1.
Skiunfall
bei Tagung: Liegt ein Arbeitsunfall vor?
Bei einer Tagung sollten die Teilnehmer
darauf achten, was sie in den freien Zeiten unternehmen. Denn ein Unfall
während der Freizeit ist kein Arbeitsunfall.
Hintergrund
Ein Mann stürzte im Rahmen einer Führungskräftetagung
beim Skifahren und verletzte sich dabei an der Schulter. Der Mann, der die
zentrale Kundenbearbeitung einer europaweit agierenden Firma leitet, beantragte
daraufhin die Anerkennung als Arbeitsunfall.
Die Berufsgenossenschaft lehnte dies ab. Der Unfall
habe sich auf der Tagung während der Freizeitaktivitäten ergeben. Diese seien
als unversicherte private Tätigkeiten einzustufen.
Entscheidung
Vor Gericht hatte der Kläger keinen Erfolg. Nach
Ansicht der Richter stand das Skifahren in keinem inneren oder sachlichen
Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit des verunglückten Angestellten.
Vielmehr habe dies im Rahmen des vom Tagesordnungsprogramm abgegrenzten
Freizeitbereichs stattgefunden. Die Teilnahme hieran sei nicht verbindlich
gewesen. Der maßgebliche Vormittag habe zur freien Verfügung gestanden.
Dementsprechend seien auch nicht alle Tagungsteilnehmer Ski gefahren.
Urlaubs- und Freizeitaktivitäten wie auch sportliche
Betätigungen stünden, auch wenn das Unternehmen sie finanziere, nicht unter dem
gesetzlichen Versicherungsschutz. Denn der Arbeitgeber könne nicht darüber
bestimmen, welche Verrichtungen in dem erforderlichen sachlichen Zusammenhang
mit der versicherten Tätigkeit stünden. Daher komme es auch nicht darauf an, ob
der Arbeitgeber den Skipass bezahle oder für die Tagungsteilnahme Urlaubstage
angerechnet würden.
2. Urlaubsanspruch
bei kurzer Unterbrechung der Beschäftigung
Die Berechnung des Urlaubs nach
kurzfristigen Unterbrechungen der Beschäftigung ist sehr umstritten. Das Bundesarbeitsgericht
hat mit einer neuen Entscheidung für etwas Klarheit gesorgt: Absehbar kurze
Unterbrechungen zwischen 2 Beschäftigungsverhältnissen beim selben Arbeitgeber
lösen keine neue Wartezeit aus.
Hintergrund
Ein Arbeitnehmer war zunächst vom 1.1.2009 bis zum
30.6.2009 und dann aufgrund einer am 21.6.2009 vereinbarten neuen Beschäftigung
wieder ab dem 2.7. zum 12.10. beim Arbeitgeber beschäftigt.
Der Arbeitgeber war der Auffassung, dass mit Beginn
des neuen Arbeitsverhältnisses ein vom vorherigen Arbeitsverhältnis
unabhängiger neuer urlaubsrechtlicher Zeitraum begonnen habe. Der Arbeitnehmer
habe deshalb für beide Arbeitsverhältnisse nur Teilurlaubsansprüche erworben.
Das Arbeitsgericht hatte der Klage des Arbeitnehmers
stattgegeben, das Landesarbeitsgericht wies die dagegen gerichtete Berufung des
Arbeitgebers zurück.
Entscheidung
Die Revision des Arbeitgebers beim
Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg.
Die wesentliche Aussage des Gerichts: Wird bereits vor
Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ein zweiter Arbeitsvertrag abgeschlossen,
der die Fortsetzung der Beschäftigung nach kurzer Unterbrechung vorsieht, so
ist diese Unterbrechung für die Entstehung des Urlaubsanspruchs unschädlich.
