Mandantenbrief Steuern Privatpersonen August 2014

 

Privatbereich
1. Kein Schuldzinsenabzug nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht
2. Abzug nachträglicher Schuldzinsen als Werbungskosten
3. Kindergeld in der Unternehmensphase bei „PreMaster-Programm“
4. Einzelfragen zur Spendenhaftung geklärt
5. Finanzamt darf bei Nachzahlungszinsen nicht übertreiben
6. Bundesgerichtshof entscheidet: Kein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms
7. Kündigung wegen Hinaustragens der Vermieterin ist unwirksam
8. Untervermietung bei Auslandsaufenthalt erlaubt
9. Fahrtkosten können für Behinderte zur Steuerfalle werden
10. Häusliches Arbeitszimmer bei Poolarbeitsplatz
11. Betreute Kinder sind unfallversichert
12. Werbungskostenabzug für „umgekehrte Familienheimfahrten“ zulässig
13. Vorfälligkeitsentschädigung bei Immobilienverkauf: Kein Werbungskostenabzug

  1. 1. Kein Schuldzinsenabzug nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht

    Ein Abzug nachträglicher Schuldzinsen kommt nicht in Betracht, wenn die Einkünfteerzielungsabsicht bereits vor Verkauf der Immobilie weggefallen ist.

    Hintergrund
    Der Kläger erwarb 1999 ein u. a. mit einer Gaststätte und mit 7 Ferienwohnungen bebautes Grundstück, aus dem er in den Streitjahren 2003 bis 2006 (negative) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte. Wegen mangelnder Rentabilität des Gesamtobjekts versuchte der Kläger – parallel zu seinen Vermietungsbemühungen – ab Mai 2003, das Objekt zu veräußern, was letztlich 2008 gelang. Das Finanzamt ging davon aus, dass der Kläger seine Einkünfteerzielungsabsicht mit Blick auf die seit 2003 unternommenen Verkaufsbemühungen aufgegeben habe und berücksichtigte dementsprechend die vom Kläger in den Streitjahren ermittelten Einkünfte aus der Immobilie nicht. Das Finanzgericht gab der Klage in diesem Punkt teilweise statt. Es ging zwar auch davon aus, dass der Kläger seine Einkünfteerzielungsabsicht schon 2003 aufgegeben habe; unbeschadet dessen seien die in den Streitjahren vom Kläger gezahlten „nachträglichen Schuldzinsen“ aber nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung als Werbungskosten einkünftemindernd zu berücksichtigen.

    Entscheidung
    Der Bundesfinanzhof hob die Vorentscheidung auf und wies die Sache an das Finanzgericht zurück. Dabei hob er hervor, dass ein fortdauernder Veranlassungszusammenhang von sog. „nachträglichen Schuldzinsen“ mit früheren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht anzunehmen sei, wenn der Steuerpflichtige zwar ursprünglich mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat, seine Absicht zu einer (weiteren) Einkünfteerzielung jedoch bereits vor der Veräußerung des Immobilienobjekts aus anderen Gründen weggefallen ist.

  2. 2. Abzug nachträglicher Schuldzinsen als Werbungskosten

    Nachträgliche Schuldzinsen können auch im Fall einer nicht steuerbaren Veräußerung einer vermieteten Immobilie grundsätzlich als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden.

    Hintergrund
    Der Kläger war an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt, die im Jahr 1996 ein Mehrfamilienhaus errichtete, welches nach Fertigstellung der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung diente. Die GbR veräußerte das Mehrfamilienhaus im Jahr 2007 – nach Ablauf der einkommensteuerrechtlichen Veräußerungsfrist. Der Erlös aus der nicht steuerbaren Veräußerung der Immobilie reichte nicht aus, um die im Zuge der Herstellung des Objekts aufgenommenen Darlehensverbindlichkeiten vollständig auszugleichen. Das verbliebene Restdarlehen wurde daher anteilig durch den Kläger getilgt. Hierfür musste er ein neues (Umschuldungs-)Darlehen aufnehmen; die auf dieses Darlehen gezahlten Schuldzinsen machte der Kläger im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2009 und 2010 als (nachträgliche) Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend.

    Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Schuldzinsen nicht; das Finanzgericht gab dem Kläger demgegenüber Recht.

    Entscheidung
    Die Entscheidung knüpft an ein älteres Urteil an, mit dem der Bundesfinanzhof den nachträglichen Schuldzinsenabzug auch schon im Fall einer steuerbaren Veräußerung zugelassen hatte. In seiner aktuellen Entscheidung erweitert der Bundesfinanzhof nunmehr die Möglichkeit des Schuldzinsenabzugs: Ein solcher ist grundsätzlich auch nach einer nicht steuerbaren Veräußerung der Immobilie möglich, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können. Voraussetzung ist dafür aber u. a., dass der Steuerpflichtige den aus der Veräußerung der bislang vermieteten Immobilie erzielten Erlös – soweit nicht Tilgungshindernisse entgegenstehen – stets und in vollem Umfang zur Ablösung des Anschaffungsdarlehens verwendet.

