Mandantenbrief Steuern Privatpersonen Dezember 2014

 

Inhalt

1. Freiwillige Rentenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben
2. Berechnung Arbeitslosengeld: Lohnsteuerklasse zu Beginn des Jahres maßgeblich
3. Amtliche AfA-Tabellen sind nur für das Finanzamt bindend
4. Einzelner Wohnungseigentümer kann Sanierung des Gemeinschaftseigentums verlangen
5. Ausgleichszahlung für rechtswidrig geleistete Mehrarbeit ist Arbeitslohn
6. Wohnungseigentumsrecht: Bestehende Rauchwarnmelder müssen berücksichtigt werden
7. Ehescheidungskosten nach wie vor steuerlich absetzbar
8. Geldwerter Vorteil: Übernommene Vereinsbeiträge gelten als Arbeitslohn
9. Versicherungsschutz als Student endet mit 37 Jahren
10. Übernahme fehlerhafter Lohndaten
11. Wann Alkohol eine Kündigung rechtfertigt
12. Behinderte Kinder: Kein Kindergeld bei eigenem Einkommen
13. Auflösungsvertrag: Wann gilt für eine Abfindung ein ermäßigter Steuersatz?
14. Steuerberater darf Einspruch nicht eigenmächtig zurücknehmen
15. Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter neben der Promotion keine Ausbildung
16. Trennungsunterhalt nach 10 Jahren Trennungszeit verwirkt
17. Vermieter darf Kamera-Attrappen anbringen
18. Kein Werbungskostenabzug für nachträgliche Schuldzinsen bei Kapitaleinkünften
19. Operationskosten als außergewöhnliche Belastung

  1. 1. Freiwillige Rentenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben

    Wer während eines Auslandseinsatzes steuerfreie (Progressions-)Einkünfte erzielt, kann seine gleichzeitig gezahlten freiwilligen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nach einem neuen Urteil des Finanzgerichts Köln als Sonderausgaben abziehen.

    Hintergrund
    Ein Arbeitnehmer nahm zum 1.5.2011 eine Auslandstätigkeit in Aserbaidschan auf und erzielte deshalb fortan steuerfreie Einkünfte, die in Deutschland dem Progressionsvorbehalt unterlagen. Ebenfalls ab Mai 2011 leistete er freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung, die sich in 2011 auf insgesamt 6.000 EUR beliefen.

    Das Finanzamt verwehrte dem Arbeitnehmer den Sonderausgabenabzug für diese Beiträge und begründete dies damit, dass Vorsorgeaufwendungen nicht abgezogen werden dürfen, wenn sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen.

    Entscheidung
    Das Finanzgericht erkannte die freiwilligen Zahlungen jedoch als Sonderausgaben an. Das Gericht führte aus, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen steuerfreien Einnahmen und Aufwendungen, der einen Sonderausgabenabzug ausschließt, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur gegeben ist, wenn beide Positionen durch dasselbe Ereignis veranlasst sind. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn der Bezug von steuerfreien Einnahmen Pflichtbeiträge an einen Sozialversicherungsträger ausgelöst hat.

    Der vorliegende Sachverhalt ist anders gelagert, da die Auslandstätigkeit in Aserbaidschan gerade keine Pflichtbeiträge ausgelöst hat, sondern der Arbeitnehmer die Zahlungen aus freiem Entschluss geleistet hatte.

  2. 2. Berechnung Arbeitslosengeld: Lohnsteuerklasse zu Beginn des Jahres maßgeblich

    Die Arbeitsverwaltung ist im Rahmen der Berechnung der Höhe des Arbeitslosengelds grundsätzlich an die Lohnsteuerklasse gebunden, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, gebildet war. So lautet eine Entscheidung des Sozialgerichts Stuttgart.

    Hintergrund
    Der Kläger begehrte mit der erhobenen Klage ein höheres Arbeitslosengeld I. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit Gewährung einer vorgezogenen Betriebsrente ab dem 1.1.2013. Am 29.11.2012 meldete sich der Kläger arbeitslos und stellte einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld I. Er legte eine Lohnsteuerkarte vor, in der die Lohnsteuerklasse 3 eingetragen war.

    Berechnung nach Steuerklasse 6 nicht korrekt
    Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin Arbeitslosengeld I unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse 6. Dies begründete sie damit, dass zwar grundsätzlich diejenige Steuerklasse zu berücksichtigen sei, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei, als Lohnsteuerabzugsmerkmal gebildet worden sei. Allerdings sei bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld die Steuerklasse zugrunde zu legen, die im Fall einer Arbeitsaufnahme in Betracht komme. Dies sei beim Kläger die Steuerklasse 6, da die Betriebsrente bereits nach Steuerklasse 3 versteuert werde.

    Keine hypothetische Lohnsteuereingruppierung
    Diese Vorgehensweise erklärte das Sozialgericht in Stuttgart für nicht zulässig. Die Arbeitsverwaltung sei grundsätzlich an das seitens der Finanzverwaltung eingetragene Lohnsteuerabzugsmerkmal gebunden. Gründe für eine hypothetische Lohnsteuereingruppierung im Fall von Arbeitsaufnahme seien nicht ersichtlich.

  3. 3. Amtliche AfA-Tabellen sind nur für das Finanzamt bindend

    Die amtlichen AfA-Tabellen sollen eine gleichheitsgerechte Anwendung der AfA-Vorschriften gewährleisten. Sie binden deshalb das Finanzamt wie eine Dienstanweisung. Der Steuerpflichtige kann dagegen jederzeit eine für Ihn günstigere Nutzungsdauer darlegen.

    Hintergrund
    Das Finanzgericht hatte über die Nutzungsdauer einer Kartoffelhalle in einem Land- und Forstwirtschafts-Betrieb zu entscheiden. Das Finanzamt ging nach bausachverständiger Begutachtung von der üblichen Nutzungsdauer von 33 1/3 Jahren aus, während der Kläger sich auf eine vom Hersteller angeforderte Bescheinigung und auf die amtliche AfA-Tabelle berief, die eine Nutzungsdauer von 17 Jahren für Gebäude in Leichtbauweise ausweisen.

    Entscheidung
    Das Finanzgericht stellte fest, dass die amtlichen AfA-Tabellen für das Finanzamt den Charakter einer Dienstanweisung besitzen. Für den Steuerpflichtigen handele es sich dagegen um das Angebot der Verwaltung für eine tatsächliche Verständigung im Rahmen einer Schätzung, das er annehmen kann, aber nicht muss. Danach sei die Anwendung der AfA-Tabellen aus Gleichheits- und Gerechtigkeitsgesichtspunkten zwingend geboten. Es seien keine Umstände erkennbar, wonach die dort ausgewiesene Nutzungsdauer den hier entschiedenen Einzelfall nicht vertretbar abbilde. Ein Abweichen von der amtlichen AfA-Tabelle durch das Finanzamt verlange auch eine Auseinandersetzung mit den eigenen Begriffsbestimmungen und Erkenntnisgrundlagen. Es könne sich insoweit nicht auf ein Sachverständigengutachten stützen, das diese Vorgaben nicht erfüllt.

    Zudem sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Werten der AfA-Tabelle um grobe Schätzungen handelt, die auch der Verwaltungsvereinfachung dienen und für eine gleichmäßige Anwendung sorgen. Da der Kläger nichts weiter begehre, sei die Einholung eines eigenen Sachverständigengutachten entbehrlich und der Klage stattzugeben.

