Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 11/2021:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und WEG

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Steuerrecht

Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Abschließende Hinweise

Zum Anfang



Arbeitsrecht

Verbale Entgleisung: „Hier herrscht ein Hitlerregime!“ rechtfertigt fristlose Kündigung

| Grobe Beleidigungen und Bedrohungen gegenüber Vorgesetzten stellen einen Grund für eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung dar. Solche Entgleisungen sind als so schwerwiegend anzusehen, dass das Interesse des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist aufzulösen, das Interesse des Arbeitnehmers an Weiterbeschäftigung überwiegt. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es dann nicht. So entschied jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |

Arbeitnehmer erhielt Kündigung und bedrohte daraufhin Geschäftsführer

Der Arbeitnehmer war ins Büro des Geschäftsführers zitiert worden. Dort überreichte ihm dieser für den Arbeitnehmer überraschend sein Kündigungsschreiben zur ordentlichen Kündigung. Der Arbeitnehmer wollte daraufhin eigentlich gehen. Er sei dann aber umgekehrt und habe den Geschäftsführer beschimpft: Er sei „wie Hitler“ und wolle „die schwarzen Köpfe ausmerzen“. Der Arbeitnehmer hatte wohl auch arabische Flüche ausgestoßen und zudem geäußert, er werde mit seinen Kindern in den Betrieb kommen, damit sie sehen könnten, wer dafür verantwortlich sei, dass sie nichts zu essen hätten.

Schwerwiegende Entgleisung rechtfertigt fristlose Kündigung

Der Kündigung waren etliche Streitigkeiten vorausgegangen. So war der Arbeitnehmer bereits abgemahnt worden. Das LAG: Das gesamte o. g. Verhalten des Arbeitnehmers stelle eine bedrohliche Handlung gegenüber dem Geschäftsführer dar. Diese Entgleisungen seien als so schwerwiegend anzusehen, dass das Interesse des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist aufzulösen, das Interesse des Arbeitnehmers an Weiterbeschäftigung überwiege. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere auch keine vorherige Abmahnung.

Quelle | LAG Köln, Urteil vom 6.11.2020, 10 Sa 280/19

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Trunkenheitsfahrt: Kündigung bei alkoholbedingtem Führerscheinentzug des Arbeitnehmers kann unwirksam sein

| Ist das Führen eines Kfz zwar nicht die alleinige, jedoch eine wesentliche Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag, stellt die alkoholbedingte Entziehung der Fahrerlaubnis einen an sich geeigneten Grund für eine außerordentliche bzw. ordentliche Kündigung dar. Das hat jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz klargestellt. |

Allerdings muss die Kündigung nicht in jedem Fall die richtige Reaktion des Arbeitgebers sein. Das LAG machte insofern deutlich: „Verstößt ein langjährig beschäftigter Arbeitnehmer durch eine Trunkenheitsfahrt außerhalb der Arbeitszeit schuldhaft gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten und erscheint eine Wiederholung als wenig wahrscheinlich, ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Abmahnung nicht von vorneherein entbehrlich.“

Im Fall des LAG war der Arbeitnehmer als Key-Account-Manager beschäftigt und benötigte das Fahrzeug für Kundenbesuche. Er hatte noch vor Zugang der Kündigung angeboten, die Zeit bis zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis durch Beschäftigung eines Fahrers auf eigene Kosten und Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu überbrücken.

Das LAG hielt dies für den Arbeitgeber zumutbar. Diese Möglichkeit komme als milderes Mittel gegenüber einer Beendigungskündigung in Betracht.

Quelle | LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6.9.2021, 1 Sa 299/20, Abruf-Nr. 225005 unter www.iww.de

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Erholungsurlaub: Quarantänetage werden auf Urlaubsanspruch angerechnet

| Wer im Erholungsurlaub arbeitsunfähig erkrankt, dem werden die Krankheitstage nicht auf den Urlaubsanspruch angerechnet. So steht es im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Der Arbeitgeber zahlt dann Entgelt und nicht etwa Urlaubsentgelt. Was ist aber, wenn sich ein Arbeitnehmer im Urlaub ohne selbst infiziert zu sein nur aufgrund eines Kontaktes mit einer an Covid-19 erkrankten Person in Quarantäne begeben muss? In diesem Fall gewährt der Arbeitgeber dennoch den beantragten und genehmigten Urlaub des Arbeitnehmers. Die Quarantänetage werden also auf den Urlaub angerechnet. Dies hat das Arbeitsgericht (ArbG) Neumünster entschieden. |

Das war geschehen

Die Arbeitgeberin (Beklagte) hatte dem klagenden Arbeitnehmer, wie beantragt, Urlaub für den 23. bis 31.12.20 genehmigt. Danach ordnete das Gesundheitsamt für den Kläger für den Zeitraum vom 21.12.20 bis 4.1.21 Quarantäne an. Die Beklagte zahlte für die beantragte Zeit Urlaubsentgelt und rechnete die Tage auf den Urlaubsanspruch des Klägers an.

So argumentiert der Arbeitnehmer

Der Kläger ist der Auffassung, dass sein Urlaubsanspruch nach wie vor bestehe. Die Arbeitgeberin habe ihm für Dezember 2020 nicht wirksam Urlaub gewährt. Durch die Quarantäne sei die Leistungsfähigkeit des Klägers weggefallen. Deshalb könne die Arbeitgeberin ihm überhaupt keinen Urlaub gewähren. Im Übrigen sei ihm eine frei und selbst gewählte Urlaubsgestaltung gar nicht möglich gewesen.

So argumentiert das Arbeitsgericht

Dieser Argumentation ist das ArbG nicht gefolgt. Das BUrlG (hier § 9) ist nicht auf den Fall der Anordnung einer Quarantäne analog anzuwenden. Bei der Schaffung der Vorschrift war die Unterscheidung zwischen Krankheit und bloßem zu einer Quarantäneanordnung führenden seuchenbezogenen Risiko bereits bekannt. Seinerzeit galt das Bundesseuchengesetz. Der Gesetzgeber hat mit § 9 BurlG eine besondere Situation der Urlaubsstörung herausgegriffen und die anderen Fälle nicht entsprechend geregelt. Es handelt sich um eine nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmevorschrift. Im Übrigen ist eine klare Grenzziehung bei der Frage, wer das Risiko für die Urlaubsstörung trägt, nur möglich und praktikabel, wenn allein auf die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers abgestellt wird.

Die Berufung ist gesondert zugelassen worden, das Urteil damit noch nicht rechtskräftig.

Quelle | ArbG Neumünster, Urteil vom 3.8.2021, 3 Ca 362 b/21, PM vom 3.8.2021

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Teilzeitanspruch: „Voraussichtlich“ im Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit auf jeden Fall vermeiden

| Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat jetzt klargestellt: Der Antrag des Arbeitnehmers auf Teilzeit während der Elternzeit muss den Bestimmtheitsanforderungen entsprechen, wie sie allgemein an Vertragsanträge gestellt werden. Daher wird ein Antrag diesen Anforderungen nicht gerecht, wenn die gewünschte wöchentliche Stundenzahl mit der Einschränkung „voraussichtlich“ angegeben wird. |

Folge: Verwendet der Arbeitnehmer das Wort dennoch, ist der Antrag unwirksam. Die beabsichtigte Teilzeittätigkeit ist nicht möglich.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 26.3.2021, 6 Sa 746/20, Abruf-Nr. 224093 unter www.iww.de

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Qualifiziertes Arbeitszeugnis: Keine Beurteilung in Tabellenform

| Der Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch eines Arbeitnehmers regelmäßig nicht dadurch, dass er Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis in einer an ein Schulzeugnis angelehnten tabellarischen Darstellungsform beurteilt. Die zur Erreichung des Zeugniszwecks erforderlichen individuellen Hervorhebungen und Differenzierungen in der Beurteilung lassen sich regelmäßig nur durch ein im Fließtext formuliertes Arbeitszeugnis angemessen herausstellen. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |

Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis, das Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten muss. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein und darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Sowohl der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses als auch dessen äußere Form richten sich nach den mit ihm verfolgten Zwecken. Genügt das Zeugnis diesen Anforderungen nicht, kann der Arbeitnehmer dessen Berichtigung oder Ergänzung beanspruchen. Mit einer Klage auf Berichtigung oder Ergänzung eines erteilten Arbeitszeugnisses macht der Arbeitnehmer weiterhin die Erfüllung seines Zeugnisanspruchs geltend und keinen dem Gesetz fremden Berichtigungs- oder Ergänzungsanspruch.

Das qualifizierte Arbeitszeugnis ist ein individuell auf den einzelnen Arbeitnehmer zugeschnittenes Arbeitspapier, das dessen persönliche Leistung und sein Verhalten im Arbeitsverhältnis dokumentieren soll. Es stellt eine individuell an den einzelnen Arbeitnehmer angepasste Beurteilung dar. Diesen Anforderungen wird regelmäßig nur ein individuell abgefasster Text gerecht.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hatte noch angenommen, die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung in Form einer tabellarischen Darstellung und Bewertung stichwortartig beschriebener Tätigkeiten nach „Schulnoten“ genüge den Anforderungen eines qualifizierten Zeugnisses. Das sah das BAG aber anders.

