Mandantenbrief Recht Juni 2015
Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 06/2015:
Arbeitsrecht
- Arbeitslosenversicherungsrecht: Die Einschreibung an einer Hochschule steht der Verfügbarkeit nicht entgegen
- Arbeitslosengeld: Arbeitslosen sind zwei Bewerbungen pro Woche zumutbar
- Aktuelle Gesetzgebung: Höhere Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen
- Arbeitsvertragsrecht: Nichtigkeit eines Ausbildungsvertrags zur FN-geprüften Pferdepflegerin
Baurecht
- Architektenrecht: Kündigung des Architektenvertrags wegen Vertragsverstößen des Bauherren
- Architektenrecht: Architekt muss kein Hellseher sein!
- Grunderwerbsteuer: Unterschiedliche Behandlung von amtlicher und freiwilliger Baulandumlegung ist verfassungsgemäß
- Arbeitsschutz: Absturzunfälle lassen sich vermeiden
Erbrecht
- Erbverzicht kann Folgen für die eigenen Kinder haben
- Wer eine Schenkung wegen groben Undanks anfechten will, muss gute Gründe vorweisen
Mietrecht & WEG
- Mietmangel: Mietmangel wegen Lärmbelästigungen durch neuen Bolzplatz?
- WEG: Als Ladenlokal ausgewiesener Geschäftsraum darf nicht als Gaststätte genutzt werden
- Eigenbedarfskündigung: Was ist der angemessene Wohnbedarf des Vermieters?
- Nichterfüllung: Wer doppelt vermietet, zahlt einmal Schadenersatz
Verbraucherrecht
- Haftungsrecht: Kein Schadenersatz bei selbstverschuldetem Sturz im frisch gewischten Treppenhaus
- Energieversorgung: Energieversorger darf bei Erkrankung der Schuldnerin Stromzufuhr nicht unterbrechen
- Bankrecht: Klausel zum ordentlichen Kündigungsrecht der Sparkassen ist unwirksam
Verkehrsrecht
- Unfallschadensregulierung: Kein Anspruch bei einem So-Nicht-Unfall in Bezug auf die Schadenshöhe
- Mietwagen: Nach Teilerstattung ist kein „Gar Nichts“ mehr möglich
- Geschwindigkeitsüberschreitung: Geschwindigkeitsüberschreitung kann wegen Rettungswillen gerechtfertigt sein
- Abschleppkosten: Zwei Abschleppvorgänge, weil Kind erst nach Hause muss
Steuerrecht
- Alle Steuerzahler: Höchstbetrag wird auch bei mehrerenArbeitszimmern nur einmal gewährt
- Gewerbetreibende: Steuerpflichtiger Verkauf einer Bierdeckelsammlung bei eBay
- Alle Steuerzahler: Erleichterte Feststellung von Verlustvorträgen vor allem bei Berufsausbildungskosten
- Alle Steuerzahler: Privates Veräußerungsgeschäft: Aufschiebende Bedingung verlängert 10-Jahresfrist nicht
Wirtschaftsrecht
- Arbeitgeber: Keine Pauschalierungspflicht bei Minijobs
- Arbeitgeber: Kein zeitanteiliger Ansatz der Ein-Prozent-Regelung
- Betriebsprüfung: Zugriff auf Kassendaten von Einzelunternehmen bei einer Außenprüfung
- Sozialversicherung: Stimmrechtsbindungsvereinbarung: Geschäftsführer ist sozialversicherungsfrei
- Kindergeld: Kindergeld-Merkblätter für 2015
- Umsatzsteuerzahler: Umsatzsteuer bei Sponsoringmaßnahmen
Abschließende Hinweise
- Steuertermine: Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 06/2015
- Verzugszinsen: Berechnung der Verzugszinsen
Arbeitsrecht
Arbeitslosenversicherungsrecht: Die Einschreibung an einer Hochschule steht der Verfügbarkeit nicht entgegen
| Arbeitslosengeld kann nur beanspruchen, wer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Diese Verfügbarkeit wird bei Studierenden regelmäßig verneint, weil sie – so die gesetzliche Vermutung – nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können. Beginnt das Studium für den Studierenden erst mit Beginn der Lehrveranstaltungen, so kann diese Vermutung widerlegt werden. |
Dies entschied der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) im Fall einer ehemals als Sachbearbeiterin tätigen Frau. Diese hatte Arbeitslosengeld bezogen, nachdem ihr Arbeitsvertrag aufgehoben wurde. Nachdem sie der Bundesagentur für Arbeit (BA) mitgeteilt hatte, dass sie ein Studium der Betriebswirtschaft aufnehmen werde, hob die BA die Bewilligung des Arbeitslosengelds ab Semesterbeginn (1. September 2010) auf. Als eingeschriebene Studentin könne sie nur eine versicherungsfreie Beschäftigung ausüben und stehe dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Die 29-jährige Frau war hingegen der Auffassung, dass dies für die Zeit zwischen Semesterbeginn und Vorlesungsbeginn (4. Oktober 2010) nicht gelte.
Die Richter beider Instanzen gaben der Studentin recht. Allein durch die Immatrikulation (Einschreibung an einer Hochschule) sei keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten, aufgrund derer die Bewilligung des Arbeitslosengelds aufzuheben gewesen sei. Denn die Studentin habe nachgewiesen, dass sie in der Zeit zwischen Semesterbeginn und Vorlesungsbeginn keinen Studienanforderungen ausgesetzt gewesen sei und ihr Studium im 1. Fachsemester tatsächlich erst am 4. Oktober 2010 begonnen habe. Somit habe – so die Richter – die Studentin bis zum 3. Oktober 2010 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Die gesetzliche Vermutung sei insoweit widerlegt.
Quelle | LSG Hessen, Urteil vom 30.3.2015, L 9 AL 148/13, Abruf-Nr. 144464 unter www.iww.de.
Arbeitslosengeld: Arbeitslosen sind zwei Bewerbungen pro Woche zumutbar
| Die in einer Eingliederungsvereinbarung geregelte Pflicht zur Vornahme von zwei Bewerbungen pro Woche sind einem Arbeitslosen grundsätzlich zumutbar. Eine Minderung des Arbeitslosengelds II wegen eines Verstoßes gegen die Eingliederungsvereinbarung (Sanktion) ist nur dann nicht rechtmäßig, wenn der Arbeitslose nachweisen kann, dass er seiner Pflicht nicht nachkommen konnte, weil nicht genug Stellenangebote vorhanden waren. |
Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz im Fall eines Mannes entschieden. Dieser erhielt vom beklagten Jobcenter Arbeitslosengeld II. Er hatte sich in einer Eingliederungsvereinbarung zu mindestens zwei Bewerbungsbemühungen pro Woche verpflichtet. Davon sollte mindestens eine Bewerbung auf ein konkretes Stellenangebot erfolgen. Das Jobcenter hat die gewährten Leistungen um 30 Prozent des für den Mann ansonsten zu gewährenden Regelbedarfs gemindert. Es fand, dass der Mann nicht genügend Bewerbungen durchgeführt hatte. Der Mann meinte, es hätte nicht genug Stellenangebote gegeben. Außerdem sei er aus gesundheitlichen Gründen zu mehr Bewerbungen nicht in der Lage gewesen. Schließlich hätte er seine kranke Mutter pflegen müssen. Dem sind weder das Sozialgericht Koblenz noch das LSG gefolgt. Die eingeholten ärztlichen Befundberichte hätten keine wesentlichen gesundheitlichen Einschränkungen ergeben. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass die Pflege der Mutter zwei Bewerbungen pro Woche ausgeschlossen hätte. Schließlich habe der Mann nicht beweisen können, dass ihm wegen fehlender Stellenangebote nicht mehr Bewerbungen möglich waren.
Quelle | LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.12.14, L 3 AS 505/13, Abruf-Nr. unter 144462 www.iww.de.
Aktuelle Gesetzgebung: Höhere Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen
| Ab 1.7.15 gelten höhere Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen. |
Der Pfändungsschutz stellt sicher, dass Schuldner auch bei einer Pfändung ihres Arbeitseinkommens ihr Existenzminimum sichern und die gesetzlichen Unterhaltspflichten erfüllen können. Die Höhe der Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen wird jeweils zum 1. Juli eines jeden zweiten Jahres an die Entwicklung des steuerlichen Grundfreibetrags für das sächliche Existenzminimum angepasst. Zuletzt wurden die Pfändungsfreigrenzen zum 1.7.13 erhöht. Der steuerliche Grundfreibetrag hat sich seit dem letzten Stichtag um 2,76 Prozent erhöht. Hieraus ergibt sich eine Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen im gleichen Verhältnis.
