1. Homeoffice: Keine Unfallversicherung auf dem Weg vom Kindergarten
 2. Kirche als Arbeitgeber: Religion als Jobvoraussetzung?
 3. Doppelte Haushaltsführung: Die Zweitwohnung darf nicht zum Lebensmittelpunkt werden
 4. Sind privat finanzierte Leistungen zu Pensionskassen sozialversicherungspflichtig?
 5. Vollzeit-Bildungsmaßnahme: Wann wird die Bildungseinrichtung zur ersten Tätigkeitsstätte?
 6. Ist eine Entschädigung aufgrund einer missglückten Operation steuerpflichtiger Arbeitslohn?
 7. Selbstanzeige: Welche Ablaufhemmung gilt?
 8. Forschungsstipendium: Zahlungen unterliegen als sonstige Einkünfte der Steuerpflicht
 9. Stromleitung über dem eigenen Grund und Boden: Entschädigung für Überspannung ist nicht steuerbar
10. Ehe für alle: Kann die Zusammenveranlagung rückwirkend beantragt werden?
11. Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Kindes: Was die Eltern geltend machen dürfen
12. Kündigung wegen Eigenbedarf: Nur gelegentliche Nutzung genügt
13. Wohnungseigentum: Ja oder Nein muss bei einer Beschlussfassung eindeutig sein
14. Bruchteilseigentümer stört Hausfrieden: Wohnungseigentum kann insgesamt entzogen werden
15. Auch schwer erreichbare Fenster müssen vom Mieter geputzt werden
  1. Homeoffice:Keine Unfallversicherung auf dem Weg vom Kindergarten

Bringen die Eltern ihr Kind auf dem Weg zur Arbeit in den Kindergarten, sind sie durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt. Das gilt jedoch nicht für den Weg vom Kindergarten zum Heimarbeitsplatz.

Hintergrund

Eine Mutter arbeitete für ihren Arbeitgeber von zu Hause aus per Teleworking. Ende November 2013 war sie auf dem Rückweg vom Kindergarten der Tochter zum häuslichen Telearbeitsplatz. Dabei rutschte sie mit dem Fahrrad auf Blitzeis weg und brach sich den Ellenbogen.

Die Krankenkasse der Mutter übernahm zunächst die Behandlungskosten von ca. 19.000 EUR, wollte diese jedoch anschließend von der Berufsgenossenschaft erstattet haben. Diese war jedoch der Ansicht, dass kein Arbeits- oder Wegeunfall vorlag, da das Bringen der Tochter zum Kindergarten kein Weg war, um zur Arbeit zu gelangen, sondern ein privater Heimweg. Demgegenüber argumentierte die Krankenkasse, dass es keinen Unterschied macht, ob man nach dem Kindergarten zum Arbeitgeber oder zum Telearbeitsplatz fährt.

Entscheidung

Das Landessozialgericht bestätigte die Rechtsauffassung der Berufsgenossenschaft. Zwar ist der Kindergartenumweg vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst. Versicherungsschutz am häuslichen Arbeitsplatz besteht jedoch nicht. Denn die von der Unfallversicherung abgedeckten typischen Verkehrsgefahren werden durch die Heimarbeit gerade vermieden.

Liegen Wohnung und Arbeitsstätte in demselben Gebäude, ist begrifflich ein Wegeunfall ausgeschlossen, sodass der Weg zum Kindergarten privat ist.

  • Kirche alsArbeitgeber: Religion als Jobvoraussetzung?

Kirchliche Arbeitgeber machen oft eine bestimmte Religionszugehörigkeit des Bewerbers zur Voraussetzung für eine Einstellung. Ob dies rechtens ist, hat nun das Bundesarbeitsgericht geklärt. Dabei hat es auch konkretisiert, wann eine Kirchenmitgliedschaft verlangt werden kann.

Hintergrund

Eine konfessionslose Sozialpädagogin bewarb sich auf eine befristete Referentenstelle beim diakonischen Werk EKD. Es ging bei der Tätigkeit u. a. um eine projektweise Berichterstattung zur UN-Antirassismuskonvention, um Stellungnahmen und Fachbeiträge und um die projektbezogene Vertretung der Diakonie Deutschland gegenüber der Politik, der Öffentlichkeit und Menschrechtsorganisationen. In der Stellenausschreibung forderte der Arbeitgeber die Mitgliedschaft in einer evangelischen Kirche oder einer Kirche, die der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland angehört. Darüber hinaus war die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag Voraussetzung.

Nach einer ersten Bewerbungsrunde war die Sozialpädagogin noch im Auswahlverfahren, wurde aber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie fühlte sich aufgrund ihrer Konfessionslosigkeit diskriminiert und verlangte deshalb vor Gericht eine Entschädigung von mindestens 9.788,65 EUR. Die Stelle wurde letztlich mit einem evangelischen Bewerber besetzt.

Entscheidung

Vor dem Bundesarbeitsgericht bekam die Sozialpädagogin zwar recht, bekam jedoch nur eine Entschädigung von 3.915,46 EUR zugesprochen, was 2 Bruttomonatsverdiensten entsprach. Die Richter waren der Ansicht, dass die Diakonie die Bewerberin wegen der Religion benachteiligt hatte. Diese Benachteiligung war nicht ausnahmsweise gerechtfertigt, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.

Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion ist nur zulässig, wenn die Religion nach der Art der Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft oder Einrichtung darstellt. Im vorliegenden konkreten Fall gab es Zweifel, dass die Religion eine wesentliche berufliche Anforderung darstellte. Jedenfalls bestand keine wahrscheinliche und erhebliche Gefahr, dass das Ethos der Diakonie beeinträchtigt würde. Denn der jeweilige Stelleninhaber war in einen internen Meinungsbildungsprozess bei der Diakonie eingebunden und konnte in Fragen, die das Ethos betrafen, demnach nicht unabhängig handeln.

Eine konfessionsgebundene Stellenausschreibung darf jedoch nur dann erfolgen, wenn die Konfession für die berufliche Tätigkeit “objektiv geboten” und verhältnismäßig ist. Das war vorliegend nicht der Fall.

  • DoppelteHaushaltsführung: Die Zweitwohnung darf nicht zum Lebensmittelpunkt werden

Eine doppelte Haushaltsführung kann auch dann anerkannt werden, wenn verheiratete Eltern mit dem gemeinsamen Kind zusammen am Beschäftigungsort wohnen. Das gilt jedoch nur, wenn die Hauptwohnung weiterhin der Lebensmittelpunkt ist.

Hintergrund

Die miteinander verheirateten Kläger waren seit Jahren in Westfalen berufstätig. Dort lebten sie mit ihrer Tochter in einer angemieteten 3-Zimmer-Dachgeschosswohnung. In ihrem mehr als 300 km entfernten Heimatdorf war die Klägerin Miteigentümerin eines Hauses, das von der Mutter sowie von den Klägern bewohnt wurde. Darüber hinaus befanden sich die Haus- und Zahnärzte der Kläger und der Tochter in der Umgebung des Heimatdorfes. Dort war der Kläger auch Mitglied im Angelverein. Die Kläger trugen die laufenden Kosten und Instandhaltungsmaßnahmen am Haus.

Das Finanzamt verweigerte die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung. Seiner Meinung nach lag der Lebensmittelpunkt am Beschäftigungsort und die Kläger unterhielten im Heimatdorf auch keinen eigenen Hausstand.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Die Richter entschieden, dass die Kläger in ihrem Heimatdorf einen eigenen Hausstand unterhielten und dort nicht nur als Gäste der Mutter anzusehen waren. Dies folgerten sie aus dem Alter der Kläger und den von ihnen übernommenen laufenden Kosten und den durchgeführten Instandhaltungsmaßnahmen.

Der Lebensmittelpunkt der Kläger lag im Heimatdorf, denn dort spielte sich deren gesamtes Privatleben ab. Sie hielten sich sogar getrennt voneinander im Heimatdorf auf. Auch der Vergleich der Wohnsituationen sprach nicht gegen die Annahme eines Lebensmittelpunktes, denn durch die Gartennutzungsmöglichkeit wies das Grundstück im Heimatdorf eine höhere Wohnqualität auf als die Dachgeschosswohnung am Beschäftigungsort.

  • Sind privatfinanzierte Leistungen zu Pensionskassen sozialversicherungspflichtig?

Aus privat finanzierten Anteilen eines Versorgungsbezugs müssen in bestimmten Fällen keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt werden. Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts macht rückwirkende Korrekturen im Beitrags- und Meldeverfahren erforderlich.

Hintergrund

2 Mitarbeiter zahlten nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis auf freiwilliger Basis weiter Beiträge in ihre Pensionskasse ein. Im Rentenalter stellten sie fest, dass die Krankenkassen auch aus dem ausschließlich privat finanzierten Anteil der Pension entsprechende Beiträge forderten.

Entscheidung

Diese Vorgehensweise verstößt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gegen das Gleichheitsgebot im Grundgesetz. Denn vergleichbare Leistungen aus privat finanzierten Lebensversicherungen werden nicht der Beitragspflicht unterworfen.

Aus dieser Entscheidung folgt, dass die Krankenkassen einen verfassungskonformen Zustand herstellen müssen. In der Konsequenz erhalten die versicherungspflichtigen Pensionäre die aus dem privaten Anteil gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zurück. Dies gilt allerdings nur für die letzten 4 Kalenderjahre. Der Erstattungsanspruch davor ist verjährt.

Hinweis

Die Pensionskassen werden in den betroffenen Fällen die an die Krankenkassen abgegebenen Meldungen rückwirkend korrigieren. Zu melden ist dann nur noch der beitragspflichtige Anteil der Pension ohne den privat finanzierten Anteil. Auf diese Verfahrensweise haben sich Kranken- und Pensionskassen verständigt.

Soweit die Pensionskasse die rückwirkende Beitragskorrektur und damit die Auszahlung der Beiträge nicht bis zum Jahr 2014 vornehmen kann, erstattet die Krankenkasse auf Antrag den restlichen Erstattungsbetrag. Eine Bescheinigung der Pensionskasse, aus der hervorgeht, für welche Zeiträume bereits eine Erstattung durch die Pensionskasse erfolgt ist, sollte dem Erstattungsantrag beigefügt werden. Damit wird eine doppelte Erstattung von Beiträgen verhindert.