Sobald ein Arbeitnehmer die Wartezeit von 6 Monaten
einmal in einem bestehenden Arbeitsverhältnis zurückgelegt hat, entsteht der
volle Urlaubsanspruch. Dabei muss die Wartezeit in einem zusammenhängenden
Arbeitsverhältnis, in dem ein gesetzlicher Urlaubsanspruch besteht, nur einmal
erfüllt werden. Für Zeiten, in denen der Arbeitnehmer nicht beim Arbeitgeber
beschäftigt war, das Anstellungsverhältnis also unterbrochen war, gilt
grundsätzlich, dass mit dem neuen Arbeitsverhältnis auch wieder eine neue
Wartezeit entsteht, die dann noch einmal vollständig zurückgelegt werden muss.
Ob auch kurzfristige Unterbrechungen eine neue
Wartezeit erfordern, war bislang stark umstritten. Der Gesetzeswortlaut lässt
beide Auslegungen zu. Jedenfalls in den Fällen, in denen aufgrund vereinbarter
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bereits vor Beendigung des ersten
Arbeitsverhältnisses feststeht, dass es nur für eine kurze Zeit unterbrochen
wird, entsteht ein Anspruch auf ungekürzten Vollurlaub, wenn das zweite
Arbeitsverhältnis nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Hälfte des
Kalenderjahres endet.
3.
Steuerbescheid:
Ist eine schlichte Änderung nach einem Einspruchsverfahren möglich?
Wurde über eine Frage bereits in einem
Einspruchsverfahren entschieden, ist diesbezüglich eine schlichte Änderung
nicht mehr möglich.
Hintergrund
Klägerin war eine aus 2 Gesellschaftern bestehende
Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Diese erzielte 2003 Einkünfte aus Vermietung
und Verpachtung. Nachdem die Steuerfahndung ermittelt hatte, wurde der
ursprüngliche Feststellungsbescheid über diese Einkünfte geändert. Gegen diesen
geänderten Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Mit
Einspruchsentscheidung vom März 2012 stellte das Finanzamt die Einkünfte erneut
fest. Im April 2012 stellte der steuerliche Berater der Klägerin einen Antrag
auf eine Änderung des Feststellungsbescheids in der Form der Einspruchsentscheidung.
Seine Begründung: Das Finanzamt habe bei der Feststellung der Einkünfte eine zu
hohe ortsübliche Miete angesetzt. Das Finanzamt lehnte die Änderung auch im
Einspruchsverfahren ab. Es sei keine Änderungsbestimmung einschlägig.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Denn auch nach
Auffassung des Finanzgerichts kam eine Änderung des Feststellungsbescheids
nicht in Betracht. Im Einspruchsverfahren sei bereits eine grundsätzlich
abschließende Prüfung der Tat- und Rechtsfragen erfolgt. Deshalb komme nach
einem Einspruchsverfahren im Regelfall keine schlichte Änderung in Betracht.
Auch die Frage der zutreffenden Höhe der ortsüblichen Miete sei bereits
Gegenstand des Einspruchsverfahrens gewesen. Eine andere Änderungsnorm sei
nicht ersichtlich.
4. Auslandsstudium:
Unter welchen Voraussetzungen es Kindergeld gibt
Voraussetzung für den Anspruch auf
Kindergeld ist, dass das Kind im Inland einen Wohnsitz hat. Während einer
mehrjährigen Berufsausbildung im Ausland behält ein Kind seinen inländischen
Wohnsitz in der Wohnung der Eltern nur dann bei, wenn es diese Wohnung
zumindest überwiegend in den ausbildungsfreien Zeiten nutzt.
Hintergrund
Der Vater V ist deutscher Staatsangehöriger mit
chinesischer Herkunft. Sein Sohn S absolvierte von September 2012 bis Juli 2013
einen Sprachkurs in China. Danach entschied er sich für ein im September 2013
beginnendes und voraussichtlich bis Juli 2017 dauerndes Studium in China.
Während des Studiums wohnte S in einem Studentenwohnheim. S hielt sich vom
15.7. bis 30.8.2013 und vom 10.7.2014 bis 28.8.2014 im Inland auf. Ein weiterer
Flug nach Deutschland war für den 11.1.2015 geplant. Während der
Inlandsaufenthalte war S in der elterlichen Wohnung in seinem Kinderzimmer
untergebracht.
Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung ab
September 2013 auf. Ihre Begründung: Die nur kurzzeitigen Besuche im Inland
reichten nicht aus, um den Inlandswohnsitz beizubehalten. Das Finanzgericht gab
dagegen der Klage statt.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof zeigte sich in seiner Entscheidung
ebenfalls großzügiger als die Familienkasse. Bei voraussichtlicher Rückkehr
innerhalb eines Jahres liegt regelmäßig keine Aufgabe des Wohnsitzes vor. Damit
war der vor dem Studium durchgeführte 10-monatige Sprachkurs unproblematisch.
Das auf mehrere Jahre angelegte Studium führt auch
nicht dazu, dass der Inlandswohnsitz von S aufgegeben wurde. Bei der
Gesamtwürdigung ist auf die Dauer der ausbildungsfreien Zeiten und die Dauer
und Häufigkeit der Inlandsaufenthalte abzustellen. Das Kind muss die
ausbildungsfreien Zeiten im Regelfall zumindest überwiegend im Inland verbringen.
Nicht erforderlich ist, dass die ausbildungsfreie Zeit „weit überwiegend“
im Inland verbracht wird.
Hiervon ausgehend, hat S seinen Inlandswohnsitz
beibehalten. Denn er war zu mehr als 50 % und damit den überwiegenden Teil der
ausbildungsfreien Zeit im Inland. Für das Innehaben einer Wohnung kommt es
allein auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Persönliche oder finanzielle
Beweggründe für unterlassene Heimreisen sind unerheblich. Nicht entscheidend
ist deshalb, ob eine große Entfernung und eine lange Reisedauer die Heimreise
verhindert haben. Ohne Belang ist auch, ob sich das Kind noch in der Anfangsphase
befindet oder das Studium bereits fortgeschritten ist.
Die Herkunft der Eltern dürfen nicht in die
Gesamtwürdigung einbezogen werden. Anders als die persönlichen Beziehungen sagt
die Herkunft als solche regelmäßig nichts darüber aus, ob das Kind einen neuen
Wohnsitz am Ausbildungsort begründet hat.
5. Bonuszahlungen
der Krankenkasse: Darf der Sonderausgabenabzug gekürzt werden?
Einige Krankenkassen belohnen ihre
Versicherten, wenn sie an bestimmten Vorsorgemaßnahmen teilnehmen (Bonusprogramm).
Steuerlich stellt sich die Frage, ob der Sonderausgabenabzug für Beiträge eines
Steuerpflichtigen zur Basis-Krankenversicherung um diese Bonuszahlungen gekürzt
werden darf.
Hintergrund
Werden Sonderausgaben in einem späteren
Veranlagungszeitraum an den Steuerpflichtigen erstattet, mindert der
Erstattungsbetrag grundsätzlich im Erstattungsjahr die abziehbaren
Krankenversicherungsbeiträge. Beitragsrückerstattungen in diesem Sinne sind
auch Bonuszahlungen. Zweck dieser Bonuszahlungen ist es, eine gesunde
Lebensweise und regelmäßige Gesundheitschecks zu fördern. Der Bonus kann eine
Geld- oder Sachprämie sein und wird z. B. gewährt, wenn der Versicherte z. B.
regelmäßig zum Arzt geht und dort einen Gesundheitscheck erfolgreich besteht.
Verwaltungsanweisung
Beim Bundesfinanzhof ist derzeit ein
Revisionsverfahren anhängig, in dem darüber zu entscheiden ist, ob der Sonderausgabenabzug
für Beiträge zur Basis-Krankenversicherung um Bonuszahlungen zu kürzen ist.
Für den Fall, dass Bonuszahlungen einer gesetzlichen
Krankenversicherung selbst getragene Aufwendungen bezuschussen und keine
Leistungen der Basisabsicherung, hat die Vorinstanz eine Kürzung des
Sonderausgabenabzugs verneint.
Die genaue Höhe der Bonuszahlung ist ggf. im Hinblick
auf die steuerliche Auswirkung vom Steuerpflichtigen nachzuweisen.
Einsprüche, die sich auf das entsprechende
Revisionsverfahren stützen, ruhen kraft Gesetzes.
6. Offenbare
Unrichtigkeit bei mechanischem Versehen?
