Privatbereich

  1. Jahresurlaub kann nicht stundenweise abgegolten werden
  2. Ausgleichszahlungen beim Versorgungsausgleich gehören zu den Sonderausgaben
  3. Wann haben EU-Ausländer Anspruch auf Kindergeld?
  4. Wie sich der Altersentlastungsbetrag bei der Verlustfeststellung auswirkt
  5. Dienstunfähigkeit: Privates Attest reicht nicht aus
  6. Fahrten zu ambulanten Behandlungen: Kein Anspruch auf Beihilfe
  7. Vorfahrtsverletzung kontra Geschwindigkeitsübertretung: Jeder trägt einen Teil der Schuld
  8. Reisekosten: Wo hat ein Polizist seine „erste Tätigkeitsstätte“?
  9. Kein Anspruch auf Kindergeld bei berufsbegleitender Weiterbildung
  10. Reisekosten: Wo liegt bei einem befristeten Leiharbeitsverhältnis die erste Tätigkeitsstätte?
  11. Reisekosten: Ist der Versicherungsbezirk ein weiträumiges Arbeitsgebiet für einen Versicherungskaufmann?
  12. Was passiert mit einem Kirchensteuer-Erstattungsüberhang bei einem Verlustvortrag?
  13. Familienheim geerbt: Für die Steuerbefreiung muss „unverzüglich“ gehandelt werden – und was heißt das?
  1. Jahresurlaub kann nicht stundenweise abgegolten werden

Die Abgeltung des Jahresurlaubs durch eine Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit im Arbeitsvertrag ist unzulässig, denn eine als „Urlaub“ bezeichnete Arbeitszeitverkürzung ersetzt den Jahresurlaub nicht. Die Ansprüche auf Urlaub verfallen – aufgrund neuer EuGH-Rechtsprechung – dann auch nicht automatisch mit Ablauf der Übertragungsfristen.

Hintergrund

Der Kläger war von 2014 bis 2017 als Bote tätig. Die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit betrug 30 Stunden. Laut Arbeitsvertrag war der Jahresurlaub jeweils bis spätestens zum 31.3. des folgenden Jahres zu nehmen. Unter der Rubrik „Besondere Vereinbarung“ war darüber hinaus geregelt, dass der Arbeitnehmer seinen Jahresurlaub „auf eigenen Wunsch“ in Form einer wöchentlichen Arbeitszeitverkürzung nahm, sodass die Arbeitszeit statt der bezahlten 30 Stunden pro Woche lediglich 27,5 Stunden betrug. Das Arbeitsverhältnis endete am 31.3.2017.

Mit Schreiben vom 4.5.2017 forderte der Kläger den Arbeitgeber auf, den Urlaubsanspruch für die Jahre 2014 bis 2017 abzugelten. Dies lehnte der Arbeitgeber ab.

Entscheidung

Vor dem Landesarbeitsgericht hatte die Klage im Wesentlichen Erfolg. Nach dem Bundesurlaubsgesetz hatte der Kläger einen Anspruch auf Abgeltung des ihm zustehenden Jahresurlaubs von 20 Tagen pro Jahr. Dieser sei nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Geld abzugelten.

Die abweichende Regelung des Arbeitsvertrages stellte eine unzulässige Bestimmung dar. Denn eine wöchentliche Arbeitszeitverkürzung von 2,5 Stunden war kein Erholungsurlaub. Nach dem Bundesurlaubsgesetz wird der Urlaubsanspruch in Tagen berechnet und kann deshalb nicht stundenweise gewährt werden. Darüber hinaus ist der Urlaub grundsätzlich zusammenhängend zu gewähren. Eine Arbeitszeitverkürzung kann den Anspruch auf den gesetzlichen Erholungsurlaub nicht ersetzen.

Die Urlaubsansprüche waren auch nicht verfallen, denn ein Verfall von Urlaubsansprüchen kann nur eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen. Insbesondere muss der Arbeitgeber klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraumes oder eines Übertragungszeitraumes verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht nimmt.

Fehlt eine dieser Voraussetzungen, tritt ein Verfall des Urlaubsanspruchs nicht ein.

Im vorliegenden Fall war der Arbeitgeber seinen Obliegenheiten, den Kläger konkret aufzufordern, den Urlaub zu nehmen und ihn auf die Möglichkeit des Verfalls hinzuweisen, nicht nachgekommen. Damit war nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaub durch Zahlung abzugelten.