Ab dem 1.7.15 beträgt der monatlich unpfändbare Grundbetrag 1.073,88 EUR (bisher: 1.045,04 EUR). Dieser Betrag erhöht sich, wenn gesetzliche Unterhaltspflichten zu erfüllen sind, um monatlich 404,16 EUR (bisher: 393,30 EUR) für die erste und um monatlich jeweils weitere 225,17 EUR (bisher: 219,12 EUR) für die zweite bis fünfte Person. Wenn Schuldner mehr verdienen als den so ermittelten pfändungsfreien Betrag, verbleibt ihnen vom Mehrbetrag bis zu einer Obergrenze ebenfalls ein bestimmter Anteil.
Weiterführender Hinweis
Die genauen Beträge – auch für wöchentliche und tägliche Zahlweise von Arbeitseinkommen – ergeben sich aus der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2015, die unter www.bmjv.de abrufbar ist.
Arbeitsvertragsrecht: Nichtigkeit eines Ausbildungsvertrags zur FN-geprüften Pferdepflegerin
| Ein Ausbildungsvertrag für einen staatlich nicht anerkannten Ausbildungsberuf mit einem Minderjährigen ist wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 4 Abs. 2 BBiG nichtig. Bei Volljährigen erfordert ein solches wirksames Ausbildungsverhältnis einen ordnungsgemäßen Ausbildungsgang. Voraussetzung hierfür ist die Erstellung eines betrieblichen Ausbildungsplans, der Gegenstand des Berufsausbildungsvertrags wird und an dem sich die Ausbildungsleistungen zu orientieren haben. Findet danach eine Berufsausbildung in einem solchen geordneten Ausbildungsgang tatsächlich nicht statt, ist der Ausbildungsvertrag nichtig. |
Diese Klarstellung traf das Arbeitsgericht Osnabrück im Fall einer volljährigen Frau. Diese hatte nach einer abgebrochenen Berufsausbildung im staatlich anerkannten Ausbildungsberuf zur Pferdewirtin mit der Beklagten einen Ausbildungsvertrag zur sogenannten FN-geprüften Pferdepflegerin geschlossen. Hierbei handelte es sich nicht um einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf. Ab Beginn des Vertragsverhältnisses wurde sie tatsächlich als Gestütshilfskraft mit 45 Stunden pro Woche zuzüglich Überstunden eingesetzt. Hierzu gehörten schwere körperliche Arbeiten, aber auch das Bereiten der Pferde. Die Ausbildungsordnung für die Zulassung zur Prüfung zur FN-geprüften Pferdepflegerin vor der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e.V. sah eine etwa zweijährige hauptberufliche Tätigkeit im Umfang und in der Pflege von Pferden in einem Reit- oder Zuchtbetrieb vor.
Die Beklagte und ihr Ehemann hatten diese Zulassungsvoraussetzungen in ein formelles „Ausbildungsverhältnis“ eingekleidet, ohne tatsächlich eine Ausbildung im Rahmen eines Ausbildungsplans durchzuführen. Die Klägerin besuchte während ihrer Beschäftigungszeit nicht die Berufsschule. Die Beklagte verfügte weder über einen Meistertitel noch gab es in ihrem Betrieb einen angestellten Meister. Die Klägerin wurde über einen Zeitraum von zehn Monaten mit 530 EUR brutto pro Monat vergütet. Danach kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis.
Das Arbeitsgericht Osnabrück hat die Kündigungsschutzklage der Klägerin abgewiesen. Das Beschäftigungsverhältnis der Parteien ist mit dem Rechtsmangel der Nichtigkeit behaftet, da die Klägerin in dem staatlich nicht anerkannten Ausbildungsberuf keine Berufsausbildung in einem geordneten Ausbildungsgang im Betrieb der Beklagten erfahren hatte. Für den Zeitraum der Durchführung des nichtigen Vertrags liegt lediglich ein sog. faktisches Arbeitsverhältnis vor. Für die Zukunft können die Parteien eines faktischen Arbeitsverhältnisses sich ohne Weiteres und ohne Ausspruch einer Kündigung voneinander lösen.
Dem Zahlungsantrag über 9.478,19 EUR brutto hat das Arbeitsgericht dagegen entsprochen. Für faktische Arbeitsverhältnisse ist eine angemessene Vergütung zugrunde zu legen. Für die Tätigkeit als Gestütshilfskraft hat das Arbeitsgericht vorliegend einen Bruttostundenlohn von 7,00 EUR als angemessen angesehen.
Quelle | Arbeitsgericht Osnabrück, 2 Ca 431/14, Abruf-Nr. 144463 unter www.iww.de.
Baurecht
Architektenrecht: Kündigung des Architektenvertrags wegen Vertragsverstößen des Bauherren
| Ein vom Auftraggeber zu vertretener schwerwiegender Vertragsverstoß berechtigt den Architekten zur Kündigung des Architektenvertrags aus wichtigem Grund. |
Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. im Streit eines Bauherren mit seinem Architekten hin. Die Richter machten zudem deutlich, dass eine Kündigung auch möglich sei, wenn ein solcher schwerwiegender Vertragsverstoß nicht vorliege. Voraussetzung sei dann, dass einzelne, nicht so schwerwiegende Verstöße vorliegen, die in der Summe aber eine solch erhebliche Erschütterung des Vertrauensverhältnisses mit sich bringen, dass dem Architekten ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden könne. Dies sei zum Beispiel der Fall, wenn der Bauherr gebotene Mitwirkungshandlungen verweigere. Im vorliegenden Fall hatte er erforderliche Entscheidungen nicht getroffen.
Allerdings müsse der Architekt beachten, dass auch bei einer Kündigung des Architektenvertrags das Honorar erst mit Erteilung einer prüfbaren Schlussrechnung fällig werde.
Quelle | OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 27.11.2013, 23 U 203/12, Abruf-Nr. 144303 unter www.iww.de.
Architektenrecht: Architekt muss kein Hellseher sein!
| Der bauüberwachende Architekt muss nur die im Zeitpunkt seiner Leistungserbringung geltenden DIN-Normen beachten. |
So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) München. Die Richter machten deutlich, dass der Architekt nicht auf Schadenersatz wegen Baumängeln in Anspruch genommen werden könne, wenn es erst in der Gewährleistungsphase des überwachten Bauunternehmers zu einer Änderung dieser DIN-Normen komme. Voraussetzung eines Schadenersatzanspruchs gegenüber dem Architekten sei nämlich dessen Verschulden. Ein Verschulden des Architekten liege hier aber im Hinblick auf die erst nach Abschluss des Bauvorhabens geänderte DIN nicht vor.
Quelle | OLG München, Urteil vom 15.1.2015, 9 U 3395/14, Abruf-Nr. 144466 unter www.iww.de.
Grunderwerbsteuer: Unterschiedliche Behandlung von amtlicher und freiwilliger Baulandumlegung ist verfassungsgemäß
| Es ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, dass der Übergang von Grundeigentum anlässlich einer amtlichen Baulandumlegung von der Grunderwerbsteuer ausgenommen, im Rahmen einer freiwilligen Baulandumlegung hingegen grunderwerbsteuerpflichtig ist. |
Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden. Beide Umlegungsarten weisen in städtebaulicher Hinsicht zwar eine gleiche Zielrichtung auf. Sie unterscheiden sich jedoch nach Ansicht der Richter in ihrem Verfahren und hinsichtlich der Freiwilligkeit der Teilnahme. Diese Unterschiede sind von solchem Gewicht, dass der Gesetzgeber die beiden Umlegungsarten im Hinblick auf den Charakter der Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer unterschiedlich behandeln darf.
