Bruttoumsätze oberhalb der Kleinunternehmergrenze von 17.500 EUR, ab 2013 unterhalb der Grenze von 17.500 EUR. Mit seiner am 25.10.2018 eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2017 beantragte der Kläger erstmalig den Wechsel von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerschaft. In den Rechnungen 2017 wies der Kläger unter Hinweis auf § 19 UStG jedoch keine Umsatzsteuer aus.

Nach Auffassung des Finanzamts war jedoch der Wechsel von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerschaft für 2017 nicht möglich, da der Kläger innerhalb der letzten 5 Jahre von der Option Gebrauch gemacht hatte und deshalb insoweit gebunden war. Im Jahr 2016 erzielte er zwar nur Umsätze von 4.741 EUR, durch die Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung mit Ausweis von Umsätzen und Vorsteuern war er jedoch wirksam zur Regelbesteuerung optiert. Hieran war er 5 Jahre gebunden, sodass er frühestens ab dem 1.1.2021 zur Kleinunternehmerschaft hätte wechseln können.

Entscheidung
Das Finanzgericht gab dem Kläger Recht. Zur Begründung führte es aus: Ein Unternehmer kann dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung den Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung erklären. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung bindet dies den Unternehmer mindestens für 5 Kalenderjahre. Ein Verzicht auf die Kleinunternehmer-Besteuerung kann dem Finanzamt gegenüber auch konkludent erklärt werden – z. B. durch Abgabe einer für die Regelbesteuerung vorgesehenen Umsatzsteuererklärung, in der die Umsatzsteuer nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes berechnet und der Vorsteuerabzug geltend gemacht wird.

Bei der Würdigung des konkludenten Verhaltens kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Das Finanzamt muss in Zweifelsfällen den Kleinunternehmer fragen, welche Besteuerungsform er anwenden will. Verbleiben Zweifel, kann eine Option zur Regelbesteuerung nicht angenommen werden.

Davon ausgehend löste allein die Abgabe der Jahressteuererklärung 2016 mit Berechnung der Umsatzsteuer nach allgemeinen Regeln keine erneute 5-jährige Bindungsfrist für den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung aus, wenn die Frist nach einer erstmaligen Option bereits abgelaufen war. Der Kläger hatte bereits erstmals im Gründungsjahr 2006 auf die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung verzichtet. Die hierdurch ausgelöste 5-jährige Bindungswirkung war bereits Ende 2010 ausgelaufen. Ab da bestand für den Kläger jährlich die Möglichkeit des Widerrufs des Verzichts auf die Steuerbefreiung. Einen Widerruf hat der Kläger jedoch erstmalig für das Streitjahr 2017 mit der Steuererklärung 2017 erklärt.

Dass der Kläger zwischenzeitlich wegen Überschreitung der Vorjahres-Umsatzgrenze von 17.500 EUR für 2012 und 2013 kein Kleinunternehmer mehr war, führte entgegen der Auffassung des Finanzamts nicht dazu, dass nach erneutem Eintritt der Kleinunternehmervoraussetzungen aufgrund der Abgabe von Umsatzsteuer-Jahreserklärungen ein Neubeginn der 5-jährigen Bindungsfrist angenommen werden konnte.

 

  1. Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz

 Der Handelsbilanzwert für eine Rückstellung bildet gegenüber einem höheren steuerrechtlichen Rückstellungswert die Obergrenze. Steuerlich ist damit der niedrigere handelsrechtliche Wert maßgeblich.

Hintergrund
Die X-GmbH betreibt den Abbau und die Verwertung von Rohstoffen. Für Verpflichtungen zur Rekultivierung von Abbaugrundstücken bildete sie in Handels- und Steuerbilanzen Rückstellungen. In der Handelsbilanz zum 31.12.2010 bilanzierte sie Ansammlungsrückstellungen (Verteilungsrückstellungen) i. H. v. 295.870 EUR, bei deren Ermittlung geschätzte Kostensteigerungen bis zum Erfüllungszeitpunkt einbezogen wurden und der so ermittelte Erfüllungsbetrag abgezinst wurde. Steuerrechtlich erfolgte die Ermittlung ohne künftige Kostensteigerungen. Der ermittelte Verpflichtungsbetrag wurde nicht abgezinst und betrug laut Steuerbilanz 330.685 EUR.