    Auch auf Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen gezahlte Schuldzinsen erkennt der Bundesfinanzhof grundsätzlich an, soweit die Valuta des Umschuldungsdarlehens nicht über den abzulösenden Restdarlehensbetrag hinausgeht und die Umschuldung sich im Rahmen einer marktüblichen Finanzierung – wozu regelmäßig auch eine vertraglich fixierte Tilgungsvereinbarung gehört – bewegt.

  3. 3. Kindergeld in der Unternehmensphase bei „PreMaster-Programm“

    Eltern können für ihre Kinder auch für die Dauer der Unternehmensphase eines sog. „PreMaster-Programms“ grundsätzlich Kindergeld bekommen.

    Hintergrund
    Mit einem „PreMaster-Programm“ unterstützen Unternehmen Absolventen von Bachelor-Studiengängen auf dem Weg zum Abschluss eines Master-Studiums. In der dem eigentlichen Master-Studium vorangehenden einjährigen sog. „Unternehmensphase“ werden den angehenden Studenten im Betrieb fachspezifische Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen vermittelt. Im Rahmen dieses Trainings „on-the-job“ werden sie im Unternehmen einer „Ankerabteilung“ zugewiesen und von einem persönlichen Mentor betreut. Die Teilnehmer sind verpflichtet, unmittelbar nach Abschluss der Unternehmensphase ein Masterstudium aufzunehmen.

    Im Streitfall hatte die beklagte Familienkasse diese Unternehmensphase wegen des vorangegangenen Bachelorstudiums als Zweitausbildung und – wegen des von dem Unternehmen gezahlten erheblichen Entgelts – als eine Erwerbstätigkeit angesehen, die einem Anspruch auf Kindergeld entgegenstehe.

    Entscheidung
    Dem ist das Finanzgericht nicht gefolgt. Es sieht in der Unternehmensphase ein sog. Ausbildungsdienstverhältnis, weil es darauf ausgerichtet sei, die Zeit und die Arbeitskraft des Teilnehmers in erster Linie für dessen Ausbildung und nicht für Erwerbszwecke innerhalb des Unternehmens einzusetzen. Mit dieser Begründung hat das Gericht daher für diesen Zeitraum der Klage eines Vaters auf Gewährung von Kindergeld für seine Tochter stattgegeben.

  4. 4. Einzelfragen zur Spendenhaftung geklärt

    Wer wann und in welcher Höhe für falsch ausgestellte Spendenbescheinigungen oder zweckfremde Mittelverwendungen haftet, stellt die Oberfinanzdirektion Frankfurt mit Verfügung vom 17.3.2014 dar. Besonderes Augenmerk legt die Oberfinanzdirektion dabei auf die Bestimmung des Haftungsschuldners und den Vertrauensschutz beim Zuwendenden.

    Wer vorsätzlich oder grob fahrlässig eine falsche Spendenbescheinigung ausstellt oder die zweckfremde Verwendung von Spendenmitteln veranlasst, haftet für die entgangene Steuer. Insoweit wird also zwischen einer Aussteller- und einer Veranlasserhaftung unterschieden.

    Welche Grundsätze bei der Haftungsinanspruchnahme gelten, hat die Oberfinanzdirektion Frankfurt nun mit Verfügung vom 17.3.2014 dargestellt. Folgende Aspekte dieser Weisung sind hervorzuheben:

    • Der Ausstellerhaftung unterliegt grundsätzlich nur die betroffene Körperschaft, da Zuwendungsbestätigungen ausdrücklich nur vom Empfänger ausgestellt werden dürfen. Gegenüber einer natürlichen Person kann eine Ausstellerhaftung allenfalls dann eingreifen, wenn diese außerhalb des ihr zugewiesenen Wirkungskreises gehandelt hat.
    • In Fällen der Veranlasserhaftung muss ebenfalls vorrangig die Körperschaft in Haftung genommen werden.
    • Eine natürliche Person ist als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, wenn sie selbst Zuwendungsempfänger ist und die unrichtigen Zuwendungsbestätigungen ausgestellt hat.
    • Im Fall von BGB-Gesellschaften und Gemeinschaften kommen als Haftungsschuldner zwar grundsätzlich sämtliche Gesellschafter in Betracht, vorrangig soll aber die jeweils handelnde Person in Anspruch genommen werden.
    • Bei der Haftungsprüfung muss stets übergeprüft werden, ob der Zuwendende gutgläubig war (Kopplung des Haftungstatbestands an den Vertrauensschutz beim Zuwendenden).
    • Der Zuwendende darf darauf vertrauen, dass die ausgestellte Bestätigung richtig ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn er die Bestätigung durch unlautere Mittel oder falsche Angaben erwirkt hat, ihm die Unrichtigkeit der Bestätigung bekannt war oder aufgrund einer groben Fahrlässigkeit nicht bekannt war. Zudem darf der Zuwendende den Abzug der Spende nicht mehr in seiner Steuererklärung beantragen, sobald der Aussteller ihm gegenüber die unrichtige Zuwendungsbestätigung widerrufen hat (Entfall des Vertrauensschutzes).
    • Die entgangene Steuer, für die der Haftenden in Anspruch genommen wird, beträgt 30 % der Zuwendungsbeträge. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, in welchem Umfang sich die Spenden bei den Zuwendenden tatsächlich steuermindernd ausgewirkt haben.
    • Die Bemessungsgrundlage für die 30 %ige Haftungshöhe bilden in Fällen der Ausstellerhaftung die Zuwendungen, die in unrichtigen Zuwendungsbestätigungen ausgewiesen wurden. In Fällen der Veranlasserhaftung ist die Summe der fehlverwendeten Zuwendungen heranzuziehen.
    • Die Festsetzungsfrist für die Spendenhaftung ist an die Festsetzungsfrist gekoppelt, die für die Körperschaftsteuer des Zuwendungsempfängers gilt.
    • Bevor ein Haftungsbescheid erteilt wird, müssen die Finanzbehörden dem Haftenden zunächst rechtliches Gehör gewähren. Im Bescheid müssen sie später zudem die Gründe für die getroffene Ermessensentscheidung darstellen.
  5. 5. Finanzamt darf bei Nachzahlungszinsen nicht übertreiben

