Arbeitsrecht
1. An- und Ablegen von Uniform und Schutzausrüstung ist keine Arbeitszeit
2. Covid-19-Hygienevorschriften missachtet: Beschäftigungsverbot rechtmäßig
3. Keine räumliche Aufenthaltsbeschränkung: Hintergrunddienst ist Rufbereitschaft
4. Kürzung der betrieblichen Altersvorsorge durch Teilzeittätigkeit möglich
Kapitalanlage & Versicherung
1. Arbeitsunfall auf der Toilette: Versicherungsschutz endet an der Toilettentür
2. Defekter Notfallbremsassistent: Wer haftet bei einem Unfall?
3. Kleine Kratzer verschwiegen: Muss die Autoversicherung trotzdem zahlen?
Lohn und Gehalt
1. Betrügerische Lohnsteuer-Anmeldung: Welche Korrekturvorschrift greift?
2. Wann sind Leistungen aus einem Stipendium steuerbar?
Private Immobilienbesitzer
1. Wohnungseigentum: Kann ein Nießbraucher einen Beschluss der Gemeinschaft anfechten?
Sonstige Steuern
1. Geschenkte Weltreise: Jede Leistung muss steuerlich einzeln beurteilt werden
2. Nachlassregelungskosten: Dazu gehören auch Kosten für Steuerberater und Räumung
Steuerrecht Arbeitnehmer
1. Schul- und Therapiehund: Welche Aufwendungen sind abzugsfähig?
Steuerrecht Privatvermögen
1. Zur Änderung eines Steuerbescheids aufgrund einer Mitteilung der Zulagenstelle für Altersvermögen
Steuerrecht Unternehmer
1. Investitionsabzugsbetrag und langfristige Nutzungsüberlassung
2. Keine Hemmung der Festsetzungsfrist bei unwirksamer Prüfungsanordnung
3. Selbstständige Zauberkünstler und die Umsatzsteuer
4. Warum ältere Gewinnabführungsverträge angepasst werden sollten
5. Wie die betriebliche Nutzung eines Pkw nachgewiesen werden kann
6. Zur Schlussbesprechung in Zeiten von Corona

 

 

Arbeitsrecht

  1. An- und Ablegen von Uniform und Schutzausrüstung ist keine Arbeitszeit

 Es liegt keine zu vergütende Arbeitszeit vor, wenn der Arbeitnehmer sich im privaten Bereich umkleidet und rüstet und nicht die dienstlich zur Verfügung gestellten Umkleide- und Aufbewahrungsmöglichkeiten nutzt.

Hintergrund

Die Kläger sind als angestellte Wachpolizisten im Zentralen Objektschutz tätig. Ihren Dienst müssen sie in angelegter Uniform mit dem Aufdruck POLIZEI sowie mit den persönlichen Ausrüstungsgegenständen und streifenfertiger Dienstwaffe antreten.

Den Wachpolizisten ist es hierbei freigestellt, ob sie den Weg zur und von der Arbeit in Uniform zurücklegen und ob sie das in einer Dienststelle zur Verfügung gestellte Waffenschließfach nutzen. Ferner haben sie die Möglichkeit, einen Spind zu nutzen.

Einer der Kläger bewahrt die Dienstwaffe bei sich zu Hause auf und nimmt dort auch das Umkleiden und Rüsten vor. Der andere Kläger nutzt das dienstliche Waffenschließfach, was beim Zurücklegen des Wegs von seiner Wohnung zum Einsatzort und zurück einen Umweg bedingt.

Die Kläger fordern die Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide-, Rüst- und damit in Zusammenhang stehenden Wegezeiten.

Das Landesarbeitsgericht hatte den Klagen zum Teil stattgegeben und Vergütung für die Umkleidezeiten zugesprochen. Die auf vollständige Vergütung der Wegezeiten gerichteten Klagen wurden dagegen im Wesentlichen abgewiesen. Nur soweit der eine Kläger einen Umweg zurückzulegen hatte, stellte das Landesarbeitsgericht die Vergütungspflicht fest.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass das Umkleiden und Rüsten mit einer besonders auffälligen Dienstkleidung, persönlichen Schutzausrüstung und Dienstwaffe keine zu vergütende Arbeitszeit ist, wenn der Arbeitnehmer eine dienstlich zur Verfügung gestellte Umkleide- und Aufbewahrungsmöglichkeit nicht nutzt, sondern für die Verrichtung dieser Tätigkeiten seinen privaten Wohnbereich wählt.

Ebenfalls nicht vergütungspflichtig ist die für das Zurücklegen des Wegs zur Arbeit von der Wohnung zum Einsatzort und zurück aufgewandte Zeit, denn der Arbeitsweg zählt zur privaten Lebensführung.

Dagegen ist die für einen Umweg zum Aufsuchen des dienstlichen Waffenschließfachs erforderliche Zeit zu vergüten, denn es handelt sich um eine fremdnützige Zusammenhangstätigkeit.

 

  1. Covid-19-Hygienevorschriften missachtet: Beschäftigungsverbot rechtmäßig

 Widersetzt sich eine Leiterin einer Seniorenpflegeeinrichtung beharrlich den Anordnungen des Gesundheitsamtes zur Bekämpfung eines akuten Covid-19-Ausbruchs, darf gegen sie ein Beschäftigungsverbot erlassen werden.

Hintergrund

Bei einem Ausbruch von Covid-19 in einer Seniorenresidenz kam es im Dezember 2020 zu 20 Infektionen bei Bewohnern und 10 Infektionen bei Mitarbeitern der Einrichtung. 7 Bewohner verstarben. Das zuständige Gesundheitsamt stellte bei mehreren Gelegenheiten fest, dass die als Einrichtungsleiterin und Pflegefachkraft tätige Antragstellerin trotz anders lautender Anordnungen wiederholt nicht in Dienstkleidung angetroffen wurde.

Zudem hatte sie mehrfach während ihrer Schicht zwischen den Wohnbereichen für erkrankte und nicht erkrankte Bewohner gewechselt, obwohl eine Anordnung zur strikten Trennung der Wohnbereiche erlassen und die strikte Zuordnung des Pflegepersonals zu jeweils einem Bereich angeordnet war.

Daraufhin wurde der Einrichtung mit für sofort vollziehbar erklärter Ordnungsverfügung untersagt, die Antragstellerin weiter zu beschäftigen. Dagegen legte die Antragstellerin Eilantrag ein.

Entscheidung

Das Oberverwaltungsgericht hält das Beschäftigungsverbot für die Antragstellerin voraussichtlich als rechtmäßig, weil diese ihre Vorbildfunktion als Leiterin der Einrichtung, der eine besondere Bedeutung zukommt, nicht wahrgenommen hatte. Sie setzte ihre eigenen Regeln über die Anordnungen des Gesundheitsamtes.

So wurde sie bei wiederholten Kontrollen durch das Gesundheitsamt selbst noch nach Erlass des Beschäftigungsverbotes in privater Kleidung im Dienst angetroffen. Auch den mehrmaligen Wechsel zwischen den strikt getrennten Wohnbereichen während ihrer Schicht hielt sie für notwendig und nicht gefahrbringend.

Angesichts der Möglichkeit eines erneuten Ausbruchs und der gegenwärtigen Verbreitung hochansteckender Mutationen des Virus fällt auch eine von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängige Interessenabwägung zu Gunsten des öffentlichen Interesses an der strikten Einhaltung des hygienischen Standards durch das Pflegepersonal aus.

  1. Keine räumliche Aufenthaltsbeschränkung: Hintergrunddienst ist Rufbereitschaft

 Hintergrunddienste sind als Rufbereitschaften und nicht als höher vergütete Bereitschaftsdienste zu werten. Das gilt auch dann, wenn es in den Hintergrunddiensten zu vermehrten Arbeitseinsätzen kommt.

 Hintergrund

Der Kläger war als Oberarzt beschäftigt und leistete im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit sog. Hintergrunddienste. Während dieser Zeit ist er verpflichtet, telefonisch erreichbar zu sein. Weitere ausdrückliche Vorgaben hinsichtlich des Aufenthaltsortes oder der Zeitspanne, innerhalb derer er die Arbeit im Klinikum aufzunehmen hat, machte der Arbeitgeber nicht.

Im Rahmen des Hintergrunddienstes kann es sowohl zu Einsätzen des Klägers im Klinikum der Beklagten als auch zu rein telefonischen Inanspruchnahmen kommen, wobei letztere überwiegen. Der Arbeitgeber vergütet die Hintergrunddienste als Rufbereitschaft.

