Mandantenbrief Steuern Privatpersonen August 2016

1.

Kindergeld: Schmerzensgeldrente
wird bei einem behinderten Kind nicht berücksichtigt

2.

Altenteilleistungen: Abzug als
Sonderausgaben ist auch bei nicht konstanten Beträgen möglich

3.

Einspruch gegen
Kindergeldbescheid: Anwaltskosten werden nicht immer erstattet

4.

Auch Vorauszahlungen können
hinterzogen werden

5.

Wohnungseigentum: Fahrer eines
Elektroautos hat keinen Anspruch auf eine Ladestation in der Tiefgarage

6.

Wohnungseigentum: Bei einem
Umlaufbeschluss müssen alle Eigentümer zustimmen

7.

Arglist macht Gewährleistungsausschluss
wirkungslos – auch wenn nur ein Verkäufer arglistig handelt

8.

Vermietung: Wann darf der
Vermieter die Wohnung besichtigen?

9.

Kündigungsausschluss kann bei
Vermietung an Studenten unwirksam sein

10.

Anwaltsvertrag: Widerruf nach
Fernabsatzgesetz ist nicht möglich

11.

Klage beim Sozialgericht: E-Mail
ohne qualifizierte Signatur ist nicht zulässig

12.

Wohnungseigentum: Wer muss sich
um den Stellplatznachweis kümmern?

13.

Trennungsunterhalt: Wie schnell
muss sich der Ex-Partner eine Arbeit suchen?

14.

Kündigung eines Mietvertrags:
Wann gilt ein Eigenbedarf als vorgetäuscht?

 

1.  
Kindergeld:
Schmerzensgeldrente wird bei einem behinderten Kind nicht berücksichtigt

 

Für ein volljähriges behindertes Kind
erhalten die Eltern nur dann Kindergeld, wenn dieses nicht über ausreichende
finanzielle Mittel zur Bestreitung seines Unterhalts verfügt. Eine
Schmerzensgeldrente darf hierbei nicht angerechnet werden.

 

Hintergrund

Der
volljährige S hat laut seinem Schwerbehindertenausweis einen Grad der
Behinderung von 100, es sind die Merkzeichen “G”, “B” und “H” eingetragen. Er
wohnt in einem eigenen Haushalt in einem Reha-Zentrum und erhält einen
monatlichen Lohn von 170,65 EUR. Aufgrund eines Haftpflichtschadens bekommt er
darüber hinaus eine monatliche Ersatzleistung für fiktiven Verdienstausfall von
772,32 EUR und eine Schmerzensgeldrente von 204,52 EUR.

Die
Familienkasse war deshalb der Ansicht, dass S aufgrund eigener Mittel seinen
Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, und hob die Kindergeldfestsetzung
gegenüber der Mutter M auf. Das Finanzgericht war dagegen der Meinung, dass die
Schmerzensgeldrente nicht angesetzt werden darf.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des
Finanzgerichts.

Für ein volljähriges Kind besteht ein Anspruch auf
Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung
außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Voraussetzung ist, dass die
Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahrs eingetreten ist.

Zu den finanziellen Mittel des behinderten Kindes
gehören seine Einkünfte und Bezüge. Es sind jedoch nur solche Einkünfte und
Bezüge zu berücksichtigen, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes
bestimmt oder geeignet sind. Eine Schmerzensgeldrente ist dabei nicht zu
berücksichtigen, da diese nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes
bestimmt oder geeignet ist. Denn ein Schmerzensgeld soll in erster Linie einen
Ausgleich für nicht vermögensrechtliche Schäden bieten und der Genugtuung des Geschädigten
dienen. Auch soll es ihm das Leben erleichtern. Deshalb darf das Schmerzensgeld
bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes nicht
berücksichtigt werden.

Im Ergebnis verfügte S nicht über ausreichende Mittel,
um seinen gesamten Lebensbedarf zu decken.