  • 2. Ausgleichszahlungen beim Versorgungsausgleich gehören zu den Sonderausgaben

Ausgleichszahlungen im Rahmen einer Scheidungsfolgevereinbarung, um Ansprüche auf einen Versorgungsausgleich abzugelten, gehören zu den Sonderausgaben und können nicht als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften abgezogen werden.

Hintergrund

Der Kläger leistete laufende Zahlungen an ein Versorgungswerk und erwartete ab dem Jahr 2041 erstmals Renteneinkünfte daraus. Nachdem er sich von seiner Frau getrennt hatte, schloss er mit ihr eine Scheidungsfolgevereinbarung ab, um ihren Anspruch auf den Versorgungsausgleich abzugelten. Durch den entsprechenden Vertrag hatte die Frau Anspruch auf hälftigen Ausgleich des Pensionsanspruchs aus dem Versorgungswerk in Höhe von 77.720 EUR.

Der Kläger machte diesen Betrag Werbungskosten bei seinen sonstigen Einkünften geltend, da er einen Zusammenhang der Ausgleichszahlung mit seinen späteren Renteneinkünften sah. Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, da die Ausgleichszahlungen ausschließlich über einen Sonderausgabenabzug berücksichtigt werden können. Diese Abzugsvariante lehnte die Ehefrau ausdrücklich ab.

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage ab und entschied, dass die Ausgleichszahlung nicht als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften abziehbar war. Die Abfindung der Ehefrau war durch die Ehescheidung veranlasst und lag deshalb in der privaten Sphäre des Klägers. Aufgrund einer Scheidung verursachte Vermögenseinbußen können keinen Werbungskostenabzug eröffnen. Das gilt auch dann, wenn die Zahlung als Aufwand zur Erhaltung oder zum Rückerwerb des Rentenanwartschaftsrechts gewertet wird.

Eine Berücksichtigung als Werbungskosten schied auch deshalb aus, weil der Gesetzgeber entsprechende Zahlungen den Sonderausgaben zugeordnet hat. Denn seit 2015 sind aufgrund einer Gesetzesänderung Ausgleichszahlungen zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs nur noch als Sonderausgaben abziehbar.

  • 3. Wann haben EU-Ausländer Anspruch auf Kindergeld?

Ein Anspruch auf Kindergeld besteht für einen freizügigkeitsberechtigten EU-Ausländer nur dann, wenn er einen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nachweisen kann.

Hintergrund

Der Kläger ist polnischer Staatsbürger und Vater von 3 Kindern, die bei der Mutter in Polen leben. Er erbrachte als selbstständig Tätiger Leistungen im Inland und wurde für das Jahr 2015 nach § 1 Abs. 3 EStG zur Einkommensteuer veranlagt. Die Familienkasse lehnte die Gewährung des Kindergeldes ab, da der Kläger weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nachgewiesen hatte. Für die Monate, für die Anspruch auf Kindergeld bestand, rechnete die Familienkasse das polnische Kindergeld auf die deutsche Leistung an. Der Kläger hatte laut einem am 24.10.2016 unterzeichneten Mietvertrag ab dem 1.11.2016 mit einer weiteren Person eine Kammer mit Küche und Toilette angemietet.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied, dass für das Jahr 2015 kein Anspruch auf Kindergeld bestand. Aus den vom Kläger für das Jahr 2015 vorgelegten Rechnungen über seine Leistungen als Gewerbetreibender schloss das Gericht, dass er sich im Inland nur vorübergehend aufhalten würde. Als Leistungszeiträume hatte der Kläger den 31.1.2015, 16.4. bis 30.5.2015 und den 4.5. bis 15.15.2015 angegeben. Die Kürze dieser Leistungszeiträume sprach dafür, dass der Kläger sich nur zur Erbringung der Leistung im Inland aufhielt und nur vorübergehend im Inland verweilte.

Ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat ein freizügigkeitsberechtigter EU-Ausländer zwar Anspruch auf Kindergeld, wenn er nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird. Bei einem Gewerbetreibenden gilt dies aber nur für die Monate, in denen er inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG erzielt.

Für das Jahr 2016 kam das Finanzgericht zu dem Ergebnis, dass die Familienkasse zutreffend festgestellt hat, dass der Kläger ab Mai 2016 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte.