    Eheleute stehen immer wieder vor der Frage, wie sie ihre Einkünfte dem Finanzamt erklären sollen: in einer gemeinsamen oder einer getrennten Einkommensteuererklärung? Je nach Entwicklung der Einkommen sollten die Partner immer wieder prüfen, ob die gewählte Veranlagungsform noch die richtige ist. Insbesondere wenn beide gewerblich aktiv sind, empfiehlt sich eine genaue Prüfung, wie ein Streitfall vor dem Finanzgericht Münster zeigt.

    Zum Hintergrund
    Ein Ehepaar, das im Streitjahr 2006 mit einem Gewerbebetrieb sehr gut verdiente, hatte sich für eine getrennte Veranlagung entschieden. Dabei wies der Ehemann keine Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb aus und musste dem entsprechend auch wenig Steuern zahlen. Bei einer Betriebsprüfung im Jahr 2011 kam die Beteiligung jedoch ans Tageslicht mit der Folge, dass die Gewinnzuweisung zwischen den Eheleuten neu aufgeteilt und eine satte Steuernachzahlung von 328.000 EUR fällig wurde. Erschwerend kamen Nachzahlungszinsen von 80.000 EUR hinzu.

    Um diese finanzielle Belastung zu reduzieren, beantragte das Ehepaar den Wechsel in die gemeinsame Veranlagung. Damit reduzierte sich die Einkommensteuernachzahlung auf 151.000 EUR. Dennoch verlangte das Finanzamt Nachzahlungszinsen in unveränderter Höhe.

    Nachdem das Finanzamt den Antrag auf Halbierung der Nachzahlungszinsen abgelehnt hatte, zogen die Eheleute vor das Finanzgericht Münster mit der Begründung, dass nur auf die endgültig festgesetzte Steuer von 151.000 EUR Zinsen berechnet werden dürften.

    Finanzgericht: Entscheidung des Finanzamts rechtswidrig
    So sah es auch das Finanzgericht Münster. Die Begründung der Richter: Einen Teil der Zinsen nicht zu erlassen, sei ein Ermessensfehler und damit rechtswidrig. Zwar entspräche es der Gesetzeslage, dass die Nachzahlungszinsen auf Grundlage der ursprünglichen Steuernachforderung zu berechnen sind. Auch eine rückwirkende Umstellung auf eine Zusammenveranlagung habe keine Auswirkungen für bereits festgesetzte Zinsen. Diese Regelung könne im Einzelfall jedoch nicht angemessen sein.

    Daher muss das Finanzamt über den Antrag der Kläger neu entscheiden. Hierbei müsse es bei der Berechnung der Zinsen deutlich machen, welchen Liquiditätsvorteil der Kläger gehabt habe. Des Weiteren müsse sich das Finanzamt mit der Frage auseinandersetzen, ob der Wechsel in eine andere Veranlagungsform eine Zinsfestsetzung erst ab der Kenntnis einer belastenden Feststellung auslöst.

    Praxistipp
    Die rechtlichen Grundlagen für Nachzahlungszinsen sind in § 233a der Abgabenordnung geregelt, der auch Gegenstand dieses Rechtsstreits ist. Er gilt als eine schwierigsten Bestimmungen der gesamten Abgabenordnung. Zwar ist der Ausgangsfall, dass die Nachverzinsung 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 AO), einsetzt, noch als relativ einfach anzusehen. Den richtigen Zinsbetrag zu ermitteln, wenn die Steuerfestsetzung später geändert wird so wie in diesem Fall, bereitet aber erhebliche Probleme.

    Denn der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zufolge ist ein erstmaliger Antrag auf Zusammenveranlagung zwar als ein Ereignis mit Rückwirkung anzusehen, das aber nach der gesetzlichen Regelung in der Abgabeordnung keine Auswirkungen auf die Berechnung der Zinsnachzahlung haben kann. Zweck der Bestimmung ist es lediglich, die Zinsvorteile, die der Steuerzahler aufgrund der verspäteten Steuerzahlung hatte, abzuschöpfen oder auch Zinsnachteile zu beseitigen. Im Streitfall hatte der Kläger indes keinen Zinsvorteil erlangt, sodass die Festsetzung der Zinsen zumindest in der Höhe, wie sie vor dem Antrag auf Zusammenveranlagung berechnet wurde, dem Sinn des Gesetzes widersprach. Die Entscheidung des Finanzgerichts ist daher plausibel, die endgültige Berechnung aber weiterhin dem Finanzamt überlassen.