 

2.  Altenteilleistungen:
Abzug als Sonderausgaben ist auch bei nicht konstanten Beträgen möglich

 

Werden im Rahmen eines
Vermögensübergabevertrags Altenteilzahlungen vereinbart, können diese als
Sonderausgaben abzugsfähig sein. Das gilt auch dann, wenn die vereinbarten
Leistungen sich der Höhe nach ändern.

 

Hintergrund

Die
Eltern hatten der Tochter das gesamte landwirtschaftliche Anwesen übertragen.
Zugunsten der Eltern wurde vereinbart, dass die Tochter ihren Eltern in den
ersten 5 Jahren monatlich jeweils 600 EUR und danach bis zum Lebensende 300 EUR
zahlen muss.

Das
Finanzamt berücksichtigte als Sonderausgaben jedoch nur 300 EUR monatlich, da
nur dieser Betrag auf Lebenszeit gezahlt wird. Dagegen wandte sich die Tochter
mit ihrer Klage.

 

Entscheidung

Das
Finanzgericht stellte sich auf die Seite der Tochter und gab ihr Recht. Nach
der gesetzlichen Regelung muss es sich zwar um “lebenslange und wiederkehrende”
Versorgungsleistungen handeln. Daraus kann man aber nicht schließen, dass die
vereinbarten Leistungen der Höhe nach innerhalb des gesamten Zeitraums konstant
bleiben müssen. Die Richter halten es für ausreichend, dass sämtliche Zahlungen
auf einem einheitlichen Rechtsgrund beruhen und diese ausschließlich für die
Dauer der Lebenszeit des Empfängers zu erbringen sind.

 

3. 
Einspruch
gegen Kindergeldbescheid: Anwaltskosten werden nicht immer erstattet

 

Legen Eltern erst im Einspruchsverfahren
geeignete Unterlagen vor, die ihren Anspruch auf Kindergeld bestätigen, können
sie keine Erstattung ihrer Rechtsanwaltskosten verlangen.

 

Hintergrund

Die
Tochter des Klägers hielt sich nach dem Abitur im Rahmen eines Au-Pair
Verhältnisses in Spanien auf. Gleichzeitig suchte sie einen Studienplatz.
Entsprechende Nachweise legte der Kläger nicht vor, obwohl die Familienkasse
ihn mehrmals dazu aufforderte. Mit Bescheid vom Januar 2015 hob die
Familienkasse deshalb die Festsetzung des Kindergelds auf.

Vertreten
durch einen Rechtsanwalt legte der Kläger dagegen Einspruch ein und legte eine
Studienbescheinigung vor, nach der sich seine Tochter bereits im September 2014
an der Hochschule Trier eingeschrieben hatte. Daraufhin gewährte die
Familienkasse ab Oktober 2014 Kindergeld. Eine Erstattung der Anwaltskosten
lehnte sie jedoch ab. Denn die Studienbescheinigung hätte der Kläger schon vor
dem Einspruchsverfahren einreichen können.

 

Entscheidung

Die
Klage auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten hatte keinen Erfolg. Die
Familienkasse muss die Gebühren und Auslagen eines Anwalts nur dann erstatten,
wenn seine Beauftragung notwendig war. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger
nach Ansicht des Gerichts die erforderlichen Unterlagen schuldhaft verspätet
erst im Einspruchsverfahren vorgelegt. Bei rechtzeitiger Vorlage der
Studienbescheinigung wären sowohl der Ablehnungsbescheid als auch das Einspruchsverfahren
vermeidbar gewesen.

 



 

4.  Auch
Vorauszahlungen können hinterzogen werden

 

Auf hinterzogene Steuern werden
Hinterziehungszinsen festgesetzt. Wurden allerdings Einkommensteuer-Vorauszahlungen
hinterzogen, stellt sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Zinsen zu
berechnen sind.