  • 4. Wie sich der Altersentlastungsbetrag bei der Verlustfeststellung auswirkt

Trifft der Altersentlastungsbetrag auf negative Einkünfte, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen sich auf die Verlustfeststellung ergeben. Das Finanzgericht Köln überträgt den Entlastungsbetrag auf die Folgejahre – was der Bundesfinanzhof allerdings noch absegnen muss.

Hintergrund

Die Kläger waren zusammenveranlagte Eheleute. Im Jahr 2015 vollendeten beide das 64. Lebensjahr und hatten daher Anspruch auf Altersentlastungsbeträge. Der Ehemann erzielte 2015 eine Summe der Einkünfte von ./. 26.381 EUR und die Ehefrau von 0 EUR. Von diesen Beträgen zog das Finanzamt die Entlastungsbeträge von 1.216 EUR (Ehemann) und 1.095 EUR (Ehefrau) ab, sodass sich beim Ehemann ein Gesamtbetrag der Einkünfte von ./. 27.597 EUR und bei der Ehefrau von ./. 1.095 EUR ergab.

Bei der Berechnung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2015 berücksichtigte das Finanzamt die Altersentlastungsbeträge jedoch nicht. Denn nach dem Wortlaut der Vorschriften zum Verlustabzug können nur negative Einkünfte vor- und zurückgetragen werden, nicht jedoch Altersentlastungsbeträge.

Entscheidung

Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht urteilte, dass das Finanzamt die Altersentlastungsbeträge im Rahmen des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2015 berücksichtigen muss. Zur Begründung führten die Richter aus: Ein am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibender Verlustvortrag muss gesondert festgestellt werden. Dabei sind die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des jeweiligen Veranlagungszeitraums zu Grunde gelegt worden sind. Deshalb sind nach Auffassung des Gerichts nicht nur die negativen Einkünfte zu erfassen, sondern auch in dem jeweiligen Jahr berücksichtigte Altersentlastungsbeträge – selbst wenn sich hierdurch ein nicht ausgeglichener Verlust weiter erhöht. Eine negative Summe der Einkünfte kann durch Altersentlastungsbeträge zudem im Jahr der Gewährung zu einem noch höheren negativen Gesamtbetrag der Einkünfte führen.

  • 5. Dienstunfähigkeit: Privates Attest reicht nicht aus

Wer als Beamter eine Dienstunfähigkeit geltend macht, muss ein amtsärztliches Attest vorlegen können. Ansonsten kann er aus dem Dienst entfernt werden. Privatärztliche Gutachten reichen nicht aus.

Hintergrund

Nachdem der Beamte im Jahr 2015 zunächst wegen einer konservativ nicht mehr zu behandelnden degenerativen Wirbelsäulenerkrankung in den Ruhestand versetzt worden war, stellte der Amtsarzt nach erfolgter Operation im Jahre 2016 eine eingeschränkte Dienstfähigkeit hinsichtlich Verwaltungstätigkeiten und leichter körperlicher Tätigkeiten fest. Eine Wiederherstellung der Feuerwehrdiensttauglichkeit war dagegen nicht zu erwarten. Daraufhin forderte der Dienstherr den Beamten zum Dienstantritt auf. Auch leitete er ein Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagements ein und passte den Arbeitsplatz entsprechend an.

Unter Vorlage privatärztlicher Atteste machte der Beamte in der Folge wiederholt geltend, dass er seinen Dienst aus körperlichen Gründen nicht wahrnehmen konnte. Selbst nachdem ihm mitgeteilt worden war, dass privatärztliche Atteste zukünftig nicht mehr als ausreichenden Nachweis für eine bestehende Dienstunfähigkeit angesehen werden, blieb der Beamte unter Vorlage privatärztlicher Atteste dem Dienst fern.

Entscheidung

Das Verwaltungsgericht sah in dem Verhalten des Beamten ein schuldhaft begangenes Dienstvergehen. Denn dieser blieb über einen Zeitraum von mehr als 16 Monaten unerlaubt dem Dienst fern. Die von ihm vorgelegten privatärztlichen Atteste genügten nach Ansicht der Richter nicht, um das Nichtvorliegen der Dienstfähigkeit zu belegen. Vielmehr war der Beklagte zum Nachweis durch amtsärztliche Bescheinigungen verpflichtet gewesen.

