Mandantenbrief Steuern Privatpersonen Juni 2015

Privatbereich

1.

Wann Kosten einer Erstausbildung
nachträglich berücksichtigt werden können

2.

Künstliche Befruchtung als
außergewöhnliche Belastungen absetzbar – aber nicht immer

3.

Zwei häusliche Arbeitszimmer:
Können beide steuerlich geltend gemacht werden?

4.

Handelsvertreter: Wann liegt der
Schwerpunkt der Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer?

5.

Geburtstag und bestandenes
Examen: Besser getrennt feiern

6.

Ortsübliche Vergleichsmiete: So
ermittelt das Finanzamt

7.

Bolzplatz: Berechtigt Lärm zur
Mietminderung?

8.

Fehlender Energieausweis:
Bußgeld droht

9.

Rauschende Wasserleitung ist
kein Minderungsgrund

10.

WEG-Fest: Nicht auf Kosten der
Wohnungseigentümer

11.

Krankenkasse muss Perücke für
älteren Mann nicht zahlen

12.

Nichteheliche Lebenspartner: Bei
Trennung kein Ausgleich für Hilfe beim Umbau des Elternhauses eines Partners

13.

Erbverzicht der Eltern: Auch
Kinder sind vom Erbe ausgeschlossen

14.

Dashcam-Aufnahmen: Doch als
Beweismittel zulässig?

 

1.
Wann Kosten einer
Erstausbildung nachträglich berücksichtigt werden können

 

Kosten für eine berufliche Erstausbildung können im Rahmen einer
Verlustfeststellung berücksichtigt werden. Das gilt auch dann, wenn eine
Einkommensteuer-Veranlagung für das Verlustentstehungsjahr nicht erfolgt ist
und wegen Festsetzungsverjährung nicht mehr durchgeführt werden kann.

 

A absolvierte in den Streitjahren
2005 bis 2007 eine berufliche Erstausbildung. Erst in 2012 reichte sie
Einkommensteuer-Erklärungen sowie Erklärungen zur gesonderten Feststellung des
verbleibenden Verlustabzugs für die Streitjahre ein. Sie machte
Berufsausbildungskosten von rund 3.000 EUR bis 7.000 EUR als vorab entstandene
Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend.
Einnahmen erzielte sie in diesem Zeitraum nicht.

Das Finanzamt lehnte die
Verlustfeststellung ab. Es berief sich auf die Bindungswirkung des
Einkommensteuer-Bescheids für das Verlustfeststellungsverfahren. Danach könne
eine Verlustfeststellung nur dann durchgeführt werden, wenn auch der Erlass
eines Einkommensteuer-Bescheids für das Verlustentstehungsjahr noch möglich
sei. Dies sei hier aber ausgeschlossen, da bereits Festsetzungsverjährung
eingetreten sei.

Das Finanzgericht gab der Klage
statt, da eine Bindungswirkung des Einkommensteuer-Bescheids für die
Feststellung des Verlustvortrags dann nicht bestehe, wenn eine
Einkommensteuer-Veranlagung gar nicht durchgeführt worden sei.

 

 

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hat die Revision des Finanzamts zurückgewiesen.

Bei der gesonderten Verlustfeststellung hat das Finanzamt die
Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie der letzten
bestandskräftigen Einkommensteuer-Veranlagung zugrunde liegen. Die
Bindungswirkung greift damit nur ein, wenn eine Einkommensteuer-Veranlagung
durchgeführt worden ist. Keine Bindungswirkung besteht aber dann, wenn eine
Einkommensteuer-Veranlagung gar nicht stattgefunden hat oder wegen
Festsetzungsverjährung wieder aufgehoben wurde.

 

 

 

2.
Künstliche
Befruchtung als außergewöhnliche Belastungen absetzbar – aber nicht immer

 

Künstliche Befruchtungen mithilfe einer gespendeten
Eizelle sind in manchen europäischen Ländern erlaubt, in Deutschland aber
verboten. Deshalb können die Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung mit
einer gespendeten Eizelle im Ausland nicht als außergewöhnliche Belastungen
berücksichtigt werden.

 

Die in ihrer Fruchtbarkeit eingeschränkte Klägerin hatte sich in Spanien
einen Embryo in die Gebärmutter einsetzen lassen, der durch die künstliche Befruchtung
einer gespendeten Eizelle mit dem Samen ihres Ehemannes entstanden war. Die
hierfür aufgewendeten Kosten machte sie steuermindernd als außergewöhnliche
Belastung geltend. Voraussetzung dafür ist, dass die Aufwendungen dem
Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen, wie z. B.
bei Krankheitskosten ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung.

Der Bundesfinanzhof hat Aufwendungen für eine medizinisch angezeigte
heterologe künstliche Befruchtung mit fremdem Samen als Krankheitskosten
anerkannt. Er stellt allerdings darauf ab, dass die Heilbehandlung von einer
zur Ausübung der Heilkunde zugelassenen Person entsprechend den Richtlinien der
Berufsordnung der zuständigen Ärztekammer durchgeführt worden sei.

