Mandantenbrief Recht Mai 2015
Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 05/2015:
Arbeitsrecht
- Entgeltfortzahlung: Entgeltfortzahlung bei langjähriger Alkoholabhängigkeit
- Ausbildungsvergütung: Vergütungshöhe bei mit öffentlichen Geldern gefördertem Ausbildungsplatz
- Haftungsrecht: Schmerzensgeld und Schadenersatz zwischen Auszubildenden
- Arbeitsentgelt: Mindestlohn – Keine Anrechnung von Urlaubsgeld und jährlicher Sonderzahlung
Baurecht
- Wartung: Ein Wartungsvertrag für Heizöltanks ist sinnvoll und kann das Umweltrisiko effektiv senken
- Vertragsrecht: Auftragnehmer darf Mängel auch nach Kündigung beseitigen
Mietrecht & WEG
- Mietspiegel: Erhöhte Begründungsanforderungen bei Mieterhöhungsverlangen
- Weitervermietung: Vermietung über airbnb an Touristen ist vertragswidrig
- Auskunftspflicht: Vermieter muss nicht offenlegen, wer sich über eine Störung des Hausfriedens beschwert
- WEG: Verbraucherregeln gelten auch gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft
Verbraucherrecht
- Gesetzliche Krankenversicherung: Kein Anspruch auf Fettabsaugung bei Lipödem
- Versicherungsrecht: Innen liegende Regenwasserleitungen sind mitversichert
- Vereinsrecht: Unfall auf Weg zum Sport: Auch Nichtmitglied hat Ersatzanspruch
- Reiserecht: Reisepreisminderung wegen geschlossenem Kinder-Sport-Angebot
Verkehrsrecht
- OWi-Recht: Mobiltelefon: Beim Fahren auch als Navigationshilfe oder zur Internetrecherche verboten
- Schadenminderungspflicht: Pauschaler Warnhinweis „kein Geld“ genügt zunächst
- Reinigungskosten: Zusätzlicher Sachschaden durch Erste-Hilfe-Maßnahme muss vom Versicherer erstattet werden
- Mietwagen: Hinweis auf Mietpreis von 37 EUR netto allein genügt nicht
- Fahrgastbeförderung: Kein Rechtsanspruch auf Beförderung mit „E-Scooter“ im Bus
Steuerrecht
- Aktuelle Gesetzgebung: Gesetzesvorhaben: Anhebung des Grundfreibetrags sowie der Kinderfreibeträge
- Alle Steuerzahler: Kein Splittingtarif für Alleinerziehende
- Kapitalanleger: Neues zur Abgeltungsteuer bei Darlehen zwischen Ehegatten
- Arbeitgeber: Übernahme einer Rückzahlungsverpflichtung bei Studiengebühren ist lohnsteuerpflichtig
- Vermieter: Zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für die Erneuerung einer Einbauküche
Wirtschaftsrecht
- Aktuelle Gesetzgebung: Mehr Frauen in Führungspositionen – Bundesrat beschließt Gesetz zur Frauenquote
- Freiberufler und Gewerbetreibende: GoBD: Neue Grundsätze für die ordnungsmäßige Buchführung
- Umsatzsteuerzahler: Vorsteuerabzugsberechtigung bereits vor Gründung einer Ein-Mann-GmbH?
- Umsatzsteuerzahler: Anerkennung weiterer ATLAS-Ausgangsvermerke als Ausfuhrnachweis
Abschließende Hinweise
Arbeitsrecht
Entgeltfortzahlung: Entgeltfortzahlung bei langjähriger Alkoholabhängigkeit
| Eine Arbeitsunfähigkeit ist nur dann verschuldet i.S. des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG), wenn ein Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen das von einem verständigen Menschen in seinem eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Nur dann verliert er seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Bei einem alkoholabhängigen Arbeitnehmer fehlt es suchtbedingt auch im Fall eines Rückfalls nach einer Therapie regelmäßig an einem solchen Verschulden. |
Diese Klarstellung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines alkoholabhängigen Arbeitnehmers. Dieser wurde am 23. November 2011 mit einer Alkoholvergiftung (4,9 Promille) in ein Krankenhaus eingeliefert. In der Folge war er für über zehn Monate arbeitsunfähig erkrankt. Zuvor hatte er zwei stationäre Entzugstherapien durchgeführt. Es kam jedoch immer wieder zu Rückfällen. Seine gesetzliche Krankenkasse zahlte an ihn für die Zeit vom 29. November bis zum 30. Dezember 2011 Krankengeld i.H.v. 1.303,36 EUR. In dieser Höhe macht die Krankenkasse nun Ansprüche auf Entgeltfortzahlung aus übergegangenem Recht gegenüber dem Arbeitgeber geltend. Sie meint, ein Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitbeger habe bestanden. Es liege nämlich kein Verschulden des Arbeitnehmers für seinen Alkoholkonsum am 23. November 2011 vor. Der Arbeitgeber ist der Ansicht, ein Verschulden sei bei einem Rückfall nach mehrfachem stationärem Entzug und diesbezüglich erfolgter Aufklärung zu bejahen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision des Arbeitgebers hatte vor dem Zehnten Senat des BAG keinen Erfolg. Bei einer Alkoholabhängigkeit handele es sich nach Ansicht der Richter um eine Krankheit. Werde ein Arbeitnehmer infolge seiner Alkoholabhängigkeit arbeitsunfähig krank, könne nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht von einem Verschulden im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts ausgegangen werden. Die Entstehung der Alkoholsucht habe vielmehr viele Gründe. Dabei würden sich die unterschiedlichen Ursachen wechselseitig bedingen. Dies gelte im Grundsatz auch bei einem Rückfall nach einer durchgeführten Therapie. Im Hinblick auf eine Abstinenzrate von 40 bis 50 Prozent je nach Studie und Art der Behandlung könne nach einer durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme jedoch ein Verschulden des Arbeitnehmers an einem Rückfall nicht generell ausgeschlossen werden. Der Arbeitgeber könne deshalb in diesem Fall das fehlende Verschulden bestreiten. Das Arbeitsgericht müsse dann ein medizinisches Sachverständigengutachten zu der Frage einholen, ob der Arbeitnehmer den Rückfall schuldhaft im Sinne des EFZG herbeigeführt hat. Lasse sich dies nicht eindeutig feststellen, weil ein Ursachenbündel hierfür vorliegt, gehe dies zulasten des Arbeitgebers.
Das im konkreten Fall eingeholte sozialmedizinische Gutachten hat ein Verschulden des Arbeitnehmers unter Hinweis auf die langjährige und chronische Alkoholabhängigkeit und den daraus folgenden „Suchtdruck“ ausgeschlossen. Mangels Verschulden war der Arbeitgeber daher zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Entsprechend konnte die Krankenkasse vom ihm den ausgelegten Betrag fordern.
Quelle | BAG, Urteil vom 18.3.2015, 10 AZR 99/14, Abruf-Nr. 144222 unter www.iww.de.
Ausbildungsvergütung: Vergütungshöhe bei mit öffentlichen Geldern gefördertem Ausbildungsplatz
| Ausbildende haben Auszubildenden auch dann eine angemessene Vergütung zu gewähren, wenn die Ausbildungsplätze mit öffentlichen Geldern gefördert werden. |
So entschied es das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Beklagten, die als überörtlicher Ausbildungsverbund Förderprogramme für zusätzliche Ausbildungsplätze in Ostthüringen organisiert. Die Ausbildung erfolgt bei Praxispartnern in der Privatwirtschaft. Die zur Verkäuferin im Einzelhandel ausgebildete Klägerin erhielt nach Maßgabe der Förderrichtlinien im ersten Ausbildungsjahr eine monatliche Ausbildungsvergütung von 210 EUR und im zweiten Ausbildungsjahr von 217 EUR. Dies entsprach etwa einem Drittel der tariflichen Ausbildungsvergütung.
Die Klägerin hielt diese Ausbildungsvergütungen für nicht angemessen. Sie verlangte die Zahlung der tariflichen Ausbildungsvergütung. Die Vorinstanzen haben der Klage teilweise stattgegeben und der Klägerin Ausbildungsvergütung in Höhe von zwei Dritteln des einschlägigen BAföG-Satzes zugesprochen.