  6. 6. Bundesgerichtshof entscheidet: Kein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms

    Der Bundesgerichtshof hat endlich, aber nicht abschließend, entschieden, ob Radfahrern ohne Schutzhelm bei Unfällen weniger Schadenersatz zugesprochen werden kann. Es ging um die Frage, ob für Freizeitradler und Radler auf dem Weg zur Arbeit das Nichttragen eines Helms eine Obliegenheitsverletzung darstellt und damit zu einer entsprechenden Mithaftungsquote führt.

    Geklagt hatte, mit Unterstützung des ADFC, eine Radfahrerin aus Schleswig-Holstein. Sie war 2011 auf dem Weg zur Arbeit schwer am Kopf verletzt worden.

    Radfahrerin mit Autotür zu Fall gebracht
    Eine Autofahrerin hatte am Straßenrand geparkt und unmittelbar vor der sich nähernden Radfahrerin die Tür geöffnet. Die Radlerin prallte dagegen und stürzte. Von der Autofahrerin und deren Versicherung verlangt sie Schadenersatz.

    Oberlandesgericht entschied noch auf Mitverschulden
    Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hatte der Klägerin ein Mitverschulden von 20 % angelastet, weil sie keinen Schutzhelm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen habe.

    Der Bundesgerichtshof hat nun das Urteil aufgehoben und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Nichttragen eines Fahrradhelms führt nicht zu einer Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens.

    Für Radfahrer ist Tragen eines Schutzhelms nicht Pflicht

    Die Begründung des Bundesgerichtshofs
    Für Radfahrer sei das Tragen eines Schutzhelms nicht vorgeschrieben.

    • Zwar könne einem Geschädigten auch ohne einen Verstoß gegen Vorschriften haftungsrechtlich ein Mitverschulden anzulasten sein,
    • dazu müsse er aber diejenige Sorgfalt außer Acht lassen, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt.

    Zu unvorsichtig? Nicht nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum Unfallzeitpunkt
    Ein solches Mitverschulden wäre hier laut Bundesgerichtshof zu bejahen, wenn das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre. Ein solches Verkehrsbewusstsein hat es jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin noch nicht gegeben.

    Die allermeisten fahren „ohne“
    So trugen nach repräsentativen Verkehrsbeobachtungen der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2011 innerorts nur 11 % der Fahrradfahrer einen Schutzhelm.

    Das reichte dem Bundesgerichtshof nicht, um den fehlenden Helm bei der Klägerin zu sanktionieren und eine Kürzung des Schadensersatzes durch die Kfz-Haftpflicht der Autofahrerin abzunicken.

    Hinweis
    Inwieweit in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichtragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann, war nicht zu entscheiden. Das Oberlandesgericht betonte in seiner Entscheidung, dass ein sportlich fahrender Radfahrer, der sich nicht lediglich von A nach B bewege, sondern das Fahrrad auch als Sportgerät nutze, fahrlässig handle, wenn er ohne Helm fahre.

    Merke aber auch: Fahren ohne Helm gefährdet Ihre Gesundheit! warnt die Weltgesundheitsorganisation.

  7. 7. Kündigung wegen Hinaustragens der Vermieterin ist unwirksam

    Wehrt sich der Mieter gegen eine Verletzung seines Hausrechts durch die Vermieterin dadurch, dass er die Vermieterin vor die Tür trägt, rechtfertigt dies nicht ohne weiteres die Kündigung des Mietverhältnisses.

    Hintergrund
    Die Vermieterin eines Hauses verlangt vom Mieter nach einer fristlosten Kündigung die Räumung. Das Mietverhältnis besteht seit Juli 2006.

    Am 16.8.2012 suchte die Vermieterin den Mieter vereinbarungsgemäß auf, um Rauchwarnmelder im Haus zu begutachten. Nachdem die Vermieterin gegen den Willen des Mieters versucht hatte, weitere Zimmer zu betreten, kam es zu einer Auseinandersetzung. Der Mieter forderte die Vermieterin auf, das Haus zu verlassen. Dem kam die Vermieterin nicht nach. Daraufhin umfasste der Mieter die Vermieterin mit den Armen und trug sie aus dem Haus.

    Aufgrund dieses Vorfalls kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich. Da der Mieter die Kündigung nicht akzeptiert, klagt die Vermieterin auf Räumung.

    Entscheidung
    Der Bundesgerichtshof gibt dem Mieter Recht. Die Kündigung ist weder als fristlose noch als ordentliche Kündigung wirksam.