  • Vollzeit-Bildungsmaßnahme:Wann wird die Bildungseinrichtung zur ersten Tätigkeitsstätte?

Wird eine Bildungseinrichtung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses im Rahmen einer Vollzeit-Bildungsmaßnahme besucht, ist diese als erste Tätigkeitsstätte anzusehen. Ob dies auch für eine 3-monatige Vollzeit-Bildungsmaßnahme gilt, wurde jetzt geklärt – allerdings steht eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu dieser Frage noch aus.

Hintergrund

Der Kläger machte die im Zusammenhang mit einer Vollzeit-Bildungsmaßnahme entstandenen Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen als Reisekosten geltend. Bei der Fortbildungsmaßnahme handelte es sich um einen auf 3 Monate angelegten Vollzeit-Fortbildungslehrgang außerhalb eines Arbeitsverhältnisses am Ort der Bildungseinrichtung. Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung der Aufwendungen als Reisekosten ab.

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage größtenteils ab, da es sich um eine vollzeitige Bildungsmaßnahme außerhalb eines Dienstverhältnisses handelte. Dass die Ausbildung lediglich 3 Monate dauerte, war nach Auffassung des Finanzgerichts nicht relevant. Denn die gesetzliche Vorschrift schließt auch Umschulungsmaßnahmen ein, die nur wenige Monate dauern.

Eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Arbeitsverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird, gilt von Gesetzes wegen als erste Tätigkeitsstätte. Die Geltendmachung von Reisekosten schied damit im vorliegenden Fall aus. Auf die Dauer der Bildungsmaßnahme kam es bisher nicht an.

Die Unterkunftskosten konnten nicht als Kosten einer doppelten Haushaltsführung anerkannt werden. Denn der Kläger hatte keinen ersten Hausstand am Mittelpunkt des Lebensinteresses. Er wohnte dort in den Räumlichkeiten der Mutter, die für den Zeitraum des Lehrgangs auf eine finanzielle Beteiligung des Sohnes verzichtete. Diese wäre aber eine Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines eigenen Hausstands.

  • Ist eineEntschädigung aufgrund einer missglückten Operation steuerpflichtigerArbeitslohn?

Erhält ein Erwerbsloser eine Entschädigung wegen einer missglückten Operation, stellt sich die Frage, ob diese steuerpflichtig ist oder nicht. Das hängt davon ab, ob damit steuerbare und steuerpflichtige Einnahmen ersetzt werden sollen.

Hintergrund

Der 1964 geborene A schied nach betriebsbedingter Kündigung zum Jahresende 2000 gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Betrieb aus. Seitdem war er arbeitslos gemeldet. Als Folge einer missglückten Operation im Jahr 2003 wurde er dauerhaft erwerbsunfähig. Seit Februar/März 2004 bezog er Arbeitslosengeld II.

Im Jahr 2009 zahlte der Haftpflichtversicherer des Schädigers dem A zum Ausgleich sämtlicher Schäden insgesamt 490.000 EUR. Davon waren 255.000 EUR Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden und 235.000 EUR für Verdienstausfall. Gleichzeitig sicherte A zu, keine Leistungen eines Sozialversicherungsträgers zu erhalten. Bereits vor 2009 geleistete Vorschüsse von 50.000 EUR sollten angerechnet werden. Die Versicherung bemaß den Erwerbsschaden des A für die Vergangenheit mit 60.000 EUR und für die Zukunft mit 175.000 EUR (Summe 235.000 EUR). Zur Ermittlung des Verdienstausfalls hatte A der Versicherung die Lohnabrechnungen eines gleich qualifizierten Arbeitskollegen zur Verfügung gestellt, der eine vergleichbare Tätigkeit ausübte. Nachdem A der Vereinbarung im Jahr 2009 zugestimmt hatte, leistete die Versicherung die Abschlusszahlung von 440.000 EUR (490.000 EUR ./. 50.000 EUR) ebenfalls im Jahr 2009.

Das Finanzamt wertete die Entschädigung für den Verdienstausfall als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und wendete darauf die Tarifermäßigung nach der Fünftel-Regelung an. Das Finanzgericht wies die Klage ab, da es für die steuerliche Erfassung unerheblich war, dass A zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand.

Entscheidung

Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit kommt eine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen nur für Zahlungen in Betracht, die den Erwerbs- und Fortkommensschaden ausgleichen sollen. Nur insoweit wird Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen geleistet. Beträge, mit denen Arzt- und Heilungskosten oder andere verletzungsbedingte Mehraufwendungen ersetzt werden oder die als Schmerzensgeld immaterielle Einbußen ausgleichen sollen, fallen nicht darunter. Bei den Einnahmen, deren Ausfall ersetzt werden soll, muss es sich um steuerbare und steuerpflichtige Einnahmen handeln, die unter eine bestimmte Einkunftsart fallen. Entscheidend für die steuerliche Erfassung ist daher, ob mit der Zahlung steuerbare und steuerpflichtige Einnahmen ersetzt werden sollen (sog. Verdienstausfall) oder ob der Wegfall des Anspruchs auf steuerfreie Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld I bzw. II ausgeglichen werden soll.