Der Kläger war der Ansicht, dass die Hintergrunddienste aufgrund der mit ihnen verbundenen Beschränkungen sowie der Anzahl und des zeitlichen Umfangs der tatsächlichen Inanspruchnahmen Bereitschaftsdienst und als solcher zu vergüten sind. Das Landesarbeitsgericht folgte der Auffassung des Klägers und sprach ihm für den Zeitraum August 2017 bis Juni 2018 eine Vergütungsdifferenz von knapp 40.000 EUR brutto zu.

Entscheidung

Die Revision des Arbeitgebers beim Bundesarbeitsgericht hatte Erfolg. Dieses entschied, dass es sich bei dem vom Kläger geleisteten Hintergrunddienst um Rufbereitschaft handelt. Ob ein vom Arbeitgeber angeordneter (Hintergrund-)Dienst im vergütungsrechtlichen Sinn Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft ist, richtet sich ausschließlich nach nationalem Recht und nicht nach der Arbeitszeitrichtlinie. Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst unterscheiden sich dadurch, dass der Arbeitnehmer sich bei der Rufbereitschaft nach den Vorgaben des Arbeitgebers nicht an einem bestimmten Ort aufhalten muss, sondern seinen Aufenthaltsort frei wählen kann.

Maßgeblich ist also der Umfang der vom Arbeitgeber angeordneten Aufenthaltsbeschränkung. Dabei ist der Arbeitnehmer allerdings auch bei der Rufbereitschaft in der Wahl seines Aufenthaltsortes nicht völlig frei. Er darf sich entsprechend dem Zweck der Rufbereitschaft nur so weit von dem Arbeitsort entfernt aufhalten, dass er die Arbeit dort alsbald aufnehmen kann.

Das ist bei dem von der Beklagten angeordneten Hintergrunddienst noch der Fall. Mit der Verpflichtung, einen dienstlichen Telefonanruf anzunehmen und damit die Arbeit unverzüglich aufzunehmen, ist keine räumliche Aufenthaltsbeschränkung verbunden. Zeitvorgaben für die Aufnahme der Arbeit im Übrigen bestehen nicht. Dass u.U. nach einem Anruf zeitnah die Arbeit in der Klinik fortgesetzt werden muss, steht im Einklang mit dem Wesen der Rufbereitschaft.

  1. Kürzung der betrieblichen Altersvorsorge durch Teilzeittätigkeit möglich

 Es ist zulässig, Zeiten der Teilzeitbeschäftigung in der betrieblichen Altersversorgung nur anteilig zu berücksichtigt. Eine Benachteiligung liegt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nicht vor.

 Hintergrund

Die Klägerin war fast 40 Jahre im Unternehmen beschäftigt. Auf Grundlage einer Konzernbetriebsvereinbarung („Leistungsordnung“) erhält die ehemalige Mitarbeiterin ein betriebliches Altersruhegeld. Diese Versorgungsregelung sieht für die Berechnung der Höhe der betrieblichen Altersvorsorge vor, dass die Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung lediglich anteilig berücksichtigt werden. Weiter enthält sie die Regelung, dass die Höchstgrenze eines Altersruhegelds entsprechend dem Teilzeitgrad während des Arbeitsverhältnisses gekürzt wird.

Die Versorgungsordnung legt 1.375 Euro monatlich als absolute Höchstgrenze für das Altersruhegeld fest, wenn das Einkommen bei Eintritt des Versorgungsfalls die maßgebende Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung übersteigt.

Während des Arbeitsverhältnisses hatte die Klägerin überwiegend in Teilzeit gearbeitet. In den letzten 3 Jahren ihres Arbeitsverhältnisses lag ihr Einkommen jedoch über der Beitragsbemessungsgrenze. Der Arbeitgeber ermittelte einen Teilzeitfaktor von 0,9053. Daraufhin erhielt die Klägerin statt des höchstmöglichen betrieblichen Altersruhegeldes von 1.375 Euro, ein gekürztes Altersruhegeld i. H. v. 1.224,80 Euro monatlich.

Die Klägerin war der Ansicht, die Kürzung der Höchstgrenze bei Teilzeitarbeit entspreche nicht den Vorgaben der Versorgungsordnung bzw. stelle einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot wegen Teilzeittätigkeit dar.

Entscheidung

Die Klage scheiterte vor dem Bundesarbeitsgericht. Dieses entschied, dass die in der Leistungsordnung vorgesehene Berechnung des Altersruhegelds unter Berücksichtigung eines Teilzeitgrads wirksam ist. In dem Umstand, dass die über fast 40 Jahre erbrachte Arbeitsleistung der Klägerin nicht in 34,4 Vollzeitarbeitsjahre umgerechnet wurde, keine Diskriminierung wegen ihrer Teilzeitarbeit erkennen.

Die Klägerin war nach Ansicht der Richter nicht mit einem Arbeitnehmer, der 34,4 Jahre in Vollzeit gearbeitet und dann in den Altersruhestand getreten ist, vergleichbar. Eine Benachteiligung wegen ihrer Teilzeitarbeit ist nach Meinung des Gerichts auch nicht dadurch erfolgt, dass der Arbeitgeber den entsprechend der Leistungsordnung ermittelten Teilzeitfaktor auch auf die Versorgungshöchstgrenze angewandt habe. Das Gericht stellte fest, dass das Altersruhegeld der ehemaligen Beschäftigten im Umfang der von ihr erbrachten Arbeitsleistung im Verhältnis zur Arbeitsleistung eines gleich lange im Unternehmen vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entsprach

Kapitalanlage & Versicherung

  1. Arbeitsunfall auf der Toilette: Versicherungsschutz endet an der Toilettentür

 Das Ausrutschen auf der betrieblichen Toilette ist kein Arbeitsunfall. Denn der Versicherungsschutz endet regelmäßig an der Tür, die zur Toilettenanlage führt.

Hintergrund

Die Klägerin war als Verkäuferin beschäftigt. Sie rutschte auf dem nassen Boden der Personaltoiletten aus, fiel und verletzte sich erheblich. Der Unfall passierte im Bereich der Schwelle zwischen dem Waschraum und dem Raum, von dem die Toilettenkabinen zugänglich waren.

Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte es ab, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen und Entschädigungsleistungen zu zahlen. Ihrer Ansicht nach war die zum Unfallzeitpunkt verrichtete Tätigkeit, also der Aufenthalt im Vorraum der Toiletten, keine versicherte Tätigkeit. Der Versicherungsschutz endet regelmäßig mit dem Durchschreiten der Tür, die zur Toilettenanlage führt.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Landessozialgericht entschied, dass kein Arbeitsunfall vorlag.

Entscheidend für die Frage, ob ein Versicherter zur Zeit eines Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, ist die Handlungstendenz des Versicherten. Die für den Versicherungsschutz notwendige Handlungstendenz kommt in dem von der Rechtsprechung verwendeten Begriff der dem Unternehmen „dienlichen“, „dienenden“ oder „zu dienen bestimmten“ Tätigkeit zum Ausdruck. Die Tätigkeit muss mit einer fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung erfolgen und nicht zur Verfolgung eigener Angelegenheiten, sog. eigenwirtschaftlicher bzw. privatnütziger Tätigkeiten.

Die Klägerin verrichtete im Unfallzeitpunkt nach Ansicht des Gerichts keine versicherte Tätigkeit. Denn der Aufenthalt in den Räumlichkeiten der Toilettenanlage stand in keinem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als Verkäuferin.

Die Klägerin hielt sich im Unfallzeitpunkt nicht in den Räumlichkeiten der Toilettenanlage auf, um damit eine Haupt- oder Nebenpflicht aus ihrem Arbeitsverhältnis als Verkäuferin zu erfüllen oder um ein eigenes, unternehmensbezogenes innerbetrieblichen Belangen dienendes Recht wahrzunehmen.

Die Klägerin befand sich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses auch nicht auf einem ausnahmsweise versicherten Weg zur Toilette. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts besteht ein Versicherungsschutz für den Weg zur Toilette auf einem Betriebsgelände. Der Aufenthalt auf der Toilette selbst gehört jedoch zum unversicherten persönlichen Lebensbereich, da sie unabhängig von einer betrieblichen Tätigkeit erforderlich ist. Zum Aufenthalt auf der Toilette zählt auch das Händewaschen und der damit verbundene gesamte Aufenthalt in allen zur Toilette gehörenden Räumlichkeiten, einschließlich des Waschbeckenraums. Daher endet der versicherte Weg an der Tür zur Toilettenanlage.

  1. Defekter Notfallbremsassistent: Wer haftet bei einem Unfall?

 Wird durch ein technisches Versagen des Notfallbremsassistenten ein Pkw ohne ersichtlichen Grund abrupt abgebremst und fährt ein anderes Fahrzeug auf den Pkw auf, liegt darin zwar ein Verursachungsbeitrag für den Unfall, jedoch kein Verschulden.