 

Hintergrund

Der
Steuerpflichtige hatte über mehrere Jahrzehnte hohe ausländische Kapitalerträge
nicht in seinen Einkommensteuererklärungen angegeben. Dies holte er mit einer
Selbstanzeige nach. Das Finanzamt änderte daraufhin die Einkommensteuerfestsetzungen
und setzte Hinterziehungszinsen fest. Deren Zinslauf berechnete es bereits ab
den jeweiligen vierteljährlichen Vorauszahlungszeitpunkten. Dagegen richtete
sich die Klage.

 

Entscheidung

Das
Finanzgericht wies die Klage jedoch ab und folgte der Auffassung des
Finanzamts. Die Begründung der Richter: Durch das Verschweigen der
Kapitalerträge in den Einkommensteuererklärungen hatte der Steuerpflichtige die
Vorauszahlungen hinterzogen, die bei korrekter Erklärung der Kapitalerträge
sonst festgesetzt worden wären. Diesbezüglich handelte er vorsätzlich, denn
durch seine selbstständige Tätigkeit als Zahnarzt war ihm das System der Festsetzung
von Einkommensteuer-Vorauszahlungen bekannt. Die Zinsen sind nach den
tatsächlich hinterzogenen Beträgen zu berechnen. Deshalb ist die Vorauszahlung
als Bemessungsgrundlage anzusetzen, die sich aufgrund der zu diesem Zeitpunkt
existierenden Jahresfestsetzung bei zutreffender Angabe der Kapitaleinkünfte
ergeben hätte.

 

5.  
Wohnungseigentum:
Fahrer eines Elektroautos hat keinen Anspruch auf eine Ladestation in der
Tiefgarage

 

Vor dem Kauf eines Elektroautos sollte
geprüft werden, ob das Auto am vorgesehenen Stellplatz aufgeladen werden kann.
Ohne Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft darf jedenfalls keine
Ladestation installiert werden.

 

Hintergrund

Ein
Wohnungseigentümer wollte in der Tiefgarage Stromleitungen verlegen und eine
Steckdose montieren, damit er an seinem Stellplatz ein Elektroauto aufladen
kann. Die Kosten für die notwendigen Arbeiten wollte er selbst tragen.

Die
anderen Eigentümer lehnten seinen Antrag jedoch mehrheitlich ab.

 

Entscheidung

Mit
seiner Klage hatte der Wohnungseigentümer keinen Erfolg.

Die
vorgesehene Errichtung einer Ladestation für ein Elektroauto in der Tiefgarage
ist eine bauliche Veränderung. Diese beeinträchtigt die übrigen Eigentümer über
das zumutbare Maß hinaus. Die Kabel, die in der Tiefgarage verlegt werden
müssten, würden Gemeinschaftseigentum werden. Selbst wenn der Kläger die
Kostenübernahme zusichert, hätten alle Eigentümer die
Instandhaltungsverpflichtung und müssten die damit verbundenen Risiken tragen.
Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass dann weitere Eigentümer an ihrem
Stellplatz in der Tiefgarage eine Ladestation für ein Elektroauto errichten
wollen, sodass eine Vielzahl an Kabeln zu einzelnen Stellplätzen verlegt werden
müssten. Darauf müssen sich die übrigen Eigentümer nicht einlassen.

Der
Eigentümer hat deshalb keinen Anspruch auf Zustimmung zu einer solchen
baulichen Veränderung.

Zwar
sieht das Gesetz eine Duldungspflicht der Miteigentümer für den Anschluss an
Fernsprechanlagen oder Anlagen der Energieversorgung vor, um einen gewissen
Mindeststandard der Wohnungen entsprechend dem Stand der Technik zu
ermöglichen. Lademöglichkeiten für Elektroautos an einzelnen
Tiefgaragenstellplätzen gehören jedoch nicht zum Mindeststandard.

 



 

6.
Wohnungseigentum:
Bei einem Umlaufbeschluss müssen alle Eigentümer zustimmen

 

Fasst die Wohnungseigentümergemeinschaft
einen Beschluss im Umlaufverfahren, müssen alle Eigentümer zustimmen. Ansonsten
ist der Umlaufbeschluss nicht existent.