Quelle | BAG, Urteil vom 27.4.2021, 9 AZR 262/20

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Baurecht

Haftung: Wie weit haftet der Auftraggeber, wenn er sich über Bedenken des Planers hinwegsetzt?

| Nach einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Rostock musste der Auftraggeber mit nur 50 Prozent haften, nachdem er sich über die Bedenken des Ingenieurs hinweggesetzt hatte. Aber ist dies stets so oder kommt der Planer auch ohne eigene Haftung aus solchen Fallkonstellationen heraus? |

Im Fall des OLG hatte der Ingenieur den Auftraggeber schriftlich darauf hingewiesen, dass die Bauleistung nicht wie im Vertrag vereinbart realisierbar war. Zugleich machte er Vorschläge für zusätzlich notwendige Maßnahmen. Doch der Auftraggeber wollte das Bauvorhaben unverändert fortführen lassen. Es kam zu Schäden.

Doch der Ingenieur haftete nur, weil ihm selbst einige Planungsfehler unterlaufen waren. Das OLG attestierte ihm an den Schäden ein 50-prozentiges Mitverschulden. Der Auftraggeber hätte aber wohl mit 100 Prozent gehaftet, wenn dem Planer nicht selbst einige Fehler unterlaufen wären.

Dieses schon etwas ältere Urteil ist nun aufgrund einer aktuellen BGH-Entscheidung (sog. Nichtzulassungsbeschluss) rechtskräftig.

Quelle | BGH, Beschluss vom 10.2.2021, VII ZR 109/18; OLG Rostock, Urteil vom 10.4.2018, 4 U 110/10

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Baugenehmigung: Vermietung einer Wohnung zur Nutzung durch ständig wechselnde Gäste ist genehmigungspflichtig

| Wird eine Wohnung zur kurzfristigen Nutzung durch ständig wechselnde Gäste (sog. „Boardinghouse“) vermietet, liegt eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vor. Das hat jetzt das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg entschieden. |

Dabei, so das OVG, ist es unerheblich, ob eine kurzfristige Vermietung unmittelbar an ständig wechselnde Gäste oder eine langfristige Vermietung an ein Unternehmen erfolgt, das seinerseits ständig wechselnde Personen dort unterbringt.

Es besteht aufgrund der Nutzungsänderung Genehmigungspflicht, weil das öffentliche Baurecht an diese neue gewerbliche Nutzung andere Anforderungen stellt als an eine reine Wohnnutzung. Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zusätzlich zu prüfen wäre insbesondere, ob sich die gewerbliche Nutzung mit den Ansprüchen der Nachbarn auf Erhaltung der im reinen Wohngebiet besonders geschützten Wohnruhe verträgt. Ein ständiger Gästewechsel im Tage- oder Wochenrhythmus ist, so das OVG, jedenfalls in einem Mehrfamilienhaus und angesichts der bereits vorliegenden Nachbarbeschwerde kritisch zu betrachten.

Quelle | OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.7.2021, 1 LA 58/21

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Öffentliche Aufträge: Das ist im Hinblick auf „auskömmliche Angebote“ zu prüfen

| Lobt ein öffentlicher Auftraggeber einen Auftrag aus, muss er selbst prüfen, ob das angebotene Honorar auskömmlich ist. Er darf sich nicht auf die Behauptung des Mindestbieters verlassen, seine Angebotspreise seien auskömmlich. Das hat die Vergabekammer (VK) Bund bei einer Ausschreibung von Building Information Modeling-Leistungen (BIM-Leistungen) festgestellt. |

BIM ist die Grundlage für die digitale Transformation im Architekten-, Ingenieur- und Bauwesen. Es soll die Kommunikation zwischen Projektbeteiligten vereinfachen. Die Planung soll transparenter gestaltet und eine höhere Planungs-, Termin- und Kostensicherheit erreicht werden. Im Fall, den die VK bewerten musste, lag das preislich günstigste Angebot weit unter den Preisen der nächsten Anbieter. Ein Bieter hatte deshalb die vorgesehene Vergabe an den Mindestbieter gerügt. Der Auslober ließ sich daraufhin die kalkulatorischen Grundlagen des Mindestbieters erläutern und kam zum Ergebnis, dass der sehr günstige Angebotspreis angemessen war. Das zog eine neuerliche Rüge nach sich. Die VK gab dem Auslober den Hinweis, dass er sich selbst um die Frage der Angemessenheit kümmern müsse und sich nicht einfach auf eine entsprechende Erklärung des Mindestbieters verlassen dürfe. Das tat der Auslober dann auch. Er hat sich selbst mit der Kalkulation befasst und kam aufgrund eigener Meinungsbildung zum Ergebnis, dass die Angebotspreise auskömmlich sind. Das hat die VK akzeptiert.

Quelle | VK Bund, Beschluss vom 8.2.2021, VK B 2-17/20, Abruf-Nr. 225146 unter www.iww.de

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Vertragsrecht: Energieberater ist (nur) ein Dienstleister

| Die Rechtsnatur eines Vertrags zur Energieberatung oder zur Fördermittelberatung ist ein Dienst- und kein Werkvertrag. Das korrekte Ausfüllen der Antragsformulare zur Erlangung von Fördermitteln ist in Ermangelung einer abweichenden Vereinbarung die Aufgabe des Auftraggebers. Diese zwei Dinge hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle jetzt klargestellt. |

Ein Auftraggeber hatte für sein Bauvorhaben u. a. keine Fördermittel erhalten, weil der Architekt im Förderantrag falsche Angaben zur Mitarbeiterzahl eingetragen hatte, die der Energieberater nicht geprüft hatte. Der Auftraggeber wollte dafür den Energieberater haftbar machen. Er warf ihm die Verletzung von Beratungspflichten vor. Das machte das OLG aber nicht mit. Es wertete den Vertrag zwischen Architekt und Energieberater als Dienstleistungsvertrag. Der Energieberater schuldete damit keinen Erfolg seiner Beratung.

Die Rechtsnatur eines Vertrags zur Energieberatung oder zur Fördermittelberatung stufte schon der Bundesgerichtshof (BGH) als „neue Dienstleistungsberufe“ ein, deren Berufsbild überwiegend gesetzlich bisher nicht geregelt sei. Auch das OLG Celle sah es in einer älteren Entscheidung bereits ähnlich: “Wer es übernimmt, über die Möglichkeiten der energetischen Modernisierung eines Objekts zu beraten, dazu Wirtschaftlichkeitsberechnungen anzustellen und Fördermittelberatung sowie Hilfestellung bei der Beantragung möglicher Fördermittel zu erbringen, schuldet letztlich in Bezug auf die Fördermittelberatung keinen Erfolg; es handelt sich nicht um einen Werkvertrag, sondern lediglich um eine Dienstleistung im Sinne einer fachlichen Beratung“.

Quelle | OLG Celle, Urteil vom 30.6.2021, 14 U 188/19, Abruf-Nr. 224113 unter www.iww.de

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Familien- und Erbrecht

Testamentsgestaltung: Testament wirksam trotz nachträglicher Ergänzung um dritten Enkel

| Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg musste entscheiden, ob eine handschriftliche Ergänzung in einem Testament wirksam war. |

Sachverhalt

Die spätere Erblasserin bestimmte in ihrem handschriftlichen Testament ihre beiden Enkelkinder zu ihren Erben. Mehrere Jahre später wurde ein drittes Enkelkind geboren. Daraufhin ergänzte sie ihr Testament mit abweichender Schriftfarbe , indem sie nach den ersten beiden namentlich benannten Enkeln die Worte „und G.“ einfügte, ohne den Zusatz mit Datum zu versehen und zu unterschreiben.

Entscheidung des Oberlandesgerichts

Das OLG hat diese Frage jetzt bejaht. Für ein wirksames handschriftliches Testament sei erforderlich, dass es eigenhändig geschrieben und unterschrieben ist. Dabei sei es ohne Bedeutung, in welcher zeitlichen Reihenfolge die einzelnen Bestandteile des Testaments einschließlich der Unterschrift niedergeschrieben worden sind. Entscheidend sei, dass im Zeitpunkt des Todes eine die gesamten Erklärungen nach dem Willen des Erblassers deckende Unterschrift vorhanden ist. Der ergänzte Textteil fügte sich hier nahtlos in den Gesamttext des Testaments ein und wird durch die unterhalb des Textes stehende Unterschrift gedeckt. Damit bestanden für das Gericht an der Wirksamkeit des „Gesamtkonstrukts“ keine Zweifel.

Quelle | OLG Brandenburg, Urteil vom 31.5.2021, 3 W 53/21, Abruf-Nr. 223606 unter www.iww.de

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Nachlass: Eröffnung des kompletten Ehegatten-Testaments auch den Kindern gegenüber?

| Nach dem Tod eines der Ehegatten kündigte das Nachlassgericht an, das gemeinschaftliche Testament seinem gesamten Inhalt nach auch den Kindern gegenüber zu eröffnen. Dagegen wehrte sich der überlebende Ehegatte mit dem Argument, dass die Bekanntgabe der Verfügungen, die die gemeinsamen Kinder aktuell nicht beträfen, seinem Geheimhaltungsinteresse zuwiderlaufen würde. Dem hat das Oberlandesgericht (OLG) München in einem aktuellen Beschluss aber entschieden widersprochen. |

Das Gericht muss den Beteiligten den sie betreffenden Inhalt der Verfügung von Todes wegen bekannt geben. Beteiligte sind dabei alle, denen durch die Verfügung ein Recht gewährt oder genommen oder deren Rechtslage in sonstiger Weise unmittelbar beeinflusst wird. Die gemeinsamen Kinder des Erblassers und seiner Ehefrau, die durch das gemeinschaftliche Testament zunächst enterbt werden, sind dabei bereits Beteiligte kraft Gesetzes.