    Die Vertragsparteien hatten vereinbart, dass die Vermieterin (nur) die Räume mit den angebrachten Rauchmeldern in Augenschein nehmen sollte. Zu einer weiteren eigenmächtigen Besichtigung war die Vermieterin nicht berechtigt. Indem die Vermieterin gleichwohl gegen den Willen des Mieters eine Besichtigung anderer Räume durchsetzen wollte und das Haus trotz Aufforderung des Vermieters nicht verlassen hat, hat sie das Hausrecht des Mieters verletzt. Sie trägt deshalb zumindest eine Mitschuld an dem nachfolgenden Geschehen.

    Mitverschulden der Vermieterin
    Angesichts der Gesamtumstände, insbesondere des vorangegangenen pflichtwidrigen Verhaltens der Vermieterin, ist das mit der Kündigung beanstandete Verhalten des Mieters keine so gravierende Pflichtverletzung, dass der Vermieterin nicht zugemutet werden könnte, das Mietverhältnis fortzusetzen; dies selbst dann, wenn der Mieter die Grenzen erlaubter Notwehr geringfügig überschritten haben sollte. Eine fristlose Kündigung war daher nicht gerechtfertigt.

    Auch eine Vertragsverletzung von einem Gewicht, das ein berechtigtes Interesse der Vermieterin an der Beendigung des Mietvertrags rechtfertigt, lag unter diesen Umständen nicht vor. Deshalb ging auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung ins Leere.

  8. 8. Untervermietung bei Auslandsaufenthalt erlaubt

    Ein längerer beruflicher Auslandsaufenthalt des Mieters begründet ein berechtigtes Interesse daran, Teile der Wohnung unterzuvermieten. Verweigert der Vermieter die Erlaubnis zur Untervermietung pflichtwidrig, muss er Schadensersatz leisten.

    Hintergrund
    Die Mieter einer Wohnung verlangen von der Vermieterin Schadensersatz, weil die Vermieterin einer Untervermietung der Wohnung nicht zugestimmt hat.

    Das Mietverhältnis über die Dreizimmerwohnung besteht seit 2001. Seit November 2010 halten sich die Mieter in Kanada auf, weil einer von ihnen zum 1.1.2011 eine zeitlich befristete Tätigkeit in Ottawa aufgenommen hat.

    Im August 2010 unterrichteten die Mieter die Hausverwaltung von ihrer Absicht, die Wohnung mit Ausnahme eines von ihnen weiter genutzten Zimmers ab dem 15.11.2010 voraussichtlich für zwei Jahre an eine namentlich benannte Interessentin unterzuvermieten, weil sie sich in dieser Zeit aus beruflichen Gründen regelmäßig im Ausland aufhalten würden.

    Die Vermieterin verweigerte die Zustimmung zur Untervermietung. Daraufhin klagten die Mieter auf Zustimmung. Das Amtsgericht verurteilte die Vermieterin im Oktober 2011, der Untervermietung bis Ende 2012 zuzustimmen.

    Die Mieter verlangen nun von der Vermieterin Zahlung entgangener Untermiete für den Zeitraum 15.11.2010 bis 30.10.2011 in Höhe von 7.475 EUR.

    Entscheidung
    Der Bundesgerichtshof gibt den Mietern Recht. Die Vermieterin muss Schadensersatz zahlen.

    Die Mieter hatten einen Anspruch auf Gestattung der Untervermietung zweier Zimmer. Indem die Vermieterin die Zustimmung zur Untervermietung verweigert hat, hat sie schuldhaft eine mietvertragliche Pflicht verletzt und ist zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens in Form des Mietausfalls verpflichtet.

    Der Wunsch der Mieter, im Hinblick auf die befristete Arbeitstätigkeit eines der Mieter im Ausland von berufsbedingt entstehenden Reise- und Wohnungskosten entlastet zu werden, stellt ein berechtigtes Interesse zur Untervermietung eines Teils der Wohnung dar. Dem Anspruch auf Gestattung der Untervermietung stand auch nicht entgegen, dass die Mieter nur ein Zimmer der Dreizimmerwohnung von der Untervermietung ausnehmen und auch dieses während ihres Auslandsaufenthalts nur gelegentlich zum Übernachten nutzen wollten.

    Das Gesetz gibt weder vor, wie groß der beim Mieter verbleibende Teil der Wohnung sein muss, noch trifft es eine Aussage, wie der Mieter diesen Rest nutzen muss. Es reicht aus, wenn der Mieter ein Zimmer zurückbehält, um hierin Einrichtung zu lagern und/oder hierin gelegentlich zu übernachten.

    Die Vermieterin kann sich bezüglich der verweigerten Zustimmung zur Untervermietung nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen. Die Frage, ob der Mieter in Fällen wie dem vorliegenden die Erlaubnis zur Untervermietung beanspruchen kann, war zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt. Die Vermieterin hätte aber in Erwägung ziehen müssen, dass sie der Untervermietung zustimmen muss. Das Risiko eines Irrtums kann sie nicht auf die Mieter übertragen.

  9. 9. Fahrtkosten können für Behinderte zur Steuerfalle werden

    Setzt das Versorgungsamt per Bescheid den Grad der Behinderung herab, hat das steuerliche Folgen für die Betroffenen. Denn das Finanzamt kann nachträglich die Absetzbarkeit der Kosten für Fahrten zur Arbeit einschränken, wenn der Bescheid erst später rechtskräftig wird.

