Mandantenbrief Steuern Privatpersonen Mai 2016

 

1.

Private Internetnutzung am
Arbeitsplatz: Arbeitgeber darf Arbeitnehmer kontrollieren

2.

Antragsveranlagung: Wann läuft
die Festsetzungsfrist ab?

3.

Scheidungskosten: Sind sie
steuerlich absetzbar oder nicht?

4.

Unterhalt: Elterngeld wird
angerechnet

5.

Versorgungsausgleich und
betriebliche Altersversorgung: Sind Ausgleichszahlungen vorweggenommene
Werbungskosten?

6.

Gerichtsverfahren: Welche Entschädigung
gibt es bei überlanger Verfahrensdauer?

7.

Vermächtnis: Ist eine durch
Berliner Testament angeordnete Verzinsung steuerpflichtig?

8.

Wann beginnt die
Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer?

9.

Zahlung oder Nichtzahlung: Wann
liegt eine neue Tatsache vor?

10.

Privatdarlehen wird nicht zurückgezahlt:
Kann der Verlust steuerlich geltend gemacht werden?

11.

Verjährungsfrist kann nicht
durch rückwirkende Abnahme eingeschränkt werden

12.

Abriss auf dem Nachbargrundstück:
Wer haftet für Schäden an einer Grenzwand?

13.

Einbruch in die Garage: Wann
zahlt die Hausratversicherung?

14.

Nichteheliche
Lebensgemeinschaft: Kann bei einem Scheitern ein Ausgleich für Investitionen
verlangt werden?

15.

Sturz in der Reha-Klinik:
Arbeitsunfall ja oder nein?

16.

Sturz während einer Dienstreise:
Arbeitsunfall ja oder nein?

 

1.   Private
Internetnutzung am Arbeitsplatz: Arbeitgeber darf Arbeitnehmer kontrollieren

 

Der Arbeitgeber darf die private
Internetnutzung im Unternehmen verbieten. Hat er ein Verbot ausgesprochen, darf
er auch überwachen, ob es eingehalten wird.

 

Hintergrund

Ein Unternehmen hatte gegenüber seinem rumänischen
Arbeitnehmer den Verdacht, dass dieser während der Arbeitszeit den Dienst-PC im
Büro für private Nachrichten nutzte. Im Unternehmen war die private
Internetnutzung jedoch generell verboten. Der Mitarbeiter bestritt den Vorwurf.
Daraufhin wertete das Unternehmen den Dienst-PC des Arbeitnehmers aus und
erstellte Chatprotokolle. Dadurch bestätigte sich der Verdacht der privaten
Nutzung. Der Arbeitgeber kündigte deshalb dem Mitarbeiter. In allen Instanzen
der rumänischen Gerichte bekam der Arbeitgeber Recht.

Schließlich klagte der Arbeitnehmer vor dem
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Er sah sich in seinem Recht auf
Achtung des Privat-und Familienlebens verletzt.

 

Entscheidung

Die Richter sahen dies jedoch anders und entschieden,
dass die private Nutzung des Internets in der Firma kein Menschenrecht ist. Die
Klage des Arbeitnehmers wurde damit abgewiesen.

Das Vorgehen des Arbeitgebers ist legitim gewesen und
das Verbot der privaten Nutzung der Dienst-PCs zu Recht erfolgt. Den
Mitarbeitern war damit eindeutig untersagt gewesen, auf ihrem Firmenrechner
privat zu chatten oder zu mailen. Ob das Verbot eingehalten wurde, durfte der
Arbeitgeber kontrollieren. Im Verhältnis ist dies angemessen.

Hat der Arbeitgeber die private Nutzung ausdrücklich
untersagt, rechtfertigt deshalb ein Verstoß die Kündigung.

 



 

2. Antragsveranlagung:
Wann läuft die Festsetzungsfrist ab?

 

Fällt das Ende der Festsetzungsfrist auf
einen Sonntag, Feiertag oder Samstag, endet diese erst mit Ablauf des
nächstfolgenden Werktags. Das gilt auch bei der Antragsveranlagung, wenn der
31.12. ein Samstag, Sonntag oder Feiertag ist.