 

Entscheidung
Das
Finanzgericht wies die Klage ab, weil die durchgeführten Maßnahmen in
Deutschland nach dem Embryonenschutzgesetz unter Strafe gestellt sind und
deshalb nicht den Berufsordnungen der zugelassenen Ärzte entsprechen. Daran
ändere auch der Umstand nichts, dass die Klägerin persönlich von einer Strafe
befreit wäre. Der Gesetzgeber habe vielmehr eine eindeutige Wertentscheidung
getroffen, die im Steuerrecht zu beachten sei. Europäisches Recht stehe dem
nicht entgegen, weil sowohl das Einkommensteuerrecht als auch das Strafrecht in
die nationale Gesetzgebungskompetenz fielen.

 

3.
Zwei häusliche
Arbeitszimmer: Können beide steuerlich geltend gemacht werden?

 

Auch wer sich mehrere Arbeitszimmer für seine
beruflichen Tätigkeiten einrichtet, kann nur die Kosten für ein Arbeitszimmer
absetzen.

 

Die Kläger sind verheiratet und haben einen Wohnsitz
in Rheinland-Pfalz und einen Wohnsitz in Thüringen. Der Kläger ist in
Rheinland-Pfalz selbstständig (Seminare und Fortbildungskurse für
Steuerberater), in Thüringen nichtselbstständig tätig.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2009 machte der Kläger
Kosten für 2 Arbeitszimmer (insgesamt 2.575 EUR) als Betriebsausgaben geltend.
Seine Begründung: Er benötige in jeder der beiden Wohnungen ein Arbeitszimmer
für seine selbstständige Tätigkeit. Das Finanzamt erkannte nur ein
Arbeitszimmer und nur Kosten in Höhe von 1.250 EUR an.

 

Entscheidung      
Das
Finanzgericht schloss sich der Auffassung des Finanzamts an. Im
Einkommensteuergesetz sei geregelt, dass Aufwendungen für ein häusliches
Arbeitszimmer nur unter bestimmten Voraussetzungen und auch dann meistens nur
beschränkt auf den Höchstbetrag von 1.250 EUR abzugsfähig seien. Nur
ausnahmsweise, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen
und beruflichen Betätigung bilde, könnten die Kosten unbeschränkt abgezogen
werden. Letzteres sei beim Kläger nicht der Fall, da er seine Vortragstätigkeit
(Seminare, Fortbildungen usw.) außerhalb seines Arbeitszimmers durchführe.
Deshalb könne er die Aufwendungen nur beschränkt auf den Höchstbetrag von 1.250
EUR abziehen.

Dieser Höchstbetrag sei personen- und objektbezogen.
Daher könne er auch nur einmal jährlich gewährt werden. Es komme zwar vor, dass
Steuerpflichtige in einem Veranlagungszeitraum nacheinander oder auch
zeitgleich verschiedene Arbeitszimmer nutzen würden, z. B. wegen eines Umzugs
oder wenn jemand zur gleichen Zeit 2 Wohnungen habe.

Ein Steuerpflichtiger könne 2 Arbeitszimmer aber niemals zeitgleich nutzen.
Daher könne der Höchstbetrag selbst in diesen Fällen nur einmal und nicht
mehrfach gewährt werden.

4.
Handelsvertreter:
Wann liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer?

 

Die Tätigkeit eines Handelsvertreters ist in den
meisten Fällen geprägt von der Außendiensttätigkeit. Der qualitative
Schwerpunkt der Tätigkeit kann ausnahmsweise aber auch im häuslichen
Arbeitszimmer liegen, sodass die Kosten hierfür in voller Höhe anerkannt
werden.

 

Der Kläger war als selbstständiger Handelsvertreter
überregional tätig. Etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit verbrachte er mit
Kundenbesuchen im gesamten Bundesgebiet und in den Niederlanden. Im Übrigen war
er in seinem häuslichen Arbeitszimmer tätig.

Das Finanzamt erkannte die für das Arbeitszimmer geltend gemachten Kosten
nur in Höhe von 1.250 EUR an, da es nicht den Tätigkeitsmittelpunkt des Klägers
bilde. Hiergegen wandte der Kläger ein, dass er die meisten seiner Aufgaben
nicht im Außendienst habe erledigen können.

Das Finanzamt ging trotzdem davon aus, dass die prägenden Tätigkeiten des
Klägers im Außendienst stattfinden. Hierfür spreche insbesondere eine Klausel
mit seinem Hauptauftraggeber, wonach er verpflichtet sei, die Kunden mindestens
einmal monatlich zu besuchen.

 

Entscheidung
Das
Gericht gab dem Kläger Recht und entschied, dass das Arbeitszimmer des Klägers
den qualitativen Schwerpunkt seiner Betätigung bildet. Die Reisetätigkeit ist
nicht als Mittelpunkt seiner Tätigkeit anzusehen. Denn die vertragliche
Verpflichtung, seine Kunden mindestens einmal im Monat zu besuchen, hat er
tatsächlich nicht gelebt, weil hierfür kein Anlass bestand.

