1. Behinderten-Pauschbetrag: Ist eine hälftige Übertragung bei der Einzelveranlagung von Ehegatten möglich?
2. Gesundheitsvorsorge: Sensibilisierungswoche ist nicht steuerfrei
3. Zivilprozesskosten: Sind sie außergewöhnliche Belastungen oder nicht?
4. Modernisierung = höhere Miete? Das muss nicht zwingend so sein
5. Nachbars Garten: Wie hoch darf eine Hecke sein?
6. Nachbars Grund und Boden: Wärmedämmung darf die Grundstücksgrenze grundsätzlich nicht überschreiten
7. Schneller als die Richtgeschwindigkeit = Teilschuld? Das gilt nicht automatisch

 

  1. Behinderten-Pauschbetrag: Ist eine hälftige Übertragung bei der Einzelveranlagung von Ehegatten möglich?

 

Ist bei der Einzelveranlagung von Ehegatten die Übertragung des hälftigen Behinderten-Pauschbetrags eines Ehegatten auf den anderen Ehegatten zulässig? Das Thüringer Finanzgericht meint Ja.

 

Hintergrund

Der verheiratete Kläger beantragte für das Jahr 2014 die Einzelveranlagung und – übereinstimmend mit seiner Ehefrau – die Aufteilung von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen.

Bei der hälftigen Berücksichtigung des Behinderten-Pauschbetrags der Ehefrau bei dem Ehemann machte das Finanzamt jedoch nicht mit. Denn eine hälftige Aufteilung des Behinderten-Pauschbetrags ist nach aktueller Rechtslage nicht möglich.

 

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass der Kläger und seine Ehefrau dazu berechtigt sind, den hälftigen Behinderten-Pauschbetrag der Ehefrau auf den Kläger zu übertragen. Im Gesetz ist geregelt, dass Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen demjenigen Ehegatten zugerechnet werden, der die Aufwendungen wirtschaftlich getragen hat. Abweichend davon werden sie auf übereinstimmenden Antrag der Ehegatten jeweils zur Hälfte abgezogen. Diesen Antrag hatten der Kläger und seine Ehefrau vorliegend gestellt.

 

 

  1. Gesundheitsvorsorge: Sensibilisierungswoche ist nicht steuerfrei

 

Die Kosten einer sog. Sensibilisierungswoche, die der allgemeinen Gesundheitsvorsorge dient und keinen Bezug zu berufsspezifischen Erkrankungen hat, kann ein Arbeitgeber nicht komplett steuerfrei übernehmen. Steuerfrei bleibt nur der Freibetrag für Gesundheitszuschüsse, der Rest ist steuerpflichtig.

 

Hintergrund

Der Arbeitgeber bot seinen Arbeitnehmern die Teilnahme an einwöchigen Seminaren an. Diese Sensibilisierungswochen sollten die Beschäftigungs- und Leistungsfähigkeit sowie die Motivation in der Belegschaft erhalten. Die Teilnahme stand sämtlichen Mitarbeitern offen. Der Arbeitgeber übernahm die Kosten von 1.300 EUR pro Person, im Gegenzug mussten die teilnehmenden Arbeitnehmer die Fahrtkosten übernehmen und eigenes Zeitguthaben oder Urlaubstage aufbrauchen.

Das Finanzamt stufte die Kostenübernahme durch den Arbeitgeber als steuerpflichtigen Arbeitslohn ein. Der Arbeitgeber war dagegen der Auffassung, dass das Seminar im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse angeboten wurde und die übernommenen Kosten deshalb keinen Arbeitslohn darstellen.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht folgte der Ansicht des Finanzamts und entschied, dass der Kostenersatz anlässlich der Sensibilisierungswochen zu Recht als Arbeitslohn eingestuft worden war. Am Arbeitslohncharakter von zugewandten Vorteilen fehlt es, wenn diese im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden und das Ausmaß der Bereicherung für den Arbeitnehmer deutlich in den Hintergrund tritt. Ein eigenbetriebliches Interesse überwiegt in der Regel bei Maßnahmen zur Vermeidung berufsbedingter Krankheiten. Eine solche Ausrichtung konnte das Finanzgericht bei den Sensibilisierungswochen jedoch nicht erkennen. Im Gegenteil, bei den Seminaren handelte es sich um allgemeine gesundheitspräventive Maßnahmen. Hierfür sprachen insbesondere das vorgelegte Prospektmaterial und das Wochenprogramm der Seminare.

 

  1. Zivilprozesskosten: Sind sie außergewöhnliche Belastungen oder nicht?

 

Die Kosten eines Zivilprozesses können grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen abgesetzt werden. Das gilt auch für Fragen des Unterhalts und den Umgang mit den Kindern. Seine bisherige Rechtsprechung bestätigte der Bundesfinanzhof mit diesem Urteil.

