Privatbereich

  1. Gericht ist die erste Tätigkeitsstätte eines Gerichtsvollziehers
  2. Wo liegt die erste Tätigkeitsstätte eines Lokführers?
  3. Mindestens 10 Jahre Ehe: Warum diese Klausel den Zweck der Hinterbliebenenversorgung gefährdet
  4. Besuch einer Missionsschule ist keine Berufsausbildung
  5. Privates Veräußerungsgeschäft auch bei Enteignung?
  6. Heizkosten: Vermieter muss sich an Verteilungsmaßstab der Heizkostenverordnung halten
  7. Wann Veräußerungskosten einer Immobilie Werbungskosten sind
  8. Rückforderung von Kindergeld: Wann kommt ein Billigkeitserlass infrage?
  9. Auslandsentsendung: Unterliegen Reisekostenerstattungen dem Progressionsvorbehalt?
  10. Wenn das Finanzamt zur Ortsbesichtigung kommt: Liegt ein Verwaltungsakt vor?
  11. Heizkosten: Vereinbarung einer rein verbrauchsabhängigen Abrechnung ist möglich
  1. Gericht ist die erste Tätigkeitsstätte eines Gerichtsvollziehers

Die erste Tätigkeitsstätte liegt bei einem Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht. Deshalb kann er die Fahrten dorthin nur eingeschränkt mit der Entfernungspauschale steuerlich geltend machen.

Hintergrund

Der Kläger ist Gerichtsvollzieher, der im öffentlichen Dienst tätig ist. Er untersteht der Dienstaufsicht des jeweiligen Amtsgerichts. Der Kläger holte beim Amtsgericht regelmäßig 4- bis 5-mal pro Woche seine Vollstreckungsaufträge ab, welche die Grundlage seiner eigentlichen Berufstätigkeit darstellten.

Das Finanzamt setzte für die Fahrten des Klägers von seiner Wohnung zum Amtsgericht nur die Entfernungspauschale an, da es das Amtsgericht als erste Tätigkeitsstätte ansah. Der Kläger wollte dagegen für die Fahrten die Reisekostenpauschale anwenden.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied, dass das Amtsgericht für den Gerichtsvollzieher eine erste Tätigkeitsstätte darstellt. Deshalb hatte das Finanzamt zu Recht für die Fahrten des Klägers von seiner Wohnung zum Amtsgericht nur die Entfernungspauschale zum Abzug zugelassen.

Erste Tätigkeitsstätte ist eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der jeweilige Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Die Verwaltung knüpft an diesen Vorrang des Dienst- oder Arbeitsrechts an, hält aber ein gewisses Tätigwerden an der vom Arbeitgeber festgelegten Tätigkeitsstätte für erforderlich. Als ausreichend erachtet werden jedoch auch Hilfs- und Nebentätigkeiten in ganz geringem Umfang, soweit der Mitarbeiter persönlich an der Tätigkeitsstätte erscheint. Dies war vorliegend der Fall.

Es lag nach Ansicht des Gerichts kein weiträumiges Tätigkeitsgebiet vor. Denn es fehlte an den Absprachen oder Weisungen des Arbeitgebers, dieses typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen. Die Anforderungen für das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte waren also erfüllt.


  • 2. Wo liegt die erste Tätigkeitsstätte eines Lokführers?

Wann gilt ein Gelände des Arbeitgebers als „zusammenhängend”, sodass man von einer ersten Tätigkeitsstätte ausgehen kann? Nach Ansicht des Finanzgerichts Köln ist es dafür ausreichend, wenn die betrieblichen Einrichtungen über eine Werksbahn miteinander verbunden sind.

Hintergrund

Der Kläger war als angestellter Lokführer tätig. Die Fahrten zum Werksgelände rechnete er mit der Reisekostenpauschale ab und machte Verpflegungsmehraufwendungen geltend. Das Finanzamt berücksichtigte diese jedoch nicht, weil es sich um Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte handelte. Es lag seiner Ansicht nach keine Auswärtstätigkeit vor, da die Einrichtungen auf dem Gelände alle durch das Schienennetz zu einer Arbeitsstätte verbunden waren.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied, dass das Einsatzgebiet eines Lokführers seine erste Tätigkeitsstätte darstellte und daher ein Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen nicht infrage kam. Nach Auffassung des Gerichts handelte es sich bei dem Werksgelände um ein räumlich geschlossenes, zusammenhängendes betriebliches Gelände des Arbeitgebers.