Der Kläger übt keine klassische Außendiensttätigkeit aus, in der lediglich
vor- und nachbereitende Tätigkeiten im Arbeitszimmer vorgenommen werden. Die
Produkte liefert er nicht selbst an die Kunden aus, sondern er steht ihnen
bezüglich des Sortiments, für die Annahme von Bestellungen und Reklamationen
als Ansprechpartner zur Verfügung. Seine Hauptaufgabe liegt darin, den
Überblick über das Bestellverhalten des jeweiligen Kunden zu behalten und eine
individuelle Angebots- und Bedarfsermittlung vorzunehmen.

Diese Aufgabe hat qualitativ ein höheres Gewicht als die Präsenz beim
Kunden vor Ort, weil sich die Preise und das Sortiment der frischen Produkte
häufig ändere und daher im Tagesgeschäft auf individuelle Kundenwünsche eingegangen
werden muss. Auch die Akquise von Neukunden erfolgt zunächst vom Arbeitszimmer
aus. Diese Tätigkeiten sind nicht lediglich als dem Außendienst dienende
Tätigkeiten anzusehen.

5.
Geburtstag und
bestandenes Examen: Besser getrennt feiern

 

Ein runder Geburtstag und das Bestehen eines
Berufsexamens sind gute Gründe zum Feiern. Wer die Aufwendungen für die Feier
steuerlich geltend machen will, sollte besser zweimal feiern. Denn eine
Aufteilung der Kosten ist nicht möglich.

 

Der Kläger war kurz vor seinem 30.
Geburtstag nach bestandener Prüfung zum Steuerberater bestellt worden. Aus
Anlass beider Ereignisse hatte er in einer Festhalle eine Feier ausgerichtet,
zu der er neben Arbeitskollegen auch Verwandte und Bekannte eingeladen hatte.
Die nach der Personenzahl anteilig auf die Arbeitskollegen entfallenden Kosten
der Feier wollte er unter Berufung auf die geänderte Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs zur Aufteilbarkeit gemischt veranlasster Aufwendungen als Werbungskosten
bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend machen.

 

Entscheidung
Nach
dem Finanzamt verweigerte auch das Finanzgericht eine teilweise Geltendmachung
der Kosten. Denn nach Abwägung aller Umstände sind die Aufwendungen für die Feier
insgesamt privat veranlasst. Der Kläger hat innerhalb seines Kollegenkreises
eine Auswahl getroffen. Außerdem haben an der Feier mehr private Gäste als
Arbeitskollegen teilgenommen. Darüber hinaus hat der Kläger auch mit seinen
Kollegen nicht nur sein Berufsexamen, sondern auch seinen Geburtstag und damit
ein privates Ereignis gefeiert. Eine Trennung der Kosten in einen beruflichen
und einen privaten Teil ist in solchen Fällen nicht möglich.

 

6.
Ortsübliche
Vergleichsmiete: So ermittelt das Finanzamt

 

Auch wer an Angehörige vermietet, kann seine
Aufwendungen für das Mietobjekt als Werbungskosten abziehen. Wird eine Wohnung
allerdings zu einer Miete von weniger als 66 % der ortsüblichen Marktmiete
überlassen, ist eine anteilige Werbungskostenkürzung vorgeschrieben. Deshalb
ist es wichtig zu wissen, wie diese ortsübliche Vergleichsmiete von den
Finanzämtern ermittelt wird.

 

Das Einkommensteuergesetz schreibt vor, dass eine
Vermietungstätigkeit in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil
aufgeteilt werden muss, wenn die tatsächliche Miete unterhalb eines
Schwellenwerts von 66 % der ortsüblichen Marktmiete liegt. Die steuerungünstige
Folge dieser Aufteilung für den Vermieter ist, dass er seine Werbungskosten nur
noch anteilig abziehen kann.

Wer eine verbilligte Vermietung in Erwägung zieht, ist
an einer verlässlichen und belastbaren Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete
interessiert, an der er dann die Höhe seiner tatsächlichen Miete ausrichten
kann. Wie die Hessischen Finanzämter die ortsübliche Vergleichsmiete ermitteln
müssen, zeigt eine neue Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main zur
Wohnungsüberlassung an nahe Angehörige und Arbeitnehmer im Rahmen eines
Dienstverhältnisses.

 

Was zur ortsüblichen
Marktmiete gehört

Als ortsübliche Marktmiete wird die ortsübliche
Kaltmiete zzgl. der nach der Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten
angesetzt. Hierzu gehören insbesondere die Grundsteuer, die Kosten für Wasser
und Abwasser, Heizung, Straßenreinigung und Müllabfuhr, Beleuchtung, Gartenpflege,
Schornsteinreinigung, Sach- und Haftpflichtversicherung und für den Hauswart.
Es wird also die ortsübliche Warmmiete mit der tatsächlich gezahlten Warmmiete
verglichen.