  4. 4. Einzelner Wohnungseigentümer kann Sanierung des Gemeinschaftseigentums verlangen

    Wohnungseigentümer müssen die Kosten dringend erforderlicher Sanierungen gemeinsam bezahlen. Das gilt selbst dann, wenn sie sich die Renovierung nicht leisten können. Stimmen sie einem entsprechenden Beschluss nicht zu, können sie sich schadensersatzpflichtig machen.

    Hintergrund
    Eine Wohnungseigentümergemeinschaft bestand zunächst aus 2 Einheiten im Erd- und Dachgeschoss. Durch den Ausbau von Kellerräumen und einer entsprechenden Teilungserklärung entstand ab 1996 eine dritte Sondereigentumseinheit. Die Klägerin erwarb die im Keller gelegene Wohnung im Jahr 2002 unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. Seit 2008 weist die Kellerwohnung einen Feuchtigkeitsschaden auf und ist inzwischen unbewohnbar. Ursache hierfür sind Baumängel, die das gemeinschaftliche Eigentum betreffen.

    Das Amtsgericht hat die Eigentümer der 2 anderen Wohnungen verurteilt, der anteiligen Aufbringung der Kosten für die Sanierung der Kellergeschosswohnung und der entsprechenden Bildung einer Sonderumlage zuzustimmen. Zusätzlich wurden sie verpflichtet, Schadensersatz aufgrund der verzögerten Renovierung der Kellergeschosswohnung zu zahlen. Das Berufungsgericht hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Begründung: die Kostenbelastung überschreitet die „Opfergrenze“ der betagten und finanzschwachen Eigentümer, deren Wohnungen auch ohne die Sanierung nutzbar seien.

    Entscheidung
    Der Bundesgerichtshof sieht das anders. Er hat entschieden, dass die Klägerin sowohl die Zustimmung zu der anteiligen Kostentragung als auch zur Bildung der Sonderumlage verlangen kann. Im Grundsatz kann jeder Wohnungseigentümer die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums beanspruchen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Wohnungseigentümer einen Gestaltungsspielraum haben, d. h. sie müssen das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen. Deshalb ist eine Abwägung von Kosten und Nutzen einer Maßnahme rechtens mit dem Ergebnis, dass nicht zwingend erforderliche Maßnahmen zurückgestellt werden dürfen. Anders liegt der Fall aber dann, wenn eine sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich ist. Dies war vorliegend der Fall, denn durch die sanierungsbedürftigen Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum war die Wohnung der Klägerin inzwischen unbewohnbar. Da es hier um den notwendigen Erhalt der Wohnungseigentumsanlage geht, spielt es auch keine Rolle, ob die Eigentümer betagt oder finanzschwach sind. Im Ergebnis müssen deshalb alle Wohnungseigentümer anteilig für die Sanierungskosten aufkommen, auch wenn sie in erster Linie der Kellergeschosswohnung zugutekommen.

    Und noch eine weitere wichtige Feststellung hat der Bundesgerichtshof getroffen: Eine Ersatzpflicht der Wohnungseigentümer kommt für solche Schäden an dem Sondereigentum in Betracht, die dadurch entstehen, dass die gebotene Beschlussfassung über die Vornahme zwingend erforderlicher Maßnahmen unterbleibt. Eine Haftung kann diejenigen Wohnungseigentümer treffen, die schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder gegen die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben.

  5. 5. Ausgleichszahlung für rechtswidrig geleistete Mehrarbeit ist Arbeitslohn

    Erhält ein verbeamteter Feuerwehrmann von seinem Arbeitgeber eine Ausgleichszahlung für rechtswidrig erbrachte Mehrarbeit, muss er diese Gelder als Arbeitslohn versteuern.

    Hintergrund
    Ein Feuerwehrbeamter der städtischen Berufsfeuerwehr erhielt von seinem Arbeitgeber im Jahr 2012 eine Ausgleichszahlung für rechtswidrig erbrachte Mehrarbeit in Höhe von 20.000 EUR, die er als steuerfreie Schadensersatzleistung anerkannt wissen wollte. Er argumentierte, dass die Gelder keinen Entlohnungs- oder Lohnersatzcharakter hätten, da entsprechende Schadensersatzansprüche nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vorrangig auf Freizeitausgleich (Naturalrestitution) gerichtet seien. Das Finanzamt setzte die Zahlungen hingegen als (ermäßigt zu besteuernden) Arbeitslohn an.

    Entscheidung
    Das Finanzgericht Münster urteilte, dass das Amt die Zahlungen zu Recht als Arbeitslohn angesetzt hatte.

    Zu den Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit gehören alle Güter in Geld- oder Geldeswert, die einem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs werden Vorteile „für“ eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind – wenn also der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich die Leistung im weitesten Sinne (objektiv) als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist.

    Legt man diese Grundsätze zugrunde, sind die streitbefangenen Ausgleichszahlungen letztlich dafür zugeflossen, dass der Arbeitnehmer seine individuelle Arbeitskraft zur Verfügung gestellt hat.

    Ob die Zahlung Ausfluss eines unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs ist, konnte das Finanzgericht dahingestellt lassen, da das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden hatte, dass der zusätzliche Dienst eines Beamten und der damit verbundene Freizeitverlust nach nationalem Recht keinen Schaden darstellt; demnach steht dem Arbeitnehmer für unionsrechtswidrig geleistete Mehrarbeit (neben einem möglichen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch) ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch zu. Diese Einordnung als auch die Berechnung der Ausgleichszahlung im Urteilsfall (angelehnt an das Gesetz über die Mehrarbeit von Feuerwehrleuten) sprachen für den Arbeitslohncharakter der Ausgleichszahlung.

  6. 6. Wohnungseigentumsrecht: Bestehende Rauchwarnmelder müssen berücksichtigt werden

    Ein Beschluss der Wohnungseigentümer, Rauchwarnmelder für alle Wohnungseigentümer anzuschaffen und zu warten, ist unzulässig, wenn ein Wohnungseigentümer bereits seit einigen Jahren Rauchwarnmelder betreibt, die den technischen Erfordernissen entsprechen.

    Hintergrund
    Bauordnungsrechtlich war es geboten, die Eigentumswohnungen bis Ende 2015 mit Rauchwarnmeldern auszustatten. Deswegen hatte die Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen, Rauchwarnmelder im Rahmen eines 10-Jahres-Vertrags anzumieten und einer Drittfirma die Funktionsprüfung, Wartung und Dokumentation vertraglich zu überlassen. Die anfallenden Kosten sollten dann jeweils im Rahmen der Jahresabrechnung nach Miteigentumsanteilen verteilt werden. Hiermit war ein Wohnungseigentümer aus verständlichen Gründen nicht einverstanden und hat den Beschluss angefochten. Er hatte nämlich schon vor einigen Jahren Rauchwarnmelder in seiner Wohnung installiert, die auch den technischen Voraussetzungen (DIN 14676) genügen.