 Hintergrund

Die Klägerin fuhr mit ihrem Pkw auf der Autobahn, als dieses ohne ersichtlichen Grund plötzlich durch den Notfallbremsassistent gestoppt wurde. Ein direkt hinter ihr fahrender Lkw konnte nicht rechtzeitig bremsen und fuhr auf das Auto auf.

Das Landgericht hatte der Klägerin nur ein Drittel des geltend gemachten Schadens zugesprochen.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht kam dagegen zu dem Ergebnis, dass der Klägerin zwei Drittel ihres Schadens zu ersetzen sind. Denn der Unfall war durch den Lkw mitverursacht worden. Denn mitursächlich für die Kollision war der zu geringe Abstand des Lkws zum vorausfahrenden Pkw gewesen.

Der Lkw mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 Tonnen war schneller als 50 km/h unterwegs und hatte den Mindestabstand von 50 Metern unterschritten, den er auf der Autobahn zum vorausfahrenden Fahrzeug hätte einhalten müssen. Dass dieser Mindestabstand von dem Lastwagenfahrer nicht eingehalten worden war, hatten Sachverständige geklärt.

Hinsichtlich des Lkw-Fahrers sei, so das Gericht, von einem Verschulden auszugehen, da er den erforderlichen Mindestabstand ohne zwingende Gründe um etwa 30 % unterschritten habe, der Abstand zum vorausfahrenden Pkw nur etwa 35 Meter betragen habe.

Die klagende Autofahrerin musste sich aber ebenfalls einen Verursachungsbeitrag vorwerfen lassen, da sie ihr Fahrzeug ohne ersichtlichen Grund auf freier Strecke stark abgebremst habe. Da das abrupte Abbremsen der Klägerin aber unstreitig auf ein technisches Versagen bei ihrem Fahrzeug zurückzuführen war, treffe sie kein Verschulden. Im Ergebnis kam das Gericht zu einer Haftungsverteilung von zwei Dritteln zu Lasten der Beklagten und zu einem Drittel zu Lasten der Klägerin.

  1. Kleine Kratzer verschwiegen: Muss die Autoversicherung trotzdem zahlen?

 Will ein Versicherter Versicherungsschutz beanspruchen, muss er einen Neuschaden von eventuellen Vorschäden abgrenzen. Doch welche Schäden sind meldepflichtig? Und muss der Versicherungsnehmer die Versicherung über alle Kratzer am Fahrzeug auf dem Laufenden halten?

 Hintergrund

Bei der Ausfahrt aus einem Hof berührte das Auto des Klägers und Versicherungsnehmers einen Pfosten und die darunter liegende Betonkante. Dadurch kam es zu zahlreichen Kratzern und Abrieben im Bereich der rechten vorderen und der hinteren Fahrzeugtür, am Seitenschweller und am Spiegel. Den Sachschaden bezifferte der Sachverständige auf 5.360 EUR.

Die Versicherung stellte fest, dass es weitere Kratzspuren am rechten Kotflügel und im Bereich der vorderen rechten Fahrzeugtür gab, die nicht auf den Unfall zurückgeführt werden konnten. Sie weigerte sich deshalb, die Schadenshöhe anzuerkennen, weil eine Teilüberlagerung von Vor- und Unfallschäden vorlag.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht folgte dieser Einschätzung nicht und entschied, dass die Versicherung den vom Sachverständigen festgestellten, unfallbedingten Schaden abzüglich des vertraglich vereinbarten Selbstbehalts ersetzen muss. Zwar trage der Geschädigte die volle Beweislast für die Abgrenzung eines Neuschadens von Vorschäden. In diesem Fall habe der Sachverständige aber den Unfallverlauf bejaht und die Unfallschäden eindeutig von den Vorschäden abgegrenzt.

Das Gericht erkannte in dem vorliegenden Fall auch keine Verletzung der Aufklärungspflicht des Autofahrers. Denn dazu müsse dieser von der aufklärungspflichtigen Tatsache Kenntnis gehabt haben. Davon könne in diesem Fall nicht ausgegangen werden. Es sei nicht ersichtlich, ob und wann der Autofahrer die Kratzer auf der rechten Fahrzeugseite, die vom Sachverständigen als Vorschäden eingestuft wurden, bemerkt habe.

Einem durchschnittlich aufmerksamen und verständigen Versicherungsnehmer mussten diese Schäden nicht ohne Weiteres auffallen, so das Gericht. Von einem Autofahrer könne keine regelmäßige Sichtprüfung des Fahrzeugs auf Kratzer und Parkschäden verlangt werden.

Selbst wenn der Mann vor dem Unfall vom Vorhandensein bestimmter Kratzer wusste, läge in deren Nichtangabe in der Schadensmeldung allenfalls eine leicht fahrlässige Obliegenheitsverletzung, so das Gericht. Denn die vom Sachverständigen als Vorschäden qualifizierten Kratzer seien optisch eher unauffällig.

Lohn und Gehalt

  1. Betrügerische Lohnsteuer-Anmeldung: Welche Korrekturvorschrift greift?

 Auch wenn eine Lohnsteuer-Anmeldung nicht mehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, kann sie trotzdem nach den allgemeinen Korrekturvorschriften noch geändert werden. Das gilt z. B., wenn die Lohnsteuer-Anmeldung durch arglistige Täuschung zustande gekommen ist.

 Hintergrund

Die Mitarbeiterin M war in einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis GP als geringfügig Beschäftigte angestellt. Im Jahr 2010 legte sie dem Gesellschafter S einen weiteren Arbeitsvertrag mit einer Arbeitszeit von nunmehr 38,5 Stunden wöchentlich und einem Bruttomonatsgehalt 1.700 EUR vor. Der Arbeitsvertrag wurde von S in Unkenntnis seines Inhalts unterzeichnet und M veranlasste in der Folgezeit die Überweisung der entsprechenden Arbeitslöhne und die Abführung der hierauf entfallenden Lohn- und Annexsteuern. Eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei GP im Jahr 2014 führte zu keinen Beanstandungen, sodass das Finanzamt den Vorbehalt der Nachprüfung für die von GP abgegebenen Lohnsteuer-Anmeldungen für den Zeitraum Januar 2012 bis Juni 2014 aufhob.

Im Jahr 2016 beantragte GP erfolglos die Änderung der Lohnsteuer-Anmeldungen und die Erstattung der abgeführten Beträge. Das Finanzgericht gab dagegen der Klage statt.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision des Finanzamts zurück.

Einer Änderung der Lohnsteuer-Anmeldungen bis Dezember 2013 nach den allgemeinen Korrekturvorschriften steht die Änderungssperre des § 41c Abs. 3 Satz 4 EStG nicht entgegen, weil diese Regelung erstmals auf laufenden Arbeitslohn anzuwenden ist, der für einen nach dem 31.12.2013 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird.

Aber auch für die Lohnsteuer-Anmeldungen ab 2014 steht § 41c Abs. 3 Satz 4 EStG einer Änderung nach den allgemeinen Korrekturvorschriften nicht entgegen, denn dieser regelt nur die nachträgliche Änderung der Lohnsteuer-Anmeldung bezüglich vertragswidriger Beträge. Damit ist eine Änderung nach Maßgabe der übrigen Korrekturvorschriften nicht ausgeschlossen. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit eindeutig.

Eine Änderung wegen neuer Tatsachen kommt nicht in Betracht. Der Änderung steht die Änderungssperre nach einer Außenprüfung entgegen. Die Sperre umfasst auch Lohnsteuer-Anmeldungen, bei denen – wie hier – im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde.

Ein Steuerbescheid kann geändert werden, soweit er durch unlautere Mittel (arglistige Täuschung, Drohung, Bestechung) erwirkt worden ist. M hat die Lohnsteuer-Anmeldungen durch arglistige Täuschung gegenüber GP (Unterschieben des geänderten Arbeitsvertrags) bewirkt.

Diese Änderung eines Steuerbescheids steht im Ermessen des Finanzamts. Eine Ermessensentscheidung ist vom Gericht nur daraufhin überprüfbar, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Im Streitfall hat das Finanzamt allerdings gar keine Ermessensentscheidung getroffen. Das Finanzgericht hätte das Finanzamt deshalb nicht zur Änderung der Lohnsteuer-Anmeldungen verpflichten dürfen, sondern lediglich zu einer erneuten Verbescheidung der GP. Die Aufhebung des Ablehnungsbescheids durch den Bundesfinanzhof ermöglicht dem Finanzamt nunmehr die erneute Entscheidung unter Ermessensgesichtspunkten über den Änderungsantrag der GP.