 

Hintergrund

Der Arbeitnehmer A erzielte 2007 ausschließlich
Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Seine Einkommensteuer-Erklärung ging
am 2.1.2012 beim Finanzamt ein. Dieses lehnte die Durchführung einer
Antragsveranlagung ab. Die Erklärung ist nämlich erst nach Ablauf der
Festsetzungsfrist am 31.12.2011 eingegangen.

Das Finanzgericht folgte dieser Auffassung und wies
die Klage ab. Die Begründung: Die Sonderregelung für Samstage, Sonntage und
Feiertage ist auf den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht anwendbar.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof kommt dagegen zu einem anderen
Ergebnis und urteilt zugunsten des A.

Eine Veranlagung wird, wenn das Einkommen ganz oder
teilweise aus Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit besteht, nur durchgeführt,
wenn sie beantragt wird. Der Antrag wird durch Abgabe einer
Einkommensteuer-Erklärung gestellt. Er ist innerhalb der Festsetzungsfrist zu
stellen, die für die Einkommensteuer 4 Jahre beträgt. Die Festsetzungsfrist
beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist. Die
Einkommensteuer für das Jahr 2007 verjährte also grundsätzlich mit Ablauf des
Jahres 2011.

Der Bundesfinanzhof wendet hier jedoch die Regel an,
dass sich der Fristablauf – sollte er auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag
fallen – auf den nächsten Werktag verschiebt. Diese Regelung gilt nach Ansicht
des Bundesfinanzhofs auch für die Festsetzungsfrist.

Mit dem Eingang der Einkommensteuer-Erklärung beim
Finanzamt am 2.1.2012 hat A den Antrag auf Veranlagung vor Ablauf der Festsetzungsfrist
gestellt. Da A durch Einreichung der Steuererklärung den Antrag auf Veranlagung
somit noch fristgerecht beim Finanzamt eingereicht hat, ist dieses
verpflichtet, für 2007 eine Einkommensteuer-Veranlagung durchzuführen.

 

3. 
Scheidungskosten:
Sind sie steuerlich absetzbar oder nicht?

 

Und wieder hat ein Finanzgericht
entschieden: Die Kosten einer Scheidung sind als außergewöhnliche Belastungen
absetzbar. Das gilt auch nach der aktuellen Gesetzeslage.

 

Hintergrund

Die
Klägerin machte in ihrer Einkommensteuererklärung für 2014 insgesamt 2.433,65
EUR als Scheidungskosten geltend. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der
Rechtsanwalts- und Gerichtsgebühren als außergewöhnliche Belastungen jedoch ab.
Denn nach der seit 2013 geltenden Neuregelung ist die steuerliche
Berücksichtigung von Prozesskosten grundsätzlich ausgeschlossen.

 

Entscheidung

Vor dem Finanzgericht hatte die Klage Erfolg. Nach
Ansicht der Richter sind Rechtsanwalts- und Gerichtsgebühren eines
Scheidungsverfahrens nämlich keine Prozesskosten. Dies ergibt sich zum einen
aus der für Scheidungsverfahren geltenden Verfahrensordnung, zum anderen aus
der Entstehungsgeschichte der Neuregelung zum Abzugsverbot zu den
Prozesskosten.

Deshalb konnte die Klägerin ihre Aufwendungen als
außergewöhnliche Belastungen absetzen.

 



 

4.  Unterhalt:
Elterngeld wird angerechnet

 

Wer eine bedürftige Person finanziell
unterstützt, kann die entsprechenden Zahlungen als außergewöhnliche Belastung
abziehen. Allerdings müssen Einkünfte und Bezüge der unterstützten Person
angesetzt werden. Das gilt auch für das gesamte Elterngeld, das die
unterstützte Person bezieht.

 

Hintergrund

Der
Kläger zahlte an seine Lebensgefährtin Unterhalt. Diese erhielt monatlich ein
Elterngeld in Höhe von rund 650 EUR. In seiner Einkommensteuererklärung machte
der Kläger die Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastungen geltend.
Dabei verlangte er, dass nur die Elterngeldbeträge, die den
einkommensunabhängigen Sockelbetrag in Höhe von 300 EUR monatlich übersteigen,
zu einer Minderung der als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähigen Beträge
führen. Das Finanzamt rechnete jedoch das gesamte Elterngeld an.