 

Hintergrund

Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft
führten eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren durch. Der Beschluss wurde von
allen Eigentümern bis auf einen unterschrieben und durch einen Aushang
bekanntgegeben. In diesem Beschluss wurde der Verwalter aufgefordert, zum einen
einem Bauunternehmen bestimmte Anweisungen zu erteilen und zum anderen die
Änderung einer Baugenehmigung zu veranlassen.

Der Verwalter machte geltend, dass der Beschluss nicht
zustande gekommen ist, weil nicht alle Eigentümer zugestimmt haben.

 

Entscheidung

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass kein Beschluss
zustande gekommen war. Zwar kann ein Beschluss auch ohne Versammlung gültig
sein, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss
schriftlich erklären (Umlaufbeschluss). Im vorliegenden Fall haben aber nicht
alle Eigentümer dem Beschlussantrag schriftlich zugestimmt. Die Verkündung des
mangelhaften Beschlusses durch Aushang heilt diesen Fehler nicht.

Normalerweise werden Beschlüsse auf einer
Eigentümerversammlung getroffen. Es ist ein grundlegendes Eigentümerrecht, an
der Eigentümerversammlung und dem dort stattfindenden Austausch teilzunehmen.
Ein Umlaufbeschluss ist nur dann ein gleichwertiger Ersatz für einen Beschluss
in einer Eigentümerversammlung, wenn alle Wohnungseigentümer schriftlich
zustimmen. Fehlt die schriftliche Zustimmung eines Eigentümers, ist das dem
Fehlen einer Eigentümerversammlung gleich zu setzen.

 

7.
Arglist
macht Gewährleistungsausschluss wirkungslos – auch wenn nur ein Verkäufer
arglistig handelt

 

Wird in einem Kaufvertrag ein
Gewährleistungsausschluss vereinbart, kann sich der Verkäufer nicht darauf
berufen, wenn er arglistig einen Mangel der Kaufsache verschwiegen hat. Das
gilt auch, wenn bei mehreren Verkäufern nur einer gelogen hat.

 

Hintergrund

Die
Käufer hatten ein Hanggrundstück mit Wohnhaus erworben. Die Sachmängelhaftung
war im Kaufvertrag ausgeschlossen. Auf Verkäuferseite stand ein Ehepaar, wobei
allerdings nur die Ehefrau die Vertragsverhandlungen führte, da sich der
Ehemann in stationärer Behandlung befand. Er genehmigte den Abschluss des
Kaufvertrags aber nachträglich.

Die
Käufer verlangen Schadensersatz wegen einer mangelhaften Stützmauer. Diese
hatte der Verkäufer selbst errichtet, dabei aber zu kleine Steine verwendet,
sodass die erforderliche Standsicherheit nicht gewährleistet war. Die Mauer
musste deshalb saniert werden.

Die
Verkäuferin ist der Auffassung, dass sie keinen Schadensersatz leisten muss, da
sie selbst den Mangel nicht arglistig verschwiegen hat. Sie beruft sich auf den
Ausschluss der Sachmängelhaftung im Kaufvertrag.

 

Entscheidung

Der
Bundesgerichtshof gab den Käufern Recht und verurteilte sowohl den Verkäufer
als auch die Verkäuferin zur Zahlung von Schadensersatz.

Die
fehlende Standsicherheit der Mauer stellt einen Sachmangel dar. Dieser Mangel
wurde den Käufern arglistig verschwiegen. Dies geht auch zu Lasten der
Verkäuferin, sie kann sich deshalb nicht auf den Gewährleistungsausschluss im
Kaufvertrag berufen.

Zwar
hat die Verkäuferin selbst den Mangel nicht arglistig verschwiegen. Nur ihr
Ehemann, der von der fehlerhaften Mauer wusste, handelte letztlich arglistig.
Hat jedoch einer von mehreren Verkäufern einen Sachmangel arglistig verschwiegen,
können sich auch die übrigen Verkäufer nicht auf einen vertraglichen
Haftungsausschluss berufen.