Bei der Ermittlung der Vergleichsmiete ist von
ortsüblichen Marktmieten für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung
auszugehen.

 

Ermittlung der
ortsüblichen Kaltmiete

Für die Bestimmung der ortsüblichen Kaltmiete schreibt
die Oberfinanzdirektion ihren Finanzämtern ein abgestuftes Ermittlungsverfahren
mit 7 Prüfungsstufen vor.

 

Stufe 1: Vorherige
Fremdvermietung

Wenn die Wohnung vor der Überlassung an nahe
Angehörige an fremde Dritte vermietet war, können die Finanzämter den zuvor
vereinbarten Mietpreis als ortsübliche Kaltmiete zugrunde legen.

 

Stufe 2: Örtlicher
Mietspiegel

War die Wohnung zuvor nicht fremdvermietet, sollen die
Ämter die ortsübliche Miete anhand der örtlichen Mietspiegel, qualifizierten
Mietspiegel oder Mietdatenbanken von Städten und Gemeinden ermitteln. Sind
darin Rahmenwerte genannt, kann auf den unteren Wert zurückgegriffen werden.

 

Stufe 3:
Verwaltungseigene Mietwertkalkulatoren

Existieren für die betroffene Kommune keine
Mietspiegel, sollen die Finanzämter zur Ermittlung eines Orientierungswerts auf
verwaltungseigene Mietwertkalkulatoren zurückgreifen.

 

Stufe 4:
Immobilienportale im Internet

Konnten die Ämter durch die Schritte 1 bis 3 keine
Vergleichsmiete ermitteln oder wollen sie ihre Wertfindung noch einmal
verifizieren, sollen sie auf Internetportale zurückgreifen. Hier bietet es sich
an, die zu vermietenden Immobilien im Umkreis zu ermitteln und die
durchschnittlichen Quadratmeterpreise zu errechnen. Entsprechende Angebotsausdrucke
sollen die Ämter zu den Akten nehmen, damit ihre Wertermittlung auch im
Nachhinein noch nachvollziehbar ist.

 

 

 

Stufe 5: Hochrechnung
veralteter Mietpreisspiegel

Führen all diese Ermittlungswege nicht zum Erfolg,
sollen die Ämter auf alte Mietpreisspiegel zurückgreifen, die von der
Finanzverwaltung bis zum Wegfall der Nutzungswertbesteuerung aufgestellt worden
sind. Diese müssen allerdings an die aktuelle Marktlage angepasst werden.

 

Stufe 6:
Bundesdurchschnittliche Miete

Hilfsweise dürfen die Ämter die Vergleichsmiete auch
unter Rückgriff auf die bundesdurchschnittliche Bruttokaltmiete je qm für
Wohnungen laut dem Mikrozensus 2010 ermitteln. Die Bruttokaltmiete muss anhand
des Preisindex für Mieten mit einer jährlichen Steigerung von 1,15 % für den
jeweiligen Veranlagungszeitraum fortgeschrieben werden. Der fortgeschriebene
Wert ist anschließend noch zu „regionalisieren“.

 

Stufe 7: Ermittlung
durch den Bausachverständigen

Führen alle vorgenannten Wertermittlungsmethoden nicht
zum Ziel, sollen die Ämter ausnahmsweise ein Gutachten ihres
Bausachverständigen einfordern.

7.
Bolzplatz:
Berechtigt Lärm zur Mietminderung?

 

Lärm von spielenden Kindern berechtigt nicht zu einer
Mietminderung, sondern ist hinzunehmen. Auch Lärmbelästigungen durch einen neu
angelegten Bolzplatz begründen normalerweise keinen Mangel der Mietsache.

 

Das Mietverhältnis über eine Erdgeschosswohnung mit
Terrasse besteht seit 1993. Auf dem Gelände der benachbarten Schule wurde 2010
ein Bolzplatz errichtet. Einem Schild zufolge soll dieser Kindern im Alter bis
zu 12 Jahren montags bis freitags bis 18 Uhr zur Benutzung offenstehen.

Seit Sommer 2010 mindern die Mieter die Miete um 20 %, da von dem Bolzplatz
Lärmbelästigungen durch Jugendliche ausgingen, die auch außerhalb der
zulässigen Zeiten dort spielten.

Die Vermieter verlangen Zahlung der einbehaltenen Miete sowie Feststellung,
dass die Mieter nicht berechtigt sind, die Miete wegen des Lärms zu mindern.
Amts- und Landgericht haben die Klage abgewiesen.

 

Entscheidung
Der
Bundesgerichtshof hat ganz klar entschieden, dass Kinderlärm zu tolerieren ist.