Die Revision des Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht habe den ihm zustehenden Spielraum bei der Beurteilung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung nicht überschritten. So sei bei der Beurteilung der Angemessenheit auf die Funktion der Ausbildungsvergütung abzustellen. Sie solle dem Auszubildenden bzw. seinen Eltern bei der Finanzierung des Lebensunterhalts eine Hilfe sein, die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und in gewissem Umfang eine Entlohnung darstellen. Eine an einschlägigen Tarifverträgen ausgerichtete Ausbildungsvergütung sei stets angemessen. Der BAföG-Satz könne für die Ermittlung der Lebenshaltungskosten eines Auszubildenden ebenfalls ein Anhaltspunkt sein.
Seine beschränkten finanziellen Mittel entbinden den Beklagten nicht von der Verpflichtung zur Zahlung angemessener Ausbildungsvergütungen. Die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung habe sich nicht am Budget zu orientieren. Sie ist vielmehr bereits bei der Vereinbarung des Budgets für die vorgesehene Anzahl von Ausbildungsplätzen zu berücksichtigen.
Die Richter wiesen allerdings auch darauf hin, dass bei öffentlich geförderten Ausbildungsplätzen Besonderheiten zu berücksichtigen seien. Hätte ohne die Förderung der Ausbildungsplatz nicht zur Verfügung gestanden und verwerte der Ausbilder die Leistungen des Auszubildenden nicht selbst, komme die Ausbildung ausschließlich dem Auszubildenden zugute. Dann verliere der Gesichtspunkt einer Entlohnung an Bedeutung. Diese Voraussetzung sei vorliegend aber nicht erfüllt gewesen.
Quelle | BAG, Urteil vom 17.3.2015, 9 AZR 732/13, Abruf-Nr. 144223 unter www.iww.de.
Haftungsrecht: Schmerzensgeld und Schadenersatz zwischen Auszubildenden
| Auszubildende, die durch ihr Verhalten bei einem Beschäftigten desselben Betriebs einen Schaden verursachen, haften ohne Rücksicht auf ihr Alter nach den gleichen Regeln wie andere Arbeitnehmer. |
Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Kfz-Betriebs hin. Dort arbeitete der damals 19-jährige Auszubildende an der Wuchtmaschine. Er warf ohne Vorwarnung ein ca. 10 g schweres Wuchtgewicht hinter sich. Dieses traf einen anderen Auszubildenden am linken Auge. Dieser wurde in einer Augenklinik behandelt. Im Herbst 2011 und im Frühjahr 2012 unterzog er sich erneut Untersuchungen und Eingriffen. Dabei wurde eine Kunstlinse eingesetzt. Es verblieben Einschränkungen aufgrund einer Hornhautnarbe. Die zuständige Berufsgenossenschaft zahlt dem Kläger eine monatliche Rente i.H.v. 204,40 EUR.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) in der Vorinstanz ist zu dem Ergebnis gekommen, der Wurf sei nicht betrieblich veranlasst gewesen. Der Beklagte habe schuldhaft gehandelt. Das LAG hat ihn zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 EUR verurteilt. Die Revision des Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Das Urteil des LAG ist nach Ansicht der BAG-Richter ohne Rechtsfehler. Die Voraussetzungen des Haftungsausschlusses nach § 105 Abs. 1, § 106 Abs. 1 SGB VII seien nicht erfüllt. Die vom LAG angenommene Höhe des Anspruchs des Klägers sei auch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Quelle | BAG, Urteil vom 19.3.2015, 8 AZR 67/14, Abruf-Nr. 144224 unter www.iww.de.
Arbeitsentgelt: Mindestlohn – Keine Anrechnung von Urlaubsgeld und jährlicher Sonderzahlung
| Der Arbeitgeber darf ein zusätzliches Urlaubsgeld und eine jährliche Sonderzahlung nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der eine derartige Anrechnung erreicht werden sollte, ist unwirksam. |
Dies hat das Arbeitsgericht Berlin im Fall einer Arbeitnehmerin entschieden. Diese wurde von der Arbeitgeberin gegen eine Grundvergütung von 6,44 EUR je Stunde zuzüglich Leistungszulage und Schichtzuschlägen beschäftigt. Sie erhielt ferner ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Jahressonderzahlung. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis und bot ihr gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis mit einem Stundenlohn von 8,50 EUR bei Wegfall der Leistungszulage, des zusätzlichen Urlaubsgelds und der Jahressonderzahlung fortzusetzen.
Das Arbeitsgericht hat die Änderungskündigung für unwirksam gehalten. Der gesetzliche Mindestlohn solle unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten. Der Arbeitgeber dürfe daher Leistungen, die – wie das zusätzliche Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung – nicht diesem Zweck dienten, nicht auf den Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der diese unzulässige Anrechnung erreicht werden solle, sei unzulässig.
Quelle | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 4.3.2015, 54 Ca 14420/14, Abruf-Nr. 144030 unter www.iww.de.
Baurecht
Wartung: Ein Wartungsvertrag für Heizöltanks ist sinnvoll und kann das Umweltrisiko effektiv senken
| In Deutschland gibt es weit mehr als vier Millionen Heizöltanks. Eine Prüfpflicht für oberirdische Anlagen existiert auch nach der neuen Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) für Tankanlagen nur für diejenigen mit einer Füllmenge von mindestens 10.000 Litern. Dabei ist das Umweltrisiko kaum von der Kapazität abhängig, denn ein Liter ausgetretenes Heizöl kann bis zu einer Million Liter Grundwasser verschmutzen. Auch ohne Prüfpflicht gilt: Tritt Heizöl aus und verschmutzt Boden und Grundwasser, haftet der Betreiber für den Schaden. |
Heiko Drews, Experte für Anlagensicherheit bei TÜV Rheinland, empfiehlt deshalb eine freiwillige Prüfung auch kleinerer Anlagen: „Oft wurden diese Öltanks noch nie einer Sicherheitsprüfung unterzogen. Nach der Erstprüfung sollte der technische Zustand der Anlage mindestens alle zehn Jahre untersucht werden.“
Genaue Prüfung ortet undichte Stellen
Die Erfahrung zeigt, dass vor allem kleinere Anlagen oft nicht mehr den technischen Ansprüchen genügen. Undichte Stellen können nur bei einer genauen Untersuchung aufgespürt werden. Außerdem checken die Sachverständigen alle Sicherheitseinrichtungen wie Leckanzeigegerät und den Grenzwertgeber, der im Zusammenspiel mit dem Tankfahrzeug ein Überfüllen des Tanks automatisch verhindert.
Leerer Tank optimal für die Wartung
Für die jährliche Wartung durch einen zertifizierten Fachbetrieb ist ein möglichst leerer Tank kurz vor der Befüllung optimal. Das erleichtert auch die Reinigung. Diese ist sehr wichtig, denn Sedimente, die sich im Tank absetzen, verstopfen über kurz oder lang die Rohrleitungen. Dennoch: Selbst die regelmäßige Prüfung kann den kritischen Blick des Öltank-Besitzers nicht ersetzen. Geht der Brenner oft auf „Störung“ oder riecht es im Auffangraum nach Öl, sollte umgehend ein Fachbetrieb eingeschaltet werden.
Versicherung für unterirdische Tanks
Für den Fall, dass trotz aller Vorsicht Heizöl austritt, empfiehlt sich der Abschluss einer Öltank- oder Gewässerschäden-Haftpflichtversicherung. Einige Versicherer bieten sie auch als Bestandteil der Wohngebäudeversicherung an. Unerlässlich ist eine solche Versicherung, wenn der Öltank in die Erde eingegraben ist und sich in einem Trinkwassereinzugsgebiet oder in der Nähe eines Gewässers befindet. Auf jeden Fall sollte auch die Dekontamination von Erdreich von der Versicherung abgedeckt werden. Deshalb lohnt sich hier der Blick auf das Kleingedruckte, denn selbst bei gleicher Leistung unterscheiden sich auch die Beiträge oft erheblich.