Durch das unentschuldigte Fernbleiben vom Dienst verstieß der Beklagte gegen die beamtenrechtliche Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz und gegen die Gehorsamspflicht. Eine vorsätzliche, unerlaubte Dienstversäumnis von mehr als 16 Monaten wiegt derart schwer, dass bereits aufgrund des Eigengewichts der Verfehlung die Entfernung aus dem Dienst als einzige Disziplinarmaßnahme angezeigt war. Darüber hinaus zerstörte das vorsätzliche unerlaubte Fernbleiben vom Dienst über einen solchen Zeitraum das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn.

  • 6. Fahrten zu ambulanten Behandlungen: Kein Anspruch auf Beihilfe

Für Fahrten zu ambulanten Behandlungen besteht kein Anspruch auf Beihilfe. Insoweit liegt kein Verstoß gegen beamtenrechtliche Fürsorgepflicht vor.

Hintergrund

Im Anschluss an einen stationären Krankenhausaufenthalt ließ sich ein Landesbeamter ambulant physiotherapeutisch behandeln. Für die Wege zwischen Wohn- und Behandlungsort nahm er ein Taxi in Anspruch, dessen Erforderlichkeit ihm ärztlich bescheinigt wurde. Der Beamte stellte für die Fahrtkosten in Höhe von 1.743,04 EUR einen Beihilfeantrag, der jedoch überwiegend abgelehnt wurde. Das Land ging davon aus, dass eine Anschlussheilbehandlung und keine nachstationäre Behandlung vorlag, für die es dem Beamten lediglich 100 EUR erstattete.

Entscheidung

Das Verwaltungsgericht stufte die ambulante Physiotherapie ebenfalls nicht als nachstationäre Behandlung ein und wies deshalb die Klage des Beamten ab. Laut der Beihilfeverordnung ist eine Behandlung nur dann nachstationär, wenn sie im Anschluss an eine vollstationäre Unterbringung ebenfalls im Krankenhaus durchgeführt wird. Für die Richter war unerheblich, dass durch die Wahl einer ambulanten anstelle einer stationären Behandlung Kosten für das Land gespart wurden.

Auch lag durch die Nichtgewährung von Beihilfe für Fahrtkosten zu ambulanten Maßnahmen kein Verstoß gegen die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht vor. Das Land war nicht zu einer lückenlosen Erstattung jeglicher Aufwendungen verpflichtet.

  • 7. Vorfahrtsverletzung kontra Geschwindigkeitsübertretung: Jeder trägt einen Teil der Schuld

Wenn der Vorfahrtsberechtigte die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet und mit einem Linksabbieger zusammenstößt, trifft ihn ein Mitverschulden an dem Unfall. Einen Teil des Schadens muss er also selber tragen.

Hintergrund

Der Kläger bog an einer Kreuzung nach links ab, dabei wurde sein Fahrzeug hinten rechts von dem entgegenkommenden Fahrzeug erfasst. Offensichtlich hatte der Kläger unterschätzt, wie schnell sich das entgegenkommende Fahrzeug näherte. Es fuhr 80 km/h und damit um 30 km/h schneller als zugelassen. Vor Gericht machte der Kläger ein Mitverschulden des Unfallgegners geltend.

Entscheidung

Das Kammergericht Berlin entschied, dass den Beklagten trotz Vorfahrtsberechtigung ein erhebliches Mitverschulden an dem Unfall traf, weil er die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit deutlich überschritten hatte.

Durch das Verschulden des Beklagten wurde das Mitverschulden des Klägers wegen der Verletzung der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht nicht beseitigt. Denn der Kläger sah das Fahrzeug rechtzeitig bzw. hätte es rechtzeitig sehen und darauf reagieren können. Der Kläger hätte nicht abbiegen dürfen, selbst wenn der Beklagte nur mit den zulässigen 50 km/h unterwegs gewesen wäre. Denn einem Wartepflichtigen ist es nicht erlaubt, knapp vor dem Herannahen des Gegenverkehrs abzubiegen. Er darf nur fahren, wenn er übersehen kann, dass der Vorfahrtsberechtigte weder gefährdet noch wesentlich behindert wird. Es muss ein deutlicher Abstand gegeben sein.