Eine Ausnahme bilden gemeinschaftliche Testamente. Da grundsätzlich nur die Verfügungen des verstorbenen Ehepartners zu eröffnen sind, müssen danach die Verfügungen des überlebenden Ehepartners nicht bekannt gegeben werden, wenn und soweit es sich tatsächlich um trennbare Verfügungen handelt. Allerdings kommt es nicht auf die Wünsche und etwaige Geheimhaltungsinteressen der Eheleute an, sondern schlicht auf die Frage der Trennbarkeit. Die Trennbarkeit ist nur gegeben, wenn beide Erbfälle in dem Testament getrennt gestaltet und formuliert sind.

Quelle | OLG München, Beschluss vom 7.4.2021, 31 Wx 108/21, Abruf-Nr. 222416 unter www.iww.de

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Erbrecht: Gericht stellt hohe Anforderungen an die Entziehung des Pflichtteils

| Um einem gesetzlichen Erben den Pflichtteil wirksam entziehen zu können, müssen Erblasser sowohl formal als auch inhaltlich hohe Hürden überwinden. Insbesondere kann eine körperliche Auseinandersetzung nur dann dazu führen, dass der Pflichtteilsanspruch entfällt, wenn es sich um ein schweres Vergehen gegen den Erblasser gehandelt hat. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal in einem aktuellen Rechtsstreit entschieden. Der testamentarisch übergangene gesetzliche Erbe hatte eine an seiner Stelle bedachte soziale Einrichtung verklagt. Diese muss ihm nun seinen 50%igen Pflichtteil auszahlen und auch die Verfahrenskosten tragen. |

Sachverhalt

Die Eltern des Mannes hatten ihn 1997 in einem notariellen Erbvertrag enterbt und zusätzlich angeordnet, dass ihm der Pflichtteil entzogen werden soll. Als Begründung gaben sie an, dass der Sohn seine Mutter ein Jahr zuvor mehrfach geschlagen und sie hierbei eine Schädelprellung erlitten habe. Diese Pflichtteilsentziehung wollte der Mann nach dem Tod der Mutter nicht akzeptieren und klagte gegen die als Erbin eingesetzte soziale Einrichtung.

Landgericht: unwirksame Pflichtteilsentziehung

Die Klage hatte vollen Erfolg. Nach Ansicht des LG war die Entziehung des Pflichtteils im Erbvertrag bereits aus formalen Gründen unwirksam. Um zu verhindern, dass nachträglich weitere Gründe nachgeschoben werden, müsse das maßgebliche Fehlverhalten des Erben bereits im Testament eindeutig geschildert sein. Hier sei aber gerade nicht festgehalten worden, welche Hintergründe zu der Auseinandersetzung geführt und welche Folgen dies gehabt habe. Da der Streit im Gerichtsverfahren zudem nicht aufgeklärt werden konnte, bleibe es denkbar, dass sich die Körperverletzung bei einem spontanen Streit oder im Affekt zugetragen habe. Dies rechtfertige nicht zwingend eine Pflichtteilsentziehung, denn nur ein schweres Vergehen gegen den Erblasser könne zum Verlust des Pflichtteils führen. Ein solches schweres Vergehen gegen die Mutter hätte der bedachte Verein aber nachweisen müssen.

Hohe Hürden für Pflichtteilsentziehung

Es sei zudem zu vermuten, dass der angebliche Vorfall aus 1996 nicht der Hauptgrund für die Pflichtteilsentziehung gewesen sei. Es sei, so das Gericht, eher davon auszugehen, dass die Eltern mit dem Lebenswandel ihres Sohnes nicht mehr einverstanden gewesen seien. Dies rechtfertige es jedoch nicht, dem Sohn seinen verfassungsrechtlich geschützten Pflichtteil in Höhe der Hälfte des Erbes zu entziehen.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 11.3.2021, 8 O 308/20, PM vom 22.7.2021

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Kinderbetreuung: Eltern bezahlen im Schnitt 1.130 Euro im Jahr

| Kinderbetreuung ist längst nicht überall in Deutschland beitragsfrei. Für viele Eltern ist die Fürsorge für ihren Nachwuchs deshalb auch eine Kostenfrage. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) auf Basis einer neuen Sonderauswertung der Lohn- und Einkommensteuerstatistik mitteilt, bezahlten Eltern im Jahr 2017 durchschnittlich 1.310 Euro jährlich für die Betreuung ihrer Kinder. Die Ergebnisse sind aufgrund der langen Fristen zur Steuerveranlagung erst etwa dreieinhalb Jahre nach Ende des Veranlagungsjahres verfügbar. |

Diese Angaben beziehen sich auf die 3,2 Millionen Kinder unter 14 Jahren, deren Eltern 2017 Kinderbetreuungskosten in ihrer Steuererklärung angegeben haben. Bei den unter 3-Jährigen erklärten Eltern für 29 % der Kinder Betreuungskosten, zu denen auch Ausgaben für Tagesmütter und -väter oder Au-pairs zählten. In den Altersgruppen von 3 bis 5 Jahren waren es gut zwei Drittel (trotz teilweise beitragsfreier Kindergartenjahre), von 6 bis 10 Jahre (Grundschulalter) 44 % und von 11 bis 13 Jahren noch 10 % der Kinder, die beitragspflichtig betreut wurden.

Quelle | Destatis, Pressemitteilung Nr. 483 vom 14.10.2021

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Umgangsrecht: Einschulungsfeier darf ohne den Vater stattfinden

| Ein Recht, an der Einschulungsfeier seines Kindes teilzunehmen, steht dem umgangs-, aber nicht sorgeberechtigten Elternteil nicht zu, wenn beim Aufeinandertreffen beider Elternteile der Austausch von Feindseligkeiten mit schlimmstenfalls traumatischen Folgen für das Kind zu befürchten sind. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden. |

Sachverhalt

Die Eltern des Kindes leben getrennt. Es gab schon mehrere Verfahren. Zuletzt hat das Amtsgericht (AG) die elterliche Sorge für beide Kinder auf die Mutter übertragen. Dem Vater hat es ein Umgangsrecht unter Begleitung des Kinderschutzbundes eingeräumt. Der Vater hat im Sorgerechts- und auch im Umgangsverfahren Beschwerden eingelegt. Die Verfahren laufen noch.

Nun wollte der Vater an der Einschulungsfeier eines der Kinder teilnehmen. Die Mutter lehnte dies ab. Daraufhin beantragte der Vater erfolglos den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Mutter auferlegt wird, ihn an der Feier teilnehmen zu lassen.

Das sagt das Oberlandesgericht

Das Umgangsrecht umfasst zwar i. d. R. auch das Recht, an besonderen Ereignissen, z. B. einer Einschulungsfeier, teilzunehmen. Dies setzt aber voraus, dass beide Eltern spannungsfrei daran teilnehmen können. Die familiäre Belastung darf die Veranstaltung nicht überschatten. Seitdem der Vater der Mutter sexuellen Missbrauch der Kinder vorgeworfen hatte, können beide nicht mehr vernünftig kommunizieren. Es drohen Feindseligkeiten. Die Einschulung ist für ein Kind mit hohen Erwartungen und einer besonderen Gefühlslage (Stolz und Vorfreude sowie Aufregung und Respekt) verbunden. Daher muss eine Eskalation mit ggf. traumatischen Folgen für das Kind verhindert werden. Folge: Der Vater musste hier „draußen bleiben“.

Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 30.8.2021, 2 UFH 2/21, Abruf-Nr. 224594 unter www.iww.de

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Mietrecht und WEG

Gewerberaummiete: Äußerung „Entmieten durch Vergasen“ in öffentlich einsehbarer Facebook-Gruppe rechtfertigt eine fristlose Kündigung

| Das Absetzen des Kommentars „Entmieten durch Vergasen“ auf einer öffentlich einsehbaren Facebook-Gruppe stellt einen wichtigen Grund dar, der den Vermieter zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Das stellte das Landgericht (LG) München I nun klar. |

Sachverhalt

Zwischen Vermieter und Mieter bestand ein Mietvertrag über Ladenräume, den der Vermieter mit mehreren Kündigungen versucht hat, zu beenden. Als bei einem Feuerwehreinsatz in dem Mietgebäude Gaswerte gemessen wurden, kommentierte der Mieter dies mit einem Post in einer öffentlichen Facebook-Gruppe wie folgt: „Entmieten durch Vergasen … die 2.“. Der Vermieter sah aufgrund des Vergleichs mit dem Nazi-Regime im nationalsozialistischen Deutschland eine Rufschädigung und eine Beleidigung, die ihn zu einer fristlosen Kündigung berechtige.

Landgericht sieht wichtigen Grund für fristlose Kündigung

Das LG gab ihm Recht. Der Post auf einer öffentlich einsehbaren Internetseite rechtfertige eine fristlose Kündigung des Mietvertrags aus wichtigem Grund. Beleidigungen und Verleumdungen stellten einen wichtigen Grund für eine Kündigung dar, wenn die Unzumutbarkeitsgrenze überschritten sei.