Quelle | TÜV Rheinland AG
Vertragsrecht: Auftragnehmer darf Mängel auch nach Kündigung beseitigen
| Der Auftraggeber muss dem Auftragnehmer nach einer Kündigung grundsätzlich Gelegenheit zur Nacherfüllung geben. |
Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hin. Allerdings könne das Nachbesserungsrecht des Auftragnehmers nach Ansicht der Richter ausnahmsweise entfallen. Das sei der Fall, wenn sich der Auftragnehmer als so unzuverlässig erwiesen hat, dass der Auftraggeber nicht mehr darauf vertrauen könne, von ihm eine mangelfreie Leistung zu erhalten. Dass diese Voraussetzung vorliege, müsse der Auftraggeber darlegen und beweisen.
Im vorliegenden Fall konnte der Auftraggeber diesen Nachweis nicht führen. Er hatte nämlich durch ein ihm zuzurechnendes Planungsverschulden daran mitgewirkt, dass der Mangel entstehen konnte. Dem OLG reichte als Unzuverlässigkeit des Auftragnehmers nicht aus, dass dieser daraufhin keine Bedenken angemeldet hatte.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 3.3.2015, 10 U 62/14, Abruf-Nr. 144226 unter www.iww.de.
Mietrecht & WEG
Mietspiegel: Erhöhte Begründungsanforderungen bei Mieterhöhungsverlangen
| Zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens gemäß § 558a Abs. 2 BGB kann der Vermieter grundsätzlich auf einen Mietspiegel Bezug nehmen, wenn sich die Überprüfbarkeit der Einordnung für den Mieter aus der Kombination des Mietspiegels und des Textes des Mieterhöhungsverlangens ergibt. |
Hierauf wies das Landgericht (LG) Stuttgart hin. Dabei müsse der Vermieter umso weniger begründen, je konkreter und differenzierter die Kriterien im Mietspiegel seien. Verwende der Mietspiegel hingegen unbestimmte, wertende Kriterien, und wisse der Mieter nicht, welche von diesen der Vermieter als gegeben oder nicht gegeben ansieht (z.B. gemäß Stuttgarter Mietspiegel:
- geringe Verkehrsbelastung,
- sehr gute Einkaufsgelegenheit,
- Belastung durch Gewerbe und
- komfortable Sanitärausstattung)
müsse der Vermieter die Einordnung unter Benennung aller relevanten Kriterien begründen.
Quelle | LG Stuttgart, Urteil vom 10.12.2014, 13 S 114/14, Abruf-Nr. 143893 unter
www.iww.de.
Weitervermietung: Vermietung über airbnb an Touristen ist vertragswidrig
| Die entgeltliche Überlassung vermieteten Wohnraums an Touristen oder das öffentliche Angebot dazu – hier über „airbnb“ – ist vorbehaltlich einer Erlaubnis des Vermieters vertragswidrig und kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. |
Dies gilt nach einer Entscheidung des Landgerichts Berlin (LG) erst recht, wenn die Wohnung vollständig überlassen oder zur Überlassung angeboten wird. Wird der Mieter wegen unerlaubter Gebrauchsüberlassung abgemahnt und hält trotzdem das über „airbnb“ geschaltete Angebot aufrecht, bringt er unmissverständlich zum Ausdruck, dass er die vertragswidrige entgeltliche Überlassung auch in Zukunft fortsetzen will. Das rechtfertigt in der Regel ebenfalls eine fristlose Kündigung.
Quelle | LG Berlin, Urteil vom 3.2.2015, 67 T 29/15, Abruf-Nr. 143891
unter www.iww.de.
Auskunftspflicht: Vermieter muss nicht offenlegen, wer sich über eine Störung des Hausfriedens beschwert
| Wird ein Mieter von Nachbarn und Mitmietern gegenüber der Vermieterin beschuldigt, den Hausfrieden zu stören, hat er keinen Anspruch gegenüber der Vermieterin zu erfahren, wer welche Anschuldigungen erhebt. |
Das ist die Kernaussage einer Entscheidung des Amtsgerichts München. Geklagt hatte ein Mann, der seit Ende 1998 Mieter einer Wohnung in der Stadelheimer Straße in München war. Anfang 2014 hatte ihm seine Vermieterin schriftlich mitgeteilt, dass sie wiederholt von anderen Mietern darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass der Mann den Hausfrieden störe. Dies sei erfolgt durch sein aggressives und bedrohliches Auftreten, durch Beleidigungen, falsche Anschuldigungen und Gewaltandrohungen. Die Vermieterin forderte den Mann auf, Belästigungen der Mitmieter und Nachbarn zu unterlassen. Sie drohte eine Abmahnung an und bei weiteren Verstößen die fristlose Kündigung.
Der Mann verlangt nun von seiner Vermieterin Auskunft darüber, mit welchem Inhalt wann genau und von welchen anderen Mietern die Anschuldigungen ausgesprochen wurden. Er behauptet, seine Vermieterin hätte eine vertragliche Nebenpflicht, Auskunft zu erteilen. Diese ergebe sich daraus, dasss die Vorwürfe für ihn zu erheblichen Nachteilen in der Zukunft führen könnten.
Die Vermieterin verweigerte die Auskunft. Sie ist der Meinung, dass der Mann ihr gegenüber keinen Auskunftsanspruch habe. Die betroffenen Mieter und Nachbarn hätten außerdem die Vermieterin ausdrücklich darum gebeten, die Anschuldigungen vertraulich zu behandeln, da sie Angst vor dem Mann haben. Daraufhin erhob der Mann Klage.
Die zuständige Richterin gab der Vermieterin recht und wies die Klage ab. Es bestehe kein Auskunftsanspruch aufgrund des Mietverhältnisses. Der Vermieterin sei es nicht zumutbar, die Namen derjenigen Mieter zu offenbaren, die sich über das Verhalten des Mannes beschwert haben bzw. anzugeben, wer wann welche Anschuldigungen vorgebracht hat. Zu berücksichtigen sei dabei, dass die Vermieterin gegenüber ihren Mietern eine Fürsorgepflicht habe. Es bestünde die Gefahr, dass bei Erteilung der Auskunft sich die Störung des Hausfriedens verschärfe. Das Gericht stellt fest, dass es dem Mann zuzumuten sei abzuwarten, ob die Vermieterin die Beschwerden tatsächlich zum Anlass für eine spätere Kündigung nimmt. Sollte es zu einer Kündigung und einem anschließenden Räumungsprozess kommen, müssten erst dann die behaupteten Anschuldigungen konkret von der Vermieterin bewiesen werden. Im Rahmen der Abwägung der gegenseitigen Interessen, sei der Auskunftsanspruch derzeit zu verneinen.
Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 8.8.2014, 463 C 10947/14, Abruf-Nr. 144231 unter www.iww.de.
WEG: Verbraucherregeln gelten auch gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft
| Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist als Verbraucher im Sinne des BGB anzusehen. |
Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Falle einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die sich mit einem Gasversorger über die Wirksamkeit einer formularmäßigen Preisanpassungsklausel (Spannungsklausel) stritt. Die Klausel sieht vor, dass sich der Arbeitspreis für die Lieferung von Gas zu bestimmten Zeitpunkten ausschließlich in Abhängigkeit von der Preisentwicklung für Heizöl ändert. Umstritten war, ob diese Klausel der Inhaltskontrolle nach den AGB-Vorschriften standhält.
Ähnliche formularmäßig vereinbarte Preisanpassungsklauseln wie die hier verwendete hatte der BGH bereits in früheren Urteilen bei einer Verwendung gegenüber Unternehmern als wirksam erachtet. Bei einer Verwendung gegenüber Verbrauchern hatte er jedoch entschieden, dass sie der Inhaltskontrolle nicht standhalten, soweit sie künftige Preisänderungen betreffen.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte geltend gemacht, dass sie als Verbraucher anzusehen sei. Deswegen sei die Preisanpassungsklausel unwirksam. Entsprechend würde sie die vom Versorgungsunternehmen verlangten erhöhten Beträge nicht schulden. Es würde sogar ein Rückforderungsanspruch bestehen, soweit sie die verlangten Beträge gezahlt hätte.
Der BGH hat die in Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verbraucher im Sinne des BGB anzusehen ist, nunmehr bejaht. Die Wohnungseigentümergemeinschaft sei im Interesse des Verbraucherschutzes der in ihr zusammengeschlossenen, nicht gewerblich handelnden natürlichen Personen regelmäßig einem Verbraucher gleichzustellen. Das gelte zumindest immer, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt seien. Zum einen müsse ihr wenigstens ein Verbraucher angehören. Zum anderen müsse ein Rechtsgeschäft betroffen sein, das weder einer gewerblichen noch einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit dient.