  1. Wann sind Leistungen aus einem Stipendium steuerbar?

 Leistungen aufgrund eines Fördervertrags mit der „Stiftung zur Förderung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Freistaat Thüringen“ werden bereits dann gewährt, wenn sich die Stipendiaten verpflichten, nach erfolgreichem Abschluss der Facharztprüfung für 4 Jahre in Thüringen tätig zu sein. Die Zahlungen sind deshalb nicht steuerbar.

 Hintergrund

A studierte bis zum Frühjahr 2012 Medizin. Im Herbst 2012 schloss sie mit der „Stiftung zur Förderung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Freistaat Thüringen“ einen Fördervertrag. Danach erhielt sie eine Einmalzahlung in Höhe von 15.000 EUR. Im Gegenzug verpflichtete sie sich, die Weiterbildung in ihrem Fachgebiet zu absolvieren und an der Facharztprüfung teilzunehmen sowie nach der Facharztprüfung für mindestens 4 Jahre im Bereich des Freistaats Thüringen an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Sollte A diesen Verpflichtungen nicht nachkommen, war sie verpflichtet, den Förderbetrag zurückzuzahlen.

A setzte für das Jahr 2012 die erhaltenen 15.000 EUR nicht als Einkünfte an. Das Finanzamt berücksichtigte dagegen den Förderbetrag als sonstige Einkünfte.

Das Finanzgericht wies die Klage ab und entschied, dass das Stipendium als Entgelt durch das marktgängige Verhalten der A veranlasst war.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof ist anderer Ansicht als das Finanzgericht und gab der Klage statt. Er kam nämlich zu dem Ergebnis, dass die Einmalzahlung der Stiftung nicht durch eine Leistung der A veranlasst ist. Denn auslösendes Moment für die Zahlung war nicht die künftige ärztliche Tätigkeit, sondern die erklärte Bereitschaft, künftig in Thüringen tätig zu sein.

Eine (sonstige) Leistung i. S. d. § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und eine Gegenleistung auslöst. Entscheidend ist, ob die Gegenleistung (das Entgelt) durch das Verhalten des Steuerpflichtigen (Leistung) veranlasst ist. Für die wirtschaftliche Veranlassung der Gegenleistung durch die Leistung ist die (objektivierte) Perspektive des Leistenden maßgebend. Die Leistung muss „um des Entgelts willen“ erbracht werden.

  • 22 Nr. 3 EStG erfasst, ergänzend zu den übrigen Einkunftsarten, das Ergebnis einer Erwerbstätigkeit und setzt wie diese die allgemeinen Merkmale des Erzielens von Einkünften voraus. Erforderlich – und auch ausreichend – ist, eine objektivierende, wertende Betrachtung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung, wonach die Leistung die Gegenleistung ausgelöst haben muss.

Die vom Finanzgericht angenommene Veranlassung der Einmalzahlung durch die spätere Berufstätigkeit bzw. durch das Unterlassen einer beruflichen Betätigung außerhalb des Freistaats Thüringen lässt sich dem Fördervertrag nicht entnehmen. Nach dem Vertrag erhielten die Stipendiaten die Förderung bereits dann, wenn sie sich „verpflichten“, nach erfolgreichem Abschluss der Facharztprüfung für 4 Jahre in Thüringen tätig zu sein. Auslösendes Moment für die Einmalzahlung war somit die im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrags erklärte Bereitschaft, zukünftig in Thüringen tätig zu sein. Die zukünftige ärztliche Tätigkeit selbst ist dagegen nicht der Grund für die Zahlung.

Die Stiftung konnte weder durchsetzen, dass sich A in Thüringen niederlässt, noch konnte sie verhindern, dass sich A außerhalb Thüringens betätigt. Bei der Einmalzahlung handelt es sich somit nicht um ein leistungsbezogenes Entgelt. Die Höhe der Zahlung ist nicht durch die Verpflichtungserklärung der A „wirtschaftlich“ veranlasst. Insbesondere sind die Bereitschaftserklärung der A und die Zahlung nicht nach wirtschaftlichen Kriterien abgewogen. Die Förderung ist keine Bezahlung für die erklärte Leistungsbereitschaft, sondern sie soll als Anreiz zu allererst die innere Bereitschaft auslösen bzw. stärken, sich in Thüringen vertragsärztlich niederzulassen. Ihrer Zweckrichtung nach wirkt die Zahlung in diesem Sinne auf die Willensbildung ein. Damit nimmt der Stipendiat aber noch nicht am wirtschaftlichen Geschäftsverkehr teil.

Private Immobilienbesitzer

  1. Wohnungseigentum: Kann ein Nießbraucher einen Beschluss der Gemeinschaft anfechten?

 Eine Anfechtungsklage gegen einen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft darf grundsätzlich nur von einem Wohnungseigentümer erhoben werden. Ein Nießbraucher benötigt dazu die Ermächtigung des Wohnungseigentümers, die innerhalb der Klagefrist offengelegt werden oder offensichtlich sein muss.

Hintergrund

Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung. Ihr Wohnungseigentum hatten sie im Jahr 2001 auf ihre Tochter übertragen und sich einen Nießbrauch an der Wohnung vorbehalten.

In einer Eigentümerversammlung am 7.6 2018 beschlossen die Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit, ein bestimmtes Unternehmen mit der Pflege der Außenanlage zu beauftragen. Hiergegen haben die Kläger Anfang Juli 2018 Anfechtungsklage eingereicht.

Im September 2018 teilten sie dem Gericht die Eigentumsübertragung aus dem Jahr 2001 mit und reichten eine auf 2001 datierte Vollmacht ihrer Tochter ein. Nach dieser sind sie berechtigt, deren Rechte in Gerichtsverfahren im eigenen Namen geltend zu machen.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage als unbegründet ab. Denn die Kläger haben nicht innerhalb der 1-monatigen Anfechtungsfrist offengelegt, dass sie das Recht ihrer Tochter als Wohnungseigentümerin in eigenem Namen geltend machen.

Entscheidung

Die Klage hatte auch vor dem Bundesgerichtshof keinen Erfolg. Dieser entschied, dass die Klage zwar zulässig, aber unbegründet ist.

Grundsätzlich darf eine Anfechtungsklage nur von einem Wohnungseigentümer erhoben werden, also von demjenigen, der im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist. Einem Nießbraucher hingegen steht ein eigenes Anfechtungsrecht nicht zu.

Ein Nießbraucher kann jedoch vom Wohnungseigentümer zur Erhebung der Anfechtungsklage ermächtigt werden. Dann ist er als gewillkürter Prozessstandschafter anfechtungsberechtigt. Dementsprechend ist die Anfechtungsklage zulässig, weil die Nießbraucher von ihrer Tochter ermächtigt sind, deren Rechte in eigenem Namen geltend zu machen.

Die Klage ist aber unbegründet, weil die Kläger bei der Klageerhebung nicht Wohnungseigentümer waren und nicht rechtzeitig offengelegt haben und auch nicht offensichtlich war, dass sie die Klage in Prozessstandschaft für die Wohnungseigentümerin erheben.

Erhebt ein Dritter als Prozessstandschafter für einen Wohnungseigentümer Anfechtungsklage, muss die Ermächtigung zu dieser Prozessführung bereits innerhalb der 1-monatigen Klagefrist objektiv vorliegen und offengelegt oder offensichtlich sein. Anderenfalls ist die Klage als unbegründet abzuweisen. Nicht ausreichend ist es, die Prozessstandschaft innerhalb der 2-monatigen Klagebegründungsfrist offenzulegen.

Den Umstand, dass die Kläger in Prozessstandschaft für die Wohnungseigentümerin klagen, haben sie aber erst im September getan, mithin verspätet.

Sonstige Steuern

  1. Geschenkte Weltreise: Jede Leistung muss steuerlich einzeln beurteilt werden

 Mehrere Steuerfälle dürfen in einem Schenkungsteuerbescheid nicht unaufgegliedert zusammengefasst werden. Vielmehr muss jeder einzelne Lebenssachverhalt gesondert festgesetzt werden. Das gilt auch bei einer mehrmonatigen Weltreise.

 Hintergrund

A unternahm mit seiner Lebensgefährtin B eine 5-monatige Weltreise. Die Kosten von insgesamt 500.000 EUR wurden A in Rechnung gestellt, der die Reise auch gebucht hatte. In dem Betrag waren die Kosten für die Anreise beider Personen sowie der Preis der Luxuskabine enthalten. Während der Reise entstanden weitere Kosten von 45.000 EUR für beide Personen (Ausflüge, Restaurants, Spa, Fitness, Frisör). Diese zusätzlichen Leistungen wurden gesondert gebucht und über ein sog. Bordkonto taggenau abgerechnet. Die gesamten Aufwendungen wurden von A getragen.