    Entscheidung
    Seine Klage war erfolgreich. Unproblematisch wurde eine entsprechende Beschlusskompetenz der Gemeinschaft noch bejaht. Nach Ansicht des Gerichts widerspricht der Beschluss aber ordnungsmäßiger Verwaltung. Denn völlig unberücksichtigt blieb die Tatsache, dass der Wohnungseigentümer bereits seit einigen Jahren in seinen Räumen technisch ausreichende Rauchwarnmelder betreibt. Ohne Not wird der Wohnungseigentümer mit den Kosten für die Anschaffung und Wartung anderer Rauchwarnmelder belastet, obwohl für seine Wohneinheit kein Bedürfnis dafür besteht. Unstreitig werden Rauchwarnmelder nicht nur zum Schutz des jeweiligen Sondereigentümers, sondern aller Bewohner und Besucher der Wohnanlage eingebaut. Selbstverständlich muss die Verwaltung sicherstellen, dass sämtliche Rauchwarnmelder zuverlässig funktionieren. Diesem Sicherungsinteresse kann aber nicht nur in der Weise genügt werden, dass seitens der Gemeinschaft für sämtliche Wohnungen neue Rauchwarnmelder angeschafft werden und dass die Gemeinschaft dann für diese Geräte einen einheitlichen Wartungsvertrag abschließt. Es wäre auch möglich gewesen, dass der jeweilige Wohnungseigentümer, der bereits Rauchwarnmelder angeschafft hat, der Verwaltung gegenüber nachweist, dass die betreffenden Geräte den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und dass die Wartung in dem erforderlichen Umfang durchgeführt wird.

  7. 7. Ehescheidungskosten nach wie vor steuerlich absetzbar

    Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat als erstes über die Frage entschieden, ob Scheidungskosten nach der ab 2013 geltenden gesetzlichen Neuregelung als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigt werden können.

    Hintergrund
    Nach einer neuen Vorschrift sind Prozesskosten grundsätzlich vom Abzug ausgeschlossen und nur ausnahmsweise steuerlich anzuerkennen, wenn der Steuerpflichtige ohne diese Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

    Das Finanzgericht bejahte das Vorliegen der Abzugsvoraussetzungen bei den Prozesskosten für die Ehescheidung selbst, lehnte sie hingegen bezüglich der Scheidungsfolgesachen ab.

    Entscheidungsgründe
    Die gesetzliche Bestimmung, nach welcher Aufwendungen für Prozesse mit existentieller Bedeutung für den Steuerpflichtigen abzugsfähig seien, gehe auf eine Formulierung in einem Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 1996 zurück, in welchem gerade die ständige Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit von Scheidungskosten bestätigt worden sei. Mit der Übernahme dieser Formulierung habe der Gesetzgeber offensichtlich auch die dem Urteil des Bundesfinanzhofs zugrunde liegenden Wertungen – einschließlich der Anerkennung der Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastung – übernommen. Für einen Steuerpflichtigen sei es existentiell, sich aus einer zerrütteten Ehe lösen zu können. Die Kosten der Ehescheidung, die nur durch einen zivilgerichtlichen Prozess herbeigeführt werden könne, seien daher für den Betroffenen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig.

    Dieses Ergebnis entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, der mit der Verschärfung der Abzugsvoraussetzungen lediglich die für zu weitgehend erachtete neue Rechtsprechung des VI. Senats des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2011 zur Anerkennung von Prozesskosten auch für beliebige (nicht aussichtslose) Prozesse als außergewöhnliche Belastung habe korrigieren und die bis zu dieser Rechtsprechungsänderung bestehende Rechtslage wiederherstellen wollen. So ergebe sich aus einer Stellungnahme des Bundesrats im Gesetzgebungsverfahren das Ziel, die Anerkennung von Prozesskosten auf den „bisherigen engen Rahmen“ zu beschränken. Hierzu hätten die unmittelbaren Kosten eines Scheidungsprozesses stets gezählt.

    Scheidungsfolgekosten sind keine außergewöhnlichen Belastungen
    Demgegenüber seien nach der Neuregelung ab 2013 die Scheidungsfolgekosten nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die für das neue Familienrecht entsprechend gelte, seien Prozesskosten im Zusammenhang mit den Folgesachen Unterhalt, Ehewohnung und Haushalt, Güterrecht, Sorgerecht, Umgangsrecht nicht als zwangsläufig anzusehen. Diese Folgesachen würden nicht zwingend, sondern nur auf Antrag eines Ehepartners mit dem Scheidungsverfahren zusammen – im Zwangsverbund – verhandelt und entschieden. Sie könnten auch in einer außergerichtlichen Scheidungsfolgenvereinbarung geregelt werden. Die geänderte Rechtsprechung des VI. Senats des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2011 sei ab dem Veranlagungszeitraum 2013 durch die gesetzliche Verschärfung der Abzugsvoraussetzungen überholt.

  8. 8. Geldwerter Vorteil: Übernommene Vereinsbeiträge gelten als Arbeitslohn

    Übernimmt der Arbeitgeber für seine Mitarbeiter die Mitgliedsbeiträge zu privaten Vereinen, sind diese Aufwendungen steuerpflichtiger Arbeitslohn. Dies kann auch gelten, wenn der Mitarbeiter bereits im Ruhestand ist. Es gibt aber auch Alternativen.

    Übernimmt der Arbeitgeber Vereinsbeiträge des Arbeitnehmers wie zum Beispiel für einen Golf- oder Tennisclub, liegt ein steuerpflichtiger geldwerter Vorteil vor.

    Dies gilt auch dann, wenn eine solche Mitgliedschaft dem Beruf förderlich ist, weil sich auf diesem Weg Kontakte mit (künftigen) Kunden des Arbeitgebers anknüpfen oder vorhandene Geschäftsbeziehungen intensivieren lassen.

    Ausnahmen sind kaum möglich
    Selbst die Tatsache, dass sich der Mitarbeiter – wie im Streitfall in einem Golfclub – sportlich nicht betätigt oder mangels Platzreife nicht betätigen kann, soll keine Rolle spielen. Eine seltene Ausnahme könnte nur gelten, wenn der Arbeitgeber dem Mitarbeiter den Beitritt derart aufdrängt, dass er sich dem nicht entziehen kann, ohne Nachteile in Kauf zu nehmen.

    Mitgliedsbeiträge ausgeschiedener Mitarbeiter
    Nach dem Eintritt in den Ruhestand werden die Voraussetzungen dann etwas lockerer. Nach einem neuen Urteil liegt nur dann Arbeitslohn vor, wenn mit der Zuwendung noch die Arbeitsleistung entlohnt werden soll und nicht bereits deshalb weil der Arbeitgeber daran mitgewirkt hat, die Ehrenmitgliedschaft zu erhalten.

    Steuerliche Alternativen zum sportlichen Stressabbau
    Es gibt aber Möglichkeiten für die Unterstützung der Arbeitnehmer im sportlichen Bereich, die steuerlich anders behandelt werden. Dazu zählen Betriebssportanlagen und Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung.

    • Betriebssportanlagen: Stellt der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern unentgeltlich Sportanlagen zur Verfügung wie zum Beispiel einen Fitnessraum, eine Betriebssportanlage mit Fußballplatz oder ein Schwimmbad handelt es sich um eine steuer- und beitragsfreie Leistung im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers.

      Achtung: Die Bereitstellung von Tennis- oder Squashplätzen, eines Reitpferds, einer Segeljacht oder einer Golfanlage ist dagegen steuer- und beitragspflichtig.

    • Betriebliche Gesundheitsförderung: Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands der Belegschaft oder der betrieblichen Gesundheitsförderung bleiben bis zu 500 EUR im Kalenderjahr je Arbeitnehmer steuerfrei. Unter die Steuerbefreiung fallen auch Barzuschüsse des Arbeitgebers an seine Mitarbeiter für extern durchgeführte Maßnahmen.