 

Entscheidung

Das
Finanzgericht folgte der Auffassung des Finanzamts und wies die Klage ab. Die
als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähigen Beträge sind um den Sockelbetrag
des Elterngelds zu mindern. Denn dabei handelt es sich um Bezüge, die zur
Bestreitung des Unterhalts der Mutter bestimmt sind. Insgesamt ist das
Elterngeld als Einkünfteersatz ausgestaltet und das gilt auch für den
Sockelbetrag von monatlich 300 EUR.

 

5. Versorgungsausgleich
und betriebliche Altersversorgung: Sind Ausgleichszahlungen vorweggenommene
Werbungskosten?

 

Ausgleichzahlungen, die wegen einer
Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung im Rahmen des Versorgungsausgleichs
an den geschiedenen Ehegatten geleistet werden, sind Werbungskosten bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

 

Hintergrund

Der
Kläger und seine geschiedene Ehefrau vereinbarten eine Ausgleichszahlung zum
Versorgungsausgleich der betrieblichen Altersversorgung i. H. v. 28.375 EUR.
Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung als Werbungskosten ab. Der Kläger ist
dagegen der Ansicht, dass mit der Zahlung die Teilung seiner Betriebsrente
verhindert worden ist. Also sind ihm nur durch diese Zahlung die
ungeschmälerten Einkünfte aus der Betriebsrente verblieben. Deshalb dient die
Abstandszahlung der Einkommenserzielung und führt zu Werbungskosten.

 

Entscheidung

Das
Finanzgericht folgte der Auffassung des Klägers und gab der Klage statt. Die
Abfindungszahlungen sind im vorliegenden Fall mit den Einkünften aus
nichtselbstständiger Arbeit in Zusammenhang stehende Werbungskosten. Ohne die
Vereinbarung wäre es zu einer Aufteilung der betrieblichen
Versorgungsanwartschaft des Klägers gekommen – und damit zu einer Verringerung
der Versorgungsbezüge. Ohne Vereinbarung hätte der Versorgungsausgleich dazu
geführt, dass ein Teil der entsprechenden Einkünfte auf die Ehefrau verlagert
worden wäre.

 

6.  
Gerichtsverfahren:
Welche Entschädigung gibt es bei überlanger Verfahrensdauer?

 

Vergehen seit Klageerhebung mehr als 2
Jahre, ohne dass das Gericht tätig wird, haben die Kläger Anspruch auf eine
Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer.

 

Hintergrund

Die Eheleute hatten gegen den Einkommensteuer-Bescheid
des Jahres 2007 im März 2010 Klage beim Finanzgericht erhoben. Nach einer
Akteneinsicht im Oktober 2010 baten die Eheleute um Terminierung. Nach
Mitteilung des Finanzgerichts war jedoch eine Terminierung nicht absehbar, da
das Gericht erst Fälle der Jahre 2006 und 2007 bearbeitet. Weiter wurde das
Finanzgericht nicht tätig. Auf eine Verzögerungsrüge der Eheleute vom Dezember
2011 erwiderte das Gericht, dass wegen der Geschäftslage nicht mit einer
Terminierung in absehbarer Zeit zu rechnen ist. Im Oktober 2012 und April 2013
erhoben die Eheleute erneut Verzögerungsrügen. Im April 2013 lud das
Finanzgericht endlich zur mündlichen Verhandlung im Mai 2013 und wies die Klage
ab.

Die Eheleute erhoben daraufhin Entschädigungsklage.
Der Sachverhalt ist zum einen unstreitig gewesen. Zum anderen hatte sich die
Rechtsfrage darauf beschränkt, ob die Zahlung als Schenkung oder als
Arbeitslohn anzusehen ist. Nach Ansicht der Eheleute hätte das Finanzgericht
gut 2 Jahre nach Eingang der Klage mit der Bearbeitung beginnen müssen. Da dies
nicht geschehen ist, ist das Verfahren als verzögert zu betrachten.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof folgte der Auffassung der Eheleute
und entschied, dass ihnen eine Entschädigung zusteht.

Dieser Entschädigungsanspruch wurde wegen
unangemessener Dauer des Gerichtsverfahrens gewährt. Die Angemessenheit der
Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere
nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der
Verfahrensbeteiligten und Dritter.