Als entscheidend haben die Richter angesehen, dass eine natürliche Person ihre Schutzwürdigkeit als Verbraucher nicht dadurch verliere, dass sie – durch den Erwerb von Wohnungseigentum kraft Gesetzes (zwingend) – Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft werde. Es komme hinzu, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft beim Abschluss von Rechtsgeschäften mit Dritten in der Regel zum Zwecke der privaten Vermögensverwaltung ihrer Mitglieder und damit nicht zu gewerblichen Zwecken handelt. Dies gelte auch, wenn sie bei Vertragsschluss durch eine gewerbliche Hausverwaltung vertreten werde. Denn für die Abgrenzung von unternehmerischem und privatem Handeln im Sinne des BGB komme es im Falle einer Stellvertretung grundsätzlich auf die Person des Vertretenen an.
Im Ergebnis war daher von einer Unwirksamkeit der den streitgegenständlichen Preiserhöhungen zugrunde liegenden Vertragsbestimmungen auszugehen. Der BGH hat die Berufungsurteile deshalb aufgehoben und die Verfahren zurückverwiesen, damit die erforderlichen Feststellungen zu dem jeweils geschuldeten Arbeitspreis nachgeholt werden können.
Quelle | BGH, Urteile vom 24.3.2015, VIII ZR 243/13; VIII ZR 360/13; VIII ZR 109/14, Abruf-Nr. 144232 unter www.iww.de.
Verbraucherrecht
Gesetzliche Krankenversicherung: Kein Anspruch auf Fettabsaugung bei Lipödem
| Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung, die an einem Lip- oder Lymphödem mit Fettvermehrung an den Gliedmaßen leiden, haben keinen Anspruch gegen ihre Krankenkasse auf eine ambulante oder stationäre Fettabsaugung (Liposuktion). |
Das hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in einem Grundsatzurteil entschieden. Für die ambulante Behandlung steht dies schon länger fest, weil es sich bei der Liposuktion um eine neue Behandlungsmethode handelt, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) noch keine Empfehlung abgegeben hat. Gleiches gilt nach der Entscheidung des LSG auch, wenn die Liposuktion stationär im Krankenhaus durchgeführt werden soll. Auch bei stationärer Behandlung bestehe ein Leistungsanspruch der Versicherten nur, wenn die Behandlung dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Das sei bei der Liposuktionsbehandlung nicht der Fall. Derzeit gebe es keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse über Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion zur Behandlung von Lip- und Lymphödemen. Das ergebe sich insbesondere aus einem Grundsatzgutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) aus dem Jahr 2011. Dies sei jüngst in einem Aktualisierungsgutachten des MDK vom Januar 2015 bestätigt worden. Hiernach ist die Liposuktion zur Therapie von Lip- und Lymphödemen derzeit noch in der wissenschaftlichen Diskussion. Es stehe nicht fest, dass die Behandlungsmethode den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entspreche. Hierzu seien weitere Studien erforderlich. Aus dem jüngsten Aktualisierungsgutachten des MDK von Januar 2015 ergebe sich, dass es auch derzeit an aussagekräftigen Studien fehle. Die vorhandenen Studien wiesen erhebliche methodische und inhaltliche Mängel auf und berichteten unzureichend über Langzeitergebnisse und Nebenwirkungen der Therapie. Aus den Empfehlungen in einschlägigen Leitlinien ergebe sich nichts anderes.
Quelle | LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5.2.2015, L 5 KR 228/13, Abruf-Nr. 144233 unter www.iww.de.
Versicherungsrecht: Innen liegende Regenwasserleitungen sind mitversichert
| In einer Wohngebäudeversicherung ist auch ein Schaden durch Regenwasser mitversichert, wenn das Wasser aus Regenwasserleitungen austritt, die innerhalb des Gebäudes verlegt sind. |
So entschied es das Landgericht (LG) Wuppertal. In einem solchen Fall liege nach Ansicht des Gerichts ein mitversicherter Leitungswasserschaden im Sinne der Allgemeinen Versicherungsbedingungen vor. Im vorliegenden Fall befand sich die Regenrinne eindeutig unterhalb der Krone der aufsteigenden Giebelmauer und innerhalb der von ihr umgrenzten Baufläche. Es stand fest, dass der Schaden durch aus der Regenrinne austretendes Wasser verursacht wurde. Daher war der Versicherungsfall gegeben. Dieser ist nach Ansicht der Richter nämlich schon eingetreten, sobald auch nur ein Teil des auf der Dachterrasse niedergegangenen Wassers in die Regenrinne gelangt und von dort durch die mangelhafte Abdichtung in das Gebäude eindringt.
Quelle | LG Wuppertal, Urteil vom 28.8.2014, 9 S 22/14, Abruf-Nr. 144045 unter www.iww.de.
Vereinsrecht: Unfall auf Weg zum Sport: Auch Nichtmitglied hat Ersatzanspruch
| Nichtmitglieder, die bei Tätigkeiten für den Verein zu Schaden kommen, haben ohne Verschulden des Vereins keinen Schadenersatzanspruch. Aus dem Auftragsverhältnis kann sich aber ein Anspruch auf Aufwandsersatz ergeben.
So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Celle. Im konkreten Fall war eine Frau verunglückt, als sie ihre Enkelin mit dem Pkw zu einem Wettkampf bringen wollte. Sie machte Kostenersatz für eine erforderliche Zahnbehandlung und den Ersatz einer Brille sowie Schmerzensgeld geltend. Die Versicherung des Vereins lehnte die Erstattung ab. Ein Nichtmitglied genieße keinen Versicherungsschutz. Auch seien die Anforderungen an eine „offiziell eingesetzte“ Helferin nicht erfüllt.
Das OLG gab der Geschädigten teilweise recht. Ob die Frau vom Verein ausdrücklich beauftragt war, die Spielerin zum Wettkampf zu bringen, sei ohne Belang. Denn die Übernahme des Fahrdienstes entsprach dem Interesse des Vereins. Aus dem Gesetz ergebe sich ein Aufwandsersatzanspruch für Schäden, die bei Ausführung des Auftrags entstehen, wenn ein geschäftstypisches und nicht nur ein allgemeines Lebensrisiko bestand. Für das OLG war die Teilnahme am Straßenverkehr ein „auftragsspezifisches Risiko“.
Quelle | OLG Celle, Urteil vom 16.10.2014, 5 U 16/14, Abruf-Nr. 143922 unter www.iww.de.
Reiserecht: Reisepreisminderung wegen geschlossenem Kinder-Sport-Angebot
| Bietet ein Reiseveranstalter im Katalog ein Kinderprogramm an, das vor Ort nicht durchgeführt wird, kann der Reisende den Reisepreis mindern. |
So entschied es das Amtsgericht Hannover im Fall eines alleinerziehenden Vaters, der einen Urlaub auf Fuerteventura gebucht hatte. Im Katalog war das Angebot einer „Kids Sports Academy“ enthalten. Dies sei in den Schulferien ein tägliches Angebot. Der Mann hatte sich aufgrund von Gewichtsproblemen seines 12-jährigen Sohnes für dieses Angebot entschieden. Vor Ort musste er feststellen, dass die Kids Sports Academy geschlossen war, da bereits in 11 Bundesländern die Schulferien beendet waren. Dies führte zum einen dazu, dass der Sohn das Sportangebot nicht wahrnehmen konnte. Zum anderen musste der Vater mehr Kinderbetreuung übernehmen, als ursprünglich geplant.
Das Gericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es stellte fest, dass für das fehlende Angebot mindestens eine Minderung von 15 Prozent angemessen ist. Der Vater habe damit rechnen dürfen, dass im August sämtliche Angebote geöffnet sind. Zum einen habe es im Katalog keine Einschränkung der Öffnungszeiten im Hinblick auf die Anzahl der Bundesländer, die Ferien haben, gegeben. Zum anderen ist der August ein typischer Ferienmonat. Darum habe man auch mit schulpflichtigen Kindern aus anderen europäischen Ländern rechnen können.
Quelle | Amtsgericht Hannover, Urteil vom 17.3.2015, 553 C 89/15, Abruf-Nr. 144234 unter www.iww.de.