Stütze sich eine Kündigung im Wesentlichen auf eine Äußerung, müsse zunächst eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung ihres Sinns und eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen erfolgen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen. Die Meinungsfreiheit trete dabei nur ausnahmsweise bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde anderer antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedürfe. Bei schriftlichen Äußerungen im Internet könne dabei ein höheres Maß an Bedacht und Zurückhaltung erwartet werden.

Dies gelte unter Berücksichtigung der konkreten Kommunikationsumstände auch für textliche Äußerungen in den sozialen Netzwerken im Internet. Dabei sei die beeinträchtigende Wirkung einer Äußerung z. B. gesteigert, wenn sie besonders sichtbar in einem der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglichen Medium, insbesondere im Internet, getätigt wird, wobei auf die konkrete Breitenwirkung abzustellen sei.

Freie Meinungsäußerung hat ihre Grenzen

Der Kommentar „Entmieten durch Vergasen …“ überschreitet die Unzumutbarkeitsgrenze insofern bei Weitem. Nach dem objektiven Verständnishorizont eines durchschnittlich verständigen und gebildeten Lesers sticht der Bezug zur NS-Herrschaft ohne Zweifel jedenfalls spätestens auf den zweiten Blick heraus. Es handelt sich um eine allgemeinkundige Tatsache, dass das NS-Regime auch zur Verwirklichung von Bauvorhaben Juden aus ihren Wohnungen „entmietet“ und Juden „vergast“ hatte. Eine solche Äußerung überschreitet die Grenzen einer (aufgrund der zwischen den Parteien angespannten Stimmungslage) zulässigen zugespitzten Meinungsäußerung bzw. einer hinzunehmenden heftigen Kritik mittels Werturteils und kann nach tatrichterlicher Würdigung zu einem außerordentlichen Kündigungsgrund führen.

Quelle | LG München I, Urteil vom 21.12.2020, 31 O 5646/18

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Mietvertragsende: Wohnung samt Einbauten weitervermietet: Kein Schadenersatz gegen den Vormieter

| Sieht der Vermieter davon ab, gegen seinen Willen zurückgelassene Einbauten des scheidenden Wohnungsmieters (z. B. Badewannen-Glasaufsatz, Einbauschrank, Laminatboden) auszubauen und vermietet er die Wohnung mitsamt der Einbauten an einen Nachmieter, steht ihm gegen den Vormieter nicht ohne Weiteres ein Anspruch auf Schadenersatz in Höhe der fiktiven Rückbaukosten zu. So sieht es das Landgericht (LG) Berlin. |

Anlässlich der Rückgabe der Wohnung einigten sich die Mietvertragsparteien darauf, dass der Mieter nicht zum Rückbau verpflichtet ist, wenn und soweit er die Mieträume komplett streicht. So geschah es. Bei der Übergabe rügte der Vermieter lediglich Verschmutzungen im Hausflur, deren Beseitigung er forderte. Nach Auszug des Mieters verblieben sämtliche Einbauten in der Wohnung und wurden vom Nachmieter als vertragsgerecht akzeptiert, wovon der Vormieter Kenntnis hatte. Der Vermieter verlangt gegenüber dem ehemaligen Mieter fiktive Rückbaukosten als Schadenersatz nach Ansicht des Amtsgerichts (AG) in erster Instanz und des LG zu Unrecht.

Das LG argumentiert: Der Mieter durfte darauf vertrauen, dass er die Einbauten nicht mehr entfernen musste, sondern der Vermieter den Zustand der Wohnung als ordnungsgemäß akzeptierte. Dies gelte umso mehr, als sämtliche Einbauten auch nach der Wohnungsrückgabe tatsächlich in den Räumlichkeiten verblieben und von den Nachmietern weiter verwendet wurden.

Quelle | LG Berlin Urteil vom 21.6.2021, 64 S 219/20

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Mietvertragsende: Wohnungsauszug: Farbige Wände nicht immer ein Schaden

| Farbige Wände (auch in Form von Fototapeten) sind in der Mietwohnung nicht als Beschädigung anzusehen. Voraussetzung: Die Wohnung wurde in einer nicht neutralen Dekoration an den Mieter übergeben. So sieht es das Landgericht (LG) Oldenburg. |

Das LG hat die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts (AG) bestätigt. Es hat die Schadenersatzklage des Vermieters abgewiesen. Begründung: Zwar sei grundsätzlich ein Schadenersatz denkbar, wenn der Vermieter eine in neutraler Dekoration übernommene Wohnung mit einem farbigen Anstrich zurückgebe. Aus der Tatsache, dass die Wohnung bei der Übernahme durch den Mieter allerdings zumindest zweifarbig gestrichene Wände hatte, durfte dieser davon ausgehen, dass auch er die Räumlichkeiten nicht in einem „neutralen“ Zustand zurückgeben müsse. Daher fehle es an einer schuldhaften Pflichtverletzung des Mieters.

Darüber hinaus sei das Verlangen auf Rückgabe in einem „neutralen“ Zustand treuwidrig, weil der Vermieter dann mehr begehre als er ursprünglich bei Übergabe der Wohnung hatte. Die Ansicht des LG entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH).

Quelle | LG Oldenburg, Urteil vom 18.2.2021, 4 S 2/21

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Verbraucherrecht

Mobilfunkvertrag: Vertragsbindung bei Verlängerung mit neuem Smartphone über zwei Jahre hinaus zulässig

| Ein Mobilfunkvertrag kann sich bei einem Tarifwechsel, den der Kunde vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit mit neuem Endgerät selbst wünscht, in zulässiger Weise um weitere 24 Monate ab dem Ende der jeweiligen Vertragslaufzeit verlängern. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschieden und damit ein vorangegangenes Urteil des Landgerichts (LG) Bonn bestätigt. |

Verbraucherverband klagte

Der klagende Verbraucherverband hatte ein bundesweit agierendes Fest- und Mobilfunknetzunternehmen wegen Unterlassung in Anspruch genommen, weil dessen Vorgehensweise bei einer vorzeitigen Tarif- und Preisänderung mit neuem Endgerät zu einer unzulässigen bindenden Laufzeit des Vertrags von mehr als zwei Jahren führen könne. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt war der ursprüngliche Mobilfunkvertrag mehrfach verlängert worden, zuletzt im September 2019 ca. fünf Monate vor Ablauf der Mindestlaufzeit. Hierbei übernahm der Sohn des ursprünglichen Kunden den Vertrag, wobei ein Tarifwechsel stattfand und ein neues Endgerät erworben wurde. In ihrem Bestätigungsschreiben zu den geänderten Vertragsdetails führte die Beklagte u.a. aus, dass sich die Mindestvertragslaufzeit ab dem ursprünglichen Ende der Laufzeit um 24 Monate verlängere.

Das sagen die gerichtlichen Instanzen

Das LG hatte den Unterlassungsanspruch abgelehnt und die Klage abgewiesen. Dieser Auffassung hat sich das OLG angeschlossen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht von einem erstmaligen Abschluss eines Mobilfunkvertrags, sondern von einer Verlängerung des ursprünglichen Vertrags auszugehen sei. Dies ergebe die Auslegung der zugrundeliegenden Vertragserklärungen, in denen ausdrücklich von einer Vertragsverlängerung die Rede sei, der der Kunde zustimme. Die mit dem Tarifwechsel verbundene umfassende Änderung der Vertragsdetails ändere hieran nichts. Gegen die Annahme eines Neuabschlusses spreche insbesondere, dass die Leistungen nach der Änderung sofort wirksam wurden und die für die Zukunft vereinbarten Leistungen unmittelbar vor Ablauf des ursprünglichen Vertrags als vereinbart gelten sollten.

Interessenabwägung

Dieses Verständnis trage auch den Interessen der Vertragsparteien Rechnung: Zwar habe der Kunde ein Interesse, den Vertrag möglichst zeitnah zu beenden, um ohne vertragliche Bindung einen neuen Mobilfunkvertrag abschließen zu können, der sich an den aktuellen Konditionen orientiert. Dem stehe aber das Interesse des Unternehmens entgegen, die zulässige und vereinbarte Vertragslaufzeit einzuhalten, so dass aus seiner Sicht allein die Änderung des Vertrags mit neuen Konditionen zweckmäßig erscheine. Der Kunde erhalte somit im Gegenzug für eine verlängerte Bindung eine Änderung der Vertragskonditionen und die Möglichkeit, ein Handy zu vergünstigten Konditionen zu erwerben.

Das OLG hat die Revision nicht zugelassen.

Quelle | OLG Köln, Urteil vom 28.5.2021, Az. 6 U 160/20, PM 11/21 vom 28.6.2021

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Operationsfolgen: Vorhaut vor 18 Jahren entfernt: Kein Schmerzensgeld für Spätfolgen

| Ein 24-jähriger Mann aus Kleve, dem als Kind im Alter von fünf Jahren wegen einer diagnostizierten Phimose operativ die Vorhaut entfernt wurde und der darunter heute leidet, kann von dem behandelnden Urologen kein Schmerzensgeld verlangen. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf entschieden. |

Bei dem Kläger wurde 2003 eine hochgradige Phimose diagnostiziert, eine Verengung der Vorhaut des Penis. Die Vorhaut wurde darauf operativ mittels Zirkumzision entfernt. Der Kläger meint, eine Salbentherapie, wie sie heute üblich ist, hätte ausgereicht. Darüber hätten seine Eltern aufgeklärt werden müssen. Er leide erheblich unter den Folgen. Deshalb verlangt er von dem Urologen und dem Träger des Krankenhauses, in dem der Eingriff 2003 durchgeführt wurde, 30.000 Euro Schmerzensgeld.