    Hintergrund
    Arbeitnehmer können die Fahrtkosten zum Arbeitsplatz über die Entfernungspauschale in ihrer Steuererklärung geltend machen. Für Behinderte gibt es sogar eine erweiterte Abzugsmöglichkeit. Denn bei einem Behinderungsgrad von mehr als 70 % können die Betroffenen entweder die tatsächliche Höhe der Fahrtkosten oder die allgemeine Kilometerpauschale von 0,30 Cent ansetzen.

    Glücklicherweise verbessert sich bei manchen Betroffenen der Gesundheitszustand. Damit sinkt aber auch der Behinderungsgrad mit der Folge, dass sich auch die steuerliche Behandlung der Fahrtkosten ändern kann, wie der aktuelle Streitfall zeigt.

    Der Streitfall
    Im Mai 1994 hatte das Versorgungsamt den Kläger per Bescheid als Schwerbehinderten mit einem Behinderungsgrad von 80 % anerkannt. Diesen Bescheid hob das Amt jedoch im Dezember 1999 auf und setzte den Behinderungsgrad auf 20 % herab. Da der Kläger diesen Bescheid gerichtlich anfocht, blieb er in den Streitjahren von 2000 bis 2007 weiterhin Inhaber des ursprünglichen Schwerbehindertenausweises. Folglich machte er in seinen Steuererklärungen weiterhin die tatsächlichen Fahrtkosten geltend.

    Im Januar 2007 wies das Bundessozialgericht die Klage des Behinderten jedoch in letzter Instanz zurück. Folge: Das Finanzamt zog mit einem neuen Feststellungsbescheid für die steuerliche Behandlung der Fahrkosten nach. Im Klartext: Es berücksichtigte für die Fahrten zum Arbeitsplatz nicht die tatsächlichen Kosten, sondern nur die Entfernungspauschale.

    Damit war der Kläger nicht einverstanden. Vor dem Finanzgericht begründete er seine Klage gegen den Feststellungsbescheid damit, dass er bis Juni 2007 im Besitz eines gültigen Schwerbehindertenausweises gewesen sei und damit auch die erhöhten Wegekosten geltend machen konnte. Der abweichende Feststellungsbescheid vom Dezember 1999 stehe dem nicht entgegen, da er erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundessozialgericht im Januar 2007 bestandskräftig geworden sei. Das Finanzgericht wies die Klage jedoch ab und ließ auch die Revision zum Bundesfinanzhof nicht zu.

    Bundesfinanzhof weist Beschwerde zurück
    Auch die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesfinanzhof, mit der der Kläger die Zulassung der Revision erreichen wollte, war nicht erfolgreich. Die Richter verwiesen vielmehr auf die bisherige Rechtsprechung. Trotz der Gültigkeit des Schwerbehindertenausweises bis zum bestandskräftigen Abschluss des Verfahrens vor dem Bundessozialgericht sei korrekt gewesen, die Einkommensteuerbescheide rückwirkend zu ändern, wenn wie im Streitfall der Behinderungsgrad rückwirkend geändert wurde.

    Die Richter des Bundesfinanzhofs machten klar, dass auch in diesem Fall der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Vorrang habe. Mit der rechtskräftigen Herabsetzung des Behinderungsgrades sei es daher notwendig gewesen, die Fahrtkosten entsprechend steuerlich anders zu behandeln.

    Praxistipp
    Der Hinweis des Bundesfinanzhofs auf den Grundsatz der Besteuerung der Leistungsfähigkeit mag sehr formal klingen, dennoch werden Betroffene in solchen Fällen nicht an dieser Argumentation vorbeikommen. Auch in Zukunft werden sich solche Streitfälle nicht vermeiden lassen. Betroffene sollten daher in schwebenden Verfahren finanzielle Vorsorge treffen, damit sie nicht mit hohen Steuernachzahlungen konfrontiert werden, wenn die Sozialgerichte entsprechende Bescheide Jahre später für rechtskräftig erklären.

  10. 10. Häusliches Arbeitszimmer bei Poolarbeitsplatz

    Ein Poolarbeitsplatz steht neben dem häuslichen Arbeitszimmer nicht als anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, wenn er nicht in dem konkret erforderlichen Umfang genutzt werden kann.

    Dem Betriebsprüfer P stand an seiner Dienststelle kein fester Arbeitsplatz, sondern lediglich ein Poolarbeitsplatz im Verhältnis von 8 Prüfern zu 3 Arbeitsplätzen zur Verfügung. Die Prüfungen und Schlussbesprechungen führte P regelmäßig in den Unternehmen durch. Die Vor- und Nacharbeiten (Fallauswahl, Prüfungsvorbereitung, Fertigung der Prüfberichte usw.) erledigte er in seinem häuslichen Arbeitszimmer. Den Poolarbeitsplatz nutzte er lediglich für das Abrufen von E-Mails und das Updaten seines Rechners. Einen Antrag auf Zuweisung eines festen Arbeitsplatzes hatte P nicht gestellt.