A erklärte eine Zuwendung an B in Höhe von rund 25.000 EUR (anteilige Kosten für die Anreise, einen Flug, Ausflüge und Verpflegung) und gab an, er werde die Schenkungsteuer übernehmen.

Das Finanzamt legte dagegen einen steuerpflichtigen Erwerb der B in Höhe von rund 300.000 EUR zugrunde. Den Wert ermittelte es durch Halbierung der Gesamtreisekosten zzgl. Kosten für Ausflüge und Verpflegung. Das Finanzamt differenzierte dabei lediglich zwischen „Buchung der Reise“ (500.000 EUR), „Flug“ (900 EUR) und „Ausflüge und Verpflegung“ (45.000 EUR).

Das Finanzgericht gab der Klage statt. A hatte B ein eigenes, jedoch kein frei verfügbares Forderungsrecht auf Durchführung der Reise verschafft. Auf die Frage, ob der Bescheid mangels konkreter Bezeichnung des Steuertatbestands nichtig war, kam es nicht an.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision des Finanzamts zurück und hob den Bescheid aus formalem Grund auf.

Zur Begründung führten die Richter aus: Schriftliche Steuerbescheide müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die mangelnde Bestimmtheit führt zur Nichtigkeit. Mehrere Steuerfälle erfordern entweder eine Festsetzung in getrennten Steuerbescheiden oder – bei Zusammenfassung in einem Schriftstück – die genaue Angabe, welche Besteuerungstatbestände dem Bescheid zugrunde liegen, sowie eine gesonderte Steuerfestsetzung für jeden einzelnen Lebenssachverhalt. Eine unaufgegliederte Zusammenfassung ist unzulässig. Die Bezugnahme auf Anlagen oder Unterlagen, die sich in Händen des Steuerpflichtigen befinden, ist jedoch zulässig.

Eine differenzierte Festsetzung der Schenkungsteuer für jeden einzelnen Schenkungsvorgang ist ausnahmsweise verzichtbar, wenn trotz unaufgegliederter Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle eindeutig feststeht, welche Steuerfälle von dem Bescheid erfasst werden. Das gilt insbesondere, wenn dem Finanzamt wegen mangelnder Mitwirkung des Steuerpflichtigen Zeitpunkt und Höhe der Einzelzuwendungen unbekannt geblieben sind. Dann genügt die Angabe des mutmaßlichen Zuwendungszeitraums und eines einheitlichen (Schätz-)Betrags.

Davon ausgehend war der Bescheid mangels konkreter Angabe der einzelnen Zuwendungen wegen Nichtigkeit aufzuheben. Der Bescheid genügt nicht den Bestimmtheitsanforderungen des § 119 Abs. 1 AO. Denn es liegt keine einheitliche Zuwendung vor. Vielmehr handelt es sich bei der Übernahme der Kosten für die Kabine und die auf dem Bordkonto gebuchten Ausgaben (Ausflüge, Restaurant, Frisör, Spa, Fitness) jeweils um einzelne und voneinander zu unterscheidende selbstständige Leistungen. Selbst wenn alle Aufwendungen auf einem einheitlichen Schenkungsversprechen beruhen sollten, fehlt es jedenfalls an einem einheitlichen Steuerentstehungszeitpunkt. Die Versprechen wären zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfüllt worden.

Der BFH konnte offen lassen, ob es sich bei den von A erbrachten Leistungen um steuerbare Zuwendungen an B handelte.

  1. Nachlassregelungskosten: Dazu gehören auch Kosten für Steuerberater und Räumung

 Muss der Erbe für den Erblasser Steuern nacherklären, kann er die dadurch entstandenen Steuerberatungskosten als Nachlassregelungskosten abziehen – mit dieser Entscheidung weicht der Bundesfinanzhof von den gleich lautenden Ländererlassen ab. Auch die Kosten für eine Haushaltsauflösung und Räumung der Erblasserwohnung können als Nachlassregelungskosten abzugsfähig sein.

Hintergrund

Die Tochter T ist Alleinerbin ihres im Jahr 2013 verstorbenen Vaters V. In ihrer Erbschaftsteuer-Erklärung machte T u.a. Steuerberatungskosten für die Erstellung berichtigter Einkommensteuer-Erklärungen geltend, die durch Nacherklärungen in der Schweiz erzielter Kapitalerträge entstanden waren. Daneben erklärte T Kosten für die teilweise in Eigenregie vorgenommene Räumung und Haushaltsauflösung der von V genutzten Eigentumswohnung.

Das Finanzamt berücksichtigte bei der Erbschaftsteuer-Festsetzung weder die Steuerberatungskosten noch die Räumungskosten als Nachlassverbindlichkeiten. Die Einkommensteuer-Schulden zuzüglich Hinterziehungszinsen wurden dagegen angesetzt.

Das Finanzgericht entschied, dass die Steuerberatungskosten abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten sind, da die steuerrechtliche Erklärungspflicht des Erblassers auf den Erben übergeht. Die Räumungskosten waren dagegen als Kosten der Verwaltung des Nachlasses nicht abzugsfähig.

Entscheidung

Die Revision der T hatte Erfolg. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs sind sowohl die Steuerberatungs- als auch die Räumungskosten als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar. Es handelt sich in beiden Fällen um Nachlassregelungskosten.

Der Begriff „Kosten der Regelung des Nachlasses“ ist weit auszulegen. Er umfasst die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses einschließlich von Bewertungskosten, aber auch alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen. Die Kosten müssen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen und dürfen nicht erst durch die spätere Verwaltung (Verwendungsaufwand) des Nachlasses anfallen. Die Abgrenzung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Bei Verfahrenskosten ist entscheidend, ob Ungewissheit über den Umfang des Nachlasses besteht. Nachlassregelungskosten liegen vor, wenn die Klage eines Erben dazu dient, das Bestehen nachlasszugehöriger Ansprüche des Erblassers und damit den Umfang des Nachlasses zu klären oder die Herausgabe von Nachlassgegenständen durch Dritte zu erwirken. Herrscht dagegen Gewissheit über Umfang und Zusammensetzung des Nachlasses und hat der Erbe die Nachlassgegenstände in Besitz genommen, endet der sachliche Zusammenhang mit dem Erwerb. Kosten, die dem Erben in der Folgezeit zwecks Erhaltung, Mehrung, Nutzung oder Verwertung des Nachlassvermögens entstehen, sind keine Nachlassverbindlichkeiten.

Davon ausgehend sind die Steuerberatungskosten zumindest als Nachlassregelungskosten abziehbar. Diese Kosten dienen dazu, den Umfang der Nachlassverbindlichkeiten (Steuerschulden) zu klären. Der Steuerberater wurde beauftragt, um Steuererklärungen für Steuerverbindlichkeiten abzugeben, die vom Erblasser herrühren und damit dem Grunde nach Nachlassverbindlichkeiten darstellten. Der enge zeitliche und sachliche Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen ist gegeben. Der Bundesfinanzhof folgt damit nicht den Ländererlassen, nach denen Steuerberatungskosten, die im Rahmen der Einkommensteuerpflicht des Erblassers anfallen, insbesondere für die Erstellung der Einkommensteuer-Erklärung des Erblassers, keine Nachlassregelungskosten oder Kosten zur Erlangung des Erwerbs sind.

Auch bezüglich der Räumungskosten liegen Nachlassregelungskosten vor. Die Auflösung des Haushalts des Erblassers ist darauf gerichtet, mit der persönlichen Habe des Erblassers zweckentsprechend zu verfahren. Es gehört zur tatsächlichen Feststellung des Nachlasses, Gewissheit über die Eigentumsverhältnisse und eventuelle Herausgabeansprüche Dritter zu erlangen sowie für die Einzelteile des Hausrats zu entscheiden, wie damit zu verfahren ist. Die Durchsicht des Hausrats begründet nachlassspezifischen Aufwand. Die Grenze zwischen der Nachlassregelung und der Nachlassverwaltung ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofs noch nicht überschritten.

Steuerrecht Arbeitnehmer

  1. Schul- und Therapiehund: Welche Aufwendungen sind abzugsfähig?

 Schafft ein Lehrer einen sog. Schulhund an, kann er die Aufwendungen dafür bis zu 50 % als Werbungskosten geltend machen, wenn der Hund bei einer 5-tägigen Unterrichtswoche arbeitstäglich in der Schule eingesetzt wird. Die Kosten für die Ausbildung zum Therapiehund sind dagegen grundsätzlich in voller Höhe abziehbar.

 Hintergrund

In der Schulkonferenz einer Realschule wurde beschlossen, einen Therapiehund zur Umsetzung der tiergestützten Pädagogik anzuschaffen. Lehrerin L erwarb daraufhin zum Preis von 1.600 EUR eine Hündin und setzte diese im Rahmen des Schulhundprogramms nahezu arbeitstäglich im Unterricht ein.