Bei der Auslegung einer Entschädigungsvereinbarung ist nicht die Bezeichnung der Entschädigungszahlung entscheidend, sondern der Zweck der Leistung.

Da sich aus dem Finanzgerichtsurteil nicht ergab, auf welcher Grundlage die Entschädigung errechnet wurde bzw. welchen Schaden die Versicherung ersetzen wollte, war es aufzuheben. Zwar hatte A auf die Lohnabrechnungen eines Berufskollegen verwiesen, ob die Versicherung diese Umstände aber tatsächlich berücksichtigt hat, wurde vom Finanzgericht nicht festgestellt. Der Bundesfinanzhof verwies den Fall daher zur weiteren Sachverhaltsfeststellung an das Finanzgericht zurück.

  • Selbstanzeige:Welche Ablaufhemmung gilt?

Beginnen die Ermittlungen der Steuerfahndung, bevor die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, und beruht die Steuerfestsetzung auf konkreten Ermittlungen der Steuerfahndung, stellt sich die Frage, welche Folgen eine Selbstanzeige des Steuerpflichtigen auf die Ablaufhemmung hat.

Hintergrund

Die Eheleute und Kläger gaben ihre Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1996 und 1997 im Jahr 1998 ab. Im Jahr 2008 gaben sie für die Jahre 1996, 1997 und für die Jahre 2000 bis 2006 Selbstanzeigen ab. In diesen erklärten sie Kapitalerträge aus Liechtenstein nach. Durch eine sog. Steuer-CD hatte das Finanzamt schon im Jahr 2007 Hinweise auf das Depot der Eheleute in Liechtenstein erhalten. Die Prüferin der Steuerfahndung wertete die übermittelten Unterlagen und die Steuerakten im Jahr 2007 aus. Das Vorermittlungsergebnis für 1996 bis 2006 hielt sie in einem Verdachtsprüfungsvermerk vom September 2007 fest. Im Januar 2008 leitete die Steuerfahndung ein Steuerstrafverfahren wegen unrichtiger Erklärungen für die Jahre 2002 bis 2006 ein. Nachdem im April 2008 ein Prüfungsauftrag der Steuerfahndung für den Zeitraum 1996 bis 2006 ergangen war, forderte die Prüferin von den Eheleuten Unterlagen zu den liechtensteinischen Anlagen an.

Im Juni 2010 erließ das Finanzamt Änderungsbescheide für 1996 und 1997 wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen. Die Eheleute machten Festsetzungsverjährung geltend, da aufgrund der Abgabe der Steuererklärungen im Jahr 1998 die bei Steuerhinterziehung geltende reguläre 10-jährige Verjährungsfrist zum Jahresende 2008 abgelaufen war. Auch die Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Selbstanzeigen um 1 Jahr nach Eingang der Anzeige im Mai 2008 war ihrer Meinung nach im Mai 2009 abgelaufen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied, dass eine Nacherklärung von Besteuerungsgrundlagen eine auf Ermittlungen der Steuerfahndung beruhende Ablaufhemmung hinsichtlich derselben Besteuerungsgrundlagen nicht ausschloss. Das Finanzamt musste damit nach der Abgabe der Nacherklärung nicht abwarten, ob die Kläger zu den hinterzogenen Einkünften bis zum Ablauf der 1-jährigen Hemmungsfrist ausreichende Angaben machten. Vielmehr konnte das Finanzamt vor Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist eigene Ermittlungen anstellen, um selbst eine Hemmung herbeizuführen. Diese Ablaufhemmung endet erst, wenn aufgrund der Prüfung Steuerbescheide ergehen und diese unanfechtbar werden. Voraussetzung für den Eintritt der Hemmung ist jedoch, dass die Steuerfestsetzung auf den Ermittlungen der Steuerfahndung beruht.

Die Ablaufhemmung war deshalb für die Jahre 1996 und 1997 nur eingetreten, wenn die Steuerfahndung noch im Jahr 2008 Ermittlungshandlungen vorgenommen hatte, die der Überprüfung der nacherklärten Besteuerungsgrundlagen dieser Jahre dienten. Ob diese Voraussetzung vorlag, ließ sich aus Sicht des Bundesfinanzhofs jedoch nicht klären. Der Geschehensablauf sprach eher dafür, dass die Prüferin der Steuerfahndung erst im Februar 2009 und somit nach Fristablauf eine detaillierte Ermittlungshandlung hinsichtlich der Jahre 1996 und 1997 vornahm. Auf die Aktenauswertung und den Verdachtsprüfungsvermerk vom September 2007 konnte nicht abgestellt werden. Denn insoweit handelte es sich lediglich um Vorbereitungshandlungen für eine durchzuführende Prüfung. Die begonnene Fahndungsprüfung wurde nach Beendigung der Vorbereitungshandlungen zunächst wieder unterbrochen.

Das Finanzgericht muss feststellen, ob vor Jahresende 2008 detailliert Unterlagen zur Prüfung der nacherklärten Erträge für die Jahre 1996 und 1997 angefordert wurden und ob die späteren Steuerfestsetzungen auf dieser Unterlagenanforderung beruhten.