Die Klage hatte das Landgericht (LG) bereits abgewiesen. Auch die Berufung des jungen Mannes bleibt ohne Erfolg. Er hat nicht beweisen können, dass die seinerzeit gestellte Diagnose einer hochgradigen Phimose falsch war.

Auch hat das OLG nicht feststellen können, dass die aufgrund dieser Diagnose durchgeführte Zirkumzision behandlungsfehlerhaft war. Denn die Behandlung durch den Urologen ist anhand der im Jahr 2003 geltenden Standards zu beurteilen. Diese hat das Gericht mit sachverständiger Hilfe festgestellt. Danach durfte der Urologe im Jahr 2003 davon ausgehen, dass die operative Entfernung der Vorhaut aufgrund der festgestellten Verengung geboten war. Über die Möglichkeit einer Salbentherapie musste er nicht aufklären, denn dies war nach den damaligen Verhältnissen nicht als gleichwertige Therapieform etabliert. Aus der maßgeblichen Sicht des Jahres 2003 ist dem Arzt und damit auch dem Krankenhaus nichts vorzuwerfen.

Die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) hat der Senat nicht zugelassen. Dagegen kann der Kläger eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.

Quelle | OLG Düsseldorf, Urteil vom 1.7.21, I-8 U 165/20, PM 20/21 vom 1.7.2021

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Hausratversicherung: Kein Versicherungsschutz für im Haus erpresstes Geld vom Sparbuch

| Ein Versicherungsnehmer wurde durch Drohung mit Gewalt gegen Tochter und Enkelkind in seiner Wohnung erpresst, von seinem Sparbuch Geld abzuheben und herbeizuschaffen, das sich außerhalb des Versicherungsorts auf der Bank befand. Kein Fall für die Hausratversicherung das folgt aus einem Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Köln. |

Das OLG: Dies gilt auch, wenn sich das Sparbuch zum Tatzeitpunkt in der Wohnung befand. Bei einem Sparguthaben auf einem Sparbuch handelt es sich um ein durch den Einleger/Sparer der Bank gewährtes Darlehen, das nach Kündigung durch den Sparer als Darlehensgeber von der Bank zurückzuzahlen ist. Bei dem Sparbuch handelt es sich hingegen um eine sich hierüber verhaltende Schuldurkunde, deren Eigentümer der Gläubiger der Darlehensforderung gegen die Bank ist.

Quelle | OLG Köln, Beschluss vom 19.7.2021, 9 U 172/20, Abruf-Nr. 224294 unter www.iww.de

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Schadenersatz: Schwierig: Wer haftet beim Unfall auf dem Bahnhof?

| Ein Fahrgast der Deutschen Bahn stürzt auf einem Bahnhof. Doch gegen wen muss er seine ggf. bestehenden Ansprüche richten? Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm sagt nun: Vertragliche Ansprüche muss er gegen das Eisenbahnverkehrsunternehmen richten, mit dem er den Beförderungsvertrag abgeschlossen hat. Für deliktische Ansprüche kommt als Anspruchsgegner auch das Eisenbahninfrastrukturunternehmen in Betracht, das den Bahnhof betreibt. Die Deutsche Bahn AG kann er in diesen Fällen nicht in Anspruch nehmen. |

Sturz in der Unterführung

Ein Fahrgast des Personennahverkehrs war im Hauptbahnhof in einer dortigen Personenunterführung gestürzt. Er verlangte Schmerzensgeld und materiellen Schadenersatz nach dem OLG aber vom falschen Beklagten.

Geflecht von Bahn-Unternehmen

Die Deutsche Bahn AG hatte lediglich für einen Dritten, die DB Regio AG, die Fahrkarte verkauft. Die Deutsche Bahn AG ist auch nicht Betreiberin des Hauptbahnhofs. Diese Aufgabe nimmt die DB Station & Service AG wahr. Auch sei die Deutsche Bahn AG nicht Netzbetreiberin gewesen. Hiervon gebe es eine Vielzahl, wobei die DB Netz AG und die DB RegioNetz AG zu den größten Eisenbahninfrastrukturunternehmen gehörten.

Quelle | OLG Hamm, Urteile vom 26.6. und 11.8.2021, 11 U 38/21

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KfW-Förderprogramm: Bessere Förderung des genossenschaftlichen Wohnungsneubaus

| Seit dem 21.10.2021 ist ein neues Programm gestartet, mit dem der genossenschaftliche Wohnungsbau gefördert wird. |

Wie bisher können Privatpersonen beim Erwerb von Genossenschaftsanteilen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) eine Förderung beantragen, wenn sie eine Genossenschaftswohnung selbst nutzen. Mit dem neuen Programm sollen Haushalte gefördert werden, wenn sie sich an genossenschaftlichen Neubauvorhaben mit Geschäftsanteilen beteiligen. Geplant ist ein zinsgünstiges Darlehen mit einem Förderzuschuss in Höhe von 15 Prozent.

Mehr Informationen finden Sie hier: www.iww.de/s5371.

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Privatschule: Probejahr mit beschränkter Kündigungsmöglichkeit erlaubt

| In einem Privatschulvertrag wurde ein „Probejahr“ mit beidseitiger Kündigungsmöglichkeit vereinbart. Eine Kündigung des Vertrags in diesem Zeitraum ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken aber nicht ohne Weiteres erlaubt mit Rücksicht auf die Nachteile, die die Beendigung des Schulverhältnisses für den weiteren Lebensweg eines Schülers mit sich bringen kann. |

Die Kündigung sei unwirksam, wenn sie rechtsmissbräuchlich sei. Hier hatten sich Eltern und Schüler den pandemiebedingten Regeln der Schule widersetzt. Zu Recht gehe die Schule davon aus, dass ein solches Verhalten geeignet sei, das notwendige schulische Vertrauensverhältnis zu beeinträchtigen. Das OLG: Die Kündigung war hier daher nicht rechtsmissbräuchlich.

Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 9.9.2021, 5 W 29/21

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Steuererklärung: Warnung: Wiederholt Betrugs-E-Mails im Umlauf

| Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) warnt vor Betrügern, die über die E-Mail-Adresse „steuerzahler@bzst.tax-official.com“ versuchen, an Informationen von Steuerzahlern zu gelangen. Sie versenden E-Mails mit dem Titel „Bekanntmachung über die Steuererklärung“ und behaupten, die Bürger könnten über einen Link weitere Informationen zu ihrem Steuererstattungsanspruch erhalten. Das BZSt warnt davor, hierauf zu reagieren bzw. den Link in der E-Mail zu öffnen. |

Quelle | BZSt, Meldung vom 7.9.2021, abrufbar unter www.iww.de/s5525

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Schadensmeldung: EC-Karte verloren? Schnell handeln!

| Wer den Verlust der EC-Karte bemerkt und erst nach 30 Minuten veranlasst, die Karte zu sperren, verstößt gegen seine Obliegenheiten und kann keinen Ersatz von zwischenzeitlichen Abhebungen mit der Karte verlangen. So sieht es das Amtsgericht (AG) Frankfurt a. M. |

Die Klägerin hat in der Schadensanzeige mitgeteilt, um 10.10 Uhr den Verlust der Karte bemerkt zu haben. Später behauptete sie, den Verlust ihrer Geldbörse mit der EC-Karte erst um 10.30 Uhr bemerkt zu haben. Um 10.42 Uhr habe sie die Karte sperren lassen, mit der bereits um 10.15 Uhr und um 10.16 Uhr zweimal 500 Euro abgehoben wurden.

Das AG sah es als nicht ausgeschlossen an, dass die Klägerin EC-Karte und PIN gemeinsam verwahrt habe und stellt auf die Schadensmeldung ab. Wer ein Mobiltelefon mit sich führe, müsse direkt die Kartensperre veranlassen. Wäre dies um 10.10 Uhr geschehen, hätten die missbräuchlichen Abhebungen nicht stattfinden können.

Quelle | AG Frankfurt a.M., Urteil vom 31.8.2021, 32 C 6169/20

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Verkehrsrecht

BGH-Beschluss: Strafbarkeit der sogenannten Polizeiflucht

| Auch sog. Polizeifluchtfälle können strafbar sein. Es muss aber festgestellt werden, dass es dem Täter darauf ankam, als notwendiges Zwischenziel für eine erfolgreiche Flucht über eine nicht ganz unerhebliche Wegstrecke die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |

Der BGH hatte dies bereits früher angedeutet. Nun hat er es ausdrücklich festgestellt. Er weist aber darauf hin, dass aus einer Fluchtmotivation nicht ohne Weiteres auf die Absicht geschlossen werden kann, die gefahrene Geschwindigkeit bis zur Grenze der situativ möglichen Höchstgeschwindigkeit zu steigern.