L machte für die Jahre 2014 bis 2016 Aufwendungen zwischen 900 EUR und 7.500 EUR für den Hund als Werbungskosten geltend. Sie berücksichtigte diese Kosten: Abschreibung auf 8 Jahre, Tierhaftpflichtversicherung, Futtermittel, Hundepflege, Tierarzt, Hundeschule sowie Ausbildung als Therapiehund einschließlich Fahrtkosten.

Das Finanzamt lehnte den Abzug ab, da die Aufwendungen nicht ausschließlich beruflich veranlasst waren und eine Abgrenzung zum privaten Bereich nicht möglich war.

Das Finanzgericht dagegen berücksichtigte die Kosten für die Ausbildung zum Therapiehund in voller Höhe und die übrigen Aufwendungen zu einem Drittel.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied, dass die allgemeinen, laufenden Aufwendungen für einen Schulhund zum Teil und die besonderen Kosten für die Ausbildung zum Therapiehund in voller Höhe als Werbungskosten anzuerkennen sind.

Beruhen Aufwendungen nicht nur auf privaten, sondern auch auf beruflichen Umständen, kommt eine Aufteilung und ein Abzug des beruflich veranlassten Teils der Aufwendungen in Betracht, wenn sich der den Beruf fördernde Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen lässt. Bestehen keine Zweifel daran, dass ein abgrenzbarer Teil der Aufwendungen beruflich veranlasst ist, bereitet seine Quantifizierung aber Schwierigkeiten, so ist dieser Anteil unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu schätzen.

Den Werbungskostenabzug begründende Arbeitsmittel sind Gegenstände, die ausschließlich oder nahezu ausschließlich und unmittelbar zur Erledigung der dienstlichen Aufgaben dienen. Eine geringfügige private Mitnutzung ist unschädlich. Bei Gegenständen, die auch im Rahmen der allgemeinen Lebensführung genutzt werden können, ist der tatsächliche Verwendungszweck entscheidend. Diese Grundsätze gelten auch für die Nutzung von Tieren. Bei einem Hund, der – wie im vorliegenden Fall – als Haustier im Haushalt lebt und damit in nicht unerheblichem Umfang auch privat Verwendung findet, handelt es sich dementsprechend nicht um ein Arbeitsmittel. Dies gilt auch, wenn der Anlass für die Anschaffung im beruflichen Bereich gelegen haben sollte und das Tier für eine private Nutzung nicht angeschafft worden wäre.

Bei regelmäßig 5 Arbeitstagen pro Woche war die berufliche Nutzung des Hundes durch L in der Schule nicht von untergeordneter Bedeutung. Deshalb waren die laufenden Aufwendungen für die Haltung (AfA, Futter, Pflege usw.) aufzuteilen. Der Bundesfinanzhof hält es bei einer erheblichen beruflichen Nutzung eines Schulhundes für vertretbar, bis zu 50 % der Aufwendungen zum Werbungskostenabzug zuzulassen.

Anders als der Besuch einer allgemeinen Hundeschule diente die Therapiehundeausbildung dem Erlernen spezieller Fähigkeiten, um den Hund im Rahmen des Konzepts des tiergestützten Unterrichts einzusetzen. Diese Kosten sind ausschließlich beruflich veranlasst und damit voll abziehbar. Eine private Mitveranlassung ist insoweit nicht ersichtlich.

Steuerrecht Privatvermögen

  1. Zur Änderung eines Steuerbescheids aufgrund einer Mitteilung der Zulagenstelle für Altersvermögen

 Bei der Mitteilung der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) gegenüber dem Finanzamt bezüglich der Zulagenberechtigung eines Steuerpflichtigen handelt es sich lediglich um ein Verwaltungsinternum und nicht um einen Grundlagenbescheid. Es besteht keine Bindung des Finanzamts an eine unrichtige Mitteilung der ZfA.

 Hintergrund

Die Eheleute werden in den Jahren 2010 bis 2012 zusammen veranlagt. Der Ehemann M war in der landwirtschaftlichen Alterskasse gesetzlich (renten-)versichert. Daneben zahlte er in eine private Rentenversicherung ein (sog. Riester-Rente). Bei Vertragsschluss hatte er gegenüber der Versicherung angegeben, über seine Ehefrau mittelbar zulageberechtigt zu sein. Die Ehefrau F unterhielt beim gleichen Anbieter ebenfalls einen Altersvorsorgevertrag. Sie ist unmittelbar zulageberechtigt.

In ihren Einkommensteuer-Erklärungen machten die Eheleute jeweils einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug für die Beiträge zu ihren Riester-Rentenversicherungen geltend und gaben an, unmittelbar begünstigt zu sein.

Das Finanzamt veranlagte zunächst erklärungsgemäß und behandelte M als unmittelbar begünstigt.

Im Jahr 2015 teilte die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) dem Finanzamt mit, dass M nur mittelbar zulageberechtigt war. Darauf erließ das Finanzamt Änderungsbescheide, in denen M lediglich als mittelbar zulageberechtigt berücksichtigt wurde.

Die Eheleute wandten sich gegen die Änderungen unter Hinweis auf die Pflichtmitgliedschaft des M in der landwirtschaftlichen Alterskasse. Entgegen der Auskunft der ZfA hatte M einen unmittelbaren Zulagenanspruch.

Das Finanzamt wies die Einsprüche gegen die geänderten Einkommensteuer-Bescheide zurück. Auch die Klage blieb erfolglos, da das Finanzgericht der Ansicht war, dass das Finanzamt an die Mitteilung der ZfA über die mittelbare Berechtigung des M gebunden war.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof widerspricht der Auffassung des Finanzamts und des Finanzgerichts. Den Eheleuten ist aufgrund ihrer unmittelbaren Zulageberechtigung der Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 EStG zu gewähren. Bei der Mitteilung der ZfA an das Finanzamt nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG handelt es sich weder um einen Grundlagenbescheid noch hat sie grundlagenbescheidsähnliche Wirkung. Der Mitteilung kommt auch nicht aus sonstigen Gründen Tatbestandswirkung zu.

Ein Grundlagenbescheid liegt bereits deshalb nicht vor, weil es sich bei der Mitteilung der ZfA nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Es fehlt an einer Außenwirkung im Verhältnis zum Zulageberechtigten. Die ZfA teilt das Prüfungsergebnis lediglich dem Finanzamt mit. Es handelt sich um ein bloßes Verwaltungsinternum.

Zwar können ressortfremde Verwaltungsakte, die keine Grundlagenbescheide sind, als feststehende Tatsache bzw. Besteuerungsgrundlage für das Finanzamt (und auch für das Finanzgericht) bindend sein. Diese Tatbestandswirkung führt dazu, dass sie im Besteuerungsverfahren hinzunehmen und nicht auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen sind. Die Prüfung bleibt den dazu berufenen Spezialgerichten vorbehalten. Die Mitteilung der ZfA über die Zulagenberechtigung ist allerdings keine solche ressortfremde Entscheidung. Es fehlt bereits am Vorliegen eines Verwaltungsakts. Zudem liegt kein ressortfremdes Verwaltungsverfahren vor. Denn die ZfA ist im Verhältnis zu den Finanzämtern keine ressortfremde Behörde. Sie wird im Wege der Organleihe für das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) tätig und handelt insoweit als Finanzbehörde.

Steuerrecht Unternehmer

  1. Investitionsabzugsbetrag und langfristige Nutzungsüberlassung

 Im Rahmen des Investitionsabzugsbetrags wird ein Wirtschaftsgut auch dann noch ausschließlich betrieblich genutzt, wenn es in dem Betrieb eines Anderen ausschließlich als Werkzeug zur Herstellung von durch den Investor in Auftrag gegebenen Teilen eingesetzt und in der restlichen Zeit dort für den Investor verwahrt wird. Eine langfristige Nutzungsüberlassung liegt in diesem Fall nicht vor.

 Hintergrund

Die X-KG hat eine Betriebsstätte im Inland. Im Jahr 2013 benötigte sie Spritzgussformen, die in universelle Spritzgussmaschinen zur Produktion spezieller Kunststoffformteile eingesetzt werden.

X beauftragte die Firma A mit der Planung und Herstellung der Formen. A vergab den Auftrag zur Herstellung der Werkzeuge an einen Subunternehmer in Italien (Y). Die neuen Werkzeuge blieben auch nach dem Eigentumserwerb durch X zunächst bei Y.

Später beauftragte X die Firma B mit der Herstellung der Kunststoffformteile. B beauftragte ihrerseits ein anderes italienisches Unternehmen (Z) mit der Produktion und Lieferung der bestellten Kunststoffformteile nach Deutschland. A und B sorgten dafür, dass Z dafür die erforderlichen Werkzeuge zur Verfügung standen und wiesen deshalb Y an, die Werkzeuge dorthin zu liefern.