Verkehrsrecht
OWi-Recht: Mobiltelefon: Beim Fahren auch als Navigationshilfe oder zur Internetrecherche verboten
| Der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm bestätigt die obergerichtliche Rechtsprechung, nach der § 23 Abs. 1a der Straßenverkehrsordnung (StVO) auch die Nutzung der Navigationshilfe oder eines anderen Hilfsdienstes eines Mobiltelefons regelt. |
In dem betreffenden Fall ging es um einen Autofahrer, der während der Fahrt sein Mobiltelefon, ein sog. „Smartphone“, für mehrere Sekunden in der Hand hielt und dessen Funktionen nutzte. Gegenüber den ihn kontrollierenden Polizeibeamten gab er an, nicht telefoniert, sondern nur auf das Gerät „geguckt“ zu haben. Er habe eine Werkstatt gesucht, nachdem die Motorkontrollleuchte aufleuchtete. Wegen dieser Tat verurteilte ihn das Amtsgericht Castrop-Rauxel wegen vorsätzlicher verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons als Kraftfahrzeugführer zu einer Geldbuße von 40 EUR. Den Antrag des Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts zuzulassen, hat das OLG verworfen.
Der Senat folge der obergerichtlichen Rechtsprechung, nach der auch die Nutzung der Navigationsfunktion des Mobiltelefons unter § 23 Abs. 1a StVO falle. Nach § 23 Abs. 1a darf ein Fahrzeugführer ein Mobiltelefon nicht benutzen, wenn er hierfür das Mobiltelefon aufnehmen oder halten muss. Das ist nur dann erlaubt, wenn das Fahrzeug steht und wenn bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist. So habe bereits der 5. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom 18.2.2013 (5 RBs 11/13) zutreffend ausgeführt, dass eine gemäß § 23 Abs. 1a StVO verbotene „Benutzung“ in jeder bestimmungsgemäßen Bedienung des Geräts liege, also neben dem Telefonieren auch den Abruf von Navigationsdaten erfasse. § 23 Abs. 1a StVO solle gewährleisten, dass der Fahrzeugführer auch dann, wenn er ein Mobiltelefon benutze, beide Hände frei habe, um die „Fahraufgabe“ zu bewältigen. Dementsprechend falle auch der Einsatz des Mobiltelefons für Abfragen über das Internet o.ä. unter § 23 Abs. 1a StVO.
Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 15.1.2015, 1 RBs 232/14, Abruf-Nr. 143931 unter www.iww.de.
Schadenminderungspflicht: Pauschaler Warnhinweis „kein Geld“ genügt zunächst
| Wenn der Geschädigte dem Versicherer vorgerichtlich ohne nähere Spezifizierung und ohne beigefügte Nachweise darauf aufmerksam macht, zu einer Vorfinanzierung der Reparatur aus eigenen Mitteln nicht in der Lage zu sein, genügt das. |
Hierauf wies das Amtsgericht Oranienburg hin. Es machte deutlich, dass sich der Versicherer nicht darauf berufen könne, dass er dies mangels Detailangaben und Nachweisen nicht hätte überprüfen können. Verzögert sich also die Erteilung des Reparaturauftrags oder die Herausgabe des reparierten Fahrzeugs inolge des Geldmangels, geht das zulasten des Schädigers bzw. dessen Versicherers. Ein Nachweis des Geschädigten ist erst später in einem eventuellen Gerichtsverfahren erforderlich.
Quelle | Amtsgericht Oranienburg, Urteil vom 18.12.2014, 21 C 197/14, Abruf-Nr. 143617
unter www.iww.de.
Reinigungskosten: Zusätzlicher Sachschaden durch Erste-Hilfe-Maßnahme muss vom Versicherer erstattet werden
| Lässt sich wegen eines Auffahrunfalls die Heckklappe nicht öffnen und muss der Verbandskasten zur Versorgung des Schädigers über die mit Glassplittern übersäte Rückbank aus dem Kofferraum geholt werden, ist eine dabei entstandene Schnittverletzung im Leder der Rückbank eine Unfallfolge, für die der Haftpflichtversicherer des Schädigers aufkommen muss. |
Diese Klarstellung traf das Amtsgericht München. In dem Fall war ein Motorrollerfahrer aufgefahren und hatte mit seinem Körper die Heckscheibe durchschlagen. Das Gericht entschied weiter, dass es im schadenrechtlichen Sinne hinsichtlich der Reparaturkosten auch erforderlich sei, die Rückbank auszubauen, um die Glassplitter vollständig aus dem Fahrzeug zu entfernen.
Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 16.1.2015, 344 C 17790/14, Abruf-Nr. 143822 unter www.iww.de.
Mietwagen: Hinweis auf Mietpreis von 37 EUR netto allein genügt nicht
| Trägt der Versicherer im Rechtsstreit um die Erstattung der Mietwagenkosten nur vor, er habe dem Geschädigten einen telefonischen Hinweis auf einen durch seine Vermittlung erzielbaren Mietwagenpreis von 37 EUR netto pro Tag gegeben, genügt das nicht den prozessualen Anforderungen. |
So entschied es das Amtsgericht Schwandorf. Nach Ansicht des Gerichts müsse der Versicherer insbesondere auch vortragen, wie bezahlt wird, wo das Fahrzeug übernommen werden kann und welche Nebenkosten gegebenenfalls entstehen.
Quelle | Amtsgericht Schwandorf, Urteil vom 15.12.2014, 2 C 718/14, Abruf-Nr. 143569 unter
www.iww.de.
Fahrgastbeförderung: Kein Rechtsanspruch auf Beförderung mit „E-Scooter“ im Bus
| Bürger, die sich aufgrund körperlicher Einschränkungen mit einem Elektromobil (sog „E-Scooter“) fortbewegen, haben keinen generellen Rechtsanspruch darauf, mit ihrem Elektromobil in öffentlichen Verkehrsmitteln befördert zu werden. |
Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden. Der Antragsteller hatte geltend gemacht, ohne die begehrte Beförderung mit seinem Elektromobil werde er erheblich in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Daher müsse ihm ein Anspruch auf Beförderung zustehen. Dieser Argumentation folgte die Kammer, die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich eine summarische Überprüfung vorzunehmen hatte, jedoch nicht. Eine aktuelle Untersuchung habe ergeben, dass eine Beförderung von Elektromobilen in Linienbussen erhebliche Gefahren sowohl für die Benutzer der Elektromobile als auch für die übrigen Fahrgäste begründe. Auch wenn er dadurch erheblich beeinträchtigt sei, müsse der Antragsteller wegen der Gefahren die Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit hinnehmen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass eine Beförderung des Antragstellers in einem Rollstuhl möglich sei.
Quelle | VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 23.1.2015, 7 L 31/15, Abruf-Nr. 143934 unter www.iww.de.
Steuerrecht
Aktuelle Gesetzgebung: Gesetzesvorhaben: Anhebung des Grundfreibetrags sowie der Kinderfreibeträge
| Der 10. Existenzminimumbericht aus Januar 2015 kommt zu dem Ergebnis, dass in den Veranlagungsjahren 2015 und 2016 beim Grundfreibetrag und Kinderfreibetrag Erhöhungsbedarf besteht. Mit dem Gesetzentwurf „zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags“ soll die verfassungsrechtlich gebotene Erhöhung sichergestellt werden. |
Der Grundfreibetrag dient der Sicherung des Existenzminimums. Er soll von 8.354 EUR auf 8.472 EUR im Veranlagungszeitraum (VZ) 2015 und auf 8.652 EUR im VZ 2016 angehoben werden. Bis zu seiner Höhe muss keine Einkommensteuer gezahlt werden.
Die durch die Anhebung des Grundfreibetrags bedingte Änderung des Tarifverlaufs hat unmittelbare Auswirkungen auf den Lohnsteuerabzug 2015. Deshalb muss das Bundesfinanzministerium im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder für 2015 geänderte Programmablaufpläne für die maschinelle Lohnsteuerberechnung und die Erstellung von Lohnsteuertabellen bekannt machen.
Arbeitgeber sind bis zur Bekanntmachung der geänderten Programmablaufpläne nicht verpflichtet, Tarifsenkungen bei der Berechnung der Lohnsteuer zu berücksichtigen.