  • Forschungsstipendium:Zahlungen unterliegen als sonstige Einkünfte der Steuerpflicht

Wer aus einem Forschungsstipendium über einen Zeitraum von 2 Jahren monatliche Zahlungen erhält, muss diese als wiederkehrende Bezüge versteuern. Nach Ansicht des Finanzgerichts Düsseldorf ist dafür kein Leistungsaustausch erforderlich.

Hintergrund

Eine Postdoktorandin erhielt für eine Tätigkeit an einem ausländischen Forschungsinstitut ein monatliches Stipendium in Höhe von 2.100 EUR von einer Nicht-EU-Förderorganisation. Das Stipendium wurde über einen Zeitraum von 2 Jahren gewährt. Das Finanzamt war der Ansicht, dass es sich bei den Zahlungen um sonstige Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen handelte und setzte dementsprechend Einkommensteuer fest. Dagegen wehrte sich die Postdoktorandin mit ihrer Klage. Denn aus ihrer Sicht lagen keine steuerbaren Einkünfte vor, da sie für den Erhalt des Stipendiums keine konkrete Gegenleistung erbringen musste.

Entscheidung

Die Klage hatte vor dem Finanzgericht keinen Erfolg. Das Gericht entschied, dass die Zahlungen sonstige Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen darstellten. Die Begründung: Eine Einordnung als sonstige Einkünfte setzt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Wiederholung der Bezüge aufgrund eines einheitlichen Entschlusses oder Rechtsgrunds und mit einer gewissen Regelmäßigkeit voraus. Diese Voraussetzungen waren vorliegend nach Ansicht des Finanzgerichts erfüllt. Denn das Stipendium beruhte auf einem Vertrag und wurde über einen Zeitraum von 2 Jahren in Monatsraten ausgezahlt. Darüber hinaus war durch die Auszahlung des Stipendiums die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin erhöht.

Die Steuerbarkeit von wiederkehrenden Bezügen setzt nicht voraus, dass eine konkrete Gegenleistung zu erbringen ist. Das Erfordernis eines Leistungsaustauschs ergibt sich weder aus der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung noch aus der entsprechenden höchstrichterlichen Rechtsprechung.

  • Stromleitungüber dem eigenen Grund und Boden: Entschädigung für Überspannung ist nichtsteuerbar

Wer für eine Stromleitung, die das eigene Privatgrundstück überspannt, eine einmalige Entschädigung bekommt, kann sich über ein Urteil des Bundesfinanzhofs freuen. Dieser hat nämlich entschieden, dass die Entschädigungszahlung nicht versteuert werden muss.

Hintergrund

Der Ehemann E ist Eigentümer eines bebauten und von den Ehegatten bewohnten Grundstücks. Mit der Netzbetreiber-GmbH schloss E eine Vereinbarung, wonach die GmbH das Grundstück für den Bau, den Betrieb und die Unterhaltung elektrischer Leitungen zeitlich unbegrenzt in Anspruch nehmen durfte. E verpflichtete sich zu Eintragung einer entsprechenden Dienstbarkeit und erhielt von der GmbH eine einmalige Entschädigung von 18.000 EUR.

Das Finanzamt wertete die Zahlung als Einkünfte aus sonstigen Leistungen. Das Finanzgericht wies die dagegen erhobene Klage ab, verneinte zwar das Vorliegen von Einkünften aus sonstigen Leistungen, bejahte aber Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Denn die Gegenleistung des E bestand ausschließlich darin, der GmbH einen Teil des Luftraums über seinem Grundstück für den Betrieb der Leitung zur Nutzung zu überlassen und der Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit zuzustimmen. Damit lag der Vereinbarung eine Nutzungsüberlassung gegen Entgelt zugrunde.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied dagegen zugunsten des Klägers, dass weder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung noch aus sonstigen Leistungen vorlagen.

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung werden erzielt, wenn einem anderen zeitlich begrenzt unbewegliches Vermögen oder Rechte, die den Vorschriften über Grundstücke unterliegen, gegen Entgelt zum Gebrauch oder zur Nutzung überlassen werden. Daher kann grundsätzlich das Entgelt für die zeitlich begrenzte Belastung eines Grundstücks mit einer Dienstbarkeit als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu beurteilen sein. Denn die Belastung mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zur Nutzung eines Grundstücks hat keinen endgültigen Rechtsverlust (Eigentumsverlust) zur Folge. Die Grenze vom Nutzungsbereich zum Vermögensbereich ist jedoch überschritten, wenn die tatsächliche Durchführung der durch die Dienstbarkeit gesicherten Vereinbarungen dazu führen, dass der Besteller zwar bürgerlich-rechtlich Eigentümer des belasteten Grundstücks bleibt, er aber seine Herrschaftsgewalt wirtschaftlich in vollem Umfang auf Dauer verliert, d. h. auch eine Rückübertragung praktisch unmöglich wird.

Im vorliegenden Fall fehlte es an einer zeitlich begrenzten Nutzungsüberlassung. Die der GmbH eingeräumten Befugnisse sind weder schuldrechtlich noch dinglich auf eine bestimmte oder absehbare Dauer beschränkt. E wurde nicht das Recht eingeräumt, unter bestimmten Voraussetzungen die Rückübertragung der der GmbH eingeräumten Rechte zu verlangen. Lediglich für die GmbH bestand ein einseitiges Rücktrittsrecht. E ist somit endgültig in seinen Eigentümerbefugnissen beschränkt.