    Achtung: Die Übernahme oder Bezuschussung von Mitgliedsbeiträgen an Sportvereine und Fitnessstudios ist jedoch nicht steuerbefreit. Unter die Steuerbefreiung fällt aber, wenn durch den Arbeitgeber ein Zuschuss für Maßnahmen gewährt wird, die Fitnessstudios oder Sportvereine anbieten und die den fachlichen Anforderungen des Leitfadens Prävention der Krankenkassen gerecht werden.

  9. 9. Versicherungsschutz als Student endet mit 37 Jahren

    Die Versicherungspflicht als Student in der gesetzlichen Krankenversicherung endet auch im Fall des nahtlosen Vorliegens von sog. Hinderungsgründen (z. B. Erkrankung, Behinderung), spätestens mit dem 37. Lebensjahr.

    Die Krankenversicherungspflicht als Student über den Zeitpunkt der Vollendung des 30. Lebensjahrs hinaus kommt nur infrage, wenn Hinderungsgründe für die Überschreitung dieser Altersgrenze ursächlich waren.

    Keine zeitlich unbegrenzte Verlängerung
    Liegen solche Gründe vor und bestehen sie über den Zeitpunkt der Vollendung des 30. Lebensjahrs hinaus nahtlos fort, verlängern sie gleichwohl die Versicherungspflicht nicht zeitlich unbegrenzt. Vielmehr hat sich das Fortdauern des kostengünstigen Versicherungsschutzes als Student an dem maximalen Zeitrahmen zu orientieren, den das Gesetz auch vor Vollendung des 30. Lebensjahrs für das nicht verzögerte Erreichen eines Studienabschlusses akzeptiert. Das sind 14 Fachsemester, mithin 7 Jahre. Die Höchstdauer der Versicherungspflicht als Student reicht daher längstens bis zur Vollendung des 37. Lebensjahrs.

    Bundessozialgericht ist Vorinstanzen nicht gefolgt
    Im konkreten Fall hatte der Kläger am 30.9.2009 (= von der Beklagten in ihrem Bescheid festgelegtes Ende der Versicherungspflicht) das 37. Lebensjahr längst überschritten.

    Das Bundessozialgericht ist damit nicht den Vorinstanzen und der Beklagten gefolgt, die als maximalen Verlängerungszeitraum eine Zeitspanne von 11 bis 12 Jahren angenommen hatten (= typischer Zeitraum zwischen dem Erwerb der Hochschulreife und der gesetzlichen Altersgrenze des 30. Lebensjahrs).

    Verstoß gegen Diskriminierungsverbot nicht ersichtlich
    Die vom Kläger gerügte Verletzung des behinderte Menschen schützenden Diskriminierungsverbots, anderer Regelungen höherrangigen Rechts und der UN-Behindertenrechtskonvention liegt nicht vor. Ein Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung behinderter Menschen ist nicht ersichtlich. Zu ihren Gunsten bestehen keine Ansprüche auf eine bestimmte Art der Durchführung der Gesundheitsversorgung, insbesondere nicht darauf, die kostengünstig ausgestaltete Versicherungspflicht als Student zeitlich unbegrenzt zur Verfügung gestellt zu erhalten.

  10. 10. Übernahme fehlerhafter Lohndaten

    Übernimmt das Finanzamt bei der Bearbeitung einer Einkommensteuererklärung falsch übermittelte Lohndaten des Arbeitgebers, obwohl der Steuerbürger seinen Lohn korrekt erklärt hat, darf der Steuerbescheid nach Ansicht des Niedersächsischen Finanzgerichts später nicht wegen einer offenbaren Unrichtigkeit geändert werden.

    Hintergrund
    Die klagenden Eheleute übermittelten ihre Einkommensteuererklärung 2012 via Elster (ohne Authentifizierung) und reichten den unterschriebenen Papierausdruck beim Finanzamt nach. Auf der Anlage N des Ehemannes hatten sie (zutreffend) einen Bruttoarbeitslohn von 41.046 EUR und einbehaltene Lohnsteuer von 4.605 EUR erklärt. Der Arbeitgeber des Ehemannes hatte dem Finanzamt allerdings im Verfahren Elster Lohn I falsche Daten zur elektronischen Lohnsteuerbescheinigung übermittelt (Bruttoarbeitslohn von 27.364 EUR und Lohnsteuer von 3.070 EUR). Das Finanzamt berücksichtigte im Rahmen der Veranlagung zunächst die falschen Lohndaten des Arbeitgebers; 2 Monate später erkannte es aber seinen Fehler und änderte den Steuerbescheid. Durch den nachträglichen Ansatz des höheren Arbeitslohns ergab sich eine Steuernachzahlung.

    Entscheidung
    Das Niedersächsische Finanzgericht kam im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung zu dem Ergebnis, dass der Bescheid nicht geändert werden durfte. Die Finanzbehörden können Schreib- und Rechenfehler, sowie ähnliche offenbare Unrichtigkeit zwar jederzeit berichtigen, wenn der Fehler in ihrer Sphäre entstanden ist. Die Übernahme fehlerhaft übertragener Lohnsteuerdaten wertete das Finanzgericht jedoch weder als Schreib- oder Rechenfehler, noch als ähnliche offenbare Unrichtigkeit.

    Vorliegend hatten die Eheleute ihre Daten korrekt in der Steuererklärung angegeben. Im Zuge der Veranlagung hatte der Bearbeiter die elektronisch übermittelten Erklärungsdaten abgerufen, wobei das Programm der Finanzbehörde im Rahmen einer maschinellen Probeberechnung die übermittelten Daten des Arbeitgebers mit den übermittelten Daten des Steuerbürgers abgleicht. Wenn es dabei – wie vorliegend – zu Abweichungen kommt, wird dem Bearbeiter folgender Bearbeitungshinweis ausgegeben: „Bei [dem Steuerpflichtigen] weichen die Daten der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung von den erklärten Werten ab […]. Bitte prüfen“. Der Sachbearbeiter wurde also deutlich auf die vorliegende Divergenz zwischen den übermittelten Lohndaten hingewiesen, was nach Auffassung des Finanzgerichts ein Grund hätte sein müssen, die fehlende Stimmigkeit der Daten zu überprüfen.

  11. 11. Wann Alkohol eine Kündigung rechtfertigt

    Alkoholisiert Autofahren im Dienst, das geht nicht. Daher hatte das Arbeitsgericht Berlin die Kündigung eines Berufskraftfahrers bestätigt. Nicht so das Landesarbeitsgericht in zweiter Instanz: Da der alkoholabhängige Beschäftigte zu einer Therapie bereit war, kann die Krankheit eventuell geheilt werden.

    Natürlich verletze ein Berufskraftfahrer seine Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag in erheblichem Maße, wenn er das Firmenfahrzeug unter Alkoholeinfluss am öffentlichen Straßenverkehr teilnehme, urteilte nun das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Allerdings hielten die Richter dem Beschäftigten seine Alkoholabhängigkeit zugute. Aufgrund der Krankheit sei dem Beschäftigten kein Schuldvorwurf zu machen.

    Bei Alkoholkrankheit: Bereit zur Therapie?
    Für eine wirksame Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist in diesem Fall eine Prognose zu treffen: Wenn anzunehmen ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten dauerhaft nicht nachkommen kann, kann die Kündigung gerechtfertigt sein. Von einer solchen negativen Prognose könne man jedoch nicht ausgehen, wenn der Arbeitnehmer – wie im entschiedenen Fall – im Zeitpunkt der Kündigung ernsthaft zu einer Alkoholtherapie bereit war.