Gibt der Sachbearbeiter beim Finanzamt
Daten aus einer eingereichten komprimierten Einkommensteuererklärung manuell
ein und werden dabei erklärte Einkünfte zwar abgehakt, aber nicht übernommen,
kann der Bescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit geändert werden.
Hintergrund
Die Kläger haben die Einkommensteuererklärung 2008
elektronisch an das Finanzamt übermittelt und die komprimierte Erklärung
nachgereicht. Dem Finanzamt standen jedoch keine elektronischen Daten zur
Verfügung.
Der Sachbearbeiter im Finanzamt hakte u. a. die
erklärten Vermietungseinkünfte in der komprimierten Steuererklärung ab,
übernahm diese aber nicht in das Computerprogramm. Infolgedessen blieben diese
Einkünfte im Einkommensteuerbescheid 2008 unberücksichtigt. Später berichtigte
das Finanzamt den Bescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit.
Entscheidung
Das Finanzgericht war der Ansicht, dass hier eine
offenbare Unrichtigkeit vorliegt, die korrigiert werden kann. Die erklärten
Vermietungseinkünfte sind bei der Bearbeitung des Steuerfalls „abgehakt“
worden. Dadurch hat der Sachbearbeiter bekundet, dass diese Daten maschinell zu
verarbeiten sind. Hätte er eine andere Auffassung vertreten, hätte dies
dokumentiert werden müssen. Für einen Dritten ist auch offenkundig, dass die
erklärten und kommentarlos „abgehakten“ Einkünfte nur aufgrund eines
mechanischen Versehens nicht in die Datenverarbeitung übernommen worden sind.
Die Kläger können sich nicht darauf berufen, dass der
Fehler bei der vom Bearbeiter nicht verwendeten Durchführung eines
Vorjahresvergleichs am Bildschirm durch Einblendung der Vorjahresdaten hätte
vermieden werden können. Eine Korrektur wäre vielmehr nur dann als
rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn sie aufgrund eklatanter Bearbeitungsmängel
einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen würde. Das ist hier aber nicht
der Fall.
7.
Feier aus
beruflichem und privatem Anlass: Anteiliger Werbungskostenabzug möglich
Lädt ein Arbeitnehmer zu einer Feier ein,
die sowohl einen beruflichen als auch einen privaten Anlass hat, sind die
entstandenen Kosten für den Werbungskostenabzug entsprechend aufzuteilen. Der
abziehbare Betrag kann anhand der Herkunft der Gäste aus dem beruflichen bzw.
privaten Umfeld abgegrenzt werden.
Hintergrund
S war bei einer Steuerberatungs-GmbH mit rund 300
Mitarbeitern angestellt. Im Januar legte er die mündliche Prüfung ab und wurde
am 19.2. zum Steuerberater bestellt. Am 17.4 hatte er seinen 30. Geburtstag.
Für den 8.5. lud er Kollegen, Verwandte und Bekannte zu einer Feier anlässlich
der bestandenen Prüfung und seines Geburtstags ein. Von den Gästen waren 46
Arbeitskollegen, 32 Verwandte und Bekannte, dazu kam noch ein 21-köpfiger
Posaunenchor.
Die Gesamtaufwendungen betrugen 3.413 EUR (pro Person
rund 35 EUR). Diese teilte S nach Köpfen auf. 46 Personen (Geschäftsleitung und
Berufskollegen) ordnete er dem beruflichen Bereich zu. Dementsprechend machte
er 1.586 EUR (46,47 % von 3.413 EUR) als Werbungskosten bei seinen Einkünften
aus nichtselbstständiger Arbeit geltend.
Sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht
lehnten einen Werbungskostenabzug ab, da die Feier sowohl beruflich als auch
privat veranlasst war.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof vertritt eine deutlich
großzügigere Auffassung. Wenn Aufwendungen auf beruflichen und privaten
Umständen beruhen und der erwerbsbezogene Teil nicht von untergeordneter Bedeutung
ist, ist der Abzug des beruflich veranlassten Kostenanteils zulässig.