- Die amtliche Umlegung schränkt die verfassungsrechtlich gewährleistete Verfügungsfreiheit des Eigentümers ein. Die Inhaber von Rechten an den betroffenen Grundstücken sind hier nicht gleiche Partner eines Vertrags, sondern Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens. Unbeschadet einzelner Regelungen, die auf ein kooperatives Mitwirken der Beteiligten angelegt sind, stellt die amtliche Umlegung nach ihrer gesetzlichen Konzeption ein förmliches und zwangsweises Grundstückstauschverfahren dar. Die Gemeinde ordnet die Umlegung an, die dann nach Anhörung der Eigentümer durch einen Verwaltungsakt mit Wirkung gegenüber allen Beteiligten eingeleitet wird. Die Änderung der Eigentumszuordnung vollzieht sich ebenfalls nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen.
- Die freiwillige Umlegung ist hingegen eine vertragliche Vereinbarung, die eine einvernehmliche Neuordnung der Grundstücksverhältnisse zum Gegenstand hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eröffnet sie Raum für Regelungen solcher Art, die einseitig im Umlegungsplan des förmlichen Umlegungsrechts nicht getroffen werden könnten, wie zum Beispiel von den Vorgaben des Baugesetzbuchs abweichende Verteilungsmaßstäbe und Kostentragungsregelungen. Der Eigentumsübergang an den betroffenen Grundstücken erfolgt durch Rechtsgeschäft.
Hinweis | Durch eine Baulandumlegung wird der Zuschnitt von Grundstücken neu geordnet, um eine plangerechte und zweckmäßige bauliche Nutzung zu ermöglichen. Das Baugesetzbuch sieht hierfür ein von der Gemeinde durchzuführendes hoheitliches Verfahren vor.
Eine freiwillige Baulandumlegung kommt in Betracht, wenn die Grundstückseigentümer bereit und in der Lage sind, durch vertragliche Lösungen eine plangerechte Grundstücksneuordnung herbeizuführen. Das Grunderwerbsteuergesetz sieht für Eigentumsübergänge aufgrund von (amtlichen) Baulandumlegungen im Regelfall eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer vor. Einen vergleichbaren Befreiungstatbestand für freiwillige Umlegungen gibt es hingegen nicht.
Quelle | BVerfG, Beschluss vom 24.3.2015, 1 BvR 2880/11, Abruf-Nr. 144465 unter www.iww.de.
Arbeitsschutz: Absturzunfälle lassen sich vermeiden
| Bei Richtarbeiten, im Gerüstbau, bei Arbeiten auf Leitern oder anderswo stürzen jedes Jahr tausende Beschäftigte in die Tiefe. „Viele Unfälle enden tödlich oder führen zu schweren Verletzungen – mit viel Leid für die Betroffenen. Aber es gibt auch gute Nachrichten: Allein in den letzten zehn Jahren ging die Zahl der Absturzunfälle um 37 Prozent zurück, von 10.859 im Jahr 2004 auf 6.811 im Jahr 2013“. |
Das sagte Bernhard Arenz, Präventionsleiter der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) am weltweiten Tag für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Der Arbeitsschutztag wurde von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ins Leben gerufen.
Den deutlichen Rückgang bei den Absturzunfällen führt die BG BAU zurück auf wirksamere technische Möglichkeiten zur Absturzsicherung, auf eine verbesserte Organisation des Arbeitsschutzes sowie auf einen Bewusstseinswandel bei den Beschäftigten. Zunehmend haben viele Unternehmen darauf geachtet, bereits vor Beginn der Arbeiten mögliche Absturzgefahren im Rahmen von Gefährdungsbeurteilungen zu ermitteln. In den positiven Fällen haben bereits die Bauherren den Unternehmen beispielsweise Informationen übermittelt, welche Decken- und Dachflächen nicht belastbar sind. Und die Baubetriebe haben schon vor dem ersten Betreten beurteilt, ob zum Beispiel Treppenöffnungen, Dachkonstruktionen oder Lichtkuppeln besonders gesichert werden müssen.
Gleichwohl ist die Zahl der Abstürze noch immer hoch und bei Arbeiten auf hoch gelegenen Arbeitsplätzen immer besondere Vorsicht geboten. So liege der Unfallschwerpunkt etwa im Gerüstbau beim Auf-, Um- und Abbau der Gerüste. „Dabei ist jeder Unfall tragisch“, so Arenz weiter. Viele verlieren ihr Leben – rund die Hälfte aller tödlichen Arbeitsunfälle sind Absturzunfälle. Oder die Berufstätigen verletzen sich so schwer, dass sie lebenslange Schäden davon tragen. Manchmal endet der Absturz für Betroffene im Rollstuhl und damit häufig in der Erwerbsunfähigkeit, mit lebenslanger Rentenzahlung. „Das ist besonders bitter, weil es zahlreiche Lösungen gibt, um Abstürze zu vermeiden“, betonte Arenz.
Nach der Unfallverhütungsvorschrift „Bauarbeiten“ und nach der Technischen Regel für Arbeitsstätten (ASR A2.1) zum „Schutz vor Absturz und herabfallenden Gegenständen, Betreten von Gefahrenbereichen“ haben bauliche und technische Maßnahmen zum Schutz vor Absturz, wie Absperrungen oder Seitenschutz Vorrang vor organisatorischen Maßnahmen, etwa die Gestaltung von Zugängen oder Einstiegen und auch vor individuellen Schutzmaßnahmen, wie eine Auffangvorrichtung. Erst wenn weder Absturzsicherungen noch Auffangeinrichtungen, etwa Netze, umgesetzt werden können, darf persönliche Schutzausrüstung zum Einsatz kommen.
Wie Bernhard Arenz sagte, weise die BG BAU entschieden und verstärkt auf Maßnahmen gegen Absturzunfälle hin, beispielsweise im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Schulungen für Unternehmer, Führungskräfte, Sicherheitsbeauftragte und Betriebsräte. „Auch die Praxis- und Arbeitsschutzzentren der BG BAU sind auf diese Herausforderung eingestellt“, ergänzte Arenz. So gibt es dort spezielle Schulungen zum Thema „hochgelegene Arbeitsplätze für Berufszweige mit großen Sturz- und Absturzgefahren“.
Quelle | Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft
Erbrecht
Erbverzicht kann Folgen für die eigenen Kinder haben
| Ein Erbverzicht kann auch für die Kinder des Verzichtenden Folgen haben. Wer auf einen ihm testamentarisch zugewandten Erbteil verzichtet, schließt auch seine Kinder vom Erbteil aus, wenn die Verzichtsvereinbarung nichts anderes bestimmt. Verzichtet ein Miterbe auf seine verbindlich gewordene Erbeinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, kann der überlebende Ehegatte über den Erbteil des Verzichtenden nicht anderweitig, z. B. zugunsten eines Kindes des Verzichtenden verfügen. |
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Falle eines Mannes entschieden. Dessen Eltern hatten 1980 ein gemeinschaftliches Testament mit Pflichtteilsstrafklausel errichtet. Darin hatten sie den Überlebenden zum befreiten Vorerben und zwei ihrer Kinder, den betroffenen Sohn und seine Schwester, zu gleichen Teilen als Nacherben eingesetzt. Nach dem Tode des Vaters im Jahre 1993 schlossen die überlebende Mutter mit dem Sohn und der Schwester im Jahre 2001 einen notariellen Vertrag. Darin übertrug die Schwester ihr Nacherbenrecht auf den Sohn. Sie erklärte, auch auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht zu verzichten. Hintergrund waren Zuwendungen von 180.000 DM, die sie bereits von der Mutter erhalten hatte. Die Schwester verstarb im Jahre 2002. Sie hinterließ u.a. ihre Tochter (das Enkelkind). In einem handschriftlichen Testament aus dem Jahre 2013 bestimmte die Mutter dieses Enkelkind und einen anderen Verwandten zu Erben. Als die Mutter 2013 verstarb, stritten sich die Beteiligten um die Erbfolge. Der Sohn war der Ansicht, Alleinerbe zu sein. Demgebenüber meinten das Enkelkind und der andere Verwandte, dass sie die Erblasserin als Miterben beerbt hätten.
Das OLG entschied, dass der Sohn Alleinerbe seiner Mutter geworden ist. Er sei zusammen mit seiner 2002 verstorbenen Schwester durch das 1980 errichtete gemeinschaftliche Testament der Eltern zu Erben nach dem Tode des letzten Elternteils eingesetzt worden. Durch den notariellen Vertrag aus dem Jahre 2001 habe die Schwester auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht und auch auf das ihr durch das gemeinschaftliche Testament zugewandte Erbrecht verzichtet. Sie sei deswegen als Erbin weggefallen.