Hinweis | Mit der Bekanntgabe wird auch mitgeteilt, ab wann der Lohnsteuerabzug spätestens auf Grundlage der geänderten Programmablaufpläne vorzunehmen ist. Der bis dahin vorgenommene Lohnsteuerabzug ist dann grundsätzlich zu korrigieren.
Ferner soll auch der Kinderfreibetrag von derzeit 4.368 EUR je Kind (2.184 EUR je Elternteil) auf 4.512 EUR je Kind (2.256 EUR je Elternteil) im Veranlagungsjahr 2015 und auf 4.608 EUR je Kind (2.304 EUR je Elternteil) im Veranlagungsjahr 2016 angehoben werden.
Hinweis | Im Rahmen der Einkommensteuererklärung prüft das Finanzamt automatisch, ob das Kindergeld oder der Kinderfreibetrag günstiger ist.
Das monatliche Kindergeld soll 2015 für das erste und zweite Kind jeweils 188 EUR, für das dritte Kind 194 EUR und für jedes weitere Kind jeweils 219 EUR betragen. Dies bedeutet eine Anhebung um jeweils 4 EUR. Ab 2016 soll dann eine erneute Erhöhung um jeweils 2 EUR erfolgen.
Daneben soll der Kinderzuschlag ab dem 1.7.2016 um 20 EUR auf 160 EUR monatlich angehoben werden.
Hinweis | Ein Kinderzuschlag wird den Eltern gewährt, die zwar ihren eigenen Bedarf durch Erwerbseinkommen decken können, jedoch nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, um auch den Bedarf ihrer Kinder zu decken.
Quelle | Gesetzentwurf zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags vom 25.3.2015.
Alle Steuerzahler: Kein Splittingtarif für Alleinerziehende
| Weder ein zusätzlicher Freibetrag (neben dem Entlastungsbetrag) noch die Anwendung des Splittingtarifs sind für Alleinerziehende verfassungsrechtlich geboten. Die Besteuerung Alleinerziehender nach dem Grundtarif ist nicht verfassungswidrig. Dies gilt nach einer Entscheidung des 4. Senats des Finanzgerichts Niedersachsen (Revision anhängig) auch dann, wenn der andere Elternteil keinen Unterhalt leistet und dem Alleinerziehenden lediglich ein hinter dem Mindestunterhalt zurückbleibender Unterhaltsvorschuss zufließt. |
Ähnlich geurteilt hatte in 2013 bereits der 7. Senat des Finanzgerichts Niedersachsen. Im vorangegangenen Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung hatte der Bundesfinanzhof diese Auffassung bestätigt. Er konnte weder einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen den Schutz von Ehe und Familie feststellen. Da vermutlich erst das Bundesverfassungsgericht Klarheit schaffen wird, sollten betroffene Steuerbescheide offengehalten werden.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 14.10.2014, 4 K 81/14, Rev. BFH III R 36/14, Abruf-Nr. 143775 unter www.iww.de; FG Niedersachsen, Urteil vom 6.5.2013, 7 K 114/10, Rev. BFH III R 62/13; BFH, Beschluss vom 17.10.2012, III B 68/12.
Kapitalanleger: Neues zur Abgeltungsteuer bei Darlehen zwischen Ehegatten
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat erneut zur Anwendung des Abgeltungsteuersatzes bei Darlehen zwischen nahestehenden Personen entschieden und dabei seine Rechtsprechung aus dem letzten Jahr konkretisiert. |
Hintergrund |Der Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent scheidet aus, wenn Gläubiger und Schuldner einander nahestehende Personen sind und der Schuldner die Zinszahlungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten absetzen kann. In diesen Fällen ist der individuelle (persönliche) Steuersatz anzuwenden.
Sachverhalt |
Ein Ehemann gab seiner Frau zur Anschaffung und Renovierung eines fremd vermieteten Wohnhauses ein festverzinsliches Darlehen. Die Besonderheit lag darin, dass die Ehefrau weder über eigene finanzielle Mittel verfügte noch eine Bank den Erwerb und die Renovierung des Objekts zu 100 Prozent finanziert hätte.Das Finanzamt besteuerte die hieraus erzielten Kapitalerträge des Ehemanns nicht mit der Abgeltungsteuer, sondern mit dem (höheren) persönlichen Steuersatz, was der BFH bestätigte. |
Der BFH hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass ein Näheverhältnis nur vorliegt, wenn auf eine der Vertragsparteien ein beherrschender oder außerhalb der Geschäftsbeziehung liegender Einfluss ausgeübt werden kann oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen besteht. Ein nur aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse ist nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis zu begründen.
Im Urteilsfall war die Ehefrau bei der Darlehensaufnahme von ihrem Ehemann als Darlehensgeber finanziell abhängig, sodass ein Beherrschungsverhältnis vorlag. Der Ausschluss der Abgeltungsteuer knüpfte also nicht an ein Näheverhältnis aufgrund der Ehe an, sondern an die wirtschaftliche Abhängigkeit unter den Darlehensbeteiligten.
Quelle | BFH-Urteil vom 28.1.2015, VIII R 8/14, Abruf-Nr. 175458 unter www.iww.de.
Arbeitgeber: Übernahme einer Rückzahlungsverpflichtung bei Studiengebühren ist lohnsteuerpflichtig
| Zahlt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Studiengebühren für ein berufsbegleitendes Studium, erfolgt die Übernahme grundsätzlich aus überwiegend eigenbetrieblichem Interesse. Die Kostenübernahme ist damit steuer- und sozialabgabenfrei. Etwas anderes gilt aber bei einem Arbeitgeberwechsel. |
Übernimmt der neue Arbeitgeber die Verpflichtung des Arbeitnehmers, die vom bisherigen Arbeitgeber getragenen Studiengebühren an diesen zurückzuzahlen, führt dies nach bundeseinheitlichem Beschluss der obersten Finanzbehörden der Länder zu Arbeitslohn
Quelle | SenFin Berlin, Kurzinfo Lohnsteuer Nr. 1/2015, Abruf-Nr. 143966 unter www.iww.de.
Vermieter: Zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für die Erneuerung einer Einbauküche
| Erneuert der Vermieter eine im Vermietungsobjekt vorhandene Einbauküche, ist nach einem Urteil des Finanzgerichts Schleswig-Holstein hinsichtlich der steuerlichen Abziehbarkeit der Aufwendungen eine differenzierte Betrachtungsweise erforderlich. |
Zunächst ist zu beachten, dass eine Einbauküche kein einheitliches zusammengesetztes Wirtschaftsgut ist. Eine andere Auffassung vertritt übrigens das Finanzgericht Köln.
Spüle und Herd
Herd und Spüle sind unselbstständige Gebäudebestandteile.Wenn diese Gegenstände bei Erwerb des Gebäudes (oder der Eigentumswohnung) bereits eingebaut sind, handelt es sich somit um Anschaffungskosten des Gebäudes. Herstellungskosten des Gebäudes liegen vor, wenn sie der Steuerpflichtige erstmals einbauen lässt. Werden sie (wie im Streitfall) ersetzt, stellen die Aufwendungen hierfür sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen dar.
Elektrogeräte und Einbaumöbel
Aufwendungen für austauschbare Elektrogeräte (d.h. hier für Kühlschränke und Dunstabzugshauben) sowie für die Einbaumöbel (inklusive Arbeitsplatte) stellen Anschaffungskosten dar, die im Wege der Abschreibung über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zeitanteilig als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.
Hinweis | Mit Ausnahme des Kühlschranks konnten die Kosten für die Elektrogeräte im Streitfall sofort in voller Höhe abgezogen werden, da es sich um geringwertige Wirtschaftsgüter (Anschaffungskosten bis zu 410 EUR netto) handelte.
Revision anhängig
Der Bundesfinanzhof wird bald Gelegenheit haben, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob Aufwendungen für die komplette Erneuerung einer Einbauküche insgesamt sofort abzugsfähige Werbungskosten (Erhaltungsaufwand) darstellen oder aufzuteilen sind. Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Schleswig-Holstein ist nämlich die Revision anhängig.
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.1.2015, 2 K 101/13, Rev. BFH IX R 14/15, Abruf-Nr. 144147 unter www.iww.de; FG Köln, Urteil vom 16.1.2008, 14 K 4709/04.