Voraussetzung ist aber, dass sich dieser nach objektiven Maßstäben zutreffend
und leicht nachprüfbar abgrenzen lässt.
Für die Beurteilung der beruflichen oder privaten
Veranlassung ist in erster Linie auf den Anlass der Feier abzustellen. Jedoch
kann sich auch bei der Feier eines persönlichen Ereignisses aus den Umständen
ergeben, dass die Aufwendungen gleichwohl beruflich veranlasst sind.
Bei der Einladung befreundeter Arbeitskollegen sind
neben dem Anlass der Feier weitere Kriterien heranzuziehen, z. B. wer als
Gastgeber auftritt, wer die Gästeliste bestimmt, ob es sich um Kollegen,
Geschäftsfreunde und Mitarbeiter oder um private Bekannte handelt. Sind die
Aufwendungen gemischt veranlasst, weil Gäste aus dem beruflichen und aus dem
privaten Bereich teilgenommen haben, sind die Gesamtkosten anteilig nach Gästen
aufzuteilen.
Der Bundesfinanzhof betont, dass die Bestellung zum
Steuerberater, auch wenn sie ein persönliches Ereignis darstellt, in erster
Line beruflichen Charakter hat.
8. Sonderausgaben:
Kein Abzug fiktiver Kirchensteuern
Kirchenmitglieder dürfen die gezahlte
Kirchensteuer als Sonderausgaben geltend machen. Wer keiner Kirche angehört,
ist nicht zum Sonderausgabenabzug für fiktive Kirchensteuerbeträge berechtigt –
auch nicht aus Billigkeitsgründen.
Hintergrund
Der Kläger gehörte keiner Religionsgemeinschaft an.
Gegenüber Kirchenmitgliedern sah er sich benachteiligt, sodass er beantragte,
die Einkommensteuer aus Billigkeitsgründen niedriger festzusetzen, und zwar in
Höhe des für die Kirchensteuer möglichen Sonderausgabenabzugs von 9% der
veranlagten Einkommensteuer. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab.
Entscheidung
Das Finanzgericht schloss sich der Auffassung des
Finanzamts an und wies die Klage ab. Begründung: Dem Finanzamt sind bei der
Ablehnung des Billigkeitsantrags keine Ermessensfehler unterlaufen. Die
Besteuerung des Klägers ist nicht sachlich unbillig. Im Gegensatz zu
kirchenangehörigen Steuerpflichtigen hatte er weder Kirchensteuern noch vergleichbare
Zahlungen geleistet. Ein Sonderausgabenabzug setzt nach dem Gesetz allerdings
Aufwendungen voraus.
Unabhängig davon ist eine steuerliche Begünstigung von
Kirchenbeiträgen an anerkannte Religionsgemeinschaften sachlich gerechtfertigt,
zumal die Kirchen Zwecke verfolgten, die als förderungswürdig im steuerlichen
Sinne anzusehen sind. Selbst wenn ein solcher Sonderausgabenabzug sachlich
nicht gerechtfertigt und damit verfassungswidrig wäre: Der Kläger könnte eine
Gleichstellung nicht im Billigkeitswege durch Abzug fiktiver Kirchensteuern
erreichen.
9. Künstliche
Befruchtung: Kosten sind bei einer gleichgeschlechtlichen Beziehung nicht
absetzbar
Sind die Kosten einer künstlichen
Befruchtung steuerlich absetzbar? Einige Fälle hat der Bundesfinanzhof bereits
zugunsten betroffener Paare entschieden. Eine Frau in einer
gleichgeschlechtlichen Beziehung muss jetzt ebenfalls auf den Bundesfinanzhof
hoffen.
Hintergrund
Die Klägerin konnte aufgrund einer Unfruchtbarkeit
ohne medizinischen Eingriff nicht schwanger werden. Sie ließ daraufhin in Dänemark
eine In-vitro-Fertilisation unter Verwendung von Samenzellen eines Spenders
durchführen. Die entstandenen Kosten machte sie in ihrer
Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das
Finanzamt lehnte dies ab, u. a. weil die Klägerin mit einer anderen Frau in
einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebte.