Das Finanzamt kürzte die steuerliche Rückstellung auf den niedrigeren Handelsbilanzwert von 295.870 EUR. Für den sich ergebenden Gewinn (34.815 EUR) bildete es sodann eine Rücklage für Rückstellungsauflösung.

Das Finanzgericht wies die dagegen gerichtete Klage ab. Der handelsrechtlich abgezinste Wert war für die Steuerbilanz als Obergrenze zu beachten.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof bestätigte das Finanzgerichtsurteil. Die Rückstellung war mit dem niedrigeren handelsrechtlichen Wertansatz zu berücksichtigen.

Dass der Handelsbilanzwert maßgeblich ist, ergibt sich aus den verschiedenen Methoden der Gesetzesauslegung: Die wörtliche Auslegung des Einleitungssatzes des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG “höchstens insbesondere” ergibt keine Durchbrechung der Maßgeblichkeit. Der Wortlaut lässt vielmehr einen Wortsinn zu, der einen unterhalb des Rückstellungsbetrages nach den folgenden Buchst. a bis f ergebenden Betrag aufgrund handelsrechtlicher (oder steuerrechtlicher) Bewertungsvorschriften erfasst. Mit dem Wortzusatz “insbesondere” hat der Gesetzgeber gerade zum Ausdruck gebracht, dass es weitere Obergrenzen gibt.

Auch die historische Auslegung anhand der Begründung des Gesetzentwurfs ergibt, dass ein niedriger handelsrechtlicher Wert zugrunde zu legen ist (“Ist der Ausweis für die Rückstellung in der Handelsbilanz … niedriger als der sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ergebende Ausweis, so ist der Ausweis in der Handelsbilanz für die Steuerbilanz maßgebend.”). Die systematische Auslegung führt ebenfalls zum Höchstansatz des handelsrechtlichen Bilanzwertes. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ist dahin zu verstehen, dass die handelsrechtliche Maßgeblichkeit für die Steuerbilanz nur dann und nur insoweit durchbrochen wird, als der Gesetzgeber steuerrechtliche Ansatz- oder Bewertungsvorbehalte festgeschrieben hat. Durch den “höchstens insbesondere”-Verweis sollte der Bezug zur handelsrechtlichen Bewertung weiterhin bestehen.

Dieses Ergebnis bestätigt auch der Regelungszweck. § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG verfolgt den Zweck, realitätsnähere Bewertungen von Rückstellungen zu erreichen. Dieser Zielsetzung wird auch der Bezug zum Maßgeblichkeitsgrundsatz gerecht, wenn der handelsrechtliche Wert der Rückstellung niedriger ist als der steuerrechtliche.

 

  1. Processing-Leistungen eines Unternehmens gegenüber einer Bank sind nicht steuerfrei

 Die von einem Unternehmen erbrachten Processing-Leistungen für das Kreditkartengeschäft einer Bank stellen keine steuerfreien Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr dar.

Hintergrund
Die Klägerin ist Obergesellschaft des A-Konzerns und damit u. a. Organträgerin der Gesellschaft A1. Nach einer Neustrukturierung ihres Kreditkartengeschäfts wurden die Kreditkarten durch die N-Bank als Partner herausgegeben. Die Abwicklung für diese Kreditkarten der Bank, das sog. Processing, übernahm dabei A1 aufgrund verschiedener Dienstleistungsverträge. Die Klägerin behandelte die Processing-Umsätze bis einschließlich Mai 2005 als steuerpflichtige Umsätze und wies in ihren Rechnungen an die N-Bank die Umsatzsteuer jeweils offen aus. Später erklärte sie insoweit allerdings nur noch steuerfreie Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr. Das Finanzamt ging weiterhin von steuerpflichtigen Umsätzen aus.

Entscheidung
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führten die Richter aus: Die Bank erhielt als Issuer die Lizenz, Kreditkarten auszugeben. Soweit die Bank in diesem Zusammenhang A1 als Processing-Unternehmen beauftragte, das Kreditkarten-Processing durchzuführen, handelte es sich bei den von A1 dabei erzielten Umsätzen nicht um steuerfreie Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr.

Dass A1 im Rahmen der von ihr erbrachten Processing-Leistungen in maßgeblicher Art und Weise daran beteiligt war, dass eine Geldsumme von einem Bankkonto auf ein anderes übertragen wurde und dass es durch Leistungen der A1 zu einer Änderung der bestehenden rechtlichen und finanziellen Situation zwischen Auftraggeber und dem Empfänger bzw. ihrer jeweiligen Banken kam, konnte das Gericht nicht feststellen. Weder die einzelnen von A1 übernommenen Leistungen im Rahmen des Kreditkarten-Processings noch ihre Gesamtheit führten dazu, dass insoweit um steuerbefreite Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr angenommen werden konnten.