Grundsätzlich lässt sich ein Klageverfahren vor dem
Finanzgericht in 3 Phasen einteilen: Phase 1 besteht in der Einreichung und dem
Austausch der Schriftsätze. In Phase 2 kann das Verfahren wegen der Arbeit des
Gerichts an anderen Verfahren nicht bearbeitet werden. In Phase 3 trifft das
Finanzgericht Maßnahmen, um in dem Verfahren zu einer Entscheidung zu kommen
(z. B. Sachaufklärung, rechtliche Hinweise, Ladung zur mündlichen Verhandlung).
Weist ein Klageverfahren keine wesentlichen Besonderheiten auf, ist es noch
angemessen, wenn das Finanzgericht gut 2 Jahre nach Klageeingang mit Maßnahmen
der Phase 3 beginnt.

Im vorliegenden Fall liegt eine Verzögerung von 12
Monaten vor. Das Finanzgericht hätte gut 2 Jahre nach Klageeingang im März 2012
mit der Bearbeitung des Verfahrens beginnen müssen. Es hat jedoch erst mit der
im April 2013 verfügten Ladung zur mündlichen Verhandlung das Verfahren weiter
betrieben. Demnach war das Verfahren von April 2012 bis März 2013 und damit für
insgesamt 12 Monate als verzögert anzusehen.

Für diese Verzögerung steht den Eheleuten eine
Entschädigung zu. Jedem der Eheleute wurden 1.200 EUR Entschädigung
zugesprochen.

 

7.  Vermächtnis:
Ist eine durch Berliner Testament angeordnete Verzinsung steuerpflichtig?

 

Zinsen gehören zu den steuerpflichtigen
Kapitaleinkünften. Das gilt auch bei einer testamentarisch angeordneten
Verzinsung eines Vermächtnisanspruchs, die in einem Berliner Testament
festgelegt wird.

 

Hintergrund

Die
Ehegatten hatten ein Berliner Testament errichtet und für den Sohn nach dem
ersten Erbfall als Vermächtnis einen Geldbetrag in Höhe des “beim Tode des
Erstversterbenden geltenden Freibetrags” bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer
festgelegt. Dieser Betrag wurde 5 Jahre nach dem Tod des zuerst Versterbenden
fällig und war mit 5 % bis zur Auszahlung zu verzinsen. Der Vater verstarb im
Jahr 2001. Der Sohn forderte den Vermächtnisbetrag samt Zinsen von seiner
Mutter bei Fälligkeit im Jahr 2006 nicht ein. Im Folgejahr verzichtete er sogar
auf seinen Geldanspruch aus dem Vermächtnis samt Zinsen.

 

Entscheidung

Der
Bundesfinanzhof entschied zugunsten des Sohns.

Es
liegt ein sog. betagtes Vermächtnis vor. Dieses ist mit dem Tode des Vaters im
Jahr 2001 entstanden, aber erst 5 Jahre danach im Streitjahr 2006 fällig geworden.
Diese Zinsen, die auf einer testamentarisch angeordneten Verzinsung eines
betagten Vermächtnisanspruchs beruhen, sind beim Vermächtnisnehmer
grundsätzlich steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen. Doch im
vorliegenden Fall sind dem Sohn weder Zinsen gezahlt worden noch steht einer
Auszahlung gleich, dass der Sohn es unterlassen hat, den fälligen Zinsanspruch
gegenüber seiner Mutter geltend zu machen.

 



 

8.
Wann beginnt
die Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer?

 

Erst wenn die zuständige Finanzbehörde von
einer Schenkung erfährt, beginnt die Festsetzungsfrist zu laufen.

 

Hintergrund

Die
Mutter übertrug mit notariellem Schenkungsvertrag vom 5.11.2002 mehrere
Grundstücke zu gleichen Teilen auf den Kläger und dessen Schwestern. Am
15.12.2009 verstarb die Mutter. In der am 20.11.2011 beim Finanzamt L eingereichten
Erbschaftsteuererklärung erklärte der Kläger den geschenkten Grundbesitz
ordnungsgemäß als Vorerwerb. Am 1.11.2012 setzte das Finanzamt L für den Kläger
Schenkungsteuer für die Schenkung aus dem Jahr 2002 fest.