Das Gericht kam zu der Haftungsverteilung von 2/3 seitens des Beklagten und 1/3 seitens des Klägers. Bei Abwägung der Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteile sowie der Betriebsgefahren überwog das grobe Verschulden des Beklagten, weil er die zulässige Geschwindigkeit erheblich überschritten hatte. Ein geringerer Haftungsanteil des Beklagten kam nicht in Betracht, weil ihm bewusst hätte sein müssen, dass sein Fahrzeug bei Dunkelheit wegen der Fahrzeugbeleuchtung zwar besser erkennbar, durch die Dunkelheit aber das Abschätzen der Entfernung deutlich erschwert war.

  • 8. Reisekosten: Wo hat ein Polizist seine „erste Tätigkeitsstätte“?

Ist ein Polizeibeamter im Einsatz- und Streifendienst tätig, erbringt er aber an seinem Dienstsitz arbeitstäglich Tätigkeiten zumindest in geringem Umfang, hat er dort auch eine erste Tätigkeitsstätte.

Hintergrund

Der Kläger war Polizeibeamter und fuhr arbeitstäglich zu seiner Dienststelle (Polizeiinspektion) und trat von dort aus seinen Einsatz- und Streifendienst an. Die Tätigkeiten in der Dienststelle umfassten die Vor- und Nachbereitung der Außeneinsätze (Einsatzbesprechungen, Schreibarbeiten usw.). Der Kläger machte für das Jahr 2015 die Kosten seiner Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle als Reisekosten geltend. Weiterhin beantragte er die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen, weil er mehr als 8 Stunden auswärts tätig war. Das Finanzamt wertete die Polizeiinspektion als erste Tätigkeitsstätte und berücksichtigte die Fahrtkosten lediglich mit der Entfernungspauschale. Den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen lehnte es komplett ab, da der Kläger die Abwesenheitszeiten nicht nachgewiesen hatte. Das Finanzgericht wies die Klage ab.

Entscheidung

Erste Tätigkeitsstätte ist nach dem seit 2014 geltenden „neuen“ Reisekostenrecht die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung wird durch die arbeitsrechtlichen Festlegungen und Absprachen bestimmt. Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte zugeordnet, kommt es nicht mehr auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers an.

Von einer dauerhaften Zuordnung ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über 48 Monate hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll. Fehlt eine eindeutige Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte, ist eine erste Tätigkeitsstätte die Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche 2 volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.

Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Polizeiinspektion die erste Tätigkeitsstätte des Klägers. Denn er war dieser Dienststelle auf Dauer zugeordnet und hatte dort auch polizeiliche Aufgaben (Besprechungen, Protokolle usw.) zu erledigen.

Da der Kläger nicht nachgewiesen hatte, dass er an den fraglichen Tagen mehr als 8 Stunden von der Wohnung und der Polizeiinspektion als erster Tätigkeitsstätte abwesend war, kommt ein Ansatz der beantragten Verpflegungsmehraufwendungen nicht in Betracht. Eine Abwesenheit von mehr als 8 Stunden nur von der Wohnung genügte nicht.

  • 9. Kein Anspruch auf Kindergeld bei berufsbegleitender Weiterbildung

Eine einheitliche Erstausbildung liegt nicht mehr vor, wenn die von dem Kind ausgeübte Erwerbstätigkeit bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildet und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen der Weiterbildung oder dem Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig dienen.

Hintergrund

Die volljährige Tochter T befand sich bis Juli 2013 in einer Ausbildung zur Verwaltungsangestellten. Von November 2013 bis Juli 2016 absolvierte T einen berufsbegleitenden Angestelltenlehrgang zur Verwaltungsfachwirtin. Daneben arbeitete sie bei einer Stadtverwaltung in Vollzeit. Die Familienkasse lehnte die Zahlung des Kindergeldes ab August 2013 ab. Ihrer Meinung nach hatte T bereits eine erste Berufsausbildung abgeschlossen. Während der Zweitausbildung war sie einer zu umfangreichen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Das Finanzgericht sah den Lehrgang noch als Teil einer einheitlichen Erstausbildung an und gab der Klage statt.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof urteilte deutlich strenger. Er hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies den Fall an das Finanzgericht zurück. Für in Ausbildung befindliche volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, besteht nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur dann ein Kindergeldanspruch, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, die regelmäßig mehr als 20 Wochenstunden umfasst. Zwar können auch mehrere Ausbildungsabschnitte zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammenzufassen sein, wenn sie in einem engen sachlichen Zusammenhang (z. B. dieselbe Berufssparte) zueinanderstehen und in engem zeitlichem Zusammenhang durchgeführt werden. Eine solche einheitliche Erstausbildung liegt jedoch dann nicht mehr vor, wenn die nach Erlangung des ersten Berufsabschlusses aufgenommene Erwerbstätigkeit bereits die hauptsächliche Tätigkeit des Kindes darstellt und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur der Weiterbildung oder dem Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Beruf dienen.