Entscheidung
Das Finanzgericht war der gleichen Ansicht wie das
Finanzamt und wies deshalb die Klage ab. Die Unfruchtbarkeit der Klägerin
stellt zwar eine Krankheit dar, die grundsätzlich zu außergewöhnlichen
Belastungen führen kann. Anders als bei verschiedengeschlechtlichen Paaren sind
die Aufwendungen für die künstliche Befruchtung jedoch nicht zwangsläufig
entstanden. Denn die Kinderlosigkeit der Klägerin war nicht ausschließlich
Folge ihrer Unfruchtbarkeit, sondern es war auch aufgrund ihrer
gleichgeschlechtlichen Partnerschaft die Zeugung eines Kindes auf natürlichem
Wege ausgeschlossen. Bei einer solchen Kinderlosigkeit liegt keine Krankheit
vor.
Die Ungleichbehandlung der Klägerin im Verhältnis zu
verschiedengeschlechtlichen Paaren verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des
Grundgesetzes. Sie ist aufgrund der unterschiedlichen biologischen Ausgangslage
gerechtfertigt. Auch verpflichtet das Grundgesetz den Staat nicht, das
Entstehen von Familien durch Förderung der künstlichen Befruchtung zu
unterstützen.
10. Außergewöhnliche
Belastungen: Ist eine Verteilung auf mehrere Jahre doch möglich?
Wird ein Haus behindertengerecht umgebaut,
entstehen dabei immense Kosten. Eine Verteilung der Aufwendungen auf mehrere
Jahre kam bisher nicht in Betracht. Der Bundesfinanzhof hat jetzt Gelegenheit,
dies zu korrigieren.
Hintergrund
Im Jahr 2011 haben die Kläger ihr selbstgenutztes
Einfamilienhaus für insgesamt 165.981 EUR behindertengerecht umgebaut.
Sämtliche mit dem Umbau in Zusammenhang stehenden Rechnungen bezahlten die
Kläger im Jahr 2011. Das Finanzamt hat einen Betrag von 149.069 EUR als
außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Es lehnte jedoch eine Verteilung auf
mehrere Jahre ab. Wegen eines zu geringen Gesamtbetrags der Einkünfte wirkten
sich die Ausgaben für den Umbau steuerlich nicht in voller Höhe aus.
Die Kläger verlangen deshalb aus Billigkeitsgründen
ein Wahlrecht auf Verteilung der Aufwendungen.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet
zurück. Seine Begründung: Die begrenzte steuerliche Auswirkung im Jahr 2011 hat
ihren Grund darin, dass die außergewöhnlichen Belastungen den Gesamtbetrag der
Einkünfte um 24.563 EUR überstiegen. Die Härte, die sich aus der Entscheidung
des Gesetzgebers für die Einkommensteuer unter Anwendung der Abschnittsbesteuerung
und des Abflussprinzips ergebe, begründet keinen Widerspruch zu dem Zweck des
Gesetzes.
11. Wohnungseigentümerversammlung:
Eigentümer dürfen vorzeitig gehen
Verlässt ein Wohnungseigentümer vorzeitig
eine Eigentümerversammlung und führt er dadurch deren Beschlussunfähigkeit
herbei, darf er trotzdem die Beschlüsse anfechten und sich auf eine fehlende
Beschlussfähigkeit stützen.
Hintergrund
Ein Wohnungseigentümer war mit Vollmachten für 5
weitere Eigentümer ausgestattet. Auf einer Eigentümerversammlung war er
zunächst anwesend, nach Abhandlung einiger Tagesordnungspunkte hatte er sie
jedoch wieder verlassen. Hierdurch wurde die geforderte Mindestanzahl an
anwesenden und vertretenen Eigentümern unterschritten.
Der Eigentümer hatte mehrere Beschlüsse, die nach
seinem Verlassen der Versammlung gefasst wurden, angefochten. Unter anderem
beruft er sich darauf, dass die Eigentümerversammlung nicht mehr beschlussfähig
gewesen ist.
Die übrigen Eigentümer meinen, er könne sich nicht auf
die Beschlussunfähigkeit berufen, weil er diese selbst durch sein vorzeitiges
Verlassen der Eigentümerversammlung herbeigeführt habe.