Quelle | BGH, Beschluss vom 29.4.2021, 4 StR 165/20, Abruf-Nr. 222663 unter www.iww.de

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Fahrtenbuch: Keine weiteren Ermittlungen bei nur vagen Angaben zu in Betracht kommenden Fahrern

| Die Fahrerlaubnisbehörde ist zu weiteren Ermittlungen nicht verpflichtet, wenn der Fahrzeughalter bei seiner Anhörung zu einer beabsichtigten Fahrtenbuchauflage nur vage Angaben zu einem in Frage kommenden großen Personenkreis macht und es deshalb an hinreichend konkreten Beweisanzeichen fehlt, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten. Das hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) entschieden. |

Der VGH: Art, Zeitpunkt und Umfang der angemessenen und zumutbaren Ermittlungen stehen im pflichtgemäßen Ermessen der Polizei. Sie ist nicht verpflichtet, bestimmte Ermittlungsmethoden anzuwenden. Diese hängen vielmehr von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters ab, an der Feststellung des Fahrers mitzuwirken.

Die Behörde darf ihre Bemühungen um die Feststellung des Fahrzeugführers vorrangig an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten und aus seinem Verhalten im Ordnungswidrigkeitenverfahren auf fehlende Mitwirkungswirkungsbereitschaft schließen. Der Fahrzeughalter ist für sein Fahrzeug verantwortlich und daher erster Ansprechpartner für die Ermittlungsbehörden. Er ist insoweit zur Mithilfe bei der Aufklärung verpflichtet, dass er zumindest den Personenkreis der möglichen Fahrzeugführer gegenüber der Straßenverkehrsbehörde einschränkt.

Unterbleiben dahingehende Angaben oder lehnt der Fahrzeughalter eine Mitwirkung erkennbar ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen nach dem Fahrzeugführer zu betreiben.

Quelle | Hessischer VGH, Urteil vom 28.7.2021, 2 A 1463/20 unter www.iww.de

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Unfallschaden: Reifenpreis muss nicht der niedrigste sein

| Das Amtsgericht (AG) Hamburg-Wandsbek hat jetzt bei der fiktiven Abrechnung eines Unfallschadens klargestellt: Auch soweit der Prüfbericht den Ansatz eines zu hohen Reifenpreises beanstandet, belegt das Nennen einer Bezugsquelle mit einem niedrigeren Preis nicht, dass der vom Sachverständigen ermittelte Preis unangemessen oder unüblich ist. |

Oft wird in Prüfberichten auf den Preis eines Reifendiscounters abgestellt. Doch darauf kommt es nicht an. Der Preis muss im üblichen Rahmen liegen. Das genügt.

Quelle | AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 1.6.2021, 715 C 81/21, Abruf-Nr. 223184 unter www.iww.de

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Schadenersatz: „Rennmodus“ erhöht Betriebsgefahr

| Wird eine Motorsport-Rennstrecke bei einer sogenannten Touristenfahrt mit einer den Sichtverhältnissen nicht angepassten, hohen Geschwindigkeit („Rennmodus“) befahren, erhöht das die Betriebsgefahr. Folge: Die Betriebsgefahr tritt bei einem Unfall nicht zurück. Dies gilt, selbst wenn den Unfallgegner ein grobes Verschulden trifft. Hierauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hingewiesen. |

Unfall mit Folgen

Der Geschäftsführer der Klägerin unternahm mit einem ihrer Fahrzeuge eine sogenannte Touristenfahrt auf einer Motorsport-Rennstrecke. In einer nur eingeschränkt einsehbaren Linkskurve verlor er die Kontrolle über das Auto. Er krachte in die Leitplanke. Unfallursache war eine Kühlmittelspur. Diese hatte das Fahrzeug des Beklagten hinterlassen.

Wie viel Schadenersatz stand der Klägerin zu?

Die Klägerin verlangte von der Beklagten und deren Haftpflichtversicherung Schadenersatz in Höhe von ca. 65.000 Euro. Das Landgericht (LG) sprach der Klägerin hiervon 75 Prozent zu. Es wies die Klage im Übrigen ab. Begründung: Die vom Fahrzeug der Klägerin ausgehende Betriebsgefahr betrage 25 Prozent. Sie trete u. a. nicht hinter dem Verschulden des Beklagten zurück, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Unfall bei angepasster Geschwindigkeit zu verhindern gewesen wäre. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein.

Doch nach Ansicht des OLG hatte das LG richtig entschieden. Denn die konkrete Nutzung des Fahrzeugs habe dessen Betriebsgefahr erhöht. Daher trete diese nicht hinter dem Verschulden des Beklagten zurück. Erhöht sei eine Betriebsgefahr, wenn die regelmäßig und notwendigerweise mit dem Kfz-Betrieb verbundenen Gefahren durch besondere Umstände vergrößert werden. Dies sei regelmäßig bei Fahrmanövern der Fall, die besondere Gefahren mit sich bringen.

Wer sich in Gefahr begibt …

Das sah das OLG hier als gegeben an: Das Kfz der Klägerin sei auf der Rennstrecke bei eingeschränkter Sicht mit hoher Geschwindigkeit im „Rennmodus“ gefahren worden. Der Spielraum, einen Unfall zu vermeiden, hätte dadurch quasi „null“ betragen. Die Betriebsgefahr könne somit nicht zurücktreten. Sie hatte daher mit 25 Prozent angesetzt werden können.

Folglich wies das OLG die Klägerin darauf hin, dass ihre Berufung keinen Erfolg haben werde. Daraufhin hat die Klägerin das Rechtsmittel zurückgenommen. Das Verfahren ist hierdurch rechtskräftig abgeschlossen.

Quelle | OLG Koblenz, Beschluss vom 5.1.2021, 12 U 1571/20, PM vom 15.6.2021

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Schadensregulierung: Nach Verkehrsunfall nicht zu lange warten

| Der Umstand, dass der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall mehrere Monate wartet, bevor er sich ein Ersatzfahrzeug anschafft, begründet eine tatsächliche Vermutung für einen fehlenden Nutzungswillen. So sieht es das Oberlandegericht (OLG) Dresden. |

Diese Vermutung wird nach Ansicht des OLG nicht durch den Vortrag entkräftet, zu einer Neuanschaffung nicht in der Lage zu sein, wenn der Geschädigte ein regelmäßiges Arbeitseinkommen erzielt, keine Zahlungsverpflichtungen bestehen und das Girokonto im Plus geführt wird. So ist nämlich davon auszugehen, dass der Geschädigte sich einen Kredit zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und hierdurch auch nicht über Gebühr belastet wird.

Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 17.5.2021, 4 U 382/21, Abruf-Nr. 224635 unter www.iww.de

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Unfallschaden: Werkstatt darf Probefahrtkosten nach Reparatur berechnen

| Die Probefahrt nach der Unfallreparatur muss keine kostenfreie Serviceleistung der Werkstatt sein. Der Aufwand, der in einem erheblichen Zeitaufwand besteht, ist nach Ansicht des Amtsgerichts (AG) Stade wie jeder andere für die Reparatur erforderliche Arbeitsschritt auch gesondert zu vergüten. Er ist vom Schädiger bzw. dem dahinterstehenden Versicherer zu erstatten. |

Dies gilt aber nur, wenn die Probefahrt infolge der Unfallreparatur notwendig war. Eine Probefahrt, die etwa nur ein Gespräch über eine ggf. weitere unfallunabhängige Reparatur vorbereiten soll, ist nicht notwendig.

Quelle | AG Stade, Urteil vom 19.7.2021, 63 C 305/21, Abruf-Nr. 224115 unter www.iww.de

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Steuerrecht

Fahrten zum Sammelpunkt: Hier gilt für Steuerpflichtige die Entfernungspauschale

| Die Entfernungspauschale kann auch ohne erste Tätigkeitsstätte relevant sein. Betroffen sind die Fälle, in denen der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Festlegungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort (Sammelpunkt) oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufsuchen muss. Mit den Voraussetzungen hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) nun (erstmals) näher befasst. |

Sachverhalt

Ein Baumaschinenführer gelangte zu den jeweiligen Arbeitsorten (Baustellen) entsprechend einer betriebsinternen Anweisung jeweils mit einem Sammelfahrzeug seines Arbeitgebers. Dies betraf sowohl Fahrten mit täglicher Rückkehr als auch Fahrten zu sonstigen Arbeitsorten, an denen er (mehrtägig) übernachtete. Die Einsätze auf den „Fernbaustellen“ dauerten in der Regel die gesamte Woche. Das Finanzamt berücksichtigte die Fahrten zur Sammelstelle nur mit der Entfernungspauschale.

Hintergrund

Für die Berücksichtigung von Verpflegungspauschalen oder Übernachtungskosten hat die Festlegung als Sammelpunkt oder weiträumiges Tätigkeitsgebiet keinen Einfluss, da der Arbeitnehmer weiterhin auswärts beruflich tätig wird. Vielmehr legt die Regelung des Einkommensteuergesetzes (EstG, §9) „nur“ die Anwendung der Entfernungspauschale für die Fahrtkosten von der Wohnung zu dem Sammelpunkt, bzw. zu dem nächstgelegenen Zugang zum Tätigkeitsgebiet, fest. Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen sind hier nicht möglich.