Für die Aufnahme einer Berufstätigkeit als Hauptsache spricht u. a. eine längerfristige Bindung an einen Arbeitgeber durch ein zeitlich unbefristetes oder auf mehr als 26 Wochen befristetes Beschäftigungsverhältnis oder eine annähernde Vollzeittätigkeit und Besuch der Ausbildungsmaßnahmen nur am Abend und am Wochenende. Wird dagegen die Wochenarbeitszeit von 20 Stunden nur geringfügig überschritten oder ist die Teilzeittätigkeit so verteilt, dass sie sich dem Ausbildungsplan anpasst, spricht dies für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung.

Das Finanzgericht muss nun prüfen, ob T mit ihrem Vollzeitarbeitsverhältnis bereits in den von ihr angestrebten Beruf eingetreten ist und den Verwaltungslehrgang nur noch als berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahme absolvierte. Darüber hinaus muss geklärt werden, ob das Ausbildungsverhältnis dem Beschäftigungsverhältnis untergeordnet war oder umgekehrt das Beschäftigungsverhältnis dem Ausbildungsverhältnis.

10. Reisekosten: Wo liegt bei einem befristeten Leiharbeitsverhältnis die erste Tätigkeitsstätte?

Wird ein Arbeitnehmer im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses zunächst einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet und erfolgt anschließend eine Zuordnung zu einer anderen Tätigkeitsstätte, handelt es sich bei dieser nicht mehr um eine erste Tätigkeitsstätte. Der Arbeitnehmer kann dann seine Fahrten und die Verpflegung nach Reisekostengrundsätzen abrechnen.

Hintergrund

Der Kläger war bei einer GmbH (Verleiher) als Helfer beschäftigt und konnte laut Arbeitsvertrag bundesweit eingesetzt werden. Das Leiharbeitsverhältnis war zunächst befristet und wurde mehrfach um mehrere Monate verlängert. Bis Oktober 2012 war der Kläger bei einer AG (Entleiher) im Werk Y eingesetzt, anschließend auf schriftliche Weisung des Verleihers „bis auf Weiteres“ im Werk X der AG. Im Jahr 2014 wurde der Kläger ausschließlich bei der AG im Werk X eingesetzt.

A beantragte für 2014 die Berücksichtigung seiner Fahrtkosten zur AG als Reisekosten im Rahmen einer Auswärtstätigkeit mit 0,30 EUR je gefahrenem km. Das Finanzamt setzte lediglich die Entfernungspauschale mit 0,30 EUR je Entfernungs-km an, da seiner Ansicht nach keine Auswärtstätigkeit vorlag. Insbesondere war der Kläger dem Entleihbetrieb dauerhaft zugeordnet gewesen. Das Finanzgericht gab der Klage statt. In der Anweisung des Verleihers, „bis auf Weiteres“ für die AG im Werk X tätig zu sein, sahen die Richter keine dauerhafte Zuordnung.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof gab ebenfalls dem Kläger Recht. Erste Tätigkeitsstätte ist nach dem seit 2014 geltenden „neuen“ Reisekostenrecht die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung wird durch die arbeitsrechtlichen Festlegungen und Weisungen bestimmt.

Eine Zuordnung ist unbefristet, wenn die Dauer nicht kalendermäßig oder auf andere Art bestimmt ist. Ist jedoch das Arbeitsverhältnis befristet, wie im vorliegenden Fall das Arbeitsverhältnis zu dem Entleiher, kommt eine unbefristete Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht. Eine vom Gesetz vorausgesetzte unbefristete Tätigkeit ist dann ausgeschlossen.

Eine Zuordnung für die Dauer des Arbeitsverhältnisses liegt vor, wenn sie für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses Bestand haben soll. War der Arbeitnehmer allerdings im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses bereits einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet und erfolgt später die Zuordnung zu einer anderen Tätigkeitsstätte, besteht diese nicht mehr „für die Dauer des Arbeitsverhältnisses“. Denn für die zweite Zuordnung steht fest, dass sie nicht für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses gilt, sondern lediglich für die Dauer des verbleibenden Arbeits- oder Dienstverhältnisses.