    Im konkreten Fall war der Arbeitnehmer als Berufskraftfahrer beschäftigt und verursachte mit seinem Lkw unter Alkoholeinfluss (0,64 Promille) einen Unfall. Es entstand ein größerer Sachschaden, der Unfallgegner wurde dabei verletzt. Im Betrieb bestand ein absolutes Alkoholverbot.

    Bundesarbeitsgericht: Keine Therapie, keine positive Prognose
    Letztlich orientierte sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am Bundesarbeitsgericht. Das oberste Arbeitsgericht entschied zum Beispiel über die Kündigung eines alkoholkranken Mitarbeiters; für den zweiten Senat kam es damals auf folgendes an: „Ist im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen, kann eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein.“

    Das Bundesarbeitsgericht billigte damals die Kündigung, da der Mitarbeiter gerade nicht zu einer entsprechenden Therapie bereit war. „Für die Prognose im Hinblick auf die weitere Entwicklung einer Alkoholerkrankung kommt es entscheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung bereit ist, eine Entziehungskur beziehungsweise Therapie durchzuführen. Lehnt er das ab, kann erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden, dass er von seiner Alkoholabhängigkeit in absehbarer Zeit nicht geheilt wird“, urteilte das Bundesarbeitsgericht. Da die Alkoholerkrankung zudem die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigte und eine Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers ausfiel, war die damalige Kündigung für das Bundesarbeitsgericht rechtmäßig.

    Landesarbeitsgericht: Abmahnung hätte genügt
    Im Ergebnis anders entschied nun das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Es lehnte die Kündigung im aktuellen Fall ab. Bei einer – im aktuellen Fall – bestehenden Therapiebereitschaft könne vom Arbeitgeber in der Regel erwartet werden, das Fehlverhalten abzumahnen und das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

    Das Arbeitsgericht Berlin hatte noch die ordentliche Kündigung für sozial gerechtfertigt gehalten. Die Arbeitsrichter urteilten: Ob alkoholerkrank oder nicht, dem Beschäftigten sei vorzuwerfen, eine Fahrt mit dem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss angetreten und hierdurch andere gefährdet zu haben. Wegen der Schwere der Pflichtverletzung rechtfertige dieses Verhalten die Kündigung – auch ohne Ausspruch einer Abmahnung.

    Arbeitsgericht: Keine Abmahnung wegen schwerer Pflichtverletzung
    Der Arbeitgeber müsse dafür Sorge tragen, dass das Alkoholverbot von allen Fahrern beachtet werde. Dies sei mit einer bloßen Abmahnung nicht zu erreichen, argumentierten noch die Richter der ersten Instanz. Auch habe der Arbeitnehmer letztlich keine Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt.

    Dieser Argumentation ist das Landesarbeitsgericht letztlich nicht gefolgt.

  12. 12. Behinderte Kinder: Kein Kindergeld bei eigenem Einkommen

    Auch nachdem die Grenzbetragsregelung mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 entfallen ist, besteht ein Kindergeldanspruch für behinderte Kinder nur dann, wenn das Kind nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten. Das entschied das Finanzgericht Sachsen-Anhalt.

    Eltern behinderter Kinder haben auch dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn das Kind älter als 18 Jahre ist. Es ist sogar möglich, dass dieser Kindergeldanspruch über das 25. Lebensjahr hinaus weiterbesteht. Eine Einschränkung gibt es: Übersteigt das Einkommen des behinderten Kindes bestimmte Grenzen, entfällt der Anspruch. Bis 2011 wurde für die Berechnung des Grundbedarfs der sogenannte Grenzbetrag der Einkünfte in Höhe von 8.004 EUR herangezogen.

    Grundfreibetrag ersetzt Grenzbetrag
    Allerdings ersetzte der Gesetzgeber diesen Grenzbetrag mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 durch den Grundfreibetrag, der im Jahr 2012 bei 8.004 EUR lag. Diese Änderung war Gegenstand eines Rechtstreits, den das Finanzgericht Sachsen-Anhalt zu entscheiden hatte.

    In dem Streit ging es um das Kindergeld für den seelisch behinderten Sohn einer Familie, der seit 2007 mit einem Grad der Behinderung von 70 % eingestuft ist und seit 2002 eine Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit bezieht. Der Sohn lebt zudem in einem eigenen Haushalt.

    Nachdem die Familienkasse im Jahr 2012 den Bedarf und die verfügbaren Mittel des Sohns errechnet hatte, hob es die Festsetzung des Kindergelds ab 1.9.2012 auf. Begründung: Der Sohn sei aufgrund der eigenen finanziellen Mittel in der Lage, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Konkret: Die Einkünfte lagen über dem Grundfreibetrag von 8.004 EUR.

    Dagegen legte die Familie Einspruch ein und verwies darauf, dass mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 der Grenzbetrag entfallen sei und damit unabhängig von den eigenen Einkünften des Sohns ein Anspruch auf Kindergeld bestehe. Nachdem das Finanzamt den Einspruch zurückgewiesen hatte, erhob die Familie die Klage vor dem Finanzgericht.

    Finanzgericht lässt keine Revision zu
    Das Finanzgericht folgte jedoch der Rechnung der Familienkasse, dass der Sohn der Klägerin in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten. Das sei dann der Fall, wenn das Kind genügend Geld verdiene, um den Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Dieser setze sich dabei zusammen aus dem allgemeinen Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf. Für den Streitzeitraum 2012 sei der Grundbedarf mit dem damaligen Grundfreibetrag von 8.004 EUR anzusetzen. Hinzu komme ein individueller behinderungsbedingter Mehraufwand. Dafür könne der Steuerpflichtige Einzelnachweise vorlegen, andernfalls komme der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag zum Ansatz. Liegen dann die Einkünfte des Kindes über der Summe aus Grundfreibetrag und Mehraufwand, entfalle auch der Anspruch der Eltern auf das Kindergeld.

  13. 13. Auflösungsvertrag: Wann gilt für eine Abfindung ein ermäßigter Steuersatz?

    Der ermäßigte Steuersatz für Abfindungen kommt nur zur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer durch diese Zahlung insgesamt höhere Einkünfte erzielt, als er bei ungestörter Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses erhalten hätte (Zusammenballung). Wie diese Vergleichsberechnung durchzuführen ist, veranschaulicht ein aktuelles Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts.

    Hintergrund
    Ein GmbH-Geschäftsführer erhielt nach seinem Anstellungsvertrag neben einem Festgehalt auch eine Tantieme, die aber erst nach der Feststellung des jeweiligen Jahresabschlusses fällig wurde.

    Im Jahr 2010 schlossen die Arbeitsparteien einen Aufhebungsvertrag, wonach der Geschäftsführer freigestellt wurde, jedoch noch bis zum 31.12.2010 sein Festgehalt fortbeziehen konnte. Zudem wurde ihm eine Abfindung von 225.000 EUR zugesagt, die am 31.1.2011 zur Auszahlung kam; die Tantieme für 2010 in Höhe von 50.000 EUR sollte er darüber hinaus noch in 2010 erhalten.

    Der Geschäftsführer bezog für 2010 einen Bruttoarbeitslohn von insgesamt 288.725 EUR (einschließlich der vorgezogenen Tantieme). Im Jahr 2011 bezog er neben seiner Abfindung noch Einnahmen aus einer Dienstwagennutzung von 3.878 EUR, sowie Lohnersatzleistungen von 10.383 EUR.