Sollen Mitarbeiter aufgrund der Weisungen des Arbeitgebers ihre berufliche Tätigkeit typischerweise arbeitstäglich in einem sogenannten weiträumigen Tätigkeitsgebiet ausüben, findet für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Tätigkeitsgebiet ebenfalls die Entfernungspauschale Anwendung. Die Anwendung dieser Vorschrift verneinte das Finanzgericht jedoch für den vorliegenden Fall. Im Unterschied zu Förstern und Polizisten bewegte sich der Kläger nicht im öffentlichen Raum, sondern ausschließlich im betrieblichen Bereich. Er hatte deshalb auf dem Werksgelände seine erste Tätigkeitsstätte.

  • 3. Mindestens 10 Jahre Ehe: Warum diese Klausel den Zweck der Hinterbliebenenversorgung gefährdet

Eine Klausel, nach der nur dann eine Hinterbliebenenversorgung an den überlebenden Ehegatten gezahlt wird, wenn die Ehe mindestens 10 Jahre bestanden hat, ist unwirksam. Sie stellt eine unangemessene Benachteiligung des Versorgungsberechtigten dar.

Hintergrund

Die Klägerin und ihr Ehemann heirateten im Jahr 2011. Im Jahr 2015 verstarb der Mann. Die Klägerin forderte vom ehemaligen Arbeitgeber ihres Mannes die Zahlung einer Witwenrente. Der Arbeitgeber hatte eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt, verweigerte jedoch die Zahlung mit Verweis auf eine Regelung in der Versorgungszusage. Danach entfiel die Witwenversorgung, wenn die Ehe im Zeitpunkt des Todes des Versorgungsberechtigten nicht mindestens 10 Jahre bestanden hatte. Die Klägerin hielt den Ausschluss der Witwenversorgung für unwirksam.

Entscheidung

Nachdem die Klage der Witwe von den Vorinstanzen abgewiesen worden war, entschied das Bundesarbeitsgericht, dass die Klausel unwirksam war. Denn die Mindestehedauerklausel von 10 Jahren in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versorgungszusage stellte eine unangemessene Benachteiligung des Versorgungsberechtigten dar.

Durch eine vom Arbeitgeber zugesagte Hinterbliebenenversorgung soll der Ehepartner der Arbeitnehmer abgesichert werden. Wenn aber der Arbeitgeber den danach erfassten Personenkreis zulasten des Arbeitnehmers einschränkt, unterliegt dies der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Die Mindesteheklausel stellte nach Ansicht der Richter eine solche unangemessene Benachteiligung dar. Diese Ausschlussklausel legte rein willkürlich eine Zeitspanne fest, die ohne inneren Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis und zum verfolgten Zweck der Hinterbliebenenversorgung stand. Dadurch war die Hinterbliebenenversorgung gefährdet, zudem wurde der Versorgungsberechtigte unangemessen benachteiligt.


  • 4. Besuch einer Missionsschule ist keine Berufsausbildung

Der Besuch einer kirchlichen Schule stellt keine Berufsausbildung dar. Denn eine solche erfordert, dass der Erwerb der Kenntnisse regelmäßig einen konkreten Bezug zu dem angestrebten Beruf aufweisen muss.

Hintergrund

Die Klägerin beantragte für ihren volljährigen Sohn S Kindergeld. Dieser besuchte für 10 Monate eine Missionsschule. Die kirchliche Internatsschule hatte den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Familienkasse lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Ausbildung in der Missionsschule keine Berufsausbildung darstellte. Die Klägerin machte geltend, dass S eine berufliche Tätigkeit im sozialen, theologischen oder gesundheitlichen Bereich anstrebte. Der Besuch der Schule vermittelte auf einen Beruf in diesem Bereich vorbereitende Kenntnisse und Erfahrungen.

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg.

Entscheidung

Auch der Bundesfinanzhof entschied zuungunsten der Klägerin. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind, und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sind. Der Erwerb der Kenntnisse muss regelmäßig einen konkreten Bezug zu dem angestrebten Beruf aufweisen. Dieser Bezug wird grundsätzlich unterstellt, wenn eine Ausbildung im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsgangs erlernt wird. Der konkrete Bezug zu einem angestrebten Beruf ist in Fällen entscheidend, in denen der Ausbildungscharakter zweifelhaft ist.