Ihre Kinder seien nicht als Ersatzerben berufen. Der Zuwendungsverzicht der Schwester erstrecke sich auch auf ihre Abkömmlinge. Die nach dem Gesetz mögliche andere Bestimmung sei im Verzichtsvertrag nicht getroffen worden. Damit sei der Erbteil der Schwester beim Tode der Erblasserin dem Sohn angewachsen. Insoweit enthalte auch das gemeinschaftliche Testament keine anderweitige Bestimmung.
Die Erblasserin durfte nach dem Tode ihres Ehemanns weder ihre Enkelin noch den anderen Verwandten als Erben einsetzen. Dem stehe das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1980 entgegen. Dieses sei hinsichtlich der Alleinerbenstellung des Sohnes bindend. Seine Bindungswirkung erfasse auch den Erbteil des Sohnes, der ihm nach dem Wegfall seiner Schwester zugewachsen ist. Das ergebe die Auslegung des Testaments. Der vorliegende Fall sei mit dem Fall vergleichbar, bei dem ein Pflichtteilsberechtigter aufgrund einer Pflichtteilsstrafklausel als Schlusserbe ausscheide, weil er zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil verlange. Auch in diesem Fall wachse sein Erbteil den übrigen testamentarisch bedachten Erben zu. Zwar sei die Schwester nicht aufgrund eines Pflichtteilsverlangens weggefallen. Sie habe aber – vergleichbar mit einem solchen Verlangen – ihren Erbverzicht erklärt, weil sie zu Lebzeiten Zuwendungen erhalten habe.
Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 28.1.2015, 15 W 503/14, Abruf-Nr. 144425 unter www.iww.de.
Wer eine Schenkung wegen groben Undanks anfechten will, muss gute Gründe vorweisen
| Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anfechtung einer Schenkung wegen Undanks des Beschenkten sind durchaus erheblich. Sie müssen vom Schenker vollständig bewiesen werden, sonst ist seine Anfechtung unwirksam. |
Diese Klarstellung traf das Landgericht (LG) Coburg im Fall eines Vaters, der von seinem Sohn die Rückübertragung von geschenkten Grundstücken verlangt. Der Vater hatte insgesamt 14 Grundstücke jeweils zur Hälfte auf seine beiden Kinder übertragen. Dabei hatte er sich jedoch kein Wohnrecht zusichern lassen oder eine Vereinbarung über Wart- und Pflegeleistungen mit seinen Kindern getroffen, obwohl er vom Notar darauf hingewiesen worden war. Auf einem dieser Grundstücke, auf dem auch der Vater lebt, hatte er schon vor der Übertragung auf seine Kinder verschiedene Teiche und eine Fischzuchtanlage verpachtet. Der neue Pächter der Teiche unterhält nunmehr auf diesem Grundstück einen Fischverkauf mit Publikumsverkehr.
Zwischen Vater und Sohn hatte es in der Vergangenheit zunächst über mehrere Jahrzehnte keinen Kontakt gegeben, bevor sich das Verhältnis wieder verbesserte. In jüngerer Vergangenheit kam es jedoch auch zu Beschimpfungen seiner Kinder durch den Vater. Er hatte behauptet, vor der Grundstücksübertragung sei ihm von den Kindern ein lebenslanges Wohnrecht und eine Verköstigung zugesichert worden. Zudem sei ihm versprochen worden, er könne die Teiche nutzen. Auch habe auf dem Grundstück gerade kein Fischverkauf, keine Räucherung und kein Publikumsverkehr stattfinden sollen. Der beklagte Sohn habe sich nicht an diese Abrede gehalten. Zudem habe er ihn beleidigt und körperlich angegriffen. Daher hat der Vater die Schenkungen wegen groben Undanks widerrufen. Der beklagte Sohn bestritt Zusicherungen an den Vater vor Abschluss des Notarvertrags ebenso wie die weiteren erhobenen Vorwürfe. Ein auf Anzeige des Vaters gegen ihn eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen der behaupteten Handgreiflichkeiten war eingestellt worden.
Das Gericht hat die Klage auf Kosten des Vaters abgewiesen. Es konnte die Voraussetzungen für einen wirksamen Schenkungswiderruf wegen groben Undanks nicht sehen. Hierfür muss zunächst objektiv eine Verfehlung von gewisser Schwere vorliegen. Diese muss weiterhin subjektiv auf eine Gesinnung des Beschenkten schließen lassen, welche die erwartete Dankbarkeit vermissen lässt.
Die hier vom Vater ins Feld geführten Umstände erfüllten zum Teil bereits diese Voraussetzungen nicht oder konnten von ihm nicht bewiesen werden. Die behaupteten mündlichen Zusagen seiner Kinder hat der Vater nicht nachweisen können. Gleiches gilt für den weiter ins Feld geführten körperlichen Übergriff. Die behauptete Beleidigung war nach der Auffassung des Gerichts nicht gravierend genug, um die Rückübertragung der verschenken Grundstücke verlangen zu können. Das gelte insbesondere, da es auch von Seiten des Vaters in der Vergangenheit zu Beschimpfungen gegenüber seinem Sohn gekommen war.
Hinweis | Die Entscheidung führt deutlich vor Augen, dass auch bei Verträgen unter Familienmitgliedern auf die vollständige schriftliche Niederlegung evtl. mündlicher Zusagen Wert gelegt werden sollte. Auf eine vorherige Beratung sollte nicht verzichtet werden.
Quelle | LG Coburg, Urteil vom 30.9.2014, 11 O 204/14, Abruf-Nr. 144468 unter www.iww.de.
Mietrecht & WEG
Mietmangel: Mietmangel wegen Lärmbelästigungen durch neuen Bolzplatz?
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Grundsatzentscheidung zu der Frage getroffen, unter welchen Voraussetzungen der Mieter einer Wohnung wegen sog. Umweltmängel – hier Lärmbelästigungen von einem Nachbargrundstück – die Miete mindern darf und wie dabei Kinderlärm zu berücksichtigen ist. |
Die Beklagten hatten eine Erdgeschosswohnung nebst Terrasse angemietet. Das Wohngrundstück grenzt an eine Schule, auf deren Gelände im Jahr 2010 – zwanzig Meter von der Terrasse der Beklagten entfernt – ein Bolzplatz errichtet wurde. Der Bolzplatz soll nach der vom Schulträger angebrachten Beschilderung Kindern im Alter bis zu 12 Jahren von Montag bis Freitag bis 18:00 Uhr zur Benutzung offen stehen. Ab Sommer 2010 rügten die Mieter gegenüber den Vermietern Lärmbelästigungen durch Jugendliche, die auch außerhalb der genannten Zeiten auf dem Bolzplatz spielten. Deshalb minderten sie seit Oktober 2010 die Miete um 20 Prozent. Die Vermieter halten die Mietminderung für unberechtigt. Mit ihrer Klage verlangen sie die Zahlung der restlichen Miete. Außerdem wollen sie festgestellt wissen, dass die Mieter nicht berechtigt sind, wegen des Lärms die Miete zu mindern. Die Klage blieb zunächst ohne Erfolg.
Der BGH hat entschieden, dass nachteilige Einwirkungen auf die Mietsache von außen – sogenannte „Umweltmängel“ – zwar Gegenstand einer Vereinbarung über die Beschaffenheit der Mietwohnung sein können. Daher können später eintretende nachteilige Änderungen zu einem Mangel der Mietsache führen. Allerdings könne bei Fehlen ausdrücklicher Vereinbarungen nicht ohne konkrete Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass eine Pflicht des Vermieters festgelegt werden sollte, nach der sich der Wohnstandard in Bezug auf Umwelteinflüsse nicht nachteilig verändern darf und der Vermieter seinen Fortbestand zu garantieren hat.