    Entscheidung
    Das Finanzgericht entschied, dass die Abfindung nicht der ermäßigten Besteuerung unterlag, da es an einer Zusammenballung von Einkünften fehlte. Eine Zusammenballung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer im Jahr der Entschädigungszahlung mehr erhält („Ist-Größe“), als ihm bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zugeflossen wäre („Soll-Größe“). Ein Vergleich dieser beiden Kenngrößen ergab, dass der Arbeitnehmer trotz der Entschädigungszahlung insgesamt nicht mehr Einkünfte in 2011 erzielt hatte als bei einem „normalen Lauf der Dinge“. Hervorzuheben ist, dass das Finanzgericht die bezogenen Lohnersatzleistungen in 2011 nicht in die „Ist-Größe“ einbezog, weshalb diese letztlich die „Soll-Größe“ unterschritt.

  14. 14. Steuerberater darf Einspruch nicht eigenmächtig zurücknehmen

    Nimmt ein Steuerberater einen Einspruch ohne vorherige Rücksprache mit seinem Mandanten zurück, verstößt er gegen seine Pflichten aus dem Beratungsvertrag und macht sich schadensersatzpflichtig.

    Hintergrund
    Streckt ein Steuerberater im Streit mit dem Finanzamt vorzeitig die Waffen ohne sich zuvor mit seinem Mandanten abzusprechen, so kann dieses Vorgehen für ihn in einer Schadensersatzzahlung münden. So geschehen kürzlich in einem Fall vor dem Bundesgerichtshof, in dem ein Steuerberater für seinen Mandanten die Kosten einer doppelten Haushaltsführung geltend gemacht hatte; der Mandant hatte seinen Ersthaushalt jedoch aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt (sog. Wegverlegungsfall), was von der damals geltenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht steuerlich anerkannt wurde. Nachdem das Finanzamt den Kostenabzug verwehrt hatte, legte der Berater zunächst im Auftrag seines Mandanten Einspruch ein. Als das Amt jedoch signalisierte, dass es an seiner ablehnenden Auffassung festhalten wird, nahm der Steuerberater den Einspruch am 12.2.2009 zurück – ohne diesen Schritt mit seinem Mandanten zu besprechen. Es kam wie es kommen musste: 3 Wochen später, am 5.3.2009, änderte der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung und erkannte eine doppelte Haushaltsführung nun auch in Wegverlegungsfällen an. Aufgrund des zurückgenommenen Einspruchs konnte der Mandant nun nicht mehr von der Rechtsprechungsänderung profitieren, sodass er vom Berater einen Schadensersatz in Höhe der entgangenen Steuerersparnis verlangte. Das Amtsgericht verurteilte den Berater zur Zahlung von 1.100 EUR und das Berufungsgericht folgte der Entscheidung. Auch die Revision des Beraters vor dem Bundesgerichtshof blieb nun ohne Erfolg

    Bundesgerichtshof nimmt Pflichtverletzung des Beraters an
    Der Bundesgerichtshof urteilte, dass der Berater gegen seine Pflichten aus dem Beratungsvertrag verstoßen hatte, indem er den Einspruch eigenmächtig zurückgenommen hatte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Steuerberater grundsätzlich verpflichtet, die Weisungen seines Mandanten zu befolgen. Will er von dessen Weisungen abweichen, muss er ihn darüber informieren und (grundsätzlich) dessen Entscheidung abwarten. Da der Mandant das Misserfolgs- und Kostenrisiko des Auftrags trägt, hat er und nicht der steuerliche Berater die grundlegenden Entscheidungen darüber zu treffen, in welcher Weise seine Interessen wahrgenommen werden sollen. Trotz höherer Sachkunde darf ein Berater seine Entscheidung nicht an die Stelle derjenigen seines Mandanten stellen.

    Vorliegend hat der Berater mit seiner Einspruchsrücknahme gegen die Weisung seines Mandanten verstoßen, da ein Auftrag zur Einspruchseinlegung nach Ansicht des Bundesgerichtshofs in aller Regel zugleich beinhaltet, dass der Einspruch auch „durchgefochten“ und eben nicht zurückgenommen wird.

    Pflichtverletzung hat Schaden versursacht
    Der Bundesgerichtshof ging zudem davon aus, dass die begangene Pflichtverletzung den vorliegend geltend gemachten Schaden des Mandanten auch verursacht hat. Zwar hatte der Berater mehrfach erklärt, dass sein Mandant einer Einspruchsrücknahme zugestimmt hätte, wenn er zuvor informiert worden wäre. Der Bundesgerichtshof ließ dieses Argument jedoch unberücksichtigt und zog stattdessen den Beweis des ersten Anscheins heran. Dieser sprach dafür, dass der Mandant der Einspruchsrücknahme nicht zugestimmt hätte. Denn er hatte die Einlegung eines Einspruchs zuvor beauftragt, obwohl die Zeichen gegen ihn standen (= die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs seinem Anliegen entgegenstand). Daraus wird deutlich, dass er einen Kostenabzug nur mit „durchgefochtenem“ Einspruch hätte erreichen können.

    Aussagen zur Pflichtlektüre eines Steuerberaters
    Das Berufungsgericht hatte die Pflichtverletzung zuvor noch darin gesehen, dass der Berater von dem möglicherweise anstehenden Rechtsprechungswechsel hätte wissen müssen. Demnach sei er gehalten gewesen, den Jahresbericht des Bundesfinanzhofs zu lesen, in dem über das anhängige Revisionsverfahren berichtet worden sei.

    Der Bundesgerichtshof erteilte diesem Argument jedoch eine klare Absage und erklärte, dass dem Berater nicht vorgeworfen werden kann, dass er bei Rücknahme des Einspruchs auf den Fortbestand der (ablehnenden) Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu Wegverlegungsfällen vertraut hatte. Denn ein Berater ist (ohne besonderen Anlass) nicht verpflichtet, die Jahresberichte des Bundesfinanzhofs einzusehen. Zum Themenkreis „Pflichtlektüre eines Steuerberaters“ machte der Bundesgerichtshof zudem folgende Aussagen:

    • Ein Steuerberater darf grundsätzlich auf den Fortbestand der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertrauen. Er muss sich aber über deren Entwicklung anhand der amtlichen Sammlungen und der einschlägigen Fachzeitschriften unterrichten.
    • Eine Änderung der Rechtsprechung muss der Berater in Betracht ziehen, wenn ein oberstes Gericht sie in Aussicht stellt oder neue Entwicklungen in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft sich auf eine ältere Rechtsprechung auswirken können und es zu einer bestimmten Frage an neueren höchstrichterlichen Erkenntnissen fehlt.
    • Ausnahmsweise kann der Berater verpflichtet sein, die Rechtsprechung der Instanzgerichte und das Schrifttum (einschließlich Aufsatzliteratur) heranzuziehen, wenn sich ein Rechtsgebiet eindeutig fortentwickelt und neue höchstrichterliche Rechtsprechung erwartet werden kann. Hat der Berater einen entsprechenden Fall zu bearbeiten, muss er auch Spezialzeitschriften durchsehen.
    • Als Pflichtlektüre eines Beraters kommen vor allem das Bundessteuerblatt und die Zeitschrift „Deutsches Steuerrecht“ in Betracht.
    • Reine Entscheidungssammlungen wie z. B. die Zeitschrift „BFH/NV“ muss der Berater nicht vollständig auswerten.
    • Die monatlich als Anlage zum Bundessteuerblatt erscheinende Liste der anhängigen Verfahren beim Bundesfinanzhof muss der Berater ebenfalls nicht durchsehen.
    • Die Zeitschrift „Der Ertragsteuerberater“ gehört nicht zur Pflichtlektüre eines Steuerberaters.
  15. 15. Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter neben der Promotion keine Ausbildung

    Für ein Kind, das nach abgeschlossenem Studium einem Promotionsvorhaben nachgeht und vollschichtig als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität beschäftigt ist, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Kindergeld.