Davon ausgehend fehlte es im vorliegenden Fall an einem konkreten Bezug zu einer von S angestrebten beruflichen Tätigkeit. Die Lernziele der Missionsschule dienten in überwiegendem Umfang der Persönlichkeits- und Charakterbildung. Insoweit hatten die für eine spätere Tätigkeit in einem sozialen, theologischen oder gesundheitlichen Beruf vermittelten Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen keine ausschlaggebende Bedeutung. Darüber hinaus vermittelte der Schulbesuch keinen Abschluss, der für eine spätere Tätigkeit innerhalb der Kirche qualifiziert hätte.

  • 5. Privates Veräußerungsgeschäft auch bei Enteignung?

Ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft liegt nur dann vor, wenn eine wirtschaftliche Betätigung des Veräußerers und damit ein auf die Veräußerung gerichteter rechtsgeschäftlicher Wille vorliegt. Dies ist bei einer Enteignung nicht der Fall.

Hintergrund

Der Kläger war Eigentümer eines Grundstücks. Nachdem die Stadt ein Bodensonderungsverfahren durchgeführt hatte, erließ sie einen Sonderungsbescheid. Infolgedessen ging das Eigentum gegen Zahlung einer Entschädigung auf die Stadt über. Dies erfolgte innerhalb der 10-jährigen Frist für private Veräußerungsgeschäfte. Das Finanzamt ging deshalb von einem steuerpflichtigen Vorgang aus und unterwarf den sich ergebenden Veräußerungsgewinn der Besteuerung.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft vorlag, da es am Veräußerungswillen des Klägers als Grundstückseigentümer fehlte. Denn ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft setzt voraus, dass die Eigentumsübertragung auf eine wirtschaftliche Betätigung des Veräußernden zurückzuführen ist und dass hierzu regelmäßig ein auf die Veräußerung gerichteter rechtsgeschäftlicher Wille des Veräußernden vorhanden sein muss.

Kein Anschaffungsvorgang liegt vor, wenn kraft Hoheitsakt Grundbesitz entzogen und Ersatzland zugewiesen wird. Vielmehr verlangt ein Anschaffungsgeschäft, dass die Erwerbshandlung des Steuerpflichtigen wesentlich von seinem Willen abhängt. Ein solcher Wille ist nicht gegeben, wenn das Ausscheiden des Wirtschaftsguts außerhalb des Einflussbereichs des Steuerpflichtigen liegt – so wie hier durch die Enteignung.

6. Heizkosten: Vermieter muss sich an Verteilungsmaßstab der Heizkostenverordnung halten

Ist ein Vermieter aufgrund der Heizkostenverordnung verpflichtet, die Heizkosten zu 70 % nach Verbrauch zu verteilen, darf er nicht einfach einen anderen Maßstab wählen. Tut er es doch, kann der Mieter die Änderung der Abrechnung verlangen.

Hintergrund

Die Vermieterin rechnete die Heizkosten jeweils zu 50 % nach der Wohnfläche und nach dem erfassten Wärmeverbrauch ab. Der Mieter verlangte jedoch, künftig die Heizkosten zu 70 % nach dem erfassten Verbrauch und zu 30 % nach der Wohnfläche abzurechnen. Diesbezüglich berief er sich die Heizkostenverordnung, in der dies entsprechend geregelt war. Die Vermieterin meinte dagegen, dass der Mieter keinen Anspruch auf Anpassung des Verteilungsmaßstabes hatte. Stattdessen könnte er – ebenfalls gemäß der Heizkostenverordnung – den auf ihn entfallenden Anteil der Heizkosten um 15 % kürzen.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Vermieter die Heizkosten zwingend zu 70 % nach Verbrauch abrechnen muss. Wählt der Vermieter einen anderen Verteilungsschlüssel, kann der Mieter dessen Änderung verlangen. Damit gab das Gericht dem Mieter recht.

Im vorliegenden Fall durfte deshalb der Vermieter nicht weiterhin wie bisher abrechnen und den Mieter auf das Kürzungsrecht verweisen. Dieses besagt, dass der Nutzer, soweit die Kosten der Versorgung mit Wärme oder Warmwasser entgegen den Vorschriften der Heizkostenverordnung nicht verbrauchsabhängig abgerechnet werden, das Recht hat, bei der nicht verbrauchsabhängigen Abrechnung der Kosten den auf ihn entfallenden Anteil um 15 % zu kürzen.