 

Hintergrund

Die Kläger waren Eheleute, die aufgrund verschiedener rechtlicher Fragen zivilrechtliche Auseinandersetzungen mit dem jeweiligen Ehepartner aus einer ersten geschiedenen Ehe hatten. Insbesondere wurde über Unterhalt und den Umgang mit Kindern gestritten. In den Einkommensteuererklärungen machten die Kläger Gerichts- und Anwaltskosten sowie weitere Aufwendungen im Zusammenhang mit den Rechtsstreitigkeiten als außergewöhnliche Belastungen geltend. Diese erkannte das Finanzamt aber nur zu einem sehr geringen Teil an. Das Finanzgericht zeigte sich deutlich großzügiger und ließ einen überwiegenden Teil der Kosten zum Abzug zu.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob jedoch die Entscheidung des Finanzgerichts auf und versagte den Abzug der Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen.

Außergewöhnliche Belastungen sind nur dann anzuerkennen, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Anzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen.

Es muss sich also um Kosten handeln, denen sich der Steuerpflichtige aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Darüber hinaus müssen die Aufwendungen im Einzelfall notwendig und angemessen sein. Bei den Kosten eines Zivilprozesses ist davon normalerweise nicht auszugehen. Nur wenn die Kosten existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich des menschlichen Lebens berühren, kommt ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen in Betracht. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall aber nicht erfüllt.

 

 

  1. Modernisierung = höhere Miete? Das muss nicht zwingend so sein

 

Nur weil ein Vermieter eine Wohnung modernisiert, kann er nicht einfach eine höhere Miete verlangen. Um mehr Miete zu bekommen, muss er vielmehr eine Modernisierungsmieterhöhung geltend machen.

 

Hintergrund

Im Juni 2009 kündigten die Vermieter zahlreicher Wohnungen an, dass die Versorgung mit Wärme und Warmwasser von Öleinzelöfen und Boilern auf eine zentrale Heizungsanlage umgestellt werden soll und dass eine Mieterhöhung von 76 EUR monatlich zu erwarten ist.

Im Dezember 2009 erschien einer der Vermieter in der Wohnung und vereinbarte mit einem Mieter u. a. eine Mieterhöhung um 60 EUR monatlich.

Von Juli 2010 bis Oktober 2012 zahlte der Mieter die um 60 EUR monatlich erhöhte Miete. Im November 2012 jedoch widerrief er sein Einverständnis mit der Mieterhöhung. Gleichzeitig verlangte er die Rückzahlung der Erhöhungsbeträge von insgesamt 1.680 EUR.

 

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof gab dem Mieter recht und entschied, dass der Vermieter die Erhöhungsbeträge zurückzahlen muss.

Weil der Vermieter als Unternehmer den Mieter als Verbraucher in seiner Privatwohnung aufgesucht hat, handelt es sich bei der Vereinbarung um ein Haustürgeschäft. Gegen dieses stand dem Mieter ein Widerrufsrecht zu, dessen Frist allerdings nicht lief, da der Vermieter den Mieter nicht über sein Widerrufsrecht belehrt hatte. Der Mieter hat die Modernisierungsvereinbarung also fristgerecht und wirksam widerrufen. Infolgedessen kann er die gezahlten Erhöhungsbeträge zurückfordern.

Zwar hätten die Vermieter nach der Modernisierung eine höhere Miete beanspruchen können. Dazu hätten sie aber eine Modernisierungsmieterhöhung aussprechen müssen, in Textform unter Darlegung der entstandenen Kosten. Ohne eine solche Mieterhöhungserklärung schuldet der Mieter keine höhere Miete. Das gilt auch dann, wenn durch die Modernisierung der Wohnwert steigt.

 

  1. Nachbars Garten: Wie hoch darf eine Hecke sein?

 

Pflanzen im nachbarschaftlichen Garten sorgen immer wieder für Streit. So auch in einem aktuellen Fall, der vom Bundesgerichtshof entschieden wurde. Hier ging es um die Grenzbepflanzung eines Grundstücks, das tiefer liegt als das Nachbargrundstück und die Frage, von welchem Grundstück aus die zulässige Wuchshöhe gemessen werden muss.

 

Hintergrund

Zwischen 2 benachbarten Grundstücken in Hanglage befindet sich eine 1 m bis 1,25 m hohe Geländestufe, an der eine Mauer verläuft. Der Nachbar des unteren Grundstücks hatte entlang der Geländestufe eine Thujenhecke gepflanzt. Der Eigentümer des oberen Grundstücks verlangt, dass die Hecke zweimal jährlich auf eine Höhe von 2 m zurückgeschnitten wird, und zwar gemessen vom oberen Ende der Mauer und nicht von der Stelle, an der die Thujen aus dem Boden austreten.

 

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Eigentümer des unteren Grundstücks die Hecke zurückschneiden muss.

Bäume, Sträucher und Hecken, die in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grenze eines Grundstücks stehen, dürfen nicht höher als 2 m sein. Zwar wird die zulässige Höhe der Pflanzen grundsätzlich von der Stelle aus gemessen, an der diese aus dem Boden austreten. Das gilt jedoch nicht, wenn die Pflanzen auf einem Grundstück stehen, das tiefer als das Nachbargrundstück liegt. In diesem Fall ist die zulässige Pflanzenwuchshöhe vom Bodenniveau des höher gelegenen Grundstücks aus zu bestimmen. Der Eigentümer des höher gelegenen Grundstücks kann also den Rückschnitt der Pflanzen auf 2 m gemessen vom oberen Ende der Mauer verlangen.