Dass E sich dazu bereit erklärt hatte, eine entsprechende Beschränkung seines Eigentums gegen Entschädigung hinzunehmen, stellte auch keine sonstige Leistung dar.

  1. Ehe füralle: Kann die Zusammenveranlagung rückwirkend beantragt werden?

Das Eheöffnungsgesetz machte die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare möglich. Ein Paar wandelte daraufhin nicht nur die im Jahr 2001 begründete Lebenspartnerschaft in eine Ehe um, sondern beantragte gleichzeitig rückwirkend zum Jahr 2001 die Zusammenveranlagung – und das tatsächlich mit Erfolg.

Hintergrund

Die Steuerpflichtigen begründeten nach Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes am 1.8.2001 eine Lebenspartnerschaft. Nach Inkrafttreten des Eheöffnungsgesetzes im November 2017 wandelten sie diese in eine Ehe um. Nach der gesetzlichen Regelung ist der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft nach der Umwandlung in eine Ehe für die Rechte und Pflichten der Partner maßgeblich. Darauf nahmen die Eheleute Bezug und beantragten ab Beginn der Lebenspartnerschaft in 2001 die Durchführung der Zusammenveranlagung. Das Finanzamt lehnte dies ab.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab den Steuerpflichtigen recht. Zur Begründung führten die Richter aus: Das Eheöffnungsgesetz bestimmt, dass nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe für die Rechte und Pflichten der Lebenspartner der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft maßgebend ist. Deshalb müssen nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe die Partner so gestellt werden, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geheiratet hätten.

Das Eheöffnungsgesetz ist ein außersteuerliches Gesetz und führt damit zu einem rückwirkenden Ereignis, das eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide ab 2001 ermöglicht. Diese Rückwirkung ergibt sich nach Ansicht des Finanzgerichts unmittelbar aus Art. 3 Abs. 2 Eheöffnungsgesetz.

  1. Kranken- undPflegeversicherungsbeiträge des Kindes: Was die Eltern geltend machen dürfen

Eltern dürfen die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ihres Kindes steuerlich als eigene Beiträge geltend machen. Das gilt nicht nur, wenn sie die Beiträge selbst tragen, sondern auch für die vom Arbeitgeber des Kindes einbehaltenen Beiträge. Voraussetzung ist jedoch, dass die Eltern diese Beiträge dem Kind erstatten.

Hintergrund

Der 1991 geborene Sohn S der Kläger befand sich von Januar bis Mai 2010 in Berufsausbildung, wohnte aber noch bei seinen Eltern. Im Rahmen seines Ausbildungsdienstverhältnisses behielt der Arbeitgeber des S Krankenversicherungsbeiträge und Pflegeversicherungsbeiträge von der Ausbildungsvergütung ein, zusammen 291 EUR.

Die Kläger verlangten die Berücksichtigung der Versicherungsbeiträge des S im Rahmen ihrer Einkommensteuer-Veranlagung als eigene Beiträge. Das Finanzamt und auch das Finanzgericht lehnten dies ab. Denn nicht die Kläger hatten diese Beiträge tatsächlich getragen, sondern S selbst aufgrund der Einbehaltung durch den Arbeitgeber.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision der Kläger zurück.

Ist das Kind selbst kranken- und pflegeversichert, können bei einer entsprechenden Unterhaltspflicht die von den Eltern getragenen Beiträge eines Kindes als eigene Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung behandelt werden. Die Beiträge müssen jedoch tatsächlich angefallen und von der Unterhaltspflicht erfasst sein. Die Erstattung der Versicherungsbeiträge eines Kindes, die der Arbeitgeber einbehalten hat, kann Teil der Unterhaltsverpflichtung der Eltern sein und damit bei diesen als Sonderausgeben berücksichtigt werden.

Im vorliegenden Fall hatten die Kläger aber nur Naturalunterhalt geleistet, indem S kostenfrei bei ihnen wohnen durfte. Damit haben sie die Versicherungsbeiträge dem S nicht erstattet. Und dementsprechend haben sie die Beiträge nicht selbst getragen. Ein Abzug der Versicherungsbeiträge des S als Sonderausgaben war demnach nicht möglich.

Die Beiträge des Kindes werden nur dann von den Eltern getragen, wenn sie von diesen für das Kind im Veranlagungszeitraum tatsächlich gezahlt oder dem Kind erstattet wurden. Die Leistung von Naturalunterhalt genügt jedenfalls nicht. Denn Sonderausgaben setzen einen tatsächlichen Abfluss, also eine Zahlung voraus.

  1. Kündigungwegen Eigenbedarf: Nur gelegentliche Nutzung genügt

Auch wenn der Vermieter die Wohnung nur für wenige Wochen im Jahr für sich und seine Familie nutzen will, darf er eine vermietete Wohnung wegen Eigenbedarf kündigen.