Die entsprechende Vorschrift war hier jedoch weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Denn es ging nicht darum, ob der Mieter zur Kürzung der ihm berechneten Heizkosten berechtigt ist, wenn der Vermieter in einer bereits erteilten Abrechnung die Vorgaben der Heizkostenverordnung missachtet. Vielmehr sollten zukünftig fehlerhafte Abrechnungen unterbunden werden. Der Mieter war nicht verpflichtet, die Erteilung weiterer fehlerhafter Abrechnungen abzuwarten und diese zu kürzen.

  • 7. Wann Veräußerungskosten einer Immobilie Werbungskosten sind

Wird ein selbst genutztes Einfamilienhaus verkauft, um damit eine zu vermietende Eigentumswohnung zu erwerben, können die damit zusammenhängenden Aufwendungen sofort abzugsfähige Finanzierungskosten der neuen Immobilie sein.

Hintergrund

Die Klägerin erwarb im Mai 2013 eine noch zu errichtende und zur Vermietung vorgesehene Eigentumswohnung. Ihr nicht der Einkünfteerzielung dienendes Einfamilienhaus verkaufte sie im Juli 2014 für 75.000 EUR. Davon verwendete sie 60.000 EUR zur Tilgung eines für den Kauf der Eigentumswohnung aufgenommenen Darlehens. In der Einkommensteuererklärung für 2014 deklarierte die Klägerin die Eigentumswohnung als neues Vermietungsobjekt und erklärte die vereinnahmten Mieten als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Die ihr im Zusammenhang mit der Veräußerung des Einfamilienhauses entstandenen Aufwendungen in Höhe von zusammen 4.270,04 EUR für Rechtsanwälte, Notar und Maklerin machte die Klägerin bei den Werbungskosten als Kosten für die Finanzierung des Erwerbs der Eigentumswohnung geltend. Das Finanzamt lehnte den Werbungskostenabzug ab, da es die als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen als Kosten einer Grundstücksveräußerung ansah.

Entscheidung

Obwohl das Einfamilienhaus nicht der Einkünfteerzielung gedient hatte, bewertete das Finanzgericht die Aufwendungen im Zusammenhang mit dessen Veräußerung als sofort abziehbare Finanzierungskosten der Eigentumswohnung. Denn der größte Teil des erzielten Veräußerungserlöses wurde zum Erwerb der neuen Immobilie verwendet. Das Gericht erkannte nicht nur die Maklerkosten, sondern auch die Rechtsanwalts- und Notarkosten an, die im Rahmen einer zuvor gescheiterten Veräußerung des Einfamilienhauses angefallen waren. Für die Richter spielte dabei keine Rolle, dass der Verkaufserlös des Einfamilienhauses nicht unmittelbar zur Tilgung des den Neukauf der Eigentumswohnung finanzierenden Darlehens, sondern erst später aufgrund einer freiwilligen Entscheidung der Steuerpflichtigen an die Bank überwiesen wurde.

  • 8. Rückforderung von Kindergeld: Wann kommt ein Billigkeitserlass infrage?

Fordert die Familienkasse Kindergeld zurück, muss sie dabei berücksichtigen, ob und inwieweit der Kindergeldberechtigte seine Mitwirkungspflichten erfüllt hat. Allein die Anrechnung auf die Sozialleistungen rechtfertigt jedoch keinen Billigkeitserlass.

Hintergrund

M ist die Mutter ihres 1990 geborenen Sohnes B, für den sie Kindergeld bezog. Das Jobcenter berücksichtigte bei der Einkommensberechnung nach dem SGB II (sog. Hartz IV) das Kindergeld und rechnete es auf die Leistungen an. Im Oktober 2011 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2011 auf und forderte von M die Rückzahlung des für Januar bis April 2011 gezahlten Kindergeldes. Der Grund war, dass B eine Beschäftigung aufgenommen hatte, die den Kindergeldanspruch ausschloss. B machte geltend, dass er der Familienkasse im Oktober 2010 seinen Gesellenbrief übersandt hatte. Trotzdem war das Kindergeld weitergezahlt worden. Im Juni 2012 beantragte M, die Rückforderung zu erlassen, da das Kindergeld bei der Einkommensberechnung nach dem SGB II berücksichtigt worden war. Die Familienkasse lehnte dies ab.