Grundsätzlich gilt aber auch: Treten im Lauf des
Mietverhältnisses nachteilige Einwirkungen auf die Mietsache von außen
(„Umweltmängel“) auf, kann dies zu einem Mangel der Mietsache führen.
Man kann aber nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass der bei Vertragsschluss
bestehende Zustand stillschweigend als der vertragsgemäße festgelegt wird, der
sich bezüglich der Umwelteinflüsse während des Mietverhältnisses nicht
nachteilig verändern darf und vom Vermieter garantiert werden muss.

Fehlt eine derartige Vereinbarung im Mietvertrag, ist
die Frage, ob und inwieweit der Mieter Geräuschimmissionen hinnehmen muss, per
ergänzender Vertragsauslegung unter Rückgriff auf die Verkehrsauffassung zu
beantworten. Diese ergibt, dass der Vermieter nicht dafür einstehen muss, dass
sich ein bei Vertragsschluss hingenommenes Maß an Geräuschen vom
Nachbargrundstück nicht vergrößert, wenn er dies selbst gegenüber dem Nachbarn
zu dulden hätte. Die Lärmbelästigungen stellen also dann keinen Mangel dar,
wenn der Vermieter diese selbst als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen
müsste. Das kann sich etwa aus dem hinsichtlich Kinderlärms bestehenden
Toleranzgebot ergeben.

 

8.
Fehlender Energieausweis:
Bußgeld droht

 

Wer ein Haus verkaufen will, muss in seiner Anzeige
Angaben zum Energieverbrauch machen. Fehlen diese, droht seit Mai 2015 ein
Bußgeld.

 

Immobilienanzeigen müssen seit Inkrafttreten der
Energieeinsparverordnung 2014 am 1.5.2014 Angaben zum Energieverbrauch des
Gebäudes enthalten, wenn für das Gebäude ein gültiger Energieausweis vorliegt.
Verstöße dagegen waren bisher nicht von einer Sanktion bedroht.

Das ändert sich nun. Seit dem 1.5.2015 müssen Inserenten, die sich nicht an
die Pflichtangaben halten, mit einem Bußgeld rechnen. Dieses kann bis zu 15.000
EUR betragen. Das gilt unabhängig davon, ob das Haus privat oder gewerblich
verkauft wird.

Welche Angaben eine Immobilienanzeige enthalten muss, hängt zum einen davon
ab, ob es sich um ein Wohngebäude oder ein Nichtwohngebäude handelt, zum
anderen davon, wann der Energieausweis ausgestellt worden ist.

 

Energieausweis wurde ab
1.5.2014 ausgestellt:

Wohngebäude


Art des Energieausweises (Bedarfs- oder
Verbrauchsausweis)


Wert des Endenergiebedarfs oder Endenergieverbrauchs
des Gebäudes


Im Energieausweis genannter wesentlicher Energieträger
der Heizung


Baujahr des Gebäudes lt. Energieausweis


Energieeffizienzklasse

Nichtwohngebäude


Art des Energieausweises (Bedarfs- oder Verbrauchsausweis)


Wert des Endenergiebedarfs oder Endenergieverbrauchs
des Gebäudes, für Wärme und Strom getrennt


Im Energieausweis genannter wesentlicher Energieträger
der Heizung

 

Energieausweis wurde zwischen
Oktober 2007 und April 2014 ausgestellt

Wohngebäude


Art des Energieausweises (Bedarfs- oder
Verbrauchsausweis)


Wert des Endenergiebedarfs des Gebäudes: Bei
Bedarfsausweisen Wert des Endenergiebedarfs, bei Verbrauchsausweisen
Energieverbrauchskennwert


Im Energieausweis genannter wesentlicher Energieträger
der Heizung


Baujahr des Gebäudes lt. Energieausweis


Energieeffizienzklasse: Angabe freiwillig

Nichtwohngebäude


Art des Energieausweises (Bedarfs- oder
Verbrauchsausweis)


Wert des Endenergiebedarfs des Gebäudes: Bei
Bedarfsausweisen Gesamtwert des Endenergiebedarfs, bei Verbrauchsausweisen
Heizenergie- und Stromverbrauchskennwert


Im Energieausweis genannter wesentlicher Energieträger
der Heizung

9.
Rauschende
Wasserleitung ist kein Minderungsgrund

 

Wenn draußen der Regen plätschert, empfindet man das eher
als angenehmes Geräusch. Eine rauschende Wasserleitung, die man im Schlafzimmer
hört, kann dagegen eher stören. Trotzdem ist das kein Grund, deshalb die Miete
zu mindern.

 

Zwischen dem Badezimmer und dem Schlafzimmer der
gemieteten Wohnung befindet sich eine Trennwand mit einer Dicke von 6 cm. In
der Wand verlaufen Wasserleitungen, sodass die Geräusche von laufendem Wasser
im Badezimmer im angrenzenden Schlafzimmer zu hören sind. Dadurch werden die
vorgesehenen Grenzwerte, die für Wohn- und Schlafräume einen Wert von höchstens
35 dB vorsehen, überschritten.