    Hintergrund
    Der Sohn des Klägers war nach Abschluss seines Lehramtsstudiums mit dem ersten Staatsexamen mit einer vollen Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität beschäftigt. Daneben ging er einem Promotionsvorhaben nach, wozu ihm laut Anstellungsvertrag im Rahmen seiner Dienstaufgaben ausreichend Gelegenheit gegeben wurde.

    Gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für seinen Sohn durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung wandte der Kläger ein, dass die Tätigkeit für die Universität ein Ausbildungsdienstverhältnis im Hinblick auf das Berufsziel Hochschullehrer darstelle. Hierfür seien sowohl der Abschluss der Promotion als auch der Inhalt die Tätigkeiten – z. B. das Abhalten von Lehrveranstaltungen – zwingend erforderlich.

    Entscheidung
    Dem folgte das Gericht nicht und wies die Klage ab. Der Sohn des Klägers habe sich zwar aufgrund des Promotionsvorhabens in einer Berufsausbildung befunden. Der Kindergeldanspruch sei jedoch ausgeschlossen, weil er bereits durch das erste Staatsexamen eine Erstausbildung abgeschlossen habe und einer Erwerbstätigkeit mit einer Wochenarbeitszeit von mehr als 20 Stunden nachgehe. Die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter stelle auch kein Ausbildungsdienstverhältnis dar, weil kein hinreichender sachlicher Zusammenhang zum Promotionsvorhaben bestehe. Hierfür reiche es nicht aus, dass die Promotion durch den Arbeitgeber gefördert wird und die Tätigkeit für das Ausbildungsziel nützlich ist. Vielmehr müsse eine enge inhaltliche Verflechtung zwischen Ausbildung und Erwerbstätigkeit bestehen, die über bloße Synergieeffekte hinausginge. Die im Rahmen des Dienstverhältnisses zu erledigenden Aufgaben dienten allerdings in erster Linie dem Lehrbetrieb der Universität. Der Umstand, dass der Sohn des Klägers eine Laufbahn als Hochschullehrer anstrebe, sei nicht von Bedeutung, da es allein auf die konkrete Ausgestaltung des Dienstverhältnisses ankomme.

  16. 16. Trennungsunterhalt nach 10 Jahren Trennungszeit verwirkt

    In einer Grundsatzentscheidung hat das Oberlandesgericht Bamberg eine ungewöhnlich lange Trennungszeit als Verwirkungsgrund für den Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt zwischen Ehegatten gewertet.

    Hintergrund
    Zum Zeitpunkt der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs lebte der Antragsteller bereits mehr als 10 Jahre von seiner Ehefrau getrennt. Die beiden aus der Ehe hervorgegangen Kinder waren inzwischen volljährig. Der Antragsteller lebte mit einer neuen Lebensgefährtin zusammen. Er bezog eine kleine Rente und bestritt seinen Lebensunterhalt im Übrigen mithilfe von Sozialleistungen. In dieser Situation besann er sich darauf, dass seine Ehefrau, von der er noch immer nicht geschieden war, seine finanzielle Situation durch Unterhaltszahlungen aufbessern könnte. Nachdem die Ehefrau nicht freiwillig zur Zahlung von Unterhalt bereit war, zog der Ehemann vor Gericht.

    Familiengericht lässt Ehemann abblitzen
    Das angerufene Familiengericht verweigerte die vom Antragsteller erstrebte Unterhaltszahlung unter Hinweis auf die mehr als 10-jährige Trennungszeit. Nach Auffassung des Familiengerichts wäre eine Unterhaltsgewährung nach 10-jähriger Trennung unbillig. Hiermit gab der Antragsteller sich nicht zufrieden und legte Beschwerde beim Oberlandesgericht ein. Er verwies darauf, dass es für die Gewährung von Trennungsunterhalt auf die Dauer der Trennungszeit nach dem Gesetz nicht ankomme. Auch im Rahmen des Zugewinns habe der Bundesgerichtshof in der sog. „Lotto-Entscheidung“ einen Ehepartner nach langer Trennungszeit dazu verpflichtet, die Hälfte des während der Trennungszeit erlangten Lottogewinns im Rahmen der Scheidung als Zugewinnausgleich an den anderen Ehepartner zu zahlen.

    Unterhaltsanspruch ist nach mehr als 10-jähriger Trennung verwirkt
    Die Richter beim Oberlandesgericht zeigten für die Argumentation des Ehemanns kein Verständnis. Zwar sehe das Gesetz eine Berücksichtigung der Dauer der Trennungszeit bei der Zuerkennung von Trennungsunterhalt tatsächlich nicht vor. Jedoch könne eine überlange Trennungszeit im Rahmen des Verwirkungstatbestands berücksichtigt werden.

    Pflicht zur ehelichen Solidarität währt nicht unbegrenzt
    Das Oberlandesgericht wies darauf hin, dass die Verpflichtung zur Zahlung von Trennungsunterhalt auf dem Grundgedanken beruhe, dass Ehepartner einander zur ehelichen Solidarität verpflichtet seien. Die Verpflichtung zur ehelichen Solidarität gelte aber nicht unbeschränkt, vielmehr sei unter Würdigung der Gesamtumstände zu beurteilen, inwieweit die auf dem Solidaritätsgedanken fußenden ehelichen Pflichten noch bestünden. Nach einer Trennungszeit von mehr als 10 Jahren und einem weitgehenden Verlust des persönlichen Kontaktes der Eheleute bestehe eine Pflicht zur ehelichen Solidarität nur noch in sehr eingeschränktem Maß. Vorliegend seien darüber hinaus keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine auch nach 10-jähriger Trennung noch bestehende Unterhaltsverpflichtung begründen könnten. Aus diesem Grund sei nach diesem Zeitablauf eine Verwirkung des Anspruchs auf Trennungsunterhalt eingetreten. Das Oberlandesgericht versagte dem Ehemann daher den geltend gemachten Unterhaltsanspruch.

  17. 17. Vermieter darf Kamera-Attrappen anbringen

    Das Anbringen von Kamera-Attrappen im Hauseingangsbereich verstößt nicht gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mieter, wenn diese wissen, dass es sich nicht um funktionsfähige Kameras handelt.

    Hintergrund
    Der Mieter einer Wohnung verlangt, dem Vermieter per einstweiliger Verfügung den Betrieb einer Überwachungsanlage im Eingangsbereich des Hauses zu untersagen.

    Der Vermieter hatte im Eingangsbereich Geräte anbringen lassen, die wie Videokameras aussehen, bei denen es sich allerdings um Attrappen handelte, um Vandalismus in diesem Bereich zu verhindern. Er informierte den Mieter, dass es sich bei den im Hausflur installierten Geräten um Attrappen handelt. Dennoch beantragte und bekam der Mieter eine einstweilige Verfügung, die dem Vermieter untersagte, im Hauseingangsbereich eine Überwachungsanlage zu betreiben. Hiergegen hat der Vermieter Widerspruch eingelegt.