Entscheidung
Die Klage des Wohnungseigentümers hatte Erfolg. Denn
nach Auffassung der Richter war die Eigentümerversammlung nicht mehr
beschlussfähig, nachdem der klagende Eigentümer diese verlassen hatte.
Der Kläger durfte sich auf die Beschlussunfähigkeit zu
berufen, obwohl er die Beschlussunfähigkeit selbst herbeigeführt hat. Das
Gericht sah dies nicht als rechtsmissbräuchlich an.
Es gibt beim Wohnungseigentum keine Treuepflicht zur
Teilnahme an Gesellschafterversammlungen, auch wenn anders keine wirksamen
Beschlüsse gefasst werden können. Die Wohnungseigentümer können nämlich in
einer Zweitversammlung unabhängig von einem Quorum wirksame Beschlüsse fassen.
Fehlt die Beschlussfähigkeit, wird widerleglich
vermutet, dass der formelle Fehler für die gefassten Beschlüsse kausal war.
Diese Vermutung konnte hier nicht widerlegt werden, sodass die angefochtenen
Beschlüsse vom Gericht für ungültig erklärt wurden.
12. Eigenbedarfskündigung:
Es muss feststehen, wer einziehen soll
Die Kündigung einer Wohnung wegen
Eigenbedarf sollte sorgfältig vorbereitet werden. Ganz wichtig: Die Person, für
die der Vermieter die Wohnung benötigt, muss genau bezeichnet werden. Ansonsten
ist die Kündigung unwirksam.
Hintergrund
Im Juli 2012 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis
ordentlich unter Berufung auf Eigenbedarf. Er gab in der Kündigung an, sein
Lebensgefährte solle in die Wohnung einziehen. Bei Ausspruch der Kündigung
hatte jedoch noch gar nicht festgestanden, ob der Lebensgefährte oder der
Vermieter selbst in die Wohnung einziehen sollte.
Entscheidung
Die Räumungsklage des Vermieters hatte keinen Erfolg,
denn die Eigenbedarfskündigung war unwirksam.
Zum Kündigungszeitpunkt stand zwar fest, dass entweder
der Vermieter selbst oder sein Lebensgefährte in die Wohnung einziehen sollten.
Doch im Kündigungsschreiben heißt es, die Wohnung werde für den Lebensgefährten
des Vermieters benötigt. Daran muss sich der Vermieter festhalten lassen. Für
eine wirksame Kündigung reicht dies nicht aus.
Ansonsten wäre es einem Mieter nicht möglich, sich
gegen eine Eigenbedarfskündigung zur Wehr zu setzen. Er müsste befürchten, dass
der Vermieter nachträglich z. B. andere Verwandte benennt, für die er die
Wohnung benötigt.
13.
Private
Krankenversicherung: Wann verschwiegene Vorerkrankungen nicht zum Verlust des
Versicherungsschutzes führen
Wer bei Abschluss einer privaten
Krankenversicherung Vorerkrankungen verschweigt, steht am Ende meist ohne
Versicherungsschutz da. Es sei denn, die Versicherung hat auf die
Anzeigepflicht nicht ordnungsgemäß hingewiesen.
Hintergrund
Im Antrag zur Krankenversicherung, der von einem
Versicherungsagenten ausgefüllt worden war, hatte die Klägerin bei den
Gesundheitsfragen der letzten 3 Jahre lediglich angegeben, wegen Erkältungen
bei ihrem Hausarzt in Behandlung gewesen zu sein. Für sich behalten hatte sie
die Diagnose einer sog. Fettleber und die Behandlung einer Kalkschulter.
Die Versicherung warf der Klägerin deshalb vor, sie
habe ihre Anzeigepflicht vorsätzlich verletzt. Bei Kenntnis der Erkrankungen
hätte die Versicherung den Versicherungsvertrag nicht abgeschlossen.
Die Versicherungsnehmerin dagegen argumentierte, dass
bei der Fettleber keine weitere Behandlung nötig war. Die Kalkschulter wurde
erst nach dem Versicherungsantrag diagnostiziert.