Mit
seinem Einspruch machte der Kläger Festsetzungsverjährung geltend. Diesen wies
das Finanzamt L zurück. Denn der Notar hatte damals nur an das Finanzamt K
Ausfertigungen der Vertragsurkunde für Zwecke der Grunderwerbsteuer übersandt.
Nur bezüglich des einen Grundstücks in der E-Straße hatte das Finanzamt K dem
Finanzamt L eine Mitteilung über die Schenkung gemacht und nur hier ist die
Festsetzungsverjährung eingetreten.

 

Entscheidung

Das
Finanzgericht folgte nicht den Argumenten des Klägers, sondern gab dem
Finanzamt Recht. Die Festsetzungsfrist begann grundsätzlich mit Ablauf des
31.12.2002 zu laufen, da den Kläger keine Verpflichtung traf, die Schenkung aus
dem Jahr 2002 anzuzeigen bzw. eine Steuererklärung hierzu einzureichen.
Allerdings beginnt die Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer nicht vor
Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die
Finanzbehörde von der Schenkung Kenntnis erlangt. Diese zweite Alternative war
nur für das Grundstück E-Straße maßgenblich, nicht aber für die anderen
Grundstücke. Von diesen Schenkungen hat das Finanzamt L erst durch die Angaben
in der am 20.10.2011 eingereichten Erbschafsteuererklärung erfahren. Deshalb
beginnt für diese die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 2009.

 

9.  
Zahlung oder
Nichtzahlung: Wann liegt eine neue Tatsache vor?

 

Bei einer nachträglich bekannt gewordenen
und damit neuen Tatsache können auch bestandskräftige Steuerbescheide noch geändert
werden. Eine solche Tatsache liegt dann vor, wenn sich herausstellt, dass der
Steuerpflichtige in seiner Steuererklärung geltend gemachte Aufwendungen erst
später gezahlt hat.

 

Hintergrund

Der Kläger verpflichtete sich im Jahr 1999 dazu,
Erbbauzinsen von 410.000 DM wegen des Rücktritts von einem Kaufvertrag
zurückzuzahlen. In seiner Einkommensteuererklärung für 1999 machte er diesen
Betrag als Werbungskosten geltend.

Später erfuhr das Finanzamt, dass der Kläger die Erbbauzinsen
erst ab dem Jahr 2005 in Raten und dann auch nur teilweise zurückgezahlt hatte.
Es änderte deshalb den Einkommensteuerbescheid 1999 wegen einer neuen Tatsache.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht gab dem Finanzamt Recht. Die Änderung
des Steuerbescheids wegen einer neuen Tatsache war zu Recht erfolgt. Der Kläger
hatte die Erbbauzinsen von 410.000 DM nicht schon im Jahr 1999, sondern erst in
späteren Jahren in weitaus geringerem Umfang getragen. Dies stellt eine neue
Tatsache dar, aufgrund der ein Steuerbescheid geändert werden darf. Diese wurde
dem Sachbearbeiter erst im Jahr 2004 und damit nachträglich bekannt.

Die Festsetzungsfrist war im Zeitpunkt des Erlasses
des Änderungsbescheids noch nicht abgelaufen, da diese Frist aufgrund der dem
Kläger zur Last gelegten Steuerhinterziehung 10 Jahre beträgt.

 



 

10. 
Privatdarlehen
wird nicht zurückgezahlt: Kann der Verlust steuerlich geltend gemacht werden?

 

Wer Geld an Freunde oder Verwandte
verleiht, sollte das neue Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf kennen. Denn
dieses hat entschieden, dass die Darlehensforderung steuerlich nicht
berücksichtigt werden kann, wenn das Darlehen nicht zurückgezahlt wird.