    Entscheidung
    Das Gericht hebt die einstweilige Verfügung auf. Der Mieter hat keinen Anspruch darauf, dass der Vermieter die Anbringung von Videokameras im Eingangsbereich unterlässt. Eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Mieters liegt nicht vor, weil es sich bei den installierten Geräten nur um Attrappen handelt.

    Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass bereits die Attrappen einen Überwachungsdruck entstehen lassen. Es kommt nicht darauf an, ob Besucher des Hauses oder andere Mieter die Geräte für tatsächlich funktionierende Videokameras halten. Entscheidend ist, dass der klagende Mieter weiß, dass er von den Geräten keine Überwachung zu befürchten hat.

    Auch die Befürchtung, der Vermieter könnte die Attrappen eines Tages gegen echte Kameras tauschen, ist kein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass der Vermieter einen solchen Austausch beabsichtigt. Selbst wenn man insoweit von einem Unterlassungsanspruch ausginge, könnte eine einstweilige Verfügung mangels Eilbedürftigkeit nicht ergehen. Einen solchen vorbeugenden Unterlassungsanspruch müsste der Mieter in einem ordentlichen Verfahren geltend machen.

  18. 18. Kein Werbungskostenabzug für nachträgliche Schuldzinsen bei Kapitaleinkünften

    Nachträgliche Schuldzinsen für die Anschaffung einer Beteiligung sind ab 2009 nicht als Werbungskosten abziehbar.

    Hintergrund
    X hielt ab 1999 eine wesentliche Beteiligung (15 %) an einer GmbH. In 2001 veräußerte er seine Geschäftsanteile zum Preis von 1 DM, wobei ein gewisses Eigenkapital der GmbH garantiert wurde. Hieraus ergab sich ein an den Erwerber zu leistender Ausgleichsbetrag. Um seiner Ausgleichsverpflichtung nachzukommen, verzichtete X auf die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens, das er bei einer Bank refinanziert hatte. Außerdem leistete er eine Sonderzahlung, die durch ein weiteres Bankdarlehen finanziert wurde.

    Die Finanzierungskosten (Schuldzinsen) wurden vom Finanzamt für 2005 bis 2008 als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften des X aus Kapitalvermögen anerkannt. Für das Streitjahr 2009 versagte das Finanzamt jedoch den Abzug. Das Finanzgericht gab der dagegen erhobenen Klage statt. Das ab 2009 geltende Abzugsverbot komme nicht zur Anwendung, da die Zinsen – wegen der Veräußerung der Beteiligung bereits in 2001 – mit Kapitalerträgen der Vorjahre zusammenhingen.

    Entscheidung
    Der Bundesfinanzhof hält die Sachbehandlung durch das Finanzamt für zutreffend. Er hob das Urteil des Finanzgerichts auf und wies die Klage ab.

    Mit der Einführung der Abgeltungssteuer für private Kapitalerträge wurde ab 2009 der Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten ausgeschlossen. Abziehbar ist lediglich noch der Sparer-Pauschbetrag von 801 EUR (bei Zusammenveranlagung: 1.602 EUR). Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung sieht der Bundesfinanzhof keine Bedenken. Der Gesetzgeber hat einerseits mit der Gewährung des Sparer-Pauschbetrags bei den Beziehern niedriger Kapitaleinkünfte und andererseits mit der Senkung des Steuertarifs von bisher 45 % auf nunmehr 25 % bei den Beziehern höherer Kapitaleinkünfte eine verfassungsrechtlich anzuerkennende Typisierung der Werbungskosten vorgenommen. Denn bei Kleinanlegern fallen regelmäßig nicht mehr als 801 EUR an Werbungskosten an und bei Spitzeninvestoren dürfte das Abzugsverbot durch die Senkung des Steuertarifs ausgeglichen sein.

    Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts gilt das Abzugsverbot auch für den Fall, dass – nach 2009 – keine Erträge fließen. Eine einschränkende Betrachtung auf Kapitalerträge, die erst nach 2008 zufließen, ist mit dem Wortlaut und den Besonderheiten der Abgeltungsteuer nicht vereinbar.

  19. 19. Operationskosten als außergewöhnliche Belastung

    Eine Methode ist wissenschaftlich nicht anerkannt, wenn Qualität und Wirksamkeit nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen.

    Hintergrund
    Zu entscheiden war, ob Aufwendungen für die operative Behandlung eines Lipödems (an den Unterschenkeln auftretende Schwellung des Fettgewebes, „Reiterhosenfettsucht“) durch Liposuktion („Fettabsaugung“) als außergewöhnliche Belastung absetzbar sind.

    A machte für 2007 rund 12.000 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend. Es handelt sich im Wesentlichen um Vorauszahlungen für eine im November 2007 und im Januar 2008 (Beine) sowie im April 2008 (Arme) durchgeführte Liposuktion.

    Nach einem privatärztlichen Attest vom Juli 2007 wurde im Sommer 2006 ein Lipödem diagnostiziert. Die Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme ab. Es handele sich um eine „unkonventionelle Behandlungsmethode“. Aus schulmedizinischer Sicht ständen konservative Behandlungsmethoden (physikalische Entstauungstherapie) zur Verfügung. Nach einem Attest des behandelnden Arztes vom April 2008 sowie den Befundberichten vom Januar 2008 war die Operation aus medizinischer Sicht notwendig. Im Februar 2008 stellte das Gesundheitsamt eine Bescheinigung aus, nach der die Liposuktion als Behandlung des vorliegenden Störungsbildes „nicht anerkannt“ sei und aus medizinischer Sicht nicht als notwendig angesehen werden könne.

    Das Finanzamt lehnte die Anerkennung der Operationskosten als außergewöhnliche Belastung ab. Ebenso entschied das Finanzgericht mit der Begründung, es sei kein vor der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Attest vorgelegt worden, aus dem sich die Zwangsläufigkeit ergebe.

    Entscheidung
    Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück.

    Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden (z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie) ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu führen.

    Im Streitfall ist daher entscheidend, ob es sich bei der Liposuktion um eine wissenschaftlich anerkannte Methode zur Behandlung des diagnostizierten Lipödems handelt.

    Der Bundesfinanzhof führt zunächst aus, dass eine Behandlungsmethode dann wissenschaftlich anerkannt ist, wenn Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Das wird angenommen, wenn „die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)“ die Behandlungsmethode befürwortet.

    Sodann legt der Bundesfinanzhof dar, dass im Streitfall für die Würdigung des Finanzgerichts, es handele sich um eine nicht wissenschaftlich anerkannte Methode, eine nachvollziehbare Ableitung aus einer tragfähigen Tatsachengrundlage fehlt. Denn die amtsärztliche Bescheinigung vom Februar 2008, auf die sich das Finanzgericht stützt, führt lediglich aus, die Liposuktion ist als Behandlungsmethode „nicht anerkannt“. Es fehlt jedoch an Darlegungen, die dieses Ergebnis im Einzelnen stützen. Entsprechendes gilt von der Aussage des medizinischen Dienstes, es handele sich um eine „unkonventionelle Behandlungsmethode“. Daraus ergibt sich ebenfalls nicht die fehlende wissenschaftliche Anerkennung. Das Urteil des Finanzgerichts beruht somit auf einer nicht tragfähigen Tatsachengrundlage.