Entscheidung
Während die Vorinstanz noch der Versicherung Recht
gegeben hatte, kam das Oberlandesgericht zu einer anderen Einschätzung und gab
der Klägerin Recht. Begründung: Die Betroffene wurde nicht ordnungsgemäß auf
die Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen.
Eine wirksame Belehrung setzt voraus, dass sie in
unmittelbarer Nähe zu den gestellten Gesundheitsfragen erfolgt und
drucktechnisch so hervorgehoben wird, dass sie vom Versicherungsnehmer nicht
übersehen werden kann.
Diese Anforderungen hat die Versicherung hier nicht
erfüllt. Der erste Hinweis auf die vorvertragliche Anzeigepflicht befand sich
auf Seite 1 des Antrags und damit viel zu weit weg von den Gesundheitsfragen,
die auf Seite 4 aufgeführt waren.
Außerdem gab es in dem Antrag so viele Hervorhebungen,
dass ihre hervorhebende Wirkung praktisch obsolet wurde. Darüber hinaus nahm
der Versicherungsvertreter die Eintragungen zur Gesundheit vor, er hatte der
Frau den Antrag aber nicht komplett vorgelesen. Deshalb kann nicht davon
ausgegangen werden, dass die Klägerin vom Versicherungsvertreter auf die
Anzeigepflicht gesondert hingewiesen worden ist.
Die Versicherung dürfte deshalb den Vertrag nicht
kündigen und auch nicht davon zurücktreten. Denn die Anzeigepflicht wurde in
diesem Fall nicht arglistig verletzt.
14. Künstliche
Befruchtung: Kein Darlehen vom Jobcenter
Bezieher von Hartz IV müssen die Kosten
für eine künstliche Befruchtung selber tragen, soweit die Krankenkasse diese
nicht übernimmt. Ein Darlehen vom Jobcenter wird ihnen dafür nicht gewährt.
Hintergrund
Die 1978 geborene Klägerin und ihr 1984 geborener
Ehemann beziehen seit 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Ihre
Krankenkasse erklärte sich bereit, 50 % der Kosten für maximal 3 Versuche einer
künstlichen Befruchtung zu übernehmen. Die Kosten jeder einzelnen künstlichen
Befruchtung betragen dabei ungefähr 4.100 EUR.
Die Kläger waren jedoch nicht in der Lage, den auf sie
entfallenden Kostenanteil aufzubringen. Sie beantragten deshalb im September 2012
die Gewährung eines Darlehens in Höhe von rund 2.200 EUR. Dieser Antrag wurde
aber abgelehnt.
Vor dem Sozialgericht machten die Kläger geltend, dass
sie auf ein Darlehen des Jobcenters angewiesen sind, weil sie in der freien
Wirtschaft kein Darlehen bekommen.
Entscheidung
Die Klage wurde abgewiesen. Die Begründung der
Sozialrichter: Die Gewährung eines Darlehens setzt voraus, dass ein Bedarf, der
vom Regelbedarf umfasst wird, nicht gedeckt werden kann. Eine künstliche
Befruchtung gehört jedoch nicht zum Regelbedarf. Neben Dingen wie Ernährung und
Kleidung umfasst der Regelbedarf zwar auch die Teilhabe am sozialen und
kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Diese Teilhaberechte sind nach dem
Gesetz allerdings nur „in vertretbarem Umfang“ zu verwirklichen.
Dieser vertretbare Umfang werde bei einer künstlichen Befruchtung angesichts
der Kosten von über 4.000 EUR für eine Behandlung überschritten.
Darüber hinaus handelt es sich nicht um eine
medizinisch notwendige Behandlung. Die im Gesetz vorgesehene Beschränkung der
Kostenübernahme durch die Krankenkassen verletzt nicht die Grundrechte. Es gibt
auch keine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Entstehung einer Familie durch
künstliche Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu
fördern.
Da die Krankenkassen die Kosten für eine künstliche
Befruchtung bis zum 40. Lebensjahr für weibliche Versicherte übernehmen, haben
die Kläger noch genug Zeit, um zu sparen.
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