Deshalb verfügte der Kläger im vorliegenden Fall nicht über eine erste Tätigkeitsstätte. Zwar war er dem Werk X zugeordnet, diese Zuordnung war aber nicht dauerhaft, da das Arbeitsverhältnis, in dessen Rahmen die Zuordnung zu dem Werk X erfolgte, seinerseits befristet war. Der Kläger war dem Werk X aufgrund seiner ursprünglichen Zuordnung zu dem Werk Y auch nicht für die Dauer seines befristeten Beschäftigungsverhältnisses zugeordnet.

11. Reisekosten: Ist der Versicherungsbezirk ein weiträumiges Arbeitsgebiet für einen Versicherungskaufmann?

Ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet setzt voraus, dass die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche und nicht innerhalb einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers erbracht werden soll. Bei einem angestellten Versicherungskaufmann ist jedoch der zugewiesene Versicherungsbezirk kein solches weiträumiges Tätigkeitsgebiet.

Hintergrund

Der Kläger war als angestellter Versicherungskaufmann und Bezirksbeauftragter im Werbebereich der Geschäftsstelle D tätig. Ihm war für seine Tätigkeit ein Bezirk im Raum D zugewiesen. Aufgrund dieser Zuweisung hatte der Kläger eine Wohnung in D sowie ein Büro in E angemietet. Seine Fahrtkosten machte der Kläger mit der Reisekostenpauschale mit 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer geltend. Das Finanzamt sah in dem zugewiesenen Versicherungsbezirk ein weiträumiges Arbeitsgebiet und begrenzte die Fahrtkosten auf die Höhe der Entfernungspauschale.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied, dass der dem Kläger zugewiesene Versicherungsbezirk kein weiträumiges Tätigkeitsgebiet darstellte.

Ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet liegt in Abgrenzung zur ersten Tätigkeitsstätte vor, wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche und nicht innerhalb einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder bei einem vom Arbeitgeber bestimmten Dritten ausgeübt werden soll. Dies betrifft z. B. Zusteller, Hafenarbeiter oder Forstarbeiter. Dagegen findet die gesetzliche Regelung keine Anwendung z. B. bei Schornsteinfegern, Bezirksleitern und Vertriebsmitarbeitern, die verschiedene Niederlassungen betreuen. Denn diese werden zwar innerhalb eines ihnen zugewiesenen Gebietes tätig, die Tätigkeit wird jedoch nicht gebietsbezogen, sondern an wechselnden Orten auf diesem Gebiet ausgeübt.

Vorliegend bestand die Tätigkeit des Klägers innerhalb des ihm zugewiesenen Bezirks insbesondere in Kundenbesuchen und damit in einer Tätigkeit, die in den Wohnungen der Kunden stattfand, die in dem Versicherungsbezirk ansässig waren.

12. Was passiert mit einem Kirchensteuer-Erstattungsüberhang bei einem Verlustvortrag?

Eine Kirchensteuererstattung, die in einem Jahr nicht mit gezahlter Kirchensteuer verrechnet werden kann, wird dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet – aber erst, nachdem ein eventueller Verlustvortrag berücksichtigt wurde.

Hintergrund

Für das Jahr 2012 kam es bei den Klägern zu Kirchensteuer-Erstattungen für die Vorjahre von 166.000 EUR. Der verbleibende Verlustvortrag zum 31.12.2011 betrug 13 Mio. EUR. Das Finanzamt ermittelte für 2012 einen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte ohne den Erstattungsüberhang und nahm in gleicher Höhe den Verlustabzug vor. Danach rechnete es den Eheleuten den Erstattungsüberhang von 166.000 EUR hinzu. Unter dem Strich ergab sich ein zu versteuerndes Einkommen von 148.000 EUR und eine Einkommensteuer von 61.000 EUR.

Dagegen waren die Kläger der Ansicht, dass der Kirchensteuer-Erstattungsüberhang den Gesamtbetrag der Einkünfte erhöhte und durch den anschließenden Verlustabzug neutralisiert wurde, sodass sie in 2012 keine Einkommensteuer zahlen müssten. Das Finanzgericht wies die Klage ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des Finanzgerichts und wies die Revision der Kläger zurück.