    Das Finanzamt versagte den Werbungskostenabzug mit der Begründung, P habe mit dem Poolarbeitsplatz ein anderer Arbeitsplatz an der Dienststelle zur Verfügung gestanden. Ein anderer Arbeitsplatz stehe dem Arbeitnehmer nur dann nicht zur Verfügung, wenn er auch auf Antrag keinen ausreichenden Arbeitsplatz nutzen könne.

    Das Finanzgericht vertrat eine großzügigere Auffassung und gab der Klage statt. Denn angesichts der umfangreichen Büroarbeiten hätte A bei der Belegung der 3 dienstlichen Arbeitsplätze mit 8 Prüfern nicht jederzeit auf einen für ihn nutzbaren Arbeitsplatz zugreifen können.

    Entscheidung
    Der Bundesfinanzhof gab ebenfalls dem Betriebsprüfer Recht.

    Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind – bis zur Grenze von 1.250 EUR – nur dann als Werbungskosten abziehbar, wenn dem Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. „Anderer Arbeitsplatz“ ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Auch ein Raum, den sich der Arbeitnehmer mit weiteren Personen teilt, z. B. in einem Großraumbüro, kann daher ein anderer Arbeitsplatz sein. In diesem Sinne ist grundsätzlich auch ein Poolarbeitsplatz als ein anderer Arbeitsplatz zu werten.

    Der andere Arbeitsplatz steht allerdings nur dann für die berufliche Tätigkeit zur Verfügung, wenn er in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich genutzt werden kann. Denn nur dann ist der Arbeitnehmer nicht auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen. Ist das häusliche Arbeitszimmer dagegen notwendig, kann sich der Arbeitnehmer den Aufwendungen nicht entziehen mit der Folge, dass das gesetzliche Abzugsverbot nach seinem Sinn und Zweck nicht zum Tragen kommt.

    Die Kosten sind jedoch nicht bereits dann abziehbar, wenn der Arbeitnehmer nicht jederzeit auf den anderen Arbeitsplatz zugreifen kann. Deshalb kann auch ein Poolarbeitszimmer als Arbeitsplatz zur Verfügung stehen, wenn nach den tatsächlichen Gegebenheiten, z. B. durch eine organisierte Nutzungseinteilung, gewährleistet ist, dass der Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit in dem konkret erforderlichen Umfang dort erledigen kann.

    Hiervon ausgehend bestätigt der Bundesfinanzhof die Auffassung des Finanzgerichts, dass P der Poolarbeitsplatz nicht in dem zur Verrichtung seiner Innendienstarbeiten erforderlichen Umfang zur Verfügung stand. Denn die 3 Schreibplätze reichten nicht aus, um alle Innendiensttätigkeiten zu verrichten. Wegen der zu geringen Anzahl der Arbeitsplätze (3 Plätze für 8 Prüfer) war nicht gewährleistet, dass P in zeitlicher Hinsicht seine gesamte Innendiensttätigkeit dort hätte erledigen können.

    Hinweis
    Haben die Arbeitskollegen untereinander oder mit dem Arbeitgeber Absprachen über die wechselseitige Nutzung der Poolarbeitsplätze getroffen und ist damit gewährleistet, dass der Arbeitnehmer seinen konkreten Arbeiten nachkommen kann, steht ihm ein Arbeitsplatz zur Verfügung mit der Folge, dass der Werbungskostenabzug ausgeschlossen ist.

    Der Streitfall lässt daher an die Konstellation denken, dass alle 8 Betriebsprüfer im Wesentlichen von zu Hause aus arbeiten und das Prüferzimmer im Amt praktisch nur zur Aufbewahrung von Akten usw. genutzt wird. Auch wenn nicht alle Prüfer gleichzeitig dort arbeiten können, so wäre es wohl lebensfremd anzunehmen, bei vorhandenen 3 Schreibtischen stehe dem einzelnen Prüfer kein Arbeitsplatz im Amt zur Verfügung, wenn er ausnahmsweise – ggf. nach Absprache mit den Kollegen – einmal dort Akten bearbeiten will.

  11. 11. Betreute Kinder sind unfallversichert

    In Tageseinrichtungen betreute Kinder sind gesetzlich unfallversichert. Nach einem Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf kommt es nicht darauf an, ob das Kind durch das Jugendamt vermittelt worden ist und dieses (teilweise) die Betreuungskosten trägt. Voraussetzung ist nur, dass die Tagesmutter eine behördliche Betreuungserlaubnis hat.

    Geklagt hatte ein inzwischen 4-jähriges Kind aus Wuppertal, das sich während der Betreuung bei seiner Tagesmutter mit heißem Tee den Arm verbrüht hatte. Mit der Tagesmutter hatte ein privater Vertrag bestanden, die Betreuungskosten hatten die Eltern gezahlt. Das Kind hatte schwere Verletzungen erlitten, die eine mehrtägige stationäre Behandlung und eine Hauttransplantation erforderten.