Fehlt eine solche Vereinbarung im Mietvertrag, müsse ein mögliches Eintretenmüssen des Vermieters durch eine Vertragsauslegung geklärt werden. Zu berücksichtigen sei, dass der Vermieter nicht dafür einstehen müsse, dass sich ein bei Vertragsschluss hingenommenes Maß an Geräuschen vom Nachbargrundstück nicht nachträglich vergrößert, wenn er diese Geräusche selbst gegenüber dem Nachbarn zu dulden hätte. Denn Unmögliches hätte der Mieter, wenn die Vertragsparteien das Ansteigen der Geräuschkulisse bei Vertragsschluss bedacht hätten, vom Vermieter redlicherweise nicht beanspruchen können. Er hätte vielmehr nur verlangen können, dass der Vermieter einen von ihm nicht mehr zu duldenden Geräuschanstieg gegenüber dem Dritten abwehrt oder ihm eine Minderung zubilligt, wenn auch er selbst von dem Dritten für eine wesentliche, aber als ortüblich zu duldende Störung einen Ausgleich verlangen kann.
Vor diesem Hintergrund ist der BGH zu dem Ergebnis gelangt, dass in den hier neu aufgetretenen Lärmbelästigungen jedenfalls dann kein Mangel der Mietsache gesehen werden kann, wenn auch der Vermieter selbst die Belästigungen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen müsste. Es würden die Vorschriften des Bundesimmissionenschutzgesetzes (BImSchG) greifen. Dabei sei unerheblich, wenn dieses erst lange nach dem Abschluss des Mietvertrags in Kraft getreten sei. Nach dem BImSchG ist eine Lärmbelästigung durch Kinder hinzunehmen.
Der BGH wies den Rechtsstreit an das Landgericht zurück. Dies muss nun prüfen, ob die Lärmbelästigungen von Kindern oder von (nicht unter die Privilegierung des BImSchG fallenden) Jugendlichen oder jungen Erwachsenen verursacht werden.
Quelle | BGH, Urteil vom 29.4.2015, VIII ZR 197/14, Abruf-Nr. 144469 unter www.iww.de.
WEG: Als Ladenlokal ausgewiesener Geschäftsraum darf nicht als Gaststätte genutzt werden
| Ist in einem Teilungsvertrag einer Wohnungseigentümergemeinschaft ein Geschäftsraum als ‚Laden‘ ausgewiesen, darf er nicht als Gaststätte genutzt werden. |
Hierauf machte das Amtsgericht München im Fall einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) mit 46 Einheiten aufmerksam. Einer der Eigentümer hatte sein Eigentum im Erdgeschoss an einen Pizzabäcker/Dönerladen vermietet. Diese Einheit ist in der Teilungserklärung als ‚Laden im Erdgeschoss‘ (bestehend aus Ladenraum, Büroraum, Vorratsraum, WC und Flur) beschrieben. Die übrigen 45 Einheiten sind als ‚Wohnungen‘ beschrieben. Die Geschäftsräume befinden sich im Erdgeschoss zur Straße hin. Die Hausverwalterin rügte gegenüber dem Eigentümer die Vermietung an einen Pizzabäcker/Dönerladen. Die Geschäftsräume sind als ‚L-´s Essecke‘ mit Außenschanknutzung vermietet. Auf einer Eigentümerversammlung wurde mehrheitlich beschlossen, gegen die Eigentümer wegen zweckbestimmungswidriger Nutzung des Ladens gerichtlich vorzugehen. Die Miteigentümer sind der Meinung, dass die Nutzung des Ladens als Pizzabäcker/Dönerladen mit Ausschank störender ist als die Nutzung als einfacher Laden.
Der zuständige Richter am Amtsgericht München gab nun der Eigentümergemeinschaft recht. Der Eigentümer wurde unter Androhung von Ordnungsgeld verurteilt, die Nutzung des Ladens als Gaststätte zu unterlassen. Der Laden werde – so das Gericht – konkret nicht als solcher genutzt. Denn unter ‚Laden‘ sei grundsätzlich nur ein Geschäftsraum zu verstehen, bei dem der Charakter einer Verkaufsstätte im Vordergrund stehe, wo sich also Personal aufhält, während der Öffnungszeiten Kunden ein- und ausgehen und gelegentlich Waren angeliefert werden.
Eine andere Nutzung der Räume sei nur zulässig und durch die übrigen Eigentümer hinzunehmen, wenn eine solche Nutzung abstrakt nicht stärker beeinträchtigt als eine Ladennutzung. Auf die Frage, wie viele Personen nun tatsächlich über den Tag verteilt die Räumlichkeiten nutzen, also auf die Frage der Auslastung der Essecke, und ob es konkrete Geruchs- oder Lärmbeeinträchtigungen gibt, komme es nicht an. Ebenso sei unerheblich, ob eine gaststättenrechtliche Konzession notwendig sei oder nicht. Denn die Einhaltung behördlicher Vorschriften besage noch nicht, dass im Verhältnis der Eigentümer untereinander die konkrete Nutzung der Geschäftsräume zulässig sei. Der Charakter des Hauses sei überwiegend als Wohnhaus zu bewerten. Jede andere Nutzung des Ladens dürfe mit diesem Charakter nicht in Konflikt stehen.
Mit der Zweckbestimmung ‚Laden‘ sei der Betrieb eines Bistros, einer Pizza-Imbissstube oder eines Restaurants grundsätzlich nicht zu vereinbaren. Denn es gehe nicht nur um den Verkauf von Lebensmitteln im Laden und den Verzehr dort und vor dem Laden. Vor allem die Essensgerüche überschreiten das, was die übrigen Mitglieder der WEG bei einer Nutzung als Laden hinnehmen müssten. Die konkrete gastronomische Nutzung führe zu einer längeren Verweildauer der Besucher in und vor dem Laden. Zudem entstünden vermehrte Geräusch- und Geruchsbelästigungen auch durch vor der Tür stehende Raucher. Das Gericht stellt fest, dass die typischerweise mit einem Schnellimbiss verbundenen Störungen im Ergebnis größer sind als bei einer Ladennutzung. Davon sei schon aufgrund der verlängerten Öffnungszeiten in den Abend- und Nachtstunden bei einem Imbiss gegenüber einem Laden auszugehen. Die mit einer Nutzung als Laden typischerweise verbundenen Beeinträchtigungen müssten nur während der üblichen Ladungsöffnungszeiten hingenommen werden. Im Ergebnis ist eine Nutzung als Gaststätte daher nicht von der Zweckbestimmung ‚Laden‘ gedeckt.
Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 26.6.2014, 483 C 2983/14 WEG, rkr., Abruf-Nr. 144470 unter www.iww.de.
Eigenbedarfskündigung: Was ist der angemessene Wohnbedarf des Vermieters?
| Die Gerichte haben grundsätzlich zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich oder seine Angehörigen als angemessen sieht. Sie sind daher nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters (oder seiner Angehörigen) zu setzen. |
Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH). Daher sei der vom Vermieter geltend gemachte Wohnbedarf nicht auf Angemessenheit, sondern nur auf Rechtsmissbrauch zu überprüfen. Rechtsmissbräuchlich ist nach Ansicht der Richter nicht schon der überhöhte, sondern erst der weit überhöhte Wohnbedarf. Die Wertung, ob der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist, haben die Gerichte unter Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände zu treffen. Dabei lassen sich aber keine Richtwerte (etwa Wohnfläche) aufstellen, ab welcher Grenze bei einem Alleinstehenden von einem weit überhöhten Wohnbedarf auszugehen ist. Denn diese Beurteilung hängt nicht allein von der in Anspruch genommenen Wohnfläche oder der Anzahl der Räume ab. Vielmehr muss eine umfassende Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls erfolgen.
Im vorliegenden Fall hatte ein alleinstehender volljähriger Familienangehöriger des Vermieters den (ernsthaften) Wunsch gehabt, einen eigenen Hausstand zu gründen und mit einem (langjährigen) Freund eine Wohngemeinschaft (keine Lebensgemeinschaft) zu bilden. Der Vermieter hatte daraufhin seine Mietwohnung wegen Eigenbedars gekündigt, um sie zur Verfügung stellen zu können. Der BGH sah auf dieser Grundlage einen angemessenen Wohnbedarf. Er urteilte, dass diese Entscheidung des Vermieters von den Gerichten grundsätzlich anzuerkennen sei.
Quelle | BGH, Urteil vom 4.3.2015, VIII ZR 166/14, Abruf-Nr. 175948 unter www.iww.de.