X bestellt jährlich einmal die Kunststoffformteile bei B, die diese bei Z herstellen und von dieser liefern lässt. Die Werkzeuge werden dazu für etwa 1 Woche pro Jahr tatsächlich von Z genutzt und in der übrigen Zeit für Folgeaufträge bei Z für X gelagert. Z darf die Werkzeuge nicht anderweitig einsetzen. Sie müssen auf Verlangen der X herausgegeben werden.

X berücksichtigte im Jahr 2012 für die anzuschaffenden Werkzeuge gewinnmindernd einen Investitionsabzugsbetrag. Nach der Anschaffung aktivierte sie die Werkzeuge und nahm die gewinnmindernde Herabsetzung der Anschaffungskosten sowie Sonderabschreibungen vor.

Das Finanzamt ging dagegen davon aus, dass wegen des Verbleibens der Werkzeuge in Italien die Nutzungsvoraussetzungen nicht eingehalten wurden.

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Die Richter hielten es für ausreichend, dass das Wirtschaftsgut kurzfristig zurückverlangt werden konnte und damit im Einflussbereich des Betriebs verblieb.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision des Finanzamts zurück. Voraussetzung für den Investitionsabzugsbetrag ist, dass das Wirtschaftsgut mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahrs in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird.

Eine langfristige Nutzungsüberlassung, die die Begünstigung ausschließt, liegt vor, wenn das Wirtschaftsgut einem Anderen wie bei einem Miet-, Pacht- oder Leihverhältnisses zur eigenverantwortlichen Nutzung überlassen wird. Dann verliert das Wirtschaftsgut die räumliche Bindung, da der Andere es zu eigenen Zwecken nutzen kann und den Nutzungsüberlassenden von der tatsächlichen Gewalt über das Wirtschaftsgut langfristig ausschließen kann.

Im vorliegenden Fall verblieben die Werkzeuge zwar langfristig, also länger als 3 Monate bei Y bzw. Z. Diese sind aber nicht zu deren Nutzung zu eigenen Zwecken berechtigt. Sie dürfen die Werkzeuge ausschließlich für die Produktion der von der X in ihrem Betrieb benötigten Teile einsetzen. Eine anderweitige Nutzung ist ihnen untersagt und sie sind zur jederzeitigen Herausgabe der Werkzeuge an X verpflichtet. X hat somit immer die Möglichkeit, die tatsächliche Gewalt über die Werkzeuge innerhalb kurzer Zeit wiederzuerlangen. Sie werden zwischen ihrem jeweiligen Einsatz von Y bzw. Z lediglich für X verwahrt, um der X den jeweiligen Transport zu ersparen. Diese Umstände rechtfertigen es, noch von einer Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum Betrieb der X auszugehen.

  1. Keine Hemmung der Festsetzungsfrist bei unwirksamer Prüfungsanordnung

Richtet sich eine Prüfungsanordnung an den falschen Adressaten, ist sie unwirksam. Eine auf Grundlage einer nicht wirksam gewordenen Prüfungsanordnung durchgeführte Außenprüfung hemmt nicht den Ablauf der Festsetzungsfrist.

 Hintergrund

Die B-GmbH betrieb in den Jahren 2004 bis 2007 eine Klinik. Mit Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom August 2007 wurde ihr gesamtes Vermögen gegen Gewährung einer KG-Beteiligung auf die A-GmbH & Co. KG übertragen. Ihre Umsatzsteuer-Erklärungen hatte die B-GmbH im zweiten nach dem jeweiligen Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahr abgegeben.

Mit Prüfungsanordnungen aus den Jahren 2009 und 2010 ordnete das Finanzamt unter Verwendung der Steuernummer der B-GmbH eine Außenprüfung „bei der Firma A GmbH & Co. KG als Rechtsnachfolger der B-GmbH“ für die Jahre 2004 bis 2007 an. Im Schriftwechsel wiesen das Finanzamt und auch die B-GmbH stets auf die B-GmbH hin. Im Prüfungsbericht war ebenfalls die B-GmbH angegeben.

Gegen die nachfolgenden Änderungsbescheide wandte die B-GmbH ein, dass die Prüfungsanordnung fehlerhaft war, da sie nicht an die GmbH, sondern an die KG adressiert war. Die auf der fehlerhaften Prüfungsanordnung beruhende Außenprüfung konnte deshalb den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen, sodass bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.

Das Finanzgericht wies die Klage ab und legte die Prüfungsanordnung dahingehend aus, dass sie an die GmbH gerichtet war.

 Entscheidung

Der Bundesfinanzhof sah das anders und entschied, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht durch den Beginn der Außenprüfung gehemmt war. Denn die Prüfungsanordnung war fehlerhaft nicht an die GmbH adressiert.

Die reguläre Festsetzungsfrist begann für das Jahr 2004 wegen der Erklärungsabgabe im Jahr 2006 mit Ablauf des 31.12.2006 und endete nach 4 Jahren mit Ablauf des 31.12.2010. Entsprechend endete die Frist für die folgenden Jahre 2005 – 2007 zum Jahresende 2011, 2012 bzw. 2013. Die Festsetzungsfrist war somit bei Ergehen der Änderungsbescheide im Jahr 2014 bereits abgelaufen.

Eine Außenprüfung, die aufgrund einer unwirksamen Prüfungsanordnung durchgeführt wird, kann den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen. Im vorliegenden Fall sind die Prüfungsanordnungen der GmbH gegenüber nicht wirksam geworden. Denn das Finanzamt hat sie nicht gegenüber der GmbH, sondern gegenüber der KG erlassen. Das ergibt sich eindeutig aus der Anordnung einer Prüfung „bei der Firma A GmbH & Co. KG als Rechtsnachfolger der B GmbH“. Da aufgrund erfolgter Ausgliederung weder die GmbH als übertragende Rechtsträgerin untergegangen noch eine Gesamtrechtsnachfolge eingetreten war, hätten die Prüfungsanordnungen an die GmbH als Steuerschuldnerin und nicht an die KG gerichtet werden müssen.

Der Wille des Finanzamts war zwar auf die steuerlichen Verhältnisse der GmbH gerichtet. Die Prüfungsanordnungen hat das Finanzamt dagegen erkennbar willentlich an die KG adressiert. Insoweit bestehen an der eindeutigen Bezeichnung der KG als der falschen Inhaltsadressatin keine Zweifel. Eine anderweitige Auslegung scheidet folglich aus.

Die Berufung auf Verjährung verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben. Ist – wie im vorliegenden Fall – Festsetzungsverjährung eingetreten, ermöglicht Treu und Glauben nicht, dass ein erloschener Anspruch des Finanzamts wieder auflebt, unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen der Eintritt der Verjährung vorwerfbar ist oder nicht.

  1. Selbstständige Zauberkünstler und die Umsatzsteuer

 Ein Zauberkünstler erbringt eine mit einer begünstigten Theatervorführung vergleichbare Darbietung. Seine Umsätze unterliegen dementsprechend dem ermäßigten Umsatzsteuersatz.

 Hintergrund

Der Kläger ist als selbstständiger Zauberkünstler für betriebliche und private Feierlichkeiten in den Räumen der Auftraggeber tätig. Angeboten wurde neben der klassischen Bühnenzauberei die sog. „Close-up“-Zauberei, die klassische „Manipulation“ sowie das Fertigen von Ballonskulpturen, untermalt durch selbstverfasste Gedichte für Kinder und Erwachsene. Nach Auffassung des Finanzamts steht jedoch Zauberkünstlern der ermäßigte Steuersatz nicht zu. Dagegen wehrte sich der Kläger vor dem Finanzgericht.

 Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts unterliegen die Darbietungen des Klägers auf dem Gebiet der Zauberei und der Ballonmodellage dem ermäßigten Steuersatz.

Der Steuersatz ermäßigt sich für die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen sowie für die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler. Bei der Auslegung des Begriffs „den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbare Darbietungen“ diejenigen Leistungen einheitlich zu behandeln, die aufgrund ihrer Gleichartigkeit in einem Wettbewerb stehen.

Eine Tätigkeit ist als künstlerisch anzusehen, wenn diese nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eigenschöpferisch ist und über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine „bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe“ erreicht. Es darf sich hierbei nicht primär nur um eine Mitteilung, sondern es muss sich um den Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers handeln.