 

 

  1. Nachbars Grund und Boden: Wärmedämmung darf die Grundstücksgrenze grundsätzlich nicht überschreiten

 

Wer einen Neubau plant, sollte sorgfältig darauf achten, die Grundstücksgrenze nicht zu überschreiten. Das gilt nicht nur für den Rohbau, sondern auch für die anschließende Wärmedämmung.

 

Hintergrund

Auf dem Grundstück des Beklagten befindet sich ein Reihenendhaus, das an der Grenze zum Grundstück der Kläger, einer Wohnungseigentümergemeinschaft, steht. An dieses Gebäude hatte ein Bauträger ein Mehrfamilienhaus angebaut, das den Wohnungseigentümern gehört. Die Giebelwand dieses Mehrfamilienhauses steht entlang der Grundstücksgrenze gut eineinhalb Meter vor. In diesem Bereich der Giebelwand brachte der Bauträger eine Dämmung an, die 7 cm in das Nachbargrundstück hineinragt. Die Dämmung soll noch verputzt und gestrichen werden.

Der Beklagte weigert sich jedoch, die Grenzüberschreitung und die beabsichtigte Maßnahme zu dulden.

 

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof wies die Duldungsklage der Wohnungseigentümergemeinschaft ab. Für eine die Grundstücksgrenze überschreitende Wärmedämmung einer Grenzwand eines Neubaus besteht keine Duldungspflicht. Die gesetzlichen Anforderungen können nämlich für Neubauten bereits bei der Planung berücksichtigt werden. Diese sind deshalb so zu planen, dass sich die Wärmedämmung in den Grenzen des eigenen Grundstücks befindet.

Nur bei der energetischen Sanierung von Altbauten gibt es eine Duldungspflicht. Denn bei diesen, insbesondere wenn sie auf der Grundstücksgrenze stehen, war die Wärmedämmung häufig dadurch erschwert, dass der Nachbar die notwendige Zustimmung zu einem entstehenden Überbau verweigerte oder von unverhältnismäßigen finanziellen Forderungen abhängig machte.

 

 

 

 

  1. Schneller als die Richtgeschwindigkeit = Teilschuld? Das gilt nicht automatisch

 

Wer auf der Autobahn schneller als 130 km/h fährt, musste bisher bei einem Unfall damit rechnen, dass er mindestens mal eine Teilschuld bekommt. Das soll nach einem Urteil des Landgerichts Rottweil aber nicht gelten, wenn ein rechts fahrendes Fahrzeug plötzlich auf die Überholspur ausschert und es hierdurch zu einem Auffahrunfall kommt.

 

Hintergrund

Der Fahrer eines Pkws überholte eine Reihe von Fahrzeugen, die sich auf der rechten Spur befanden, darunter vor allem Lkw. Seine Geschwindigkeit lag 20 % über der Richtgeschwindigkeit. Plötzlich zog einer der Lkw vor das überholende Fahrzeug auf die linke Fahrspur. Doch trotz sofortiger Bremsung konnte der Fahrer einen Auffahrunfall nicht mehr verhindern. Die Fahrerin des Lkw hatte den Pkw nicht gesehen.

Die Haftpflichtversicherung des Lkw weigerte sich, den vollen Schadensersatz zu leisten. Denn bei dem Pkw sei ein Mitverschulden gegeben, weil dieser die Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h um ca. 20 % überschritten habe.

 

Entscheidung

Das Landgericht wies jedoch die Klage der Haftpflichtversicherung des Lkw auf Zahlung eines Teilschadens ab.

Schert ein Fahrer aus seinem Fahrstreifen aus oder wechselt er den Fahrstreifen, ist ihm eine gesteigerte Sorgfaltspflicht auferlegt. Ein Ausscheren bzw. Wechseln ist nur erlaubt, wenn eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Dies hatte die Fahrerin des Lkw nicht beachtet.

Auf der anderen Seite ist eine Überschreitung der Richtgeschwindigkeit nur zulässig, wenn dies zu keiner Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führt. Kommt es bei Überschreiten der Richtgeschwindigkeit zu einem Auffahrunfall, ist normalerweise eine Mithaftung des Auffahrenden anzunehmen.

Im vorliegenden Fall trat jedoch die Betriebsgefahr des Pkw hinter der durch den Lkw verursachten Gefahrenlage zurück. Gründe hierfür sind die multiplen Regelverstöße des ausscherenden Lkw, die höhere Betriebsgefahr des insgesamt schwerfälligeren Lkw, sowie die mit maximal 20 % eher geringe Überschreitung der Richtgeschwindigkeit sowie das Fehlen weiterer dem Pkw-Fahrer zurechenbarer, gefahrerhöhender Umstände.

Nach Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verantwortungsbeiträge war deshalb von einem alleinigen Verschulden des ausscherenden Lkw auszugehen.