Nichterfüllung: Wer doppelt vermietet, zahlt einmal Schadenersatz
| Überlässt der Vermieter die Mietsache nach Vertragsschluss mit dem Mieter einem anderen Mieter, liegt ein Rechtsmangel in Gestalt sogenannter Doppelvermietung vor. Der Vermieter haftet dem Mieter dann auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung. |
Die Klarstellung traf das Kammergericht (KG) in Berlin. Die Richter erläuterten, dass dieser Schadenersatzanspruch zwei Voraussetzungen habe. Zum einen müsse feststehen, dass der Vermieter die Mietsache von dem besitzenden Mieter nicht mehr, z.B. durch Kündigung oder Leistung einer Abstandszahlung, zurückerlangen kann (Unmöglichkeit). Zum Zweiten muss bereits ein erster (Teil-) Schaden eingetreten sein. Der Anspruch verjährt in der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB.
Quelle | KG, Urteil vom 23.2.2015, 8 U 52/14, Abruf-Nr. 144251
unter www.iww.de.
Verbraucherrecht
Haftungsrecht: Kein Schadenersatz bei selbstverschuldetem Sturz im frisch gewischten Treppenhaus
| Wer in einem erkennbar frisch geputzten Treppenhaus ausrutscht, weil er sich nicht am Geländer festhält, ist selbst schuld und bekommt weder Schmerzensgeld noch Schadenersatz. |
Diese deutliche Aussage traf das Amtsgericht München im Fall eines 51-jährigen Mieters. Dieser stürzte im Treppenhaus. Dabei erlitt er eine dislozierte Humerusfraktur rechts und musste noch am gleichen Tag operiert werden. Er leidet seitdem an Schmerzen und hat massive Bewegungseinschränkungen. Er hat eine 11 Zentimeter lange Narbe. Wegen der Folgen des Unfalls leidet er unter Depressionen. Mittlerweile erhält er Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er ist zu 50 Prozent aufgrund des Unfalls schwerbehindert.
Ursache des Sturzes war ein rutschiger Boden des Treppenhauses, das zuvor gereinigt worden war. Warnschilder seien nicht aufgestellt gewesen. Der Kläger hält ein Schmerzensgeld von mindestens 80.000 EUR für angemessen. Er verlangt außerdem Schadenersatz in Höhe von monatlich 947 EUR bis zum 1.1.2031. Das ist die Differenz zwischen dem Einkommen, was er bei Erwerbsfähigkeit erzielen könnte und der tatsächlichen Rentenzahlung.
Die Haftpflichtversicherung der Vermieterin erkannte die Haftung dem Grunde nach an, bezahlte einen Schmerzensgeldvorschuss in Höhe von 3.500 EUR und erstattete Kosten in Höhe von 140 EUR für ärztliche Atteste. Weitere Zahlungen sind nicht erfolgt.
Die zuständige Richterin wies die Klage ab. Das Gericht geht von einem 100-prozentigen Mitverschulden des Mieters an dem Unfall aus. Er habe beim Benutzen des Treppenhauses die Sorgfalt außer Acht gelassen, die nach Lage der Sache erforderlich erschien, um sich selbst vor Schaden zu bewahren. Er habe sich offenbar nicht ausreichend am Treppengeländer festgehalten, obwohl die Gefahr des Ausrutschens offensichtlich bestand. Nach Auffassung des Gerichts wiegt die Mitschuld des Mieters hierbei so stark, dass eine Ersatzpflicht der Vermieterin vollständig entfällt. Nach Aussage aller Zeugen sei das Treppenhaus zum Zeitpunkt des Sturzes sehr nass gewesen. Dies sei auch deutlich erkennbar gewesen. Es seien großflächige, sehr nasse Stellen zu sehen gewesen. Der Hausflur sei gut beleuchtet gewesen. Nach Zeugenaussagen sei es nicht das erste und nicht das letzte Mal gewesen, dass das Treppenhaus so nass war. Nach Zeugenaussagen habe das damals benutzte Reinigungsmittel sehr stark gerochen. Daher sei jeder Bewohner schon durch den Geruch ausreichend gewarnt gewesen. Aufgrund der Zeugenaussagen geht das Gericht davon aus, dass der Mieter sowohl aufgrund des Geruchs im Treppenhaus, als auch aufgrund der offenbar eindeutigen Wahrnehmbarkeit der Nässe auf dem Boden hätte erkennen müssen, dass Rutschgefahr bestand. Er hätte sich am vorhandenen Handlauf festhalten müssen.
Das Gericht stellt weiter fest, dass das Mitverschulden auch nicht durch die Zahlung der Haftpflichtversicherung ausgeschlossen ist. Diese Zahlung könne auf die Anrechnung des Eigenverschuldens des Klägers keinen Einfluss haben.
Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 12.9.2013, 454 C 13676/11, rkr., Abruf-Nr. 144473 unter www.iww.de.
Energieversorgung: Energieversorger darf bei Erkrankung der Schuldnerin Stromzufuhr nicht unterbrechen
| Das Amtsgericht Hannover hat einem hannoverschen Energieversorgungsunternehmen im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, trotz Zahlungsrückstand den Strom bei einem Ehepaar abzustellen. Der 59-jährige Ehemann ist an Demenz erkrankt, die 58-jährige Ehefrau leidet an einer Lungenerkrankung aufgrund derer sie ein Sauerstoffgerät benötigt, das mit Strom betrieben wird. |
Das Ehepaar hat einen Zahlungsrückstand von 396 EUR für Strom und 1486,74 EUR für sonstige Nebenkosten. Das Energieversorgungsunternehmen teilte mit Schreiben vom 5.2.2015 die Sperrung der Energieversorgung zum 12.2.2015 mit. Am 11.2.2015 beantragte das Ehepaar beim Sozialgericht Hannover eine einstweilige Anordnung zur Unterbindung der Stromabschaltung. Das Ehepaar trug vor, aufgrund der Erkrankungen die Zahlungen übersehen zu haben. Die Ehefrau sei durch die Erkrankung der Lunge „komplett aus dem Leben gerissen“ worden, der Ehemann habe durch die Alzheimererkrankung die Rechnungen vergessen. Nachdem das Sozialgericht wegen eigener Unzuständigkeit das Verfahren im April an das Amtsgericht Hannover abgegeben hatte, erließ das Amtsgericht Hannover die begehrte einstweilige Verfügung.
Der erkennende Richter entschied, dass die Folgen der Unterbrechung der Stromzufuhr außer Verhältnis zu der Schwere der Zuwiderhandlung stehen. Da die Ehefrau aus medizinischen Gründen auf die Stromzufuhr angewiesen ist und ihr im Fall einer Sauerstoffunterversorgung gravierende gesundheitliche Probleme drohen, rechtfertigt in diesem speziellen Fall ein Zahlungsrückstand nicht die Sperrung. Anderes gilt für die Rückstände auf Gas, Wasser und Wärme. Hier ist eine Sperrung wegen des Zahlungsrückstands zulässig, da hier keine besonderen gesundheitlichen Belange entgegenstehen.
Quelle | Amtsgericht Hannover, Einstweilige Verfügung vom 8.4.2015, 561 C 3482/15, Abruf-Nr. 144472 unter www.iww.de.
Bankrecht: Klausel zum ordentlichen Kündigungsrecht der Sparkassen ist unwirksam
| Räumen Sparkassen gegenüber Verbrauchern ein Recht zur ordentlichen Kündigung ein, ohne klarzustellen, dass eine Kündigung nur aus sachgerechten Gründen zulässig ist, ist diese Klausel unwirksam. |
Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverband. Er wollte, dass die beklagte Sparkasse die folgende Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht mehr nutzen darf:
„Nr. 26 Kündigungsrecht
- (1)Ordentliche Kündigung
- Soweit keine zwingenden Vorschriften entgegenstehen und weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, können sowohl der Kunde als auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Kündigt die Sparkasse, so wird sie den berechtigten Belangen des Kunden angemessen Rechnung tragen, insbesondere nicht zur Unzeit kündigen.
- Für die Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrags (z. B. Girovertrag oder Kartenvertrag) durch die Sparkasse beträgt die Kündigungsfrist mindestens zwei Monate.