 

Hintergrund

A
gewährte ein mit 5 % zu verzinsendes Privatdarlehen von 25.000 EUR. Am 1.8.2015
wurde über das Vermögen des Darlehensnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet. A
meldete daraufhin die noch offene Darlehensforderung von 20.000 EUR beim
Insolvenzverwalter an. Darüber hinaus machte A in seiner
Einkommensteuererklärung für 2015 den Ausfall der Darlehensforderung als
Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Das Finanzamt lehnte
die steuerliche Berücksichtigung dagegen ab.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage des A ab. Denn der
Ausfall einer privaten Darlehensforderung infolge einer Insolvenz des
Darlehensnehmers kann nicht als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
berücksichtigt werden. Der Forderungsausfall ist zum einen keine Veräußerung,
zum anderen fallen Aufwendungen, die das Kapital selbst betreffen, wie
Anschaffungskosten, Tilgungszahlungen oder Verlust des Kapitals, nicht unter
diese Einkunftsart.

Als Veräußerung gilt die Einlösung, Rückzahlung,
Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft. Offensichtlich
erfüllt der Totalausfall einer Kapitalforderung infolge einer Insolvenz des
Darlehensnehmers keinen dieser Tatbestände.

 

11.
Verjährungsfrist
kann nicht durch rückwirkende Abnahme eingeschränkt werden

 

Für Mängelansprüche aus einem Werkvertrag
beginnt die Verjährung grundsätzlich mit der Abnahme. Die in einer
Wohnungseigentümergemeinschaft bereits durch andere Erwerber erfolgte Abnahme
von Gemeinschaftseigentum ist deshalb für spätere Erwerber einer Wohnung nicht
bindend, da dies die Verjährungsfrist unzulässig verkürzen würde.

 

Hintergrund

Ein Bauträger errichtete eine Wohnanlage. Im November
und Dezember 2004 wurde das Gemeinschaftseigentum vom Verwalter und einigen
Eigentümern abgenommen.

Im November 2006 erwarben die Eheleute G vom Bauträger
eine Wohnung in der Anlage, in der noch verschiedene Arbeiten ausgeführt werden
sollten.

In der Folgezeit rügten G verschiedene Mängel am
Gemeinschaftseigentum. Im April 2012 traten sie sämtliche Mängelansprüche aus
dem Erwerbsvertrag an die Wohnungseigentümergemeinschaft ab. Nach Ansicht des
Bauträgers sind G laut Vertrag an die Abnahme vom November 2004 gebunden,
eventuelle Ansprüche sind deshalb verjährt.

 

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof stellte sich auf die Seite der
Eheleute G und entschied, dass die Mängelansprüche nicht verjährt sind.

Grundsätzlich beginnt die Verjährung von
Mängelansprüchen aus einem Werkvertrag mit der Abnahme. Die Erwerber haben das
Gemeinschaftseigentum jedoch nicht selbst abgenommen. Sie sind aber auch nicht
an die Abnahme aus dem Jahr 2004 gebunden. Die Vertragsklausel, nach der die
bereits vor Vertragsschluss erfolgte Abnahme ihnen gegenüber gilt, ist
unwirksam. Die nach der Herstellung der Wohnanlage in die
Wohnungseigentümergemeinschaft eintretenden Erwerber sollten damit an eine
bereits erfolgte Abnahme gebunden werden. Dadurch wird aber der Beginn der
Verjährung von Mängelansprüchen der Erwerber betreffend das
Gemeinschaftseigentum auf einen Zeitpunkt vorverlagert, zu dem diese das Werk
weder erworben hatten noch es ihnen übergeben war. Dies stellt eine mittelbare
Verkürzung der Verjährungsfrist dar. Damit ist die Klausel insgesamt unwirksam.

12. 
Abriss auf
dem Nachbargrundstück: Wer haftet für Schäden an einer Grenzwand?

 

Reist jemand auf seinem Grundstück ein
Gebäude ab, kommt es nicht selten zu Schäden an nachbarschaftlichen Gebäuden.
Aber auch wenn die Schäden unvermeidbare Folge des Abrisses sind, muss
Schadensersatz gezahlt werden.

 

Hintergrund

Auf
dem Grundstück des Klägers befand sich ein Gebäude. Dessen Außenwand verlief
entlang der Grundstücksgrenze, ohne diese zu überschreiten. Genau an dieser
Wand befand sich auf dem Nachbargrundstück ein Anbau, den die Nachbarn abreißen
ließen. Nach dem Abriss wies das verbliebene Gebäude der Kläger an der
Außenwand Schäden auf. Die Kläger verlangen deshalb von den Nachbarn die
Zahlung von Schadensersatz.