Gerichtliche Entscheidung

Ob ein Arbeitnehmer (ohne erste Tätigkeitsstätte) zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen hat, wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Entscheidend ist hier die sog. ex- ante-Sicht, das heißt, die Sicht im Voraus.

Das Wort „typischerweise“ verlangt nicht, dass der Arbeitnehmer den Ort oder das Gebiet im Veranlagungszeitraum ausnahmslos aufsuchen muss. Es ist nur erforderlich, dass er ihn nach der Anweisung „typischerweise arbeitstäglich“ aufzusuchen hat. Es kommt nicht darauf an, dass hierbei eine bestimmte prozentuale oder tageweise Grenze überschritten wird. Maßgebend ist, ob der Arbeitnehmer den Ort in der Regel aufsuchen muss. Ausnahmen sind durchaus möglich (z.B. unvorhergesehener Einsatz). Ein dauerhaftes Aufsuchen liegt vor, wenn die Anordnung des Arbeitgebers zum Aufsuchen desselben Orts oder desselben weiträumigen Tätigkeitsgebiets unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus erfolgt.

Weil das Finanzgericht (FG) Thüringen als Vorinstanz einen Sammelpunkt gemäß EStG allein wegen der Anzahl der dorthin unternommenen Fahrten im Verhältnis zu den Gesamtarbeitstagen des Steuerpflichtigen angenommen hat, hat der BFH den Fall zurückverwiesen. Das FG muss nun aufklären, ob der Steuerpflichtige den Sammelpunkt auch typischerweise arbeitstäglich aufsuchen sollte. Ob dies der Fall ist, wird entscheidend davon abhängen, ob von vornherein feststand, dass der Steuerpflichtige nicht nur auf eintägigen Baustellen eingesetzt werden würde, sondern auch auf mehrtägigen Fernbaustellen. Hierfür kann auch die Betriebsstruktur des Arbeitgebers eine Rolle spielen. Ist dies der Fall, läge aus der ex-ante-Sicht kein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des Betriebssitzes des Arbeitgebers vor.

Quelle | BFH-Urteil vom 19.4.2021, VI R 6/19, Abruf-Nr. 224144 unter www.iww.de

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Werbungskosten: Das häusliche Arbeitszimmer in der Corona-Pandemie

| Wegen der Coronapandemie arbeiten viele Arbeitnehmer in ihrem häuslichen Arbeitszimmer. Hier stellt sich die Frage, ob bzw. in welcher Höhe die Kosten für das Arbeitszimmer als Werbungskosten abziehbar sind. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat Sonderregelungen bekannt gegeben. |

Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer sind wie folgt abziehbar:

  • Bis zu 1.250 Euro jährlich, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht,
  • ohne Höchstgrenze, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.

Dem Arbeitnehmer steht auch dann kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, wenn er die Entscheidung über das Tätigwerden im häuslichen Arbeitszimmer ohne eine ausdrückliche (schriftliche) Anweisung des Arbeitgebers getroffen hat und er der Empfehlung der Bundesregierung, bzw. der Länder gefolgt ist. Als Zeit der Coronapandemie wird dabei der Zeitraum vom 1.3.2020 bis zum 31.12.2021 angenommen.

Für den Tätigkeitsmittelpunkt ist der qualitative Schwerpunkt der Betätigung maßgeblich. In der Coronazeit ist davon auszugehen, dass die Arbeiten im Betrieb und im Arbeitszimmer qualitativ gleichwertig sind, sodass die zeitlichen Aspekte entscheidend sind.

Beispiel: Ein Arbeitgeber gestattet nur eine Person pro Großraumbüro. Der Arbeitnehmer verfügt über ein häusliches Arbeitszimmer und arbeitet fortan an drei Tagen pro Woche zu Hause. Folge: Er kann die Kosten für sein Arbeitszimmer ohne Höchstgrenze absetzen.

Beachten Sie | Alternativ (oder ohne häusliches Arbeitszimmer) kommt eine Homeoffice-Pauschale von 5 Euro für jeden Tag in Betracht, an dem die Tätigkeit ausschließlich in der Wohnung ausgeübt wird (max. 600 Euro im Jahr).

Quelle | BMF, Schreiben vom 9.7.2021, IV C 6 – S

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Dienstwagennutzung: KeineVerwerfung bei kleineren Fahrtenbuch-Mängeln

| Kleinere Mängel und Ungenauigkeiten führen nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und der Anwendung der 1 %-Regelung (gemäß der pauschal 1% des Bruttolistenpreises eines auch privat genutzten Firmen- oder Dienstwagens pro Monat als geldwerter Vorteil zu versteuern ist), wenn die Angaben insgesamt plausibel sind. Dies sagt das Finanzgericht (FG) Niedersachsen. |

Die Mängel im Streitfall: Verwendung von Abkürzungen für Kunden und Ortsangaben, fehlende Ortsangaben bei Übernachtung im Hotel, Differenzen aus dem Vergleich zwischen den Kilometerangaben im Fahrtenbuch und laut Routenplaner, keine Aufzeichnung von Tankstopps.

Beachten Sie | So positiv diese Entscheidung auch ist, sind Steuerpflichtige gut beraten, die hohen Anforderungen, die an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch gestellt werden, zu erfüllen. So muss ein händisch geführtes Fahrtenbuch insbesondere lückenlos und zeitnah geführt werden sowie in gebundener Form vorliegen.

Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 16.6.2021, 9 K 276/19, Abruf-Nr. 224711 unter www.iww.de

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Umsatzsteuerpflicht: Physiotherapeutische Leistungen ohne ärztliche Verordnung

| Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hat aktuell zur Umsatzsteuerpflicht physiotherapeutischer und allgemein der Gesundheitsförderung dienender Leistungen ohne ärztliche Verordnung entschieden. |

Hintergrund: Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden, sind von der Umsatzsteuer befreit. Steuerbegünstigt sind aber nur solche Maßnahmen, die ein medizinisch-therapeutisches Ziel verfolgen.

Sachverhalt

Ein Gesundheitsdienstleister im Bereich der Physiotherapie behandelte physiotherapeutische Leistungen an Patienten, die ihre Therapien im Anschluss an eine ärztliche Verordnung auf eigene Rechnung fortgesetzt hatten (Selbstzahler), als umsatzsteuerfrei. Begründung: Es handele sich um umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen, eine fortlaufende Verordnung sei nicht zwingend erforderlich. Zudem seien gesondert in Rechnung gestellte Nebenleistungen ( u. a. Kinesio-Taping, Wärme- und Kältetherapie, zertifizierte Kurse, Rehasport) ebenfalls nicht umsatzsteuerpflichtig, da sie im Zusammenhang mit steuerfreien Heilbehandlungen stünden.

Finanzamt: kein Nachweis für therapeutischen Zweck der Leistungen

Das Finanzamt (FA) vertrat dagegen die Ansicht, der Gesundheitsdienstleister habe für die Umsätze, die auf Selbstzahler entfielen, den therapeutischen Zweck der Leistungen nicht nachgewiesen. Bei den übrigen Leistungen handele es sich um optionale Leistungen und nicht um unselbstständige Nebenleistungen.

Finanzgericht: Rehasport = Heilbehandlung, ärztliche Verordnung nötig

Nach der Entscheidung des FG stellen die im Bereich des Rehasports erbrachten Leistungen steuerfreie Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin dar. Dies ist durch die ärztlichen Verordnungen nachgewiesen. Auch die Erlöse von Selbstzahlern sind zum Teil steuerfrei. Der Therapiezweck ist dabei aber nur in den Fällen nachgewiesen, in denen bereits vor der Anschlussbehandlung eine ärztliche Verordnung vorgelegen hat und spätestens nach Ablauf eines Jahres wegen derselben chronischen Erkrankung eine erneute ärztliche Verordnung zur Physiotherapie vorgelegt wurde.

Hinsichtlich der übrigen Leistungen hat das FG die Klage als unbegründet abgewiesen. Denn der Gesundheitsdienstleister konnte nicht nachweisen, dass diese Leistungen einen über die allgemeine Gesundheitsförderung hinausgehenden therapeutischen Zweck hatten. Insbesondere lagen keine ärztlichen Verordnungen vor und die Leistungen waren auch nicht unerlässlicher Bestandteil der Leistungen Physiotherapie und Rehasport.

Quelle | FG Düsseldorf, Urteil vom 16.4.2021, 1 K 2249/17 U, Abruf-Nr. 223561 unter www.iww.de; FG Düsseldorf, Newsletter August/September 2021

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Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Allgemeine Geschäftsbedingungen: Mahnspesen nur in Höhe der Sachkosten erstattungsfähig

| Ein Anspruch auf Mahngebühren für per E-Mail versandte Mahnungen besteht grundsätzlich nicht. Dies gilt auch bei einem pauschalierten Mahnspesenersatzanspruch in den AGB des Gläubigers. Das hat jetzt das Amtsgericht (AG) Stuttgart entschieden. |

Das AG bezieht sich auf die Rechtsprechung des BGH: Ersatzfähig und durch AGB pauschalierbar ist danach grundsätzlich nur derjenige Verzugsschaden, der nicht im grundsätzlich nicht zu erstattenden Zeit- und Arbeitsaufwand des Geschädigten liegt.