- […]“
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen. Der BGH hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der beklagten Sparkasse zurückgewiesen, soweit die Klausel das Recht der Beklagten zur ordentlichen Kündigung gegenüber Verbrauchern betrifft. Die Klausel ist insoweit intransparent und damit nach dem AGB-Recht unwirksam. Die Beklagte ist als Sparkasse in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert. Sie ist unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Daher ist sie nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch gehindert, den Zugang zu ihren Einrichtungen ohne sachgerechten Grund willkürlich zu beschneiden. Kündigt die Sparkasse ohne sachgerechten Grund, ist die Kündigung wegen eines Gesetzesverstoßes nichtig.
Da die Klausel diesen Umstand mit der Wendung „Soweit keine zwingenden Vorschriften entgegenstehen, …“ nicht klar und verständlich zum Ausdruck bringt, verstößt sie gegen das Transparenzgebot.
Quelle | BGH, Urteil vom 5.5.2015, XI ZR 214/14, Abruf-Nr. 144471 unter www.iww.de.
Verkehrsrecht
Unfallschadensregulierung: Kein Anspruch bei einem So-Nicht-Unfall in Bezug auf die Schadenshöhe
| Ein Geschädigter bekommt trotz nachgewiesenem Unfallgeschehen keinen Schadenersatz, wenn er nicht auch beweisen kann, dass der von ihm konkret ersetzt verlangte Schaden insgesamt oder zumindest als abgrenzbarer Teil bei dem Unfall entstanden ist (sog. „So-Nicht-Unfall“ in Bezug auf die Schadenshöhe). |
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines 26-jährigen Autofahrers entschieden. Dieser verlangt von der beklagten Versicherung Schadenersatz aufgrund eines Unfallgeschehens, das sich auf schneeglatter Fahrbahn ereignet hatte. Der Mann hatte seinen Pkw Passat im Bereich einer Laterne geparkt. Der von dem weiteren Unfallbeteiligten gesteuerte und bei der Beklagten versicherte Mietwagen, ein Touran, geriet auf der glatten Fahrbahn ins Rutschen. Dabei stieß er mit dem Passat zusammen. Die Laterne blieb, wie bei der polizeilichen Unfallaufnahme festgestellt, unbeschädigt. Das Gericht hat den Autofahrer, den Fahrer des Mietfahrzeugs sowie seinen Begleiter und auch die den Unfall aufnehmende Polizeibeamtin vernommen. Danach stand fest, dass sich tatsächlich ein Unfall ereignet hatte.
Dennoch blieb die auf dieses Unfallgeschehen gestützte Schadenersatzklage des Autofahrers erfolglos. Das Gericht hatte ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten eingeholt. Danach ließen sich die behaupteten Unfallschäden der feststellbaren Kollision mit dem Touran nicht zuordnen. Die technische Unfallanalyse komme zwar zu dem Ergebnis, dass der Passat – vom Touran angestoßen – verunfallt wäre, indem er über den Bordstein gerutscht und gegen die Laterne geprallt wäre. Demgegenüber habe die technische Analyse aber nicht mit der für den Kausalitätsnachweis notwendigen, überwiegenden Wahrscheinlichkeit bestätigt, dass der Passat bei dem nachweisbaren Unfallgeschehen die vom Kläger vorgetragenen Schäden in ihrer Gesamtheit oder – abgrenzbar – zum Teil erlitten hätte.
- So sei die Laterne unbeschädigt geblieben, obwohl sie nach den am Passat vorhandenen Schäden ebenfalls hätte beschädigt sein müssen.
- Auch setze das tatsächlich vorhandene Schadensbild einen Höhenversatz bei den am Unfall beteiligten Fahrzeugen voraus, der sich beim feststellbaren Unfallgeschehen nicht habe ergeben können.
- Nach diesem hätten die Räder des Passat zudem mit der Bordsteinkante kollidieren müssen. Auch das dann zwangsläufig zu erwartende Schadensbild wiesen sie nicht auf.
Dieses Beweisergebnis gehe zulasten des Autofahrers. Er habe nicht nur das Unfallgeschehen, sondern auch die haftungsausfüllende Kausalität zwischen dem Unfallgeschehen und dem erlittenen Schaden zu beweisen. Die Frage einer Unfallmanipulation habe dabei nicht weiter geklärt werden müssen, da dem Autofahrer bereits der Kausalitätsnachweis nicht gelungen sei.
Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 10.3.2015, 9 U 246/13, Abruf-Nr. 144474 unter www.iww.de.
Mietwagen: Nach Teilerstattung ist kein „Gar Nichts“ mehr möglich
| Wenn der Versicherer vorgerichtlich für die drei in Rechnung gestellten Mietwagentage einen nur der Höhe nach reduzierten Betrag erstattet, kann er im Prozess um die fehlende Differenz weder einwenden, ein Mietwagen sei gar nicht erforderlich gewesen, noch, dass drei Tage zu viel seien. |
So sieht es das Amtsgericht Waiblingen. Es ging um einen Fahrschulmietwagen, der für den unfallbeschädigten Fahrschulwagen genommen wurde. Als der Geschädigte die Differenz einklagte, hat der Versicherer eingewandt, die Fahrschule hätte gar keinen Mietwagen nehmen dürfen. Denn die Reparatur hätte ja auf einen Zeitraum verschoben werden können, in dem ein Fahrlehrer Urlaub hat. Damit hat sich das Gericht gar nicht mehr befasst, weil der Versicherer das – wenn überhaupt – von Anfang an hätte einwenden müssen. Dasselbe gilt für den Einwand, die Reparatur hätte schneller als in drei Tagen erledigt werden können
Quelle | Amtsgericht Waiblingen, Urteil vom 10.4.2015, 9 C 1556/14, Abruf-Nr. 144333
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Geschwindigkeitsüberschreitung: Geschwindigkeitsüberschreitung kann wegen Rettungswillen gerechtfertigt sein
| Eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit kann grundsätzlich gerechtfertigt sein, wenn der Fahrer das Ziel verfolgt, einer fremden Person Erste Hilfe zu leisten. |
Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Celle. Die Richter wiesen allerdings auch darauf hin, dass die Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit überhaupt ein geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr gewesen sein müsse. So könne sich der Betroffene für die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht auf einen Notstand berufen, wenn er lediglich einen medizinischen Notfall behauptet. Er müsse vielmehr auch vortragen, dass er vergeblich einen anderen Ausweg aus der Notsituation gesucht habe, zum Beispiel die Benachrichtigung eines Arztes oder der Feuerwehr.
Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 1.10.2014, 321 SsBs 60/14, Abruf-Nr. 143087 unter www.iww.de.
Abschleppkosten: Zwei Abschleppvorgänge, weil Kind erst nach Hause muss
| Hat der Geschädigte bei einem Unfall abends ein fünfjähriges Kind im Fahrzeug, darf er den Abschleppunternehmer beauftragen, ihn, das Kind und das Fahrzeug zunächst nach Hause zu transportieren. |
Entsteht am anderen Tag eine weitere Unfallrechnung, weil die Werkstatt das Fahrzeug vom Wohnort zur Reparatur holt, verstößt das nicht gegen die Schadenminderungspflicht. So entschied es das Landgericht (LG) Lüneburg.
Quelle | LG Lüneburg, Urteil vom 7.4.2015, 9 S 104/14, Abruf-Nr. 144311 unter
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Steuerrecht
Alle Steuerzahler: Höchstbetrag wird auch bei mehrerenArbeitszimmern nur einmal gewährt
| Steht einem Steuerpflichtigen für seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer bis zur Höhe von max. 1.250 EUR abzugsfähig. Sollten aus beruflichen Gründen zwei Wohnungen und zwei häusliche Arbeitszimmer unterhalten werden, gilt nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Rheinland-Pfalz nichts anderes. Das heißt, der Höchstbetrag wird auch in diesen Fällen nur einmal gewährt. |
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer können nur dann unbeschränkt als Werbungskosten oder als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Dies war im Streitfall jedoch nicht der Fall, da der Steuerpflichtige seine Vortragstätigkeit außerhalb seines Arbeitszimmers durchführte. Somit kam nur der auf 1.250 EUR beschränkte Höchstbetrag in Betracht.
Dieser Höchstbetrag ist nach der Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz personen- und objektbezogen auszulegen und kann demzufolge auch bei mehreren Arbeitszimmern nur einmal jährlich gewährt werden. Denn ein Steuerpflichtiger, so das FG Rheinland-Pfalz, kann zwei Arbeitszimmer niemals zeitgleich nutzen.