Vorliegend erbringt der Kläger eigenschöpferische Leistungen, indem er seine eigenen Programme erstellt und aufführt, die verschiedene gestalterische Elemente enthalten, die die individuelle Persönlichkeit des Klägers und seine persönlichen Erfahrungen ausdrücken. Neben der von ihm jahrzehntelang ausgeübten Zaubertechnik erreicht sein Programm auch eine „bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe“, indem er Gedichte selbst verfasst, veröffentlicht und auswendig lernt, um damit seine Zauberkunst zu begleiten. Hierdurch hebt er sich von den übrigen selbständigen Zauberkünstlern ab.

Weiterhin sind Zauberkünstler als theaterähnliche Leistung einzustufen, wenn sie mit den begünstigten Aufführungen einer Kleinkunstbühne oder eines Varietétheaters vergleichbar sind. Maßgebend für die Vergleichbarkeit mit den o. g. begünstigten Darbietungen ist allein der Inhalt der jeweiligen Vorführung und nicht der Ort (Schauspielhaus, Konzerthalle usw.) oder die sachlichen Voraussetzungen eines Theaters (z. B. Ensemble und Spielplan). Deswegen ist es vorliegend für sich auch nicht schädlich, wenn die mit Theatervorführungen vergleichbaren Darbietungen ausschließlich bei privaten und betrieblichen Feiern (z. B. Geburtstag, Firmenevent oder Hochzeiten) erfolgen.

  1. Warum ältere Gewinnabführungsverträge angepasst werden sollten

 Beruht eine Gewinnabführung noch auf einem älteren Vertrag, sollte dieser dringend angepasst werden. Das BMF räumt dafür eine Übergangsfrist ein.

 Hintergrund

Zum 1.1.2021 trat eine Änderung des § 302 AktG in Kraft. Es wurde zwar lediglich das Wort „Restrukturierungsplan“ in § 302 Abs. 3 Satz 2 AktG aufgenommen. Trotzdem liegt damit eine Änderung dieser Norm vor.

Schreiben des BMF

Damit eine körperschaftsteuerlich Organschaft nach § 17 KStG weiterhin anerkannt werden kann, kann es erforderlich sein, die bisherigen Vereinbarungen zur Verlustübernahme im Gewinnabführungsvertrag anzupassen. Denn die Verlustübernahme nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KStG muss durch einen Verweis auf die Vorschriften des § 302 AktG in seiner jeweils gültigen Fassung vereinbart werden.

Während die neueren Gewinnabführungsverträge bereits einen solchen dynamischen Verweis enthalten sollten, könnte bei Altfällen, also vor dem 27.2.2013 abgeschlossene oder zuletzt geänderte Gewinnabführungsverträge, noch ein statischer Verweis oder der damalige Wortlaut des § 302 AktG genannt sein.

Liegt solch ein älterer Gewinnabführungsvertrag vor, räumt die Finanzverwaltung eine Handlungsfrist bis zum 31.12.2021 ein. Bis dahin sollte der Gewinnabführungsvertrag geändert und die Aufnahme eines dynamischen Verweises erfolgt sein. Andernfalls kann eine körperschaftsteuerliche Organschaft nicht mehr anerkannt werden.

Hinweis

Solch eine Anpassung des Gewinnabführungsvertrags stellt keinen Neuabschluss dar. Es beginnt damit insbesondere keine neue Mindestlaufzeit i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG.

  1. Wie die betriebliche Nutzung eines Pkw nachgewiesen werden kann

 Im Rahmen des Investitionsabzugsbetrags muss die betriebliche und außerbetriebliche Nutzung eines Pkw nachgewiesen werden. Dies kann durch ein Fahrtenbuch, aber auch durch andere Beweismittel geschehen.

 Hintergrund

X erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb und hatte im Jahr 2011 für die beabsichtigte Anschaffung eines betrieblichen Pkw einen Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG gebildet.

Im Jahr 2014 schaffte er den Pkw an und nahm entsprechende Hinzurechnungen und Kürzungen vor. Bei der Gewinnermittlung bewertete er die private Pkw-Nutzung nach der Fahrtenbuchmethode.

Nachdem das Finanzamt die Fahrtenbücher als nicht ordnungsgemäß beanstandet hatte, berücksichtigte es den privaten Nutzungsanteil nicht mit nur 10%, sondern mit dem höheren Wert nach der 1 %-Methode und versagte dementsprechend die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbetrag sowie Sonderabschreibung.

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Es war nicht feststellbar, dass X den Pkw im Jahr 2014 zu mindestens 90 % betrieblich genutzt habe. Eine Schätzung des privaten Nutzungsanteils auf weniger als 10 % sei bei Verwerfung des Fahrtenbuchs ausgeschlossen. Der Ansatz der Privatnutzung nach der 1 %-Regel gelte auch im Rahmen des Investitionsabzugsbetrags.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof widerspricht dem Finanzgericht und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Denn der Umfang einer nahezu ausschließlichen betrieblichen Nutzung von Kfz im Rahmen des Investitionsabzugsbetrags kann nicht nur mittels ordnungsgemäßer Fahrtenbücher nachgewiesen werden.

Die Voraussetzung der ausschließlichen oder fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung im Rahmen des Investitionsabzugsbetrags erfordert sowohl bei dessen Inanspruchnahme als auch bei der Sonderabschreibung eine betriebliche Nutzung von mindestens 90 %.

Der Nachweis einer ausschließlichen betrieblichen Nutzung eines Pkw kann nicht anhand der 1 %-Regelung geführt werden. Denn ein Durchschnittswert i. H. v. monatlich 1 % des Bruttolistenpreises entspricht in etwa einem Anteil der Privatnutzung von 20 % bis 25 %.

Der Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung eines Pkw ist jedoch nicht auf ordnungsgemäße Fahrtenbücher beschränkt. Der Nachweis kann auch durch andere Beweismittel geführt werden, wobei die Beteiligten zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsermittlung verpflichtet sind. Die Beschränkung der Beweismittel auf Belege oder ordnungsgemäße Fahrtenbücher zum Nachweis der privaten Nutzung von Kfz nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG ist auf den Investitionsabzugsbetrag nicht übertragbar. Denn § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG betrifft nur die Bewertung der Entnahmen. § 7g EStG regelt dagegen die Begünstigung der Investitionstätigkeit durch die Vorverlagerung von Abschreibungspotenzial und enthält damit einen grundlegend andersartigen Regelungsgegenstand.

Im zweiten Rechtsgang kann X deshalb im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht ergänzend zu den Fahrtenbüchern weitere Belege vorlegen, um die fast ausschließliche betriebliche Nutzung des Pkw zu dokumentieren.

  1. Zur Schlussbesprechung in Zeiten von Corona

 In Corona-Zeiten finden Schlussbesprechungen nach einer Betriebsprüfung häufig telefonisch statt. Lehnt jedoch der Steuerpflichtige das Angebot des Außenprüfers ab, eine telefonische Schlussbesprechung abzuhalten, darf der Außenprüfer von einem Verzicht des Steuerpflichtigen auf deren Durchführung ausgehen. Denn es besteht kein Anspruch auf Durchführung einer Schlussbesprechung unter Anwesenheit der Teilnehmer.

 Hintergrund

Die Steuerpflichtige wollte, dass zum Abschluss einer bei ihr durchgeführten Betriebsprüfung eine Schlussbesprechung stattfindet. Aufgrund der Corona-Pandemie schlug das Finanzamt eine telefonische Schlussbesprechung vor, was die Steuerpflichtige jedoch ablehnte. Das Finanzamt ging aus diesem Grund in seinem endgültigen Betriebsprüfungsbericht davon aus, dass an einer Schlussbesprechung kein Interesse bestand.

Die Steuerpflichtige wollte daraufhin im Wege einer einstweiligen Anordnung die Durchführung einer Schlussbesprechung unter Anwesenheit der Beteiligten erreichen. Ihrer Ansicht nach durften vor der von ihrer begehrten Schlussbesprechung keine Änderungsbescheide aufgrund der Betriebsprüfung ergehen.

 Entscheidung

Die Klage hatte vor dem Finanzgericht keinen Erfolg. Das Finanzgericht lehnte den Antrag ab, weil es keinen Anspruch für die von der Steuerpflichtigen beantragte Anordnung sah. Zwar ist über das Ergebnis einer Außenprüfung grundsätzlich eine Schlussbesprechung abzuhalten. Diese müsse jedoch nicht unter Anwesenheit erfolgen. § 201 Abs. 1 Satz 1 AO macht insoweit keine Vorgaben zum Ort sowie der Art und Weise der Durchführung einer Schlussbesprechung. Die Prüfungsfeststellungen könnten auch in einem telefonischen Gespräch erörtert werden. Das entsprechende Angebot des Finanzamts zu einer telefonischen Besprechung lehnte die Steuerpflichtige mehrfach ab. Das Finanzamt durfte deshalb zu Recht von einem Verzicht auf die Durchführung einer Schlussbesprechung ausgehen.