 

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat eindeutig entschieden: Die
Nachbarn müssen für die durch den Abriss entstandenen Schäden aufkommen.

Die beschädigte Außenwand ist eine Grenzwand, die im
alleinigen Eigentum des jeweiligen Grundstückseigentümers steht. Hieran ändert
sich durch einen Anbau von dem angrenzenden Grundstück aus nichts.

Die Schäden an der Grenzwand waren aufgrund der
baulichen Verbindung der Gebäude unvermeidliche Folgen des Abrisses. Zwar
durften sie den in ihrem Eigentum stehenden Anbau abreißen lassen. Die
Grenzwand durften sie aber jedenfalls nicht dauerhaft beschädigen. Das gilt
selbst dann, wenn es sich um eine unvermeidliche Folge des Abrisses handelt.

Die Nachbarn haben die Beeinträchtigung des Eigentums
fahrlässig verursacht, denn dass es zu solchen Schäden kommen könnte, war
angesichts der baulichen Verbindung vorhersehbar.

Die Kläger als Eigentümer der beschädigten Grenzwand
können also den Geldbetrag verlangen, der erforderlich ist, um die Wand als
funktionsfähige Außenwand wieder herzustellen.

 

13. Einbruch in
die Garage: Wann zahlt die Hausratversicherung?

 

In Garagen kann oft leichter eingebrochen
werden als in ein Haus. Darf sich die Hausratversicherung deshalb weigern, für
den durch einen Einbruch entstandenen Schaden aufzukommen?

 

Hintergrund

Fahrräder, Werkzeuge und diverse andere Gegenstände
wurden aus einer Garage entwendet. Die Hausratversicherung weigert sich jedoch,
den Schaden zu übernehmen.

Die Argumente der Versicherung: Es liegt kein
Einbruchdiebstahl im Sinne der Versicherungsbedingungen vor. Um die Garage
aufzubrechen, ist nur ein geringer Kraftaufwand nötig gewesen. Damit liegt kein
Einbruchsdiebstahl vor.

Ein Einbruchdiebstahl liegt nach den
Versicherungsbedingungen vor, wenn ein Dieb in einen Raum eines Gebäudes
einbricht, einsteigt oder mittels anderer Werkzeuge eindringt.

 

Entscheidung

Der
Bundesgerichtshof entließ die Versicherung trotzdem nicht aus ihrer
Leistungspflicht. Die Richter bestätigten zwar, dass der Begriff “Einbrechen”
das Ausüben von Gewalt gegen Gebäudebestandteile voraussetzt, um sich Zugang zu
verschaffen.

Gewalt
liegt dann vor, wenn die Substanz eines Gebäudeteils verletzt wurde oder wenn
ein Werkzeug verwendet wird, um das den Zugang zum Gebäude entgegenstehende
Hindernis zu beseitigen. Im vorliegenden Fall wurde zwar kein Werkzeug beim
Einbruch verwendet und auch die Substanz der Garage nicht beschädigt. Trotzdem
geht das Gericht von “Gewalt” aus, da eine “nicht unerhebliche körperliche
Kraft” angewendet wurde bzw. eine “nicht ganz unerhebliche Anstrengung”.
Deshalb muss die Versicherung den entstandenen Schaden zum größten Teil
ersetzen.

 

14. Nichteheliche
Lebensgemeinschaft: Kann bei einem Scheitern ein Ausgleich für Investitionen
verlangt werden?

 

Beim Scheitern einer nichtehelichen
Lebensgemeinschaft haben die Ex-Partner grundsätzlich einen Anspruch auf
Ausgleich für geleistete Zahlungen bzw. aufgewandte Arbeitszeiten. Das gilt
jedoch nur, wenn es sich um “gemeinschaftsbezogene Zuwendungen” handelte.

 

Hintergrund

Von 2012 bis 2014 führten der Kläger und die Beklagte
eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Sie lebten zusammen mit ihrem
gemeinsamen Sohn im Haus der Beklagten. Sie finanzierte ihre Immobilie mit ca.
1.000 EUR monatlich.