Wirtschaftsrecht
Aktuelle Gesetzgebung: Mehr Frauen in Führungspositionen – Bundesrat beschließt Gesetz zur Frauenquote
| Das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst ist am 27.3.2015 im Bundesrat abschließend beraten und beschlossen worden. Die Länderkammer votierte einstimmig für das Gesetz, das die Quote zum 1.1.2016 in den Führungsetagen großer Unternehmen einführt. Mit der Zustimmung des Bundesrats ist das parlamentarische Verfahren abgeschlossen. |
Der Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten der 200 größten Unternehmen in Deutschland betrug Ende 2014 laut Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) 18,4 Prozent. In den Vorständen dieser Unternehmen sind nur 5,4 Prozent Frauen.
Das Gesetz sieht im Bereich der Privatwirtschaft im Wesentlichen folgende Regelungen vor:
- Für Aufsichtsräte von Unternehmen, die börsennotiert sind und der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, gilt eine Geschlechterquote von 30 Prozent. Die Quotenregelung greift damit bei Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien mit in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmern sowie bei Europäischen Aktiengesellschaften (SE), bei denen sich das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan aus derselben Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern zusammensetzt. Die betroffenen Unternehmen müssen die Quote ab 2016 sukzessive für die dann neu zu besetzenden Aufsichtsratsposten beachten. Die Mindestquote gilt grundsätzlich für den gesamten Aufsichtsrat als Organ. Dieser Gesamterfüllung kann jedoch von der Anteilseigner- oder der Arbeitnehmerseite vor jeder Wahl widersprochen werden, sodass jede Bank die Mindestquote für diese Wahl gesondert zu erfüllen hat. Bei Nichterfüllung ist die quotenwidrige Wahl nichtig. Die für das unterrepräsentierte Geschlecht vorgesehenen Plätze bleiben rechtlich unbesetzt („leerer Stuhl“).
- Unternehmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind, werden verpflichtet, Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten, Vorständen und obersten Management-Ebenen festzulegen. Über die Zielgrößen und deren Erreichung müssen sie öffentlich berichten. Der Kreis der betroffenen Unternehmen erfasst neben Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien auch GmbHs, eingetragene Genossenschaften und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern. Eine Mindestzielgröße ist nicht vorgesehen. Die Unternehmen können sie selbst setzen und sich an ihren Strukturen ausrichten. Dabei sind folgende Vorgaben zu beachten: Liegt der Frauenanteil in einer Führungsebene unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen nicht hinter dem tatsächlichen Status Quo zurückbleiben. Die bis zum 30.9.2015 erstmals festzulegende Frist zur Erreichung der Zielgrößen darf nicht länger als bis zum 30.6.2017 dauern. Die folgenden Fristen dürfen nicht länger als fünf Jahre sein.
Für den öffentlichen Dienst enthält das Gesetz folgende Regelungen:
- Damit der Bund mit gutem Beispiel vorangeht, wird das Bundesgremienbesetzungsgesetz mit dem Ziel der paritätischen Vertretung von Frauen und Männern in Gremien novelliert, deren Mitglieder der Bund bestimmen kann. Für die Besetzung von Aufsichtsgremien, in denen dem Bund mindestens drei Sitze zustehen, gilt ab 2016 eine Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent für alle Neubesetzungen dieser Sitze. Ab dem Jahr 2018 ist es Ziel, diesen Anteil auf 50 Prozent zu erhöhen. Für wesentliche Gremien, in die der Bund Mitglieder entsendet, gilt das gleiche Ziel.
- Zur Erhöhung des Frauenanteils an Führungspositionen im öffentlichen Dienst des Bundes sowie zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Berufstätigkeit wird zudem das Bundesgleichstellungsgesetz umfassend novelliert. Die Bundesverwaltung wird künftig insbesondere verpflichtet, sich für jede Führungsebene konkrete Zielvorgaben zur Erhöhung des Frauen- beziehungsweise Männeranteils zu setzen. Zielvorgaben und Maßnahmen sind im Gleichstellungsplan der jeweiligen Dienststelle darzustellen.
Quelle | Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
Freiberufler und Gewerbetreibende: GoBD: Neue Grundsätze für die ordnungsmäßige Buchführung
| Es wurde lange diskutiert und nachgebessert. Im November letzten Jahres hat das Bundesfinanzministerium (endlich) das Schreiben zu den „Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)“ veröffentlicht. Im Folgenden wird ein Überblick über die 37 Seiten umfassende Verwaltungsanweisung gegeben. |
Anwendungszeitpunkt und Inhalt
Die GoBD gelten für Veranlagungszeiträume, die nach dem 31.12.2014 beginnen. Sie lösen die „Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS)“ vom 7.11.1995 und die „Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU)“ vom 16.7.2001 ab.
Die neuen GoBD sind sehr umfangreich. Es geht u.a. um die zeitgerechte Erfassung von Geschäftsvorfällen, Unveränderbarkeit der Buchungen und Daten, Aufbewahrung von (digitalen) Unterlagen sowie die Verfahrensdokumentation digitaler Abläufe.
Wer ist betroffen?
Wesentliche Teile der GoBD gelten nicht nur für buchführungspflichtige Unternehmer. Auch Einnahmen-Überschussrechner müssen Aufzeichnungen und Unterlagen nach § 147 Abs. 1 Abgabenordnung aufbewahren. Ferner können sich Aufbewahrungspflichten auch aus anderen Rechtsnormen (z.B. § 14b Umsatzsteuergesetz) ergeben.
Beachten Sie | Es gibt keinen klar definierten Umfang für die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten. Begründet wird dies mit Divergenzen in den betrieblichen Abläufen sowie damit, dass verschiedenartige Buchführungs- und Aufzeichnungssysteme verwendet werden.
Zeitgerechte Aufzeichnungen
Die GoBD enthalten wichtige Ausführungen zur zeitgerechten Aufzeichnung (beispielsweise sollen Kasseneinnahmen und -ausgaben täglich festgehalten werden). Das DStV-Verbändeforum EDV hat weitere Vorgaben wie folgt zusammengeführt:
Bei unbaren Geschäftsvorfällensind Belege innerhalb von zehn Tagen nach Eingang oder Entstehung beim Steuerpflichtigen gegen Verlust zu sichern. Dies kann durch geordnete Ablage, durch zeitgerechte unveränderliche Erfassung in Grund(buch)aufzeichnungen oder durch Scannen erfolgen. Werden Eingangsrechnungen nicht innerhalb von acht Tagen bzw. innerhalb ihrer gewöhnlichen Durchlaufzeit beglichen, sind sie kontokorrentmäßig zu erfassen.
Erfolgt die Erfassung der Geschäftsvorfälle in den Büchern bzw. in den Aufzeichnungen der Nichtbuchführungspflichtigen nicht laufend, sondern periodenweise (z.B. monatliche Auftragsbuchhaltung), müssen vorher Sicherungsmaßnahmen (siehe oben) ergriffen werden und die Erfassung muss innerhalb des folgenden Monats erfolgen.
PRAXISHINWEIS | Das Überschreiten der Monatsfrist kann zur Verwerfung der Buchführung führen, wenn vorher keine ausreichenden Maßnahmen zur Belegsicherung getroffen werden. Da in der Praxis vor allem die Monatsfrist nicht immer gewährleistet ist, sollten die Beleg- und Datensicherungsmaßnahmen in einer Verfahrensdokumentation festgehalten und ihre Einhaltung kontrolliert werden. |
Daten in elektronischer Form
Sind aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtige Daten, Datensätze, elektronische Dokumente und elektronische Unterlagen im Unternehmen entstanden oder dort eingegangen, sind sie auch in dieser Form aufzubewahren und dürfen vor Ablauf der Aufbewahrungsfrist nicht gelöscht werden. Sie dürfen nicht ausschließlich in ausgedruckter Form aufbewahrt werden und müssen für die Dauer der Aufbewahrungsfrist unveränderbar erhalten bleiben (z.B. per E-Mail eingegangene Rechnung im PDF-Format).
Hinweis | Werden Rechnungen mittels Textverarbeitungsprogramm erstellt und wird die Maske mit den Inhalten der nächsten Rechnung überschrieben, ist es in diesem Fall nicht zu beanstanden, wenn das Doppel des Schreibens nur als Papierdokument aufbewahrt wird.