Ein Erstattungsüberhang ist bei der gezahlten Kirchensteuer dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen. Der Hinzurechnungsbetrag erhöht jedoch nicht den Gesamtbetrag der Einkünfte. Nach dem Zweck der Regelung sollen Kirchensteuer-Erstattungen, die im Erstattungsjahr nicht mit gleichartigen Zahlungen ausgeglichen werden können, quasi wie negative Sonderausgaben behandelt werden. Kirchensteuer-Erstattungsüberhänge sollen nur noch im Jahr der Erstattung berücksichtigt werden. Der Hinzurechnungsbetrag ist deshalb an der Stelle zu berücksichtigen, an der die vorrangige Verrechnung eingreift und an der die Sonderausgaben zu berücksichtigen wären.

Die Hinzurechnung ist nach Ansicht der Richter auch vorzunehmen, wenn sich die erstattete Zahlung im Zahlungsjahr nicht steuermindernd ausgewirkt hat. Müsste in jedem Einzelfall ermittelt werden, ob und ggf. in welcher Höhe sich die erstattete Zahlung steuerlich ausgewirkt hat, würde der mit der Regelung verfolgte Vereinfachungszweck verfehlt werden.

13. Familienheim geerbt: Für die Steuerbefreiung muss „unverzüglich“ gehandelt werden – und was heißt das?

Wer ein Haus erbt, entgeht der Erbschaftsteuer, wenn er es selbst zum Wohnen nutzen möchte. Zu viel Zeit sollte man sich dabei aber nicht lassen. Denn zieht der Erwerber nicht innerhalb von 6 Monaten nach dem Erbfall ein, muss er gut begründen können, aus welchen Gründen ein Einzug nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat.

Hintergrund

Der Kläger A war mit seinem Bruder B Miterbe seines im Januar 2014 verstorbenen Vaters V. Nach dem Testament des V sollte A Alleineigentümer eines von V vollständig selbstgenutzten Zweifamilienhaus werden. Mit Vermächtniserfüllungsvertrag vom Februar 2015 erhielt A das Alleineigentum. Im September 2015 wurde A als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen. Ab April 2016 holte A Angebote von Handwerkern für die Renovierung des Hauses ein. Die Bauarbeiten begannen im Juni 2016.

Das Finanzamt setzte Erbschaftsteuer für den Erwerb des Hauses fest. A ging dagegen vom steuerbefreiten Erwerb eines Familienheims aus. Das Finanzgericht wies die Klage des A ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision des A zurück. Die Steuerbefreiung umfasst u. a. eine vom Erblasser genutzte Wohnung, wenn diese beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim). Erforderlich ist, dass der Erwerber tatsächlich in die Wohnung einzieht und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutzt, und zwar in der Weise, dass er dort den Mittelpunkt seines Lebensinteresses hat. Als unverzüglich gilt grundsätzlich ein Zeitraum von 6 Monaten nach dem Erbfall.

Der Erwerber muss die Absicht zur Selbstnutzung unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, und damit innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall fassen und tatsächlich umsetzen. Dabei ist dem Erwerber eine gewisse Zeit für die Entscheidung, ob er einziehen wird, und für die Renovierung bzw. Umgestaltung der Wohnung für eigene Wohnzwecke sowie für den Umzug einzuräumen. Grundsätzlich ist der 6-Monats-Zeitraum nach dem Erbfall als angemessen anzuerkennen. Aber auch nach Ablauf von 6 Monaten kann noch eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung vorliegen. Allerdings muss der Erwerber dann darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat, aus welchen Gründen ein Einzug nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat.

Im vorliegenden Fall hatte nach Ansicht des Bundesfinanzhofs A zu spät mit der Renovierung begonnen. Selbst wenn man den Vermächtniserfüllungsvertrag (13 Monate nach dem Erbfall) und die Eintragung im Grundbuch (weitere 6 Monate) als entschuldbare Verzögerungsumstände ansehen würde, hat A das Haus nicht unverzüglich zu Wohnzwecken bestimmt. Denn erst im April 2016 und damit mehr als 2 Jahre nach dem Todesfall und mehr als 6 Monate nach der Grundbucheintragung begann die Renovierung. Diesbezüglich legte er nicht konkret dar, dass er diese Verzögerung nicht zu vertreten hatte.