Das Finanzgericht war dagegen der Ansicht, dass die Rückforderung aus sachlichen Billigkeitsgründen erlassen werden muss. Denn M verletzte keine Mitwirkungspflichten. Außerdem hatte die Familienkasse mit der Aufhebung des Kindergeldes zeitlich über Gebühr zugewartet.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies bereits in mehreren Entscheidungen darauf hin, dass ein Billigkeitserlass gerechtfertigt sein kann, wenn Kindergeld zurückgefordert wird, das bei der Berechnung der Sozialleistungen als Einkommen angesetzt wurde, aber eine nachträgliche Korrektur der Leistungen nicht möglich ist. Nicht geklärt war jedoch die Frage, ob ein Billigkeitserlass auch dann möglich ist, wenn ein Kindergeldberechtigter seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen ist und das Kindergeld trotzdem ohne dessen Verschulden weitergewährt wurde.

Der Bundesfinanzhof sah es im vorliegenden Fall als fraglich an, ob M ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen war. Fraglich war auch, ob die Übersendung des Gesellenbriefs an die Familienkasse dazu ausreichte. Unklar war für die Richter vor allem, auf welchem Berücksichtigungsgrund die Kindergeldfestsetzung beruhte (Berufsausbildung, arbeitssuchend) und worin die Mitwirkungspflicht überhaupt bestand. Der Bundesfinanzhof verwies deshalb den Fall an das Finanzgericht zurück. Dieses muss die erforderlichen Feststellungen über die etwaige Verletzung der Mitwirkungspflicht nachholen.

  • 9. Auslandsentsendung: Unterliegen Reisekostenerstattungen dem Progressionsvorbehalt?

Bekommt ein ins Ausland entsandter Arbeitnehmer seine Reisekosten erstattet, stellt sich die Frage, ob auf diese der Progressionsvorbehalt angewendet wird. Ja, meint das Niedersächsische Finanzgericht. Das letzte Wort hat der Bundesfinanzhof.

Hintergrund

Der Kläger war als Diplom-Chemiker bei einem Automobilkonzern beschäftigt. Zum 1.7.2013 begann er einen Auslandseinsatz in den USA. Der Entsendungsvertrag sah eine Befristung des Einsatzes auf 3 Jahre vor und beinhaltete diverse Zusatzleistungen. Unter anderem erhielt der Kläger für seine Wohnung einen Wohnungskostenzuschuss von rund 20.000 EUR sowie ein Flugbudget von rund 2.800 EUR. Inklusive sämtlicher Zusatzleistungen belief sich der ausländische Arbeitslohn im Jahr 2014 auf 175.413 EUR. Das Finanzamt bezog den kompletten Betrag in die Berechnung des Progressionsvorbehalts ein. Dagegen war der Kläger der Auffassung, dass von den Zusatzleistungen ein Betrag von 19.500 EUR als steuerfreie Reisekostenerstattung im Rahmen einer Auswärtstätigkeit anzusehen ist.

Entscheidung

Die Klage hatte vor dem Finanzgericht keinen Erfolg. Die Richter entschieden, dass das Finanzamt zutreffend ausländische Einkünfte von 175.413 EUR dem Progressionsvorbehalt unterzogen hatte. Der Kläger war unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, weil er seinen Wohnsitz in Deutschland während der Entsendung beibehalten hatte. Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA waren die Einnahmen aus dem Beschäftigungsverhältnis zwar dem Besteuerungsrecht der Vereinigten Staaten zuzuordnen. Jedoch mussten die Einkünfte in Deutschland bei der Ermittlung des Steuersatzes erfasst werden und unterlagen dem Progressionsvorbehalt. Eine steuerfreie Reisekostenerstattung konnte, wie vom Kläger begehrt, nicht von den Einkünften abgezogen werden. Denn das Werk in den USA war die erste Tätigkeitsstätte des Klägers, sodass insoweit keine Auswärtstätigkeit vorlag.

10. Wenn das Finanzamt zur Ortsbesichtigung kommt: Liegt ein Verwaltungsakt vor?

Betritt ein Finanzbeamter die private Wohnung, um die Abziehbarkeit eines häuslichen Arbeitszimmers beurteilen zu können, liegt darin kein Verwaltungsakt. Der Steuerpflichtige könnte den Zutritt ja verweigern, meint das Finanzgericht Münster.