Deshalb macht der Mieter eine Mietminderung geltend.
Außerdem verlangt er vom Vermieter, die Wand so zu isolieren, dass im
Schlafzimmer keine höhere Geräuschbelastung als 35 dB wahrnehmbar ist, wenn im
Bad das Wasser läuft.

 

Entscheidung      
Die
Geräusche der Wasserleitung, die im Schlafzimmer zu hören sind, stellen keinen
Mangel der Wohnung dar. Der Mieter kann deshalb weder eine Minderung geltend
machen noch vom Vermieter Nachbesserungsarbeiten verlangen.

Der vertragsgemäße Gebrauch selbst ist nicht
eingeschränkt. Die Wohnung ist bewohnbar. Selbst wenn der Mieter durch
Geräusche aus dem Bad geweckt wird, stellt dies keine unerträgliche
Beeinträchtigung dar. Denn diese können nur durch Mitbewohner dieser Wohnung
entstehen. Im Gegensatz zum Verhältnis zu einer fremden Wohnung begibt sich der
Mieter durch Einziehen mit anderen Personen in eine Wohnung in ein enges
Näheverhältnis. Hingegen muss im Verhältnis zu einem Nachbarn ein höheres Maß
an Intim- und Privatsphäre gewährleistet sein. In diesen Fällen ist eine
Teilhabe am Leben des Nachbarn durch das Vernehmen von Geräuschen oder Lärm
ungewollt. Bei Einzug in eine gemeinsame Wohnung wird diese Gefahr hingegen
bewusst eingegangen. Außerdem ist das Geräuschverhalten in der eigenen Wohnung
beeinflussbar, während das Verhalten der Nachbarn nur sehr eingeschränkt zu
beeinflussen ist. Deshalb ist es gerechtfertigt, für den Lärmschutz zwischen
fremden Wohnungen höhere Anforderungen zu stellen.

 

10.
WEG-Fest: Nicht auf
Kosten der Wohnungseigentümer

 

Beschließt die Wohnungseigentümergemeinschaft die
Veranstaltung eines Festes, für das die Wohnungseigentümer gemäß ihrem
Miteigentumsanteil anteilig die Kosten tragen sollen, ist dies keine Maßnahme
im Interesse aller Eigentümer und entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

 

In einer Eigentümerversammlung am 14.5.2014 hatten die
Wohnungseigentümer den Beschluss gefasst, ein Fest zu veranstalten, das die
Eigentümer anteilig finanzieren sollten.

Ein Eigentümer meint, die Abhaltung eines
Brunnenfestes durch die Wohnungseigentümergemeinschaft sei keine Maßnahme der
Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Die für eine solche Veranstaltung
anfallenden Kosten könnten daher auch nicht aus gemeinschaftlichen Geldern
bezahlt werden. Zumindest widerspräche die Beschlussfassung ordnungsgemäßer
Verwaltung. Das Brunnenfest diene nicht der Erhaltung des gemeinschaftlichen
Eigentums und Vermögens.

Die übrigen Eigentümer halten die Klage für
unbegründet. Der Beschluss regle allein die Nutzung des im Gemeinschaftseigentum
stehenden Areals um den Brunnen. Außerdem habe das Fest bereits im Juli 2014
stattgefunden, sodass der Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Schließlich
habe das Fest komplett durch Spenden finanziert werden sollen und so sei es
schließlich auch geschehen, sodass der Gemeinschaft keine Kosten entstanden
seien.

 

Entscheidung
Die
Klage des Eigentümers hat Erfolg.

Das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage
besteht weiter, auch wenn die Maßnahme nicht mehr rückgängig zu machen ist, die
Frage der Gültigkeit aber für die Kostenbeteiligung Bedeutung hat.

Der Beschluss entspricht nicht ordnungsmäßiger
Verwaltung. Die Wohnungseigentümer haben beschlossen, ein Brunnenfest zu
veranstalten, an dem jeder Wohnungseigentümer an den Kosten entsprechend seinem
Miteigentumsanteil zu beteiligen wäre. Eine Einschränkung, dass das Fest durch
Spenden finanziert werden soll, hat im Beschluss keinen Niederschlag gefunden.
Der Regelungsgehalt des Beschlusses beschränkt sich auch nicht in einer
Gebrauchsregelung für das Areal rund um den Brunnen, um dort das Fest
abzuhalten.

Unter Maßnahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung fallen
alle Maßnahmen, die im Interesse aller Wohnungseigentümer auf Erhaltung,
Verbesserung oder dem der Zweckbestimmung des Gemeinschaftseigentums
entsprechenden Gebrauch gerichtet sind.

Der Regelungsgehalt des gefassten Beschlusses ist
keine Maßnahme, die im Interesse aller Wohnungseigentümer ist, gerichtet auf
die Erhaltung, Verbesserung oder den der Zweckbestimmung des
Gemeinschaftseigentums entsprechenden Gebrauch.