In dieser Zeit zahlte der Kläger keine Miete, er
beteiligte sich jedoch finanziell an anderen Anschaffungen, z. B. für das
Esszimmer und die Terrasse 3.000 EUR, für einen Trockner 1.000 EUR und für eine
Doppelgarage 15.000 EUR. Als sich die Partner trennten, forderte der Mann die
Rückzahlung von insgesamt 30.000 EUR.

 

Entscheidung

Das
Landgericht entschied zugunsten der Beklagten und wies die Klage zurück. Denn
der Kläger konnte nicht nachweisen, dass es sich bei seinen Zahlungen um
gemeinschaftsbezogene Zuwendung handelte. Die Voraussetzungen dafür: Die
Aufwendungen gehen über die Leistungen im Rahmen des täglichen Zusammenlebens
hinaus und werden in der Erwartung gemacht, dass die Lebensgemeinschaft Bestand
haben wird.

Der
Kläger konnte zum einen keine entsprechenden Rechnungen vorlegen und damit die
Zahlung nicht ausreichend nachweisen. Zum anderen konnte der Kläger das Gericht
auch bezüglich der anderen Zahlungen nicht davon überzeugen, diese als
gemeinschaftsbezogene Zuwendungen anzuerkennen. Deshalb nahmen die Richter eine
Schenkung an. Und diese kann der Kläger nicht zurückverlangen.

Darüber
hinaus ist vor allem die Zahlung für die Doppelgarage als Ersatz für die nicht
gezahlte Miete anzusehen.

 

15. 
Sturz in der
Reha-Klinik: Arbeitsunfall ja oder nein?

 

Ein Sturz während der Arbeitszeit kann ein
Arbeitsunfall sein. Passiert der Sturz dagegen in einer Kantine während einer
Reha-Maßnahme, liegt nur dann ein Arbeitsunfall vor, wenn die Einnahme der
Mahlzeiten in der Kantine ärztlich “zwingend” vorgeschrieben ist.

 

Hintergrund

Ein
Mann war in der Kantine einer Reha-Klinik in der Nähe der Essensausgabe aus
seinem Rollstuhl gestürzt. Dabei hatte er sich eine Fraktur des Sprunggelenks
zugezogen.

 

Entscheidung

Die
Klage des Mannes gegen die zuständige Berufsgenossenschaft wurde vom Gericht
jedoch abgewiesen.

Denn
die Nahrungsaufnahme betrifft eigene Belange. Sie steht in keinem unmittelbaren
Zusammenhang mit dem Aufenthalt in der Reha-Klinik. Dass die Einnahme von
Mahlzeiten in der Kantine von der Klinikleitung ausdrücklich empfohlen worden
war, damit die Patienten am sozialen Leben in der Klinik teilhaben, ändert
daran nichts. Vielmehr müsste die Einnahme der Mahlzeiten in der Kantine
ärztlich “zwingend” vorgeschrieben worden oder aus medizinischen Gründen
erforderlich sein, z. B. bei der Einnahme spezieller Krankenkost. Ein solcher
Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.

 



 

16. Sturz
während einer Dienstreise: Arbeitsunfall ja oder nein?

 

Stürzt ein Arbeitnehmer während einer
Dienstreise auf der Toilette im Hotel, liegt kein Arbeitsunfall vor.

 

Hintergrund

Der
Kläger übernachtete im Februar 2014 während einer Dienstreise in einem Hotel.
Nachts stürzte er beim Gang zur Toilette und brach sich einen Wirbelkörper. Die
Berufsgenossenschaft war jedoch der Auffassung, dass der nächtliche
Toilettenbesuch dem sog. eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen ist. Eine
Entschädigung lehnte sie deshalb ab.

 

Entscheidung

Auch
vor dem Sozialgericht hatte der Kläger keinen Erfolg. Einer Sturzgefahr ist der
Kläger auch in seinem privaten Lebensbereich regelmäßig ausgesetzt. Der
Argumentation des Klägers, dass er sich bei Dienstreisen in unbekannter
Umgebung aufhält und hiermit eine besondere Gefahr verbunden ist, folgte das
Gericht nicht. Denn die Nachtruhe im Hotelzimmer und die damit
zusammenhängenden Verrichtungen sind grundsätzlich nicht mehr vom Versicherungsschutz
umfasst.