Hintergrund

Die Klägerin machte Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer steuerlich geltend. Dazu reichte sie eine Skizze zur Lage und Ausstattung des Arbeitszimmers ein, die das Finanzamt unangekündigt vor Ort überprüfen ließ. Die Klägerin gestattete die Ortsbesichtigung, die allerdings zu einem von der eingereichten Skizze abweichenden Ergebnis führte. Daraufhin legte die Klägerin gegen die Ortsbesichtigung Einspruch ein. Das Finanzamt verwarf diesen als unzulässig, da die Maßnahme bereits beendet war.

Entscheidung

Die Feststellungsklage hatte vor dem Finanzgericht keinen Erfolg. Das Gericht entschied, dass es an dem notwendigen Feststellungsinteresse fehlte. Denn im vorliegenden Fall war nicht die Rechtmäßigkeit eines – erledigten – Verwaltungsakts streitig, sondern die Rechtmäßigkeit eines bloßen Realakts. Das Betreten der Wohnung von Steuerpflichtigen zu Ermittlungsmaßnahmen erfüllte nicht die Voraussetzungen eines Verwaltungsakts, da es an einer Regelung fehlte. Das bloße Betreten ist tatsächlicher Natur, solange vom Steuerpflichtigen kein bestimmtes Verhalten (Tun, Dulden oder Unterlassen) verlangt wird.

Der Finanzbeamte hatte keine Zutrittsberechtigung, sodass das Betreten der Wohnung von der Klägerin hätte verweigert werden können. Ihr wurde also kein Tun, Dulden oder Unterlassen auferlegt.

Weiterhin mangelte es an den Voraussetzungen für ein notwendiges Feststellungsinteresse. Die Klägerin legte nicht dar, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ortsbesichtigung durch den Steuerfahnder ihre Position verbessern kann. Auch stellte der Besuch keinen derart schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar, dass eine derartige Feststellung geboten war. Weiterhin bestand nicht die Gefahr, dass die Finanzbehörde diese Maßnahme in absehbarer Zeit wiederholt.

11. Heizkosten: Vereinbarung einer rein verbrauchsabhängigen Abrechnung ist möglich

Normalerweise werden die Heizkosten zu 50 % bis 70 % nach Verbrauch verteilt. Vermieter und Mieter können jedoch eine rein verbrauchsabhängige Verteilung der Heizkosten vereinbaren und insoweit von der Heizkostenverordnung abweichen.

Hintergrund

Im Mietvertrag der Vermieterin und des Mieters in Bezug auf Praxisräume war u. a. vereinbart, dass die Ermittlung und Verteilung der Heiz- und Warmwasserkosten bzw. Kaltwasserkosten durch messtechnische Ausstattungen zur Verbrauchserfassung erfolgten. Der Vermieter musste die Mietfläche mit zugelassenen geeichten Messeinrichtungen ausstatten.

Die Mieträume verfügten über eine Lüftungsanlage, die teilweise auch zur Beheizung genutzt wurde. Eine Verbrauchserfassung erfolgte insoweit jedoch nicht. In den Betriebskostenabrechnungen legte die Vermieterin die diesbezüglichen Kosten als Position „Heizung über Lüftung” nach Fläche auf die Mieter um. Dagegen wehren sich die Mieter mit ihrer Klage.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Mieter die Position „Heizung über Lüftung” nicht tragen müssen. Zur Begründung führten die Richter aus: Der Mietvertrag sah vor, dass die Ermittlung und Verteilung der Heizkosten lediglich durch messtechnische Ausstattungen zur Verbrauchserfassung erfolgen sollte. Demnach wurden die Heizkosten vollständig nach Verbrauch umgelegt. Diese Vereinbarung war wirksam, da die Heizkostenverordnung abweichende Regelungen zulässt. Bei der vorliegenden Gewerberaummiete konnten daher mietvertraglich auch rein verbrauchsabhängige Kostenverteilungen vereinbart werden.

Im Mietvertrag fanden sich keine Hinweise darauf, dass die Mieter auch verbrauchsunabhängige Heizkosten schuldeten. Da verbrauchsunabhängige Heizkosten nach der Vereinbarung im Mietvertrag nicht umlagefähig waren, schuldeten die Mieter die Kosten für „Heizung durch Lüftung” nicht.