Quelle | AG Stuttgart, Urteil vom 22.6.21, 3 C 22/21

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BFH-Urteil: „Stimmen-Patt“ verhindert (ungewollte) Betriebsaufspaltung

| Eine Betriebsaufspaltung liegt nicht vor, wenn der das Besitzunternehmen beherrschende Gesellschafter in der Betriebskapitalgesellschaft nur über exakt 50 Prozent der Stimmen verfügt. Dabei sind dem Gesellschafter die Stimmen seines ebenfalls beteiligten minderjährigen Kindes jedenfalls dann nicht zuzurechnen, wenn in Bezug auf dessen Gesellschafterstellung eine Ergänzungspflegschaft besteht. So sieht es der Bundesfinanzhof (BFH). |

Der BFH: Die Stimmrechte seien dann nicht mehr Teil der Vermögenssorge der Mutter.

Sachverhalt

Im Streitfall waren die Klägerin und ihre beiden Kinder mit dem Tod des Ehemanns und Vaters Gesellschafter der Betriebs-GmbH geworden. Dieser GmbH hatte die Klägerin bereits seit Jahren ein betrieblich genutztes Grundstück verpachtet. Nachdem die Klägerin in einer Gesellschafterversammlung, in der eine Ergänzungspflegerin ihren minderjährigen Sohn vertrat, zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt worden war, sah das Finanzamt (FA) die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung als gegeben an. Es meinte, die Klägerin könne die GmbH, obwohl sie nur 50 Prozent der Stimmen innehabe, aufgrund ihrer elterlichen Vermögenssorge beherrschen, so dass neben der sachlichen auch die für eine Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung vorliege. Die Klägerin erziele daher aus der Grundstücksverpachtung gewerbliche Einkünfte.

Keine Beherrschung bei „Patt-Situation“

Das Finanzgericht (FG) sah das anders und gab der Klage statt. Die Revision des FA hatte keinen Erfolg. Der BFH verneinte ebenfalls das Vorliegen einer personellen Verflechtung. Die Anteile ihres minderjährigen Kindes seien der Klägerin nicht zuzurechnen, da für dieses eine Ergänzungspflegschaft bestehe, die auch dessen Gesellschafterrechte umfasse. In einem solchen Fall lägen keine gleichgelagerten wirtschaftlichen Interessen vor. Die Beteiligung der Klägerin von exakt 50 Prozent der Stimmen reiche aufgrund der „Patt-Situation“ für eine Beherrschung nicht aus.

Quelle | BFH, Urteil vom 14.4.2021, X R 5/19

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Anteilsübertragung: Schenkung von GmbH-Anteilen an leitende Angestellte im Rahmen einer Nachfolgeregelung

| Werden leitenden Angestellten, die Arbeitnehmer einer GmbH sind, unentgeltlich Anteile an der GmbH übertragen, ist zu entscheiden, ob die Anteile als Arbeitslohn zu versteuern sind oder ob es sich bei der Übertragung vielmehr um einen der Schenkungsteuer unterliegenden Vorgang handelt. In einem solchen Fall tendiert das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt wohl dazu, dass eine Schenkung und kein Arbeitslohn vorliegt. |

Im Streitfall war die unentgeltliche Übertragung der GmbH-Anteile durch strategische Erwägungen zur Unternehmensfortführung veranlasst. Das FG hat es in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für ernstlich zweifelhaft erachtet, dass die Übertragung der Anteile bei den leitenden Angestellten zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führt,

  • wenn der Geschäftsanteilsübertragungsvertrag weder einen Grund für die Übertragung angibt noch eine Gegenleistung verlangt, noch regelt, dass die Übertragung der Anteile etwa für in der Vergangenheit oder in der Zukunft zu erwartende Dienste für die Gesellschaft erfolgen soll,
  • auch keine „Haltefrist“ dergestalt vereinbart wird, dass eine Veräußerung erst nach einer bestimmten Frist der Weiterbeschäftigung bei der GmbH erfolgen darf und
  • die Übertragung vielmehr „vorbehalts- und bedingungslos“ erfolgen soll.

Letztlich führt der Vorgang nach Auffassung des FG zu einer Übertragung der Anteile im Rahmen der Unternehmensnachfolge, die den Fortbestand des Unternehmens sichern soll. Für das Gericht stehen hier strategische Überlegungen im Vordergrund der gesellschaftsrechtlich motivierten Schenkung liege eine Sonderrechtsbeziehung zugrunde, die auch selbstständig und losgelöst vom Arbeitsverhältnis bestehen kann und somit nicht zu Arbeitslohn führt.

Quelle | FG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.6.2021, 3 V 276/21, Abruf-Nr. 224163 unter www.iww.de

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Kein steuerfreier Sanierungsgewinn: Erlass der Forderung aus eigennützigem Interesse

| Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hamburg liegt kein steuerfreier Sanierungsgewinn im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG, § 3a) vor, wenn es dem Gläubiger an der erforderlichen Sanierungsabsicht fehlt. |

Hintergrund: Verzichten Gläubiger auf Forderungen gegenüber einem sanierungsbedürftigen Unternehmen, ist dieser Betrag erfolgswirksam auszubuchen. Unter bestimmten Voraussetzungen können diese Sanierungsgewinne aber nach § 3a EStG steuerfrei bleiben.

Eine unternehmensbezogene Sanierung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses u. a. die Sanierungsabsicht der Gläubiger nachweist. Im Streitfall gelangte das Finanzgericht aber zu der Überzeugung, dass eine Sanierungsabsicht nicht einmal mitentscheidend für den Forderungserlass war. Dem Gläubiger ging es allein um eigennützige Motive, nämlich um die Abwicklung des eigenen Engagements und um die Erzielung eines bestmöglichen Ergebnisses hieraus.

Beachten Sie | Die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesfinanzhof zurückgewiesen.

Quelle | FG Hamburg, Urteil vom 12.6.2020, 5 K 160/17, Abruf-Nr. 222176 unter www.iww.de; BFH, Beschluss vom 27.11.2020, X B 63/20

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Umsatzsteuer: Pauschalangebot einer Fremdenpension: Regelsteuersatz für Frühstücksleistungen

| Nach Meinung des Finanzgerichts (FG) Hessen (Revision anhängig) gehören Frühstücksleistungen zu den Leistungen, die „nicht unmittelbar der Vermietung dienen“, sodass der ermäßigte Steuersatz (7 %) nicht in Betracht kommt. Dies soll auch dann gelten, wenn für Übernachtung und Frühstück ein Pauschalpreis vereinbart wurde und die Gäste keine Möglichkeit haben, auf das Frühstück (unter Verringerung des Entgelts) zu verzichten. Das FG hält den Ausschluss von Frühstücksleistungen von der Steuerermäßigung für Beherbergungsleistungen für EU-konform. |

Die Frage der Vereinbarkeit des Aufteilungsgebots mit EU-Recht ist jedoch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) umstritten. Hiernach könnte der Mehrwertsteuersatz der Hauptleistung der Vermietung auch für die Nebenleistung Frühstück gelten, zumindest dann, wenn es sich um eine einheitliche Leistung handelt.

Neben weiteren anhängigen Verfahren hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun auch bei der vorliegenden Konstellation Frühstückspension mit Pauschalangebot Gelegenheit, die Frage der Anwendbarkeit des Aufteilungsgebots zu klären.

Quelle | FG Hessen, Urteil vom 16.9.2020, 1 K 772/19, Rev. BFH XI R 7/21, Abruf-Nr. 224786 unter www.iww.de; EuGH-Urteil vom 18.1.2018, C-463/16

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Abschließende Hinweise

Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2021 bis zum 30. Juni 2021 beträgt -0,88 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 4,12 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,12 Prozent

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.01.2021 bis 30.06.2021

-0,88 Prozent

01.07.2020 bis 31.12.2020

-0,88 Prozent

01.01.2020 bis 30.06.2020

-0,88 Prozent

01.07.2019 bis 31.12.2019

-0,88 Prozent

01.01.2019 bis 30.06.2019

-0,88 Prozent

01.07.2018 bis 31.12.2018

-0,88 Prozent

01.01.2018 bis 30.06.2018

-0,88 Prozent

01.07.2017 bis 31.12.2017

-0,88 Prozent

01.01.2017 bis 30.06.2017

-0,88 Prozent

01.07.2016 bis 31.12.2016

-0,88 Prozent

01.01.2016 bis 30.06.2016

-0,83 Prozent

01.07.2015 bis 31.12.2015

-0,83 Prozent

01.01.2015 bis 30.06.2015

-0,83 Prozent

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

01.01.2012 bis 30.06.2012

0,12 Prozent

01.07.2011 bis 31.12.2011

0,37 Prozent

01.01.2011 bis 30.06.2011

0,12 Prozent

01.07 2010 bis 31.12.2010

0,12 Prozent

01.01.2010 bis 30.06.2010

0,12 Prozent

01.07 2009 bis 31.12.2009

0,12 Prozent

01.01.2009 bis 30.06.2009

1,62 Prozent

01.07.2008 bis 31.12.2008

3,19 Prozent

01.01.2008 bis 30.06.2008

3,32 Prozent

01.07.2007 bis 31.12.2007

3,19 Prozent

01.01.2007 bis 30.06.2007

2,70 Prozent

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Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 11/2021

| Im Monat November 2021 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer (Monatszahler): 10.11.2021
  • Lohnsteuer (Monatszahler): 10.11.2021

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 15.11.2021. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat November 2021 am 26.11.2021.

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