    Gesetzliche Unfallversicherung oder Haftpflicht?
    Die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen hatte einen Arbeitsunfall anerkannt mit der Folge, dass sämtliche Behandlungskosten, auch die eventueller Folgeschäden, von der gesetzlichen Unfallversicherung getragen werden müssen. Die Tagesmutter ist aus der Haftung entlassen. Da die Eltern des Klägers jedoch einen Schmerzensgeldanspruch gegen die Tagesmutter durchsetzen wollten, hatten sie gegen die Anerkennung eines Versicherungsfalles geklagt. Sie waren der Ansicht, dass die gesetzliche Unfallversicherung nicht eingreife, sondern der Fall privatrechtlich abzuwickeln sei.

    Kindertagespflege ist unfallversichert
    Die Richter des Sozialgerichts Düsseldorf folgten dieser Argumentation nicht. Nach dem Wortlaut des Sozialgesetzbuches, das die Kindertagespflege im Jahr 2005 der gesetzlichen Unfallversicherung unterstellt habe, komme es nur darauf an, ob die Betreuungsperson eine behördliche Erlaubnis habe. Eine andere Auslegung entspräche nicht dem Sinn und Zweck der Regelung. Diese wolle den geänderten gesellschaftlichen Verhältnissen Rechnung tragen und alle Kinder, die tagsüber von geeigneten Personen betreut werden, unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stellen.

  12. 12. Werbungskostenabzug für „umgekehrte Familienheimfahrten“ zulässig

    Fahrtkosten einer Ehefrau für Besuche ihres auf wechselnden Baustellen tätigen Ehemannes können bei diesem als Werbungskosten abzugsfähig sein.

    Hintergrund
    Der Kläger ist als Monteur weltweit auf wechselnden Baustellen eingesetzt. Während eines Einsatzes in den Niederlanden besuchte ihn seine Ehefrau an insgesamt 3 Wochenenden. Hierfür machte der Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit einen Werbungskostenabzug geltend. Er legte eine Bescheinigung seines Arbeitgebers vor, wonach die Anwesenheit des Klägers auf der Baustelle auch an den Wochenenden aus produktionstechnischen Gründen erforderlich gewesen sei. Das Finanzamt versagte den Abzug mit der Begründung, es handele sich um Kosten der privaten Lebensführung.

    Entscheidung
    Dies sah der 12. Senat des Finanzgerichts Münster anders und gab der Klage statt. Die Besuchsfahrten seien zwar sowohl privat als auch beruflich veranlasst, jedoch überwiege die berufliche Veranlassung deutlich. Wäre der Kläger an den Wochenenden zum Familienwohnsitz gefahren, hätte er die hierdurch entstandenen Kosten als Werbungskosten abziehen können. Da solche Familienheimfahrten wegen dienstlicher Notwendigkeiten nicht möglich gewesen seien, müsse dasselbe für die Besuchsfahrten der Ehefrau (sog. „umgekehrte Familienheimfahrten“) gelten.

  13. 13. Vorfälligkeitsentschädigung bei Immobilienverkauf: Kein Werbungskostenabzug

    Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist grundsätzlich nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar. Das hat der Bundesfinanzhof entschieden.

    Hintergrund
    Die Klägerin veräußerte ein von ihr im Jahre 1999 erworbenes und seitdem vermietetes Immobilienobjekt im Jahr 2010. Im Veräußerungsvertrag hatte sich die Klägerin zur lastenfreien Übertragung des Grundstückes verpflichtet. Im Zuge der Ablösung einer Restschuld aus den zur Finanzierung der Anschaffungskosten des Objekts aufgenommenen Darlehen hatte die Klägerin Vorfälligkeitsentschädigungen zu leisten, die sie im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machte. Das Finanzamt berücksichtigte die Vorfälligkeitsentschädigungen nicht. Klage und Revision der Klägerin hatten keinen Erfolg.

    Entscheidung
    Schuldzinsen, die mit Einkünften in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, zählen zu den Werbungskosten. Der Begriff der Schuldzinsen umfasst auch eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung; denn diese ist Nutzungsentgelt für das auf die verkürzte Laufzeit in Anspruch genommene Fremdkapital.

    Im Streitfall konnte die Klägerin die geleisteten Vorfälligkeitsentschädigungen gleichwohl nicht bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen; es fehlte insoweit an einem wirtschaftlichen Zusammenhang (sog. Veranlassungszusammenhang) mit steuerbaren Einkünften. Zwar beruht eine Vorfälligkeitsentschädigung auf dem ursprünglichen Darlehen, das mit Blick auf die Finanzierung der Anschaffungskosten einer fremdvermieteten Immobilie aufgenommen wurde. Jedoch ist das für die Annahme eines Veranlassungszusammenhangs maßgebliche „auslösende Moment“ nicht der seinerzeitige Abschluss des Darlehensvertrags, sondern gerade dessen vorzeitige Ablösung. Diese mit der Darlehensgläubigerin vereinbarte Vertragsanpassung hat die Klägerin aber nur vorgenommen, weil sie sich zur lastenfreien Veräußerung des Grundstücks verpflichtet hatte. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht daher gerade nicht zwischen der Vorfälligkeitsentschädigung und der vormaligen Vermietung der Immobilie, sondern zwischen der Vorfälligkeitsentschädigung und der Veräußerung der Immobilie.