 

8.  
Vermietung:
Wann darf der Vermieter die Wohnung besichtigen?

 

Ein Vermieter darf eine vermietete Wohnung
grundsätzlich nur bei einem konkreten Anlass, z. B. zur Begutachtung eines
Schadens, betreten. Ein Münchner Gericht hat jetzt aber entschieden, dass der
Vermieter die Wohnung alle 5 Jahre auch ohne konkrete Anhaltspunkte für Schäden
oder Mängel besichtigen kann.

 

Hintergrund

Der
Vermieter einer Wohnung wollte diese besichtigen, um einer von der
Hausverwaltung gemeldeten Geruchsbelästigung und eventuellen Schäden
nachzugehen. Der Mieter lehnte dies ab, zugleich bestritt er eine von der
Wohnung ausgehende Geruchsbelästigung.

Der
Vermieter hatte die Wohnung zuletzt vor mehr als 5 Jahren in Augenschein
genommen.

 

Entscheidung

Das
Amtsgericht entschied, dass der Vermieter ein Recht auf Besichtigung hat und
der Mieter diese dulden muss.

Zwar
sind Routinekontrollen und Besichtigungen ohne Anlass unzulässig. Hat der
Vermieter jedoch einen konkreten sachlichen Grund, besteht ein Besichtigungsrecht.
Im vorliegenden Fall gab es ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass ein Schaden
eintreten kann, da ein muffiger Geruch auf Schimmelbildung hindeutet.

Abgesehen
davon kann die Vermieterin nach Ansicht der Richter hier auch deshalb Zutritt
zur Wohnung verlangen, weil seit der letzten Besichtigung mehr als 5 Jahre
vergangen sind. Alle 5 Jahre darf ein Vermieter die Wohnung besichtigen, weil
dies einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung entspricht. Dies ist auch der
Zeitraum, nach dessen Ablauf normalerweise Schönheitsreparaturen vorzunehmen
bzw. Arbeiten am Mietobjekt erforderlich sind.

Bei
einem 5-Jahreszeitraum wird der Mieter auch nicht über Gebühr beeinträchtigt,
da der Vermieter die Besichtigung vorher ankündigen muss.

 

9.  Kündigungsausschluss
kann bei Vermietung an Studenten unwirksam sein

 

Schließt der Vermieter einen Mietvertrag
mit einem Studenten und beinhaltet dieser Vertrag einen beidseitigen
Kündigungsausschluss für über 2 Jahre, benachteiligt das den Mieter
unangemessen. Der Kündigungsausschluss ist deshalb unwirksam.

 

Hintergrund

Der
Vermieter schloss mit einem Studenten einen Mietvertrag. Das Mietverhältnis
begann zum 1.7.2014. Vereinbart war u. a., dass beide Seiten bis zum 30.9.2016
auf eine ordentliche Kündigung verzichten. Den Mietvertrag hatte der Vermieter
gestellt.

Der
Student kündigte das Mietverhältnis zum 31.1.2015. Die Wohnung gab er schon im
Dezember 2014 an den Vermieter zurück. Der Vermieter ist der Ansicht, dass
durch den befristeten Ausschluss der Kündigung das Mietverhältnis erst zum
30.9.2016 beendet wird. Deshalb verlangt er für die Monate April und Mai 2015
die entsprechenden Mietzahlungen.

 

Entscheidung

Das Gericht stellte sich auf die Seite des Studenten
und entschied, dass das Mietverhältnis durch seine Kündigung zum 31.1.2015
beendet wurde. Für die Monate April und Mai 2015 schuldet er deshalb keine
Miete mehr. Eine Nutzungsentschädigung kann der Vermieter auch nicht verlangen,
da die Wohnung bereits vor Ende des Mietverhältnisses zurückgegeben wurde.