 

11.
Krankenkasse muss
Perücke für älteren Mann nicht zahlen

 

Verliert ein Mann sein Kopfhaar, stellt dies weder eine Krankheit noch eine
Behinderung dar. Die Kosten für eine Perücke muss der Mann deshalb selber
bezahlen.

 

Grundsätzlich zahlt die Krankenkasse nicht 
Vollperücken
sind als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens von der Leistungspflicht der
gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich ausgenommen. Nur ausnahmsweise
muss die Krankenkasse eine Perücke bezahlen.

Der alleinige Verlust des Kopfhaares bei einem Mann
ist nicht als Krankheit zu werten, weil er weder die Körperfunktionen
beeinträchtigt noch entstellend wirkt. Die überwiegende Zahl der Männer verliert
im Laufe des Lebens ganz oder teilweise ihr Kopfhaar. Durch ihren
Kopfhaarverlust erregen Männer weder besondere Aufmerksamkeit noch werden sie
stigmatisiert.

 

Ausnahmen sind möglich 
Männer
sind allerdings nicht vollständig von der Versorgung mit Vollperücken zu Lasten
der Krankenversicherung ausgeschlossen.

Ein Anspruch kann bestehen, wenn der Haarverlust nicht
allein die Kopfbehaarung, sondern auch die übrige Behaarung des Kopfes wie
Brauen, Wimpern und Bart erfasst. Ein solcher Haarverlust geht über den
typischen männlichen Haarverlust hinaus und kann insbesondere bei Jugendlichen
oder jungen Erwachsenen Aufsehen erregen.

Je nach Alter des Mannes und Aussehen des unbehaarten
Kopfes kann in einem solchen Fall daher eine auffallende, entstellende Wirkung
vorliegen, die Krankheitswert besitzt.

 

Aber nicht bei Männern über 70   
Eine
entsprechende Wirkung hat der haarlose Kopf des zum Zeitpunkt der Beschaffung
der Perücke deutlich über 70-jährigen Klägers hingegen nicht. Nicht maßgeblich
ist dabei, ob der Betroffene seine Haarlosigkeit subjektiv entstellend
empfindet. Die beklagte Krankenkasse hat es daher zu Recht abgelehnt, den
Kläger mit einer Perücke zu versorgen.

12.
Nichteheliche
Lebenspartner: Bei Trennung kein Ausgleich für Hilfe beim Umbau des Elternhauses
eines Partners

 

Hat der ehemalige Partner beim Umbau des Elternhauses
der Lebensgefährtin geholfen, stellt sich die Frage, ob er für die erbrachten
Leistungen einen Ausgleich verlangen kann. Von den Eltern der ehemaligen
Lebensgefährtin jedenfalls nicht, urteilte der Bundesgerichtshof.

 

Der Kläger lebte und wohnte mit seiner ehemaligen
Lebensgefährtin, mit welcher er eine gemeinsame Tochter hat, bis März 2010 in
einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Hausanwesen ihrer Eltern. Um die
Wohnsituation für die Familie zu verbessern, wurde das Haus aus- und umgebaut.

Hierfür hatte der Kläger nach seinem eigenen Vortrag
über 2.000 Arbeitsstunden geleistet und knapp 3.100 EUR an Materialkosten
eingebracht.

Außerdem habe er von September 2008 bis September 2009
die monatlichen Darlehensraten von 158 EUR für den gemeinsamen Umbaukredit in
Höhe von 50.000 EUR getragen.

Durch den Umbau habe die Immobilie zudem eine
Wertsteigerung von 90.000 EUR erfahren, so der Kläger.

 

Entscheidung
Nach
dem Urteil des Bundesgerichtshofs stehen dem Kläger die geltend gemachten
Ausgleichansprüche in Höhe von 25.000 EUR jedoch nicht zu. Hinsichtlich der
erbrachten Arbeitsleistungen habe der Kläger weder einen vertraglichen Anspruch
noch einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung.

Es bestünden insbesondere keine Anhaltspunkte dafür,
dass zwischen dem Kläger und den Eltern der ehemaligen Lebensgefährtin einen
Kooperationsvertrag abgeschlossen hätten. Dieser könnte dann vorliegen, wenn es
sich um Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft handeln würde, die
Arbeitsleistungen zur Ausgestaltung der Lebensgemeinschaft erbracht wurden und
diese erheblich über bloße Gefälligkeiten hinausgehen.

Vorliegend handelte es sich bei dem Kläger und den
Eltern nicht um Partner einer Lebensgemeinschaft.

Auch sei der vorliegende Fall nicht mit demjenigen
vergleichbar, bei welchem die Schwiegereltern Arbeitsleistungen in erheblichem
Umfang in die Immobilie des Schwiegerkindes erbracht haben. Bei einer solchen
Konstellation handle es sich um fremdnützige Investitionen, welche dem eigenen
Kind mittelbar zugutekommen sollten. Der Kläger hatte aber die Arbeitsleitungen
erbracht, um die Wohnverhältnisse für sich und seine Familie zu verbessern.