Die elektronischen Bearbeitungsvorgänge sind zu protokollieren und mit dem elektronischen Dokument zu speichern, damit die Nachvollziehbarkeit und Prüfbarkeit des Originalzustands und seiner Ergänzungen gewährleistet ist.
PRAXISHINWEIS | Dient eine E-Mail nur als „Transportmittel”, z.B. für eine angehängte elektronische Rechnung, und enthält darüber hinaus keine weitergehenden aufbewahrungspflichtigen Informationen, ist diese nicht aufbewahrungspflichtig. |
Verfahrensdokumentation
Es muss für jedes Datenverarbeitungssystem (DV-System) eine übersichtlich gegliederte Verfahrensdokumentation vorhanden sein, aus der Inhalt, Aufbau, Ablauf und Ergebnisse des DV-Verfahrens vollständig und schlüssig ersichtlich sind.
Beachten Sie | Soweit eine fehlende oder ungenügende Verfahrensdokumentation die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit nicht beeinträchtigt, liegt kein formeller Mangel mit sachlichem Gewicht vor, der zum Verwerfen der Buchführung führen kann.
Status quo und Ausblick
Derzeit beschränkt sich der Datenzugriff der Betriebsprüfer häufig auf den maschinellen Datenträger, der die Buchführungsdaten enthält. Zukünftig wird sich der Fokus voraussichtlich (auch) auf die vorgelagerten Systeme (z.B. Zeiterfassung und Kassensysteme) richten. Es gilt also auch hier, „finanzamtssicher“ zu sein.
Wichtig | Ein Nichtbeachten der neuen GoBD kann bei Betriebsprüfungen zu erheblichen Problemen führen. Im Extremfall ist eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen möglich.
Quelle | BMF-Schreiben vom 14.11.2014, IV A 4 – S 0316/13/10003, Abruf-Nr. 143316 unter www.iww.de; DStV-Verbändeforum EDV „GoBD – Änderungsbedarf in einem Kerngeschäft“.
Umsatzsteuerzahler: Vorsteuerabzugsberechtigung bereits vor Gründung einer Ein-Mann-GmbH?
| Nach Ansicht des Finanzgerichts Düsseldorf ist eine Einzelperson, die ernsthaft die Absicht hat, eine Ein-Mann-Kapitalgesellschaft zu gründen und mit dieser umsatzsteuerpflichtige Umsätze zu erzielen, bereits vor Gründung der Gesellschaft zum Vorsteuerabzug berechtigt. |
Nach dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer muss dem (späteren) Gesellschafter einer Ein-Mann-Kapitalgesellschaft in der Vorgründungsphase der Vorsteuerabzug für seine ersten Investitionsausgaben ebenso zustehen, wie der Vorgründungsgesellschaft einer (Zwei-Mann-)Kapitalgesellschaft.
Dieser Ansicht stand im Streitfall nicht entgegen, dass der Steuerpflichtige die GmbH tatsächlich nicht gegründet hatte und keine umsatzsteuerpflichtigen Ausgangsumsätze getätigt wurden.
Hinweis | Da die Rechtsfrage, ob eine Einzelperson vor Gründung einer Ein-Mann-Kapitalgesellschaft vergleichbar einer Vorgründungsgesellschaft (als „Vorgründungseinzelunternehmer“) zum Vorsteuerabzug berechtigt sein kann, höchstrichterlich – soweit ersichtlich – noch ungeklärt ist, hat das Finanzgericht Düsseldorf die Revision zugelassen, die bereits anhängig ist.
Quelle | FG Düsseldorf, Urteil vom 30.1.2015, 1 K 1523/14 U, Rev. BFH V R 8/15, Abruf-Nr. 144132 unter www.iww.de.
Umsatzsteuerzahler: Anerkennung weiterer ATLAS-Ausgangsvermerke als Ausfuhrnachweis
| Für die Umsatzsteuerfreiheit von Ausfuhrlieferungen ist ein Ausfuhrnachweis erforderlich. Dies erfolgt EU-einheitlich durch die verpflichtende Teilnahme am elektronischen Ausfuhrverfahren (IT-Verfahren ATLAS). Das Bundesfinanzministerium hat nunmehr die als Ausfuhrnachweis anerkannten Ausgangsvermerke in diesem Verfahren erweitert. |
Neben dem allgemeinen „Ausgangsvermerk” und dem „Alternativ-Ausgangsvermerk” werden nunmehr auch Ausgangsvermerke aufgrund einer monatlichen Sammelanmeldung und aufgrund einer nachträglichen Ausfuhranmeldung (u.a. bei vorheriger ganz oder teilweise unrichtiger Ausfuhranmeldung) anerkannt.
Hinweis | Muster dieser Ausgangsvermerke sind in dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums als Anlagen beigefügt.
Quelle | BMF-Schreiben vom 23.1.2015, IV D 3 – S 7134/07/10003-02, Abruf-Nr. 143772 unter www.iww.de.
Abschließende Hinweise
Berechnung der Verzugszinsen
| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |
Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 30. Juni 2015 beträgt – 0,83 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:
- für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 4,17 Prozent
- für einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag (§ 497 Abs. 1 BGB): 1,17 Prozent
- für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,17 Prozent
Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).
Übersicht / Basiszinssätze |
|
Zeitraum |
Zinssatz |
01.07.2014 bis 31.12.2014 |
-0,73 Prozent |
01.01.2014 bis 30.06.2014 |
-0,63 Prozent |
01.07.2013 bis 31.12.2013 |
-0,38 Prozent |
01.01.2013 bis 30.06.2013 |
-0,13 Prozent |
01.07.2012 bis 31.12.2012 |
0,12 Prozent |
01.01.2012 bis 30.06.2012 |
0,12 Prozent |
01.07.2011 bis 31.12.2011 |
0,37 Prozent |
01.01.2011 bis 30.06.2011 |
0,12 Prozent |
01.07 2010 bis 31.12.2010 |
0,12 Prozent |
01.01.2010 bis 30.06.2010 |
0,12 Prozent |
01.07 2009 bis 31.12.2009 |
0,12 Prozent |
01.01.2009 bis 30.06.2009 |
1,62 Prozent |
01.07.2008 bis 31.12.2008 |
3,19 Prozent |
01.01.2008 bis 30.06.2008 |
3,32 Prozent |
01.07.2007 bis 31.12.2007 |
3,19 Prozent |
01.01.2007 bis 30.06.2007 |
2,70 Prozent |
01.07.2006 bis 31.12.2006 |
1,95 Prozent |
01.01.2006 bis 30.06.2006 |
1,37 Prozent |
01.07.2005 bis 31.12.2005 |
1,17 Prozent |
01.01.2005 bis 30.06.2005 |
1,21 Prozent |
01.07.2004 bis 31.12.2004 |
1,13 Prozent |
01.01.2004 bis 30.06.2004 |
1,14 Prozent |
01.07.2003 bis 31.12.2003 |
1,22 Prozent |
01.01.2003 bis 30.06.2003 |
1,97 Prozent |
01.07.2002 bis 31.12.2002 |
2,47 Prozent |
01.01.2002 bis 30.06.2002 |
2,57 Prozent |
01.09.2001 bis 31.12.2001 |
3,62 Prozent |
Steuern und Beiträge Sozialversicherung:Fälligkeitstermine in 05/2015
| Im Monat Mai 2015 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |
Steuertermine (Fälligkeit):
- Umsatzsteuerzahler (Monatszahler): 11.5.2015
- Lohnsteuerzahler (Monatszahler): 11.5.2015
- Gewerbesteuerzahler: 15.5.2015
- Grundsteuerzahler: 15.5.2015
Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.
Hinweis | Bei der Grundsteuer kann die Gemeinde abweichend von dem vierteljährlichen Zahlungsgrundsatz verlangen, dass Beträge bis 15 EUR auf einmal grundsätzlich am 15.8. und Beträge bis einschließlich 30 EUR je zur Hälfte am 15.2. und am 15.8. zu zahlen sind. Auf Antrag kann die Grundsteuer auch am 1.7. in einem Jahresbetrag entrichtet werden. Der Antrag ist bis zum 30.9. des vorangehenden Jahres zu stellen.
Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 15.5.2015 für die Umsatz- und Lohnsteuerzahlung und am 18.5.2015 für die Gewerbe- und Grundsteuerzahlung. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.
Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):
Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat Mai 2015 am 27.5.2015.