Den im Mietvertrag vereinbarten Kündigungsausschluss
halten die Richter für unwirksam, da dieser den Mieter unangemessen
benachteiligt. Mit dieser Klausel hatte der Vermieter seine eigenen Interessen
durchgesetzt, und zwar ohne Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange des
Mieters. Studenten haben gerade angesichts eines möglichen kurzfristigen
Studienplatz- bzw. Studienortwechsels ein besonderes Interesse an Mobilität.
Ein Kündigungsausschluss auch für 2 Jahre würde einen Studienplatzwechsel und
damit eine für die Zukunft des Studenten wesentliche Entscheidung unmöglich
machen. Die Anmietung einer weiteren Wohnung kann sich der gewöhnliche Student
normalerweise nicht leisten.

 

10. 
Anwaltsvertrag:
Widerruf nach Fernabsatzgesetz ist nicht möglich

 

Das Fernabsatzgesetz und das
Widerrufsrecht soll Verbraucher vor den typischen Risiken des
Fernabsatzvertrags schützen, indem sie z. B. die bestellte Ware in Augenschein
nehmen und prüfen dürfen. Ein Anwaltsvertrag, der auch immer persönliche
Beratungselemente enthält, fällt nicht unter das Fernabsatzgesetz. Ein Widerruf
kommt nicht infrage.

 

Hintergrund

Der
Kläger wollte nach einem Urlaub gegen den Reiseveranstalter und ein
Luftfahrtunternehmen Gewährleistungsansprüche geltend machen und dafür die
Dienste eines Anwalts in Anspruch nehmen. Den Anwalt fand der Kläger über das
Internet, die Korrespondenz erfolgte vor allem per Telefon und E-Mail.

Der
Anwalt erreichte einen Vergleich über 1.700 EUR, den der Kläger annahm.

Da
der Reiseveranstalter eine Erstattung der Rechtsanwaltskosten ablehnte, behielt
der Anwalt von den 1.700 EUR seine Kosten ein und überwies nur den Restbetrag
an den Kläger. Dieser widerrief daraufhin den Anwaltsvertrag und verlangte die
Auszahlung des einbehaltenen Betrags wegen ungerechtfertigter Bereicherung.

 

Entscheidung

Vor dem Amtsgericht hatte der Kläger keinen Erfolg.
Denn das Honorar des Anwalts ist im Geschäftsbesorgungsvertrag und in der
Vergütungsvereinbarung festgeschrieben worden. Die Abrechnung von 5 Stunden war
nach Ansicht des Gerichts nicht ungewöhnlich hoch, denn immerhin handelte es
sich um 2 Anspruchsgegner und eine über 4 Monate dauernde Tätigkeit.

Ein Widerrufsrecht stand dem Kläger nicht zu. Denn
nach Auffassung der Richter gilt das Fernabsatzvertragsrecht nicht für einen
Anwaltsvertrag. Sinn und Zweck des Widerrufsrechts ist es, den Verbraucher vor
den typischen Risiken des Fernabsatzvertrags zu schützen. Diese bestehen vor
allem darin, dass er die Ware oder Dienstleistung vorher nicht in Augenschein
nehmen kann und sich an keine natürliche Person wenden kann, um Informationen
zu erhalten. Steht dagegen eine persönliche Dienstleistung im Vordergrund, ist
die typische Situation des Fernabsatzvertrags nicht gegeben.

Bei der Rechtsberatung handelt es sich um eine
Dienstleistung, die durch die persönliche Erbringung durch einen Rechtsanwalt
gekennzeichnet ist. Dabei geht es immer um eine individuelle, auf den
Einzelfall bezogene Leistung. Im Bereich der Rechtsberatung gibt es eben keine
vorgefertigte Massenware.

 

11. 
Klage beim
Sozialgericht: E-Mail ohne qualifizierte Signatur ist nicht zulässig

 

Eine Klage beim Sozialgericht muss
schriftlich erhoben werden. Eine einfache E-Mail genügt nicht.