Hintergrund

Im August 2014 erklärte der Vermieter einer 5-Zimmer-Wohnung in Wiesbaden die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs. Der Vermieter lebt in Finnland, ebenso seine 3 Kinder, die ihrerseits insgesamt 6 Kinder haben. 2 der Wohnungen in dem Haus nutzen der Vermieter und seine Kinder für gelegentliche Aufenthalte in Wiesbaden. 2-mal jährlich finden dort für jeweils 1 bis 2 Wochen Familientreffen statt. Als Grund für die Kündigung gab der Vermieter an, dass er eine weitere Wohnung in dem Haus für die Familien seiner Kinder benötigte, um deren Aufenthalte in Wiesbaden sicherzustellen.

Die bisher genutzte Dachgeschosswohnung war jetzt schon zu klein und weitere Enkelkinder waren geplant.

Der Vermieter war der Ansicht, dass ein zulässiger Eigenbedarf vorlag. Dieser war nach der individuellen Lebensgestaltung des Vermieters und seiner Familie auch nicht überhöht.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof entschied, dass der geltend gemachte Eigenbedarf begründet und die Kündigung damit wirksam war.

Da es sich bei Kindern und Enkeln des Vermieters um Familienangehörige im Sinne der gesetzlichen Regelung zur Eigenbedarfskündigung handelte, konnte der Vermieter die Eigenbedarfskündigung auf die beabsichtigte Nutzung der Wohnung durch diese Personen stützen.

Die vom Vermieter beabsichtigte Nutzung der Wohnung als Zweit- und Ferienwohnung stellt darüber hinaus einen zulässigen Eigenbedarf dar. Der Eigenbedarf setzt nicht voraus, dass der Vermieter oder eine sonstige Bedarfsperson in der Wohnung seinen Lebensmittelpunkt begründen will. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Wunsch nach Eigennutzung von vernünftigen, nachvollziehbaren Gründen getragen wird und nicht rechtsmissbräuchlich ist. Dies war vorliegend der Fall. Insbesondere war der geltend gemachte Wohnbedarf nicht weit überhöht.

  1. Wohnungseigentum:Ja oder Nein muss bei einer Beschlussfassung eindeutig sein

Ein Beschluss einer Wohnungseigentumsgemeinschaft kann nicht unter der Bedingung zustande kommen, dass innerhalb einer bestimmten Frist kein Widerspruch eingeht.

Hintergrund

Ein Eigentümer plante, mehrere Dachgauben seiner Wohnung umzubauen. Der Verwalter informierte daraufhin die übrigen Eigentümer über die geplanten Änderungen und übersandte ihnen eine Vorlage für einen Zustimmungsbeschluss. Für die Stimmabgabe zu dem Umlaufbeschluss setzte er eine Frist. Während ein Eigentümer den Beschlussantrag innerhalb dieser Frist ablehnte, stimmten die übrigen Eigentümer zu. Der Eigentümer, der den Antrag erst abgelehnt hatte, stimmte nach Ablauf der Frist doch noch zu. Der Verwalter teilte den Eigentümern im Anschluss mit, dass er den Beschluss als angenommen werten wird, wenn bis zum Ablauf einer weiteren Frist kein Eigentümer widerspricht. Da kein Widerspruch erhoben wurde, führte der Eigentümer den Umbau durch.

Nach Abschluss des Umbaus verlangen die Eigentümer einer Wohnung, dass die Baumaßnahme rückgängig gemacht wird.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof entschied zugunsten des bauenden Eigentümers. Ein Rückbau konnte von ihm nicht verlangt werden.

Zunächst stellten die Richter fest, dass der Zustimmungsbeschluss nicht wirksam zustande gekommen war. Dem Umlaufbeschluss hatten zunächst nicht alle Wohnungseigentümer zugestimmt. Ob die geänderte Abstimmung zulässig war, konnte jedoch offenbleiben. Denn es fehlte an einer wirksamen Verkündung eines auf dieser Grundlage gefassten Beschlusses. Ein Umlaufbeschluss kommt nämlich erst mit der Feststellung und einer an alle Wohnungseigentümer gerichteten Mitteilung des Beschlussergebnisses zustande.

Es reichte nicht aus, dass der Verwalter ankündigte, den Beschluss als angenommen zu werten, wenn kein Eigentümer widerspricht. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist eine verbindliche Feststellung erforderlich, was eine Feststellung unter einer Bedingung ausschließt. Steht eine Beschlussfeststellung unter der Bedingung, dass kein Eigentümer innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht, ist kein Beschluss zustande gekommen.

Obwohl ein Zustimmungsbeschluss nicht zustande gekommen war, war ein Rückbau nicht erforderlich. Bei der durchgeführten Maßnahme handelte es sich um eine bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum, die nur mit Zustimmung aller Eigentümer zulässig ist, die durch die Maßnahme beeinträchtigt werden. Es verstößt jedoch gegen Treu und Glauben, wenn Eigentümer die Rückgängigmachung einer Maßnahme verlangen, der sie und alle anderen Eigentümer zugestimmt hatten.