 

  1. Umsatzsteuer: Auch ein vertraglich festgelegter Vorabgewinn ist steuerpflichtig

 Erhält ein Land- und Forstwirt für die Überlassung von Vieheinheiten einen vertraglich festgelegten Vorabgewinn, liegt ein Leistungsaustausch vor. Dementsprechend unterliegen die Umsätze dem Regelsteuersatz.

Hintergrund
Der Kläger ist innerhalb seines landwirtschaftlichen Betriebs als Einzelunternehmer tätig. Er versteuert seine Umsätze nach Durchschnittssätzen. Außerdem ist er Komplementär einer aus ihm (Kapitalanteil 97 %) und einem Kommanditisten (Kapitalanteil 3 %) bestehenden KG. Diese betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb in Form einer Tierhaltungskooperation.

Im Gesellschaftsvertrag der KG ist u. a. geregelt, dass der Kläger der KG 140 Vieheinheiten zur Nutzung zur Verfügung stellt und einen Vorabgewinn von je 5 EUR je überlassener Vieheinheit erhält. Die hieraus erzielten Einnahmen unterwarf er nicht der Umsatzsteuer, da es sich nach seiner Auffassung um nicht umsatzsteuerbare gewinnabhängige Vergütungen als Form der Gewinnverteilung handelte. Das Finanzamt sah in der Überlassung der Vieheinheiten gegen Vorabgewinnanteile einen umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch.

Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg, das Finanzgericht folgte der Auffassung des Finanzamts. Der Kläger hatte mit seiner KG konkrete Regelungen für die Überlassung der Vieheinheiten getroffen und die Zahlung des Entgelts (Vorabgewinn von je 5 EUR) konkret in einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Überlassung gestellt. Die Gegenleistung ist danach ausdrücklich abhängig vom Umfang des jeweiligen Leistungsbetrags, denn der Kläger sollte für seine Gesellschafterleistung “Überlassung von 140 Vieheinheiten” grundsätzlich einen “Vorabgewinn” von 700 EUR pro Wirtschaftsjahr erhalten. Eine entsprechende Regelung wurde mit dem Kommanditisten getroffen, der allerdings 380 Vieheinheiten zu überlassen hatte. Dementsprechend erhielt dieser auch einen höheren Vorabgewinn.

Die umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft richtet sich danach, ob es sich um Leistungen handelt, die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Gewinn oder Verlust der Gesellschaft abgegolten werden oder um Leistungen, die gegen Sonderentgelt ausgeführt werden und damit auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind. Maßgebend für das Vorliegen eines Leistungsaustausch ist, dass ein Leistender und ein Leistungsempfänger vorhanden sind und der Leistung eine Gegenleistung gegenübersteht. Auf die Bezeichnung der Gegenleistung z. B. als Gewinn vorab/Vorabgewinn, als Vorwegvergütung, als Aufwendungsersatz, als Umsatzbeteiligung oder als Kostenerstattung kommt es dabei nicht an.

Im vorliegenden Fall erhielt der Kläger für die Überlassung der Vieheinheiten einen als Vorabgewinn bezeichneten und zumindest nach oben hin fest definierten Geldbetrag, der allerdings nur bezahlt werden sollte, wenn entsprechende Gewinne vorhanden sind. Die Tatsache, dass bei nicht ausreichend vorhandenen Gewinnen eine Kürzung des “Vorabgewinns” erfolgen konnte, sah das Finanzgericht nicht als entscheidungserheblich an. Vielmehr hat es aufgrund einer beispielhaften Gewinnverteilung dargelegt, dass die Zahlung der Vorabvergütung für die Überlassung der Vieheinheiten zu einer erheblich abweichenden Umverteilung des Gewinns im Vergleich zur Anwendung des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels geführt hat.

  1. Wann entsteht bei einem “sale and lease back” die Steuer?

 Bei zeitlich begrenzten Dauerleistungen kommt es für die Leistungsausführung und damit die Steuerentstehung auf die Beendigung der zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse an. Bei einem sale-and-lease-back-Geschäft, dessen Leistung in einer zeitlich begrenzten Dauerleistung besteht, wird die Leistung erst mit der Beendigung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses erbracht.