 

Grundsätzlich kann auch beim Sozialgericht eine Klage
elektronisch übermittelt werden. Dafür wird jedoch eine qualifizierte
elektronische Signatur benötigt. Nur so wird die vom Gesetz vorgeschriebene
Schriftform gewahrt. Diese Vorgaben werden mit einer einfachen E-Mail nicht
erfüllt. Sie ist, so das Sozialgericht, kein Unterfall der Schriftform. In dem
vorliegenden Fall erwies sich für die Klägerin als folgenschwer, denn die per
einfacher E-Mail eingelegte Klage war dadurch verfristet.

Der Klägerin konnte im konkreten Fall auch keine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Sie war nämlich über die
Anforderungen der Klageerhebung in elektronischer Form schriftlich belehrt
worden.

 



 

12.Wohnungseigentum:
Wer muss sich um den Stellplatznachweis kümmern?

 

Ein Nachweis, dass ausreichend Stellplätze
vorhanden sind, ist Sache aller Wohnungseigentümer. Das gilt vor allem dann,
wenn der Bauträger von der Baugenehmigung abgewichen ist und dadurch die
Verpflichtung besteht, weitere Stellplätze zu schaffen.

 

Hintergrund

Die
Klägerin ist Eigentümerin zweier Wohnungen in einer Wohnungseigentumsanlage.
Diese Wohnungen mit den Nummern 337 und 339 sind in der Baugenehmigung als eine
Wohneinheit mit der Nummer 337 erfasst. Durch den Bauträger wurde diese Wohnung
aber geteilt. Beide Wohnungen sind in der Teilungserklärung aufgeführt. Der
vorige Eigentümer der beiden Wohnungen war bereits mit einer Klage gescheitert,
die Änderung bauaufsichtlich genehmigen zu lassen, weil ein Stellplatznachweis
fehlte.

In
einer Eigentümerversammlung stellte die jetzige Eigentümern deshalb u. a. den
Antrag, den fehlenden Pkw-Stellplatznachweis für die Wohnungen 337 und 339
erarbeiten zu lassen. Die übrigen Eigentümer lehnten jedoch diesen
Beschlussantrag mehrheitlich ab. Dagegen hat die Eigentümerin Anfechtungsklage
erhoben.

 

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof gab der Klägerin im Wesentlichen
Recht. Die Eigentümerin kann deshalb von den übrigen Eigentümern den
Stellplatznachweis bezüglich der aus der Teilung entstandenen Wohnung Nummer
339 fordern.

Grundsätzlich kann jeder Wohnungseigentümer von den
übrigen Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen, dass das
Gemeinschaftseigentum plangerecht hergestellt wird. Die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen
Anforderungen an den Stellplatznachweis bezüglich der Wohnung Nummer 339
betrifft die erstmalige ordnungsmäßige Herstellung des Gemeinschaftseigentums.

Maßgeblich ist der Inhalt der Teilungserklärung. Mit
dieser Teilungserklärung wurden erstmals Räume und Gebäudeteile verbindlich zum
Sonder- oder Gemeinschaftseigentum zugeordnet. Der Bauträger war bereits bei
der Errichtung der Wohnanlage und der Teilung von den der Baugenehmigung
zugrundeliegenden Plänen abgewichen. Dadurch besteht die öffentlich-rechtliche
Verpflichtung, weitere Stellplätze zu schaffen. Denn ein Gebäude, bei dem mit
Zu- oder Abgangsverkehr zu rechnen ist, darf nur errichtet werden, wenn auch
ausreichend Stellplätze gebaut werden. Diese müssen sich grundsätzlich auf dem
Baugrundstück befinden. Die Pflicht, Stellplätze zu bauen, ist somit auf die
bauliche Anlage und das Baugrundstück bezogen. Daher ist die Erfüllung der
öffentlich-rechtlichen Vorgaben der ordnungsmäßigen Herstellung des
Gemeinschaftseigentums zuzurechnen.

 

13.
Trennungsunterhalt:
Wie schnell muss sich der Ex-Partner eine Arbeit suchen?

 

Trennen sich Eheleute, sollte sich der
wirtschaftlich schwächere Ex-Partner möglichst bald um eine Arbeitsstelle bemühen.
Sonst besteht die Gefahr, dass der Trennungsunterhalt gekürzt wird.