 

 

 

13.
Erbverzicht der
Eltern: Auch Kinder sind vom Erbe ausgeschlossen

 

Der Verzicht auf das Erbe gegen eine Schenkung
schließt in der Regel auch die eigenen Kinder vom Erbe aus. Man sollte sich
deshalb genau überlegen, ob man auf sein gesetzliches Erb- und
Pflichtteilsrecht verzichtet.

 

Die Eltern einer Tochter und eines Sohnes hatten ein
gemeinschaftliches Testament aufgesetzt. In dieser letztwilligen Verfügung mit
Pflichtteilsstrafklausel war festgelegt worden, dass der jeweils überlebende
Elternteil zum Vorerben und die Kinder zu gleichen Teilen zu Nacherben
eingesetzt werden.

Nach dem Tod des Vaters schloss die Mutter mit der
Tochter einen notariellen Erbverzichtsvertrag. Da die Tochter eine Schenkung i.
H. v. ca. 90.000 EUR erhalten hatte, übertrug sie ihr Nacherbenrecht auf ihren
Bruder und erklärte gleichzeitig den Verzicht auf ihr Erb- und
Pflichtteilsrecht.

Wenig später verstarb die Tochter, die 2 Kinder
hinterließ. Die Großmutter setzte die beiden Kinder in einem handschriftlichen
Testament aus dem Jahre 2013 zu Erben ein.

Als die Großmutter eine Zeit danach starb, stritten
die Hinterbliebenen, die Kinder der Tochter und deren Onkel, um das Erbe. Die
Kinder waren der Auffassung, durch das handschriftliche Testament ihrer Oma
Miterben geworden zu sein. Deren Onkel war der Meinung, nach dem Verzicht seiner
Schwester Alleinerbe geworden zu sein.

 

Entscheidung
Vor
Gericht bekam er Recht: Mit dem notariellen Verzichtsvertrag habe die Schwester
bewirkt, dass auch ihre Kinder vom Verzicht betroffen sind, da eine
anderweitige Regelung, die die Kinder vom Verzicht ausnimmt, dort nicht getroffen
wurde.

Auch das handschriftliche Testament der Großmutter,
mit dem sie ihre Enkel zeitlich nach dem Verzichtsvertrag zu Erben einsetzte,
könne daran nichts ändern, urteilten die Richter. Dem steht die Bindungswirkung
des gemeinschaftlichen Testaments mit ihrem Ehemann entgegen, das deren Sohn
und Tochter zu Alleinerben einsetzte und keine andere Auslegung zuließ. Die
Bindungswirkung erstreckt sich auch auf den Erbteil, der dem Sohn nach dem
Verzicht seiner Schwester zugewachsen sei.

 

14.
Dashcam-Aufnahmen:
Doch als Beweismittel zulässig?

 

Aufnahmen von Dashcams wurden von deutschen Gerichten
meist nicht als Beweismittel zugelassen. Jetzt hat ein Gericht jedoch
entschieden, dass derartige Hilfsmittel nicht kategorisch abgelehnt werden
dürften, sondern bei Wahrung der Verhältnismäßigkeit durchaus geeignet seien.

 

In dem Verfahren vor dem Amtsgericht ging es um eine
Nötigung im Straßenverkehr und fahrlässiger Gefährdung der Verkehrsteilnehmer.
Der Fahrer eines VW-Busses hatte einen anderen Verkehrsteilnehmer auf einer
4-spurigen Bundesstraße zunächst links überholt, war kurz vor ihm wieder rechts
eingeschert und hatte seine Geschwindigkeit deduziert. Als der Überholte
daraufhin seinerseits auf die linke Fahrbahn wechselte, um den VW-Bus zu
überholen, zog dessen Fahrzeuglenker den Wagen ebenfalls nach links, wobei der
Abstand der Fahrzeuge bei einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h nur noch
wenige Zentimeter betrug.

 

Entscheidung
Der
bedrängte Fahrer hatte die Dashcam erst während des Vorfalls eingeschaltet.
Genau diesen Umstand nahmen die Richter zum Anlass, die Aufnahmen als
Beweismittel anzuerkennen, denn diese seien damit auch mit dem Datenschutzrecht
vereinbar, da die Videoaufzeichnung hier anlassbezogen erfolgt sei.

Zwar sehen auch die Richter die Gefahr, dass die
Videoaufnahmen zu einem späteren Zeitpunkt missbräuchlich verwendet werden
könnten, allerdings dürfe eine solche abstrakte Furcht vor einer
allgegenwärtigen Datenerhebung nicht dazu führen, dass den Bürgern sachgerechte
technische Hilfsmittel zur effektiven Rechtsverfolgung vorenthalten werden. Die
Beweissicherung mittels Dashcam in dem konkreten Fall beurteilten die Richter
daher als erforderlich und verhältnismäßig.