Hintergrund
Die A-GbR erwarb im Jahr 2006 von der I-GmbH elektronische Systeme und verleaste diese für die Dauer von 48 Monate an I zurück. Für den Kauf gewährte I der A Darlehen. I zahlte lediglich die erste Monatsrate für Februar im März 2007 (23.500 EUR) und leistete keine weiteren Zahlungen. A kündigte den Leasingvertrag im Januar 2008.

A ging davon aus, dass sie umsatzsteuerpflichtige Leasingleistungen erbrachte. Sie rechnete im März 2007 gegenüber I die Leasinggebühren mit monatlich 23.500 EUR zzgl. Umsatzsteuer von 4.465 EUR für die volle Vertragslaufzeit ab. In der Umsatzsteuer-Erklärung 2007 erklärte sie die von I im März 2007 gezahlte Leasingrate. Das Finanzamt nahm demgegenüber eine steuerfreie Kreditgewährung an. Die im Leasingvertrag vereinbarte Umsatzsteuer (4.465 EUR monatlich) sah es als nicht gesetzlich geschuldet an, sodass die Rechnung einen unrichtigen Steuerausweis enthielt. Dementsprechend setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer auf 49.115 EUR fest (4.465 EUR x 11 Monate).

Das Finanzgericht gab der Klage statt.

 Entscheidung
Der Bundesfinanzhof bestätigte das Finanzgerichtsurteil und wies die Revision des Finanzamts zurück. Im vorliegenden Fall handelte es sich um eine zeitlich begrenzte Dauerleistung. Die Gesamtheit der Verträge (Kauf, Darlehen, Leasing) ergab, dass weder von einer Lieferung noch von einer Nutzungsüberlassung, sondern von der Mitwirkung an der bilanziellen Gestaltung auszugehen war. Diese Mitwirkungsleistung wurde nicht im Streitjahr 2007 und auch nicht in 2006, sondern erst in 2008 erbracht. Die Steuer war damit nicht in 2007 entstanden.

Bei zeitlich begrenzten Dauerleistungen – wie etwa Duldungs- oder Unterlassungsleistungen – kommt es für die Leistungsausführung und damit die Steuerentstehung auf die Beendigung der zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse an. Da der Leasingvertrag auf 48 Monate abgeschlossen war, lag die für die Leistungsausführung maßgebliche Beendigung erst mit der Beendigung dieses Vertrags vor, somit erst mit der Kündigung zum Januar 2008 und folglich erst nach dem Jahr 2007. Maßgebend für die Steuerentstehung ist nicht der Zeitpunkt der prägenden Leistungshandlung, sondern der Zeitpunkt des Abschlusses der Leistung insgesamt.

Die Annahme von Teilleistungen scheiterte bereits an der fehlenden wirtschaftlichen Teilbarkeit der von A erbrachten Mitwirkungsleistung. Dass monatliche Leasingraten vereinbart waren, war nicht entscheidend. Denn im Streitfall lag keine Nutzungsüberlassung, sondern eine Mitwirkungsleistung vor.

Ob die ausgestellte Rechnung als Dauerrechnung anzusehen war, konnte wegen des Ausbleibens weiterer Zahlungen dahinstehen.

 

GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer

  1. Formwechsel und Eintritt eines persönlich haftenden Gesellschafters

Ein persönlich haftender Gesellschafter tritt erst zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Formwechsels dem formwechselnden Rechtsträger bei. Der Grundsatz der Kontinuität der Mitgliedschaft steht insoweit nicht entgegen.

Hintergrund
Die Parteien strebten die Umwandlung der A-GmbH in eine UG & Co. KG an. Alleingesellschafterin dieser A-GmbH war die B-GmbH, die auch Alleingesellschafterin einer UG war. Mit notarieller Urkunde vereinbarten die B-GmbH und die UG die formwechselnde Umwandlung der A-GmbH in eine KG. Die B-GmbH sollte der A-GmbH als Kommanditistin beitreten, die UG sollte Komplementärin, und damit persönlich haftende Gesellschafterin, jedoch ohne Kapitaleinlage, werden. Der Beitritt der UG sollte erst mit Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister stattfinden. Das Registergericht wies den Eintragungsantrag zurück, da der Formwechsel dem Grundsatz der Kontinuität der Gesellschafter widersprach. Gegen diesen Beschluss wenden sich die Gesellschaften mit ihrer Beschwerde.