 

Hintergrund

Die
Ehefrau ist gelernte Dipl.-Betriebswirtin. Während der Ehe arbeitete sie
zunächst in einer Steuerberatungsfirma, wurde nach der Probezeit jedoch nicht
übernommen. Anschließende Bewerbungsversuche blieben erfolglos. Das Ehepaar
trennte sich im April 2015. Zum Wintersemester 2015 begann die Ehefrau ein
zweites Studium. Für die Zwischenzeit konnte sie 3 Bewerbungen und 1 Absage
vorlegen.

Vom
Amtsgericht bekam die Frau zwar Trennungsunterhalt zugesprochen, der allerdings
nach 6 Monaten um ein fiktives Einkommen gekürzt wurde.

 

Entscheidung

Die Beschwerde der Frau wurde vom Oberlandesgericht
zurückgewiesen.

Nach einer Trennung hat der wirtschaftlich schwächere
Ehepartner einen Anspruch auf Trennungsunterhalt. Grundsätzlich gilt aber schon
für die Zeit des Getrenntlebens das Prinzip der Eigenverantwortung. Darauf kann
der Ex-Partner jedoch nur verwiesen werden, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen
Verhältnissen erwartet werden kann. Berücksichtigt werden hierbei eine frühere
Erwerbstätigkeit, die Dauer der Ehe und die wirtschaftlichen Verhältnisse
beider Ehegatten.

Hat der wirtschaftlich schwächere Partner bereits
während der Ehe zumindest teilweise gearbeitet, kann ihn schon während des
ersten Trennungsjahres eine Erwerbsobliegenheit treffen. Das gilt selbst dann,
wenn er im Zeitpunkt der Trennung erwerbslos war.

Die Bemühungen der Frau um eine Erwerbstätigkeit
hielten die Richter für nicht ernsthaft und unzureichend. Aufgrund ihrer
abgeschlossenen Ausbildung hätte sie innerhalb von 6 Monaten eine Arbeit finden
können. Deshalb war die Kürzung des Trennungsunterhalts um ein fiktives
Einkommen in Höhe des zuletzt erzielten bereinigten Nettoeinkommens rechtens.

 

14. Kündigung
eines Mietvertrags: Wann gilt ein Eigenbedarf als vorgetäuscht?

 

Wer seinen Mietern aus Eigenbedarf
kündigt, sollte auch tatsächlich Eigenbedarf haben. Denn ansonsten könnte der
Vermieter zu Schadensersatz verpflichtet sein.

 

Hintergrund

Im
Jahr 2009 hatte der Vermieter den Mietern das Haus zum Kauf angeboten, man
konnte sich allerdings nicht über den Kaufpreis einigen. Im November 2010 hatte
der Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs für seinen Neffen
gekündigt. Ende Juli 2012 zogen die Mieter aus. Im April 2013 verkaufte der
Vermieter das Haus.

Die
Mieter sind der Ansicht, dass der Vermieter den Eigenbedarf für seinen Neffen
nur vorgeschoben hatte. Tatsächlich wollte er das Haus ohne Mieter verkaufen,
um so einen höheren Kaufpreis erzielen zu können. Die Mieter verlangen deshalb
Schadensersatz von mehr als 60.000 EUR.

 

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof kam zu dem Schluss, dass nicht
ausgeschlossen werden kann, dass der vom Vermieter behauptete Eigenbedarf nur
vorgeschoben war. Denn auch 2010, als er die Eigenbedarfskündigung aussprach,
und 2011 bemühte sich der Vermieter um den Verkauf des Hauses.

Ein vorgeschobener Eigenbedarf würde hier vorliegen,
wenn der Vermieter die Vermietung an seinen Neffen vorgenommen hat, um diesen
im Fall eines Verkaufs ohne Probleme zum Auszug bewegen zu können. Die
ehemaligen Mieter könnten dann Schadensersatz verlangen.