Dies war hier der Fall. Es lag die Zustimmung sämtlicher Eigentümer zu der Baumaßnahme vor. Damit wurde ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Dieses Vertrauen ist schutzwürdig, denn es musste sich nicht aufdrängen, dass der vom Verwalter initiierte Beschluss nicht zustande gekommen war. Demgegenüber sind für die Eigentümer, die nun den Rückbau verlangen, keine Gründe ersichtlich, die ihr Verlangen trotz der mit einem Rückbau verbundenen erheblichen Nachteile für die Eigentümer, die den Umbau vorgenommen haben, rechtfertigen könnten.

  1. Bruchteilseigentümerstört Hausfrieden: Wohnungseigentum kann insgesamt entzogen werden

Auch wenn nur ein Miteigentümer den Hausfrieden nachhaltig stört, kann das Wohnungseigentum insgesamt entzogen werden. Die Entziehung kann nur abgewendet werden, wenn der nicht störende Miteigentümer strenge Anforderungen erfüllt.

Hintergrund

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft beschimpfte ein Eigentümer wiederholt massiv andere Eigentümer, auch kam es zu Körperverletzungen. Er ist zur Hälfte Miteigentümer einer Wohnung. Die andere Hälfte steht im Eigentum seiner Ehefrau, die sich selbst keine Störungen zuschulden kommen ließ.

Nach erfolglosen Abmahnungen beschloss die Eigentümerversammlung, dass gegen beide Miteigentümer der Wohnung ein gerichtliches Eigentumsentziehungsverfahren eingeleitet wird und sie aufgefordert werden, ihr Wohnungseigentum zu verkaufen.

Das Amtsgericht verurteilte beide Miteigentümer der Wohnung zur Veräußerung ihres Wohnungseigentums. Bezüglich des störenden Miteigentümers war das Urteil bereits rechtskräftig.

Entscheidung

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs war die Ehefrau des störenden Eigentümers zur Veräußerung ihres Miteigentumsanteils verpflichtet. Denn auch Wohnungseigentum in Bruchteilseigentum kann insgesamt entzogen werden, wenn auch nur einer der Miteigentümer einen Entziehungstatbestand verwirklicht. Der nicht störende Miteigentümer kann die Entziehung dadurch abwenden, dass er den Miteigentumsanteil des störenden Miteigentümers selbst erwirbt und den störenden Miteigentümer dauerhaft und einschränkungslos aus der Wohnanlage entfernt. Außerdem muss der der Eigentümergemeinschaft alle Kosten ersetzen, die dieser durch die Führung des Entziehungsprozesses und die Durchführung eines Zwangsversteigerungsverfahrens zur Durchsetzung des Entziehungsanspruchs entstanden sind.

Dem schützenswerten Interesse des nicht störenden Miteigentümers am Erhalt seines Miteigentumsanteils kann dadurch Rechnung getragen werden, dass ihm die Befugnis eingeräumt wird, die Wirkung des auch gegen ihn ergehenden Entziehungsurteils abzuwenden. Hierfür muss er den Grund für die Entziehung vollständig beseitigen, indem er den Miteigentumsanteil des Störers erwirbt und den Störer dauerhaft aus der Anlage entfernt. Dies erfordert ein uneingeschränktes Hausverbot gegen den Störer sowie die Gewähr, dass dieses durchgesetzt wird. Ferner muss er der Gemeinschaft alle Kosten ersetzen, die durch den Entziehungsprozess und ein anschließendes Zwangsversteigerungsverfahren entstanden sind. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben.

  1. Auch schwererreichbare Fenster müssen vom Mieter geputzt werden

Der Vermieter ist nicht für die Reinigung von Fenstern zuständig. Das ist Sache des Mieters – und zwar auch dann, wenn Fenster sich nicht öffnen lassen und schwer zugänglich sind. Kann der Mieter diese Fenster nicht selbst putzen, muss er eine Fachfirma damit beauftragen.

Hintergrund

Die gemietete Wohnung befindet sich im ersten Obergeschoss und verfügt über eine großflächige Fensterfront. Vor mehreren Räumen befinden sich Fenstersegmente. In deren Mitte lässt sich jeweils ein Fenster öffnen, während der übrige Teil des jeweiligen Glassegments nicht zu öffnen ist.

Die Vermieterin ließ die Fensterfassade 2-mal jährlich auf eigene Kosten reinigen. Die Mieter verlangten eine mindestens vierteljährliche Reinigung, da die Fenster schnell verschmutzten. Dadurch wurde der Blick nach außen beeinträchtigt und der Wohnwert gemindert. Eine Reinigung war für die Mieter selbst mit großen Schwierigkeiten verbunden.

Entscheidung

Die Klage der Mieter hatte keinen Erfolg. Das Gericht entschied, dass die Mieter keinen Anspruch auf eine Reinigung der Fenster durch die Vermieterin haben.

Die Reinigung der Flächen der Mietwohnung ist grundsätzlich Sache der Mieter. Das gilt auch für die Außenflächen der Wohnungsfenster, selbst wenn sich diese nicht öffnen lassen. Es sei denn, die Mietvertragsparteien haben keine abweichende Vereinbarung getroffen, was vorliegend nicht der Fall war.

Der Vermieter schuldet einem Mieter keine Erhaltung der Mietsache in einem jeweils gereinigten Zustand. Dementsprechend sind bloße Reinigungsmaßnahmen nicht von der Instandhaltungs- oder Instandsetzungspflicht des Vermieters erfasst.