Entscheidung
Die Beschwerde hatte vor dem Oberlandesgericht Erfolg. Der Grundsatz der Kontinuität der Gesellschafter bringt ein grundlegendes Prinzip des Formwechsels zum Ausdruck. Ziel dieses Grundsatzes ist es, Auswirkungen auf den Mitgliederbestand durch eine Umwandlung zu vermeiden. Die Anteilsinhaber an einer formwechselnden Gesellschaft sollen daher im Zeitpunkt des Formwechsels Mitglieder des neuen Rechtsträgers werden.

Dieser Schutzzweck war im vorliegenden Fall jedoch nicht tangiert, da die Umwandlung nicht als Instrument zur Herbeiführung eines Gesellschafterwechsels missbraucht wurde. Insbesondere waren alle Gesellschaften mit dem Formwechsel und der Änderung des Gesellschafterbestands einverstanden. Es gab keinen Grund, weshalb sich die Beteiligten nicht darauf einigen könnten, einen Beitritt (hier der Komplementär-UG) im Moment des Wirksamwerdens des Formwechsels zu vollziehen. Hierfür bestünde sogar ein praktisches Bedürfnis. Denn bei einer typischen GmbH & Co KG ist eine Kapitalbeteiligung der Komplementärin nicht vorgesehen. Eine solche wäre aber Voraussetzung, damit eine GmbH, die Komplementärin werden soll, bereits vor Wirksamwerden des Formwechsels der umzuwandelnden Gesellschaft beitreten kann.

Zum Zeitpunkt des Formwechsels muss deshalb zumindest ein Komplementär und ein Kommanditist an der KG beteiligt sein.

 

  1. Wer nicht in der Gesellschafterliste eingetragen ist, gilt gegenüber der Gesellschaft nicht als Gesellschafter

 Geschäftsanteile einer Person, die nicht in der Gesellschafterliste eingetragen ist, können nicht eingezogen werden. Denn die Eintragung in der Gesellschafterliste einer GmbH begründet eine unwiderlegbare Vermutung für die Gesellschafterstellung des Eingetragenen.

Hintergrund
An einer GmbH waren 2 Gesellschafter beteiligt: der Kläger und die A-GmbH. Die Gesellschafterversammlung beschloss mit den Stimmen der A-GmbH, die Anteile des Klägers einzuziehen. Der Einziehungsbeschluss wurde in der Folgezeit in einem gerichtlichen Verfahren für nichtig erklärt. Zwischenzeitlich übertrug die A-GmbH ihre Geschäftsanteile auf die X-GmbH, allerdings ohne die gesellschaftsvertraglich vorausgesetzte Zustimmung des Klägers. In der Gesellschafterliste wurde seitdem die X-GmbH als alleinige Gesellschafterin der GmbH genannt.

Auch die X-GmbH strengte eine Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers an. Nach erfolgloser Aufforderung an den Geschäftsführer berief die X-GmbH selbst eine Gesellschafterversammlung ein und beschloss dort die Einziehung. Hiergegen wendete sich der Kläger und beantragte die Feststellung der Nichtigkeit dieses Beschlusses.

Entscheidung
Die Berufung der beklagten GmbH hatte vor dem Oberlandesgericht keinen Erfolg. Die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers war unwirksam. Das Gericht stellte auf den Inhalt der zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste ab. Da in der Gesellschafterliste nur die X-GmbH aufgeführt war, galt nur diese im Verhältnis zur GmbH als Gesellschafterin. Daraus folgte, dass die X-GmbH die Gesellschafterversammlung einberufen und Beschluss fassen konnte. Andererseits war eine Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers nicht möglich. Denn Geschäftsanteile einer Person, die ausweislich der Gesellschafterliste nicht Gesellschafterin ist, können nicht eingezogen werden.

Nur derjenige, der in die Gesellschafterliste eingetragen ist, gilt gegenüber der Gesellschaft als Gesellschafter. Nur wer in der Gesellschafterliste auftaucht, kann Gesellschafterrechte ausüben. Das Gleiche gilt umgekehrt: Wer nicht in der Gesellschafterliste eingetragen ist, gilt gegenüber der Gesellschaft nicht als Gesellschafter. Das gilt auch dann, wenn alle Beteiligten wissen, dass der Inhalt der Gesellschafterliste materiellrechtlich falsch ist. Wer nicht als Gesellschafter gilt, kann logischerweise auch nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Der Einziehungsbeschluss war daher nichtig.