PRAXISHINWEIS | Diese personen- und objektbezogene Sichtweise muss nicht per se negativ sein. So gewährt die Finanzverwaltung den Höchstbetrag von 1.250 EUR auch bei nicht ganzjähriger Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers in voller Höhe. |
BEACHTEN SIE | Das FG Rheinland-Pfalz hat die Revision zum Bundesfinanzhof ausdrücklich zugelassen, da höchstrichterlich bisher noch nicht geklärt ist, ob für zwei parallel genutzte Arbeitszimmer in verschiedenen Hausständen jeweils Aufwendungen in Höhe von 1.250 EUR als Werbungskosten bzw. als Betriebsausgaben anzuerkennen sind.
Quelle | FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.2.2015, 2 K 1595/13, Rev. zugelassen, Abruf-Nr. 144301 unter www.iww.de; BMF-Schreiben vom 2.3.2011, IV C 6 – S 2145/07/10002, Rz. 22.
Gewerbetreibende: Steuerpflichtiger Verkauf einer Bierdeckelsammlung bei eBay
| Der kontinuierliche Verkauf einer privaten Bierdeckelsammlung über eBay kann nach einem Urteil des Finanzgerichts (FG) Köln sowohl einkommen- als auch umsatzsteuerpflichtig sein. |
Sachverhalt |
Ein Steuerpflichtiger bestritt seinen Lebensunterhalt im Wesentlichen durch den eBay-Verkauf von Bierdeckeln und Bieretiketten aus der privaten Sammlung seines Vaters. Die geerbte Sammlung umfasste etwa 320.000 Einzelteile und wurde vom Steuerpflichtigen durch Zukäufe fortgeführt. Veräußert wurden nur doppelte Exemplare. Hiermit erzielte er jährlich eBay-Umsätze zwischen 18.000 und 66.000 EUR. Das Finanzamt schätzte den erzielten Gewinn mit 20 Prozent des Umsatzes und setzte gleichzeitig Umsatzsteuer fest. Hiergegen klagte der Steuerpflichtige vor dem Finanzgericht Köln, weil er kein Händler sei, der an- und verkaufe. |
Das FG Köln stufte den Steuerpflichtigen nach einer umfangreichen Würdigung verschiedener Kriterien insbesondere wegen seiner intensiven und langjährigen Verkaufsaktivitäten als Unternehmer und Gewerbetreibenden ein. Auch die Gewinnschätzung mit 20 Prozent des Umsatzes beanstandete das FG nicht.
Das Urteil zeigt einmal mehr, dass es im Steuerrecht auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. So hatte der Bundesfinanzhof beispielsweise entschieden, dass ein Briefmarkensammler, der aus privaten Neigungen sammelt, nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Dieser Fall ist, so das FG Köln, aber nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar. In dem Fall des Bundesfinanzhofs war ein großer Teil der Sammlung en bloc aufgegeben und der Verkauf in einem Akt gewerblichen Auktionatoren übertragen worden. Im Gegensatz zu den umfangreichen Verkaufs- und Abwicklungstätigkeiten des Steuerpflichtigen über eBay wurde der Briefmarkensammler nicht als Händler aktiv.
Quelle | FG Köln, Urteil vom 4.3.2015, 14 K 188/13, Abruf-Nr. 144437 unter www.iww.de; BFH, Urteil vom 29.6.1987, X R 23/82.
Alle Steuerzahler: Erleichterte Feststellung von Verlustvorträgen vor allem bei Berufsausbildungskosten
| Ein verbleibender Verlustvortrag ist auch dann erstmals gesondert festzustellen, wenn ein Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr erlassen werden kann. Eine Bindungswirkung des Einkommensteuerbescheids für die Feststellung des Verlustvortrags besteht nämlich dann nicht, wenn eine Einkommensteuerveranlagung gar nicht durchgeführt worden ist. Mit dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Geltendmachung von Verlustvorträgen in zurückliegenden Jahren vereinfacht. |
Ausbildungskosten
Praktische Bedeutung hat dieses Urteil vor allem für Steuerpflichtige, die sich in einer Ausbildung befinden oder vor Kurzem ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Da nämlich regelmäßig keine bzw. nur geringe Einnahmen erzielt werden, führen Werbungskosten oftmals zu einem vortragsfähigen Verlust, der sich in den Jahren der Berufsausübung steuermindernd auswirkt.
Nach derzeitiger Rechtslage sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium allerdings nur dann als Werbungskosten abzugsfähig, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Anderenfalls werden nur (nicht vortragsfähige) Sonderausgaben bis zu 6.000 EUR pro Jahr anerkannt.
Nach Ansicht des BFH sind Berufsausbildungskosten beruflich veranlasst und als Werbungskosten zu berücksichtigen. Demzufolge hat er dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die gesetzliche Regelung verfassungswidrig ist.
PRAXISHINWEIS | Wurde in der Vergangenheit keine Einkommensteuererklärung abgegeben und kann eine Veranlagung wegen eingetretener Festsetzungsverjährung nicht mehr durchgeführt werden, kann innerhalb der Verjährungsfrist für die Verlustfeststellung diese noch beantragt werden. Sollte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung herausstellen, könnten auch Steuerpflichtige mit Erstausbildungskosten profitieren. |
Nichtanwendungsgesetz in der Pipeline
Obwohl das aktuelle Urteil erst am 29.4.2015 veröffentlicht wurde, ist bereits ein Nichtanwendungsgesetz im Gespräch. Danach soll ein Verlustfeststellungsbescheid nicht mehr ergehen dürfen, wenn für das Verlustentstehungsjahr kein Einkommensteuerbescheid existiert und dieser wegen Festsetzungsverjährung auch nicht mehr erlassen werden kann.
Diesen Vorschlag hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum „Gesetzentwurf zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ geäußert. Die weitere Entwicklung bleibt vorerst abzuwarten.
Quelle | BFH, Urteil vom 13.1.2015, IX R 22/14, Abruf-Nr. 176530 unter www.iww.de; Az. beim BVerfG u.a. 2 BvL 23/14, 2 BvL 24/14; Bundesrat, Drs. 121/15 (B) vom 8.5.2015.
Alle Steuerzahler: Privates Veräußerungsgeschäft: Aufschiebende Bedingung verlängert 10-Jahresfrist nicht
| Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) unterliegt der aufschiebend bedingte Verkauf eines privaten Grundstücks innerhalb der gesetzlichen Veräußerungsfrist von zehn Jahren auch dann der Einkommensteuer, wenn der Zeitpunkt des Eintritts der aufschiebenden Bedingung außerhalb dieser Frist liegt. |
Sachverhalt |
Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige mit Kaufvertrag vom 3.3.1998 ein bebautes Grundstück – eine Betriebsanlage einer Eisenbahn – erworben und dieses mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 30.1.2008 wieder veräußert. Der Vertrag wurde unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, dass die zuständige Behörde dieses Grundstück von Bahnbetriebszwecken freistellt. Eine solche Freistellung erteilte die Behörde am 10.12.2008. Strittig war nun, ob der Gewinn aus der Veräußerung des bebauten Grundstücks zu versteuern war, weil die Bedingung in Form der Entwidmung erst nach Ablauf der zehnjährigen Veräußerungsfrist eingetreten war. |
Zunächst ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BFH für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend sind, in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden.
Des Weiteren stellte der BFH heraus, dass für den Zeitpunkt der Veräußerung die beidseitige zivilrechtliche Bindungswirkung des Rechtsgeschäfts und nicht der Zeitpunkt des Bedingungseintritts entscheidend ist. Ab dem Vertragsschluss am 30.1.2008 bestand für keinen der Vertragspartner die Möglichkeit, sich einseitig von der Vereinbarung zu lösen. Demzufolge war die zehnjährige Veräußerungsfrist beim Verkauf des Grundstücks noch nicht abgelaufen.
Quelle | BFH, Urteil vom 10.2.2015, IX R 23/13, Abruf-Nr. 175927 unter www.iww.de.
Wirtschaftsrecht
Arbeitgeber: Keine Pauschalierungspflicht bei Minijobs
| Arbeitgeber können wählen, ob sie eine geringfügige Beschäftigung pauschal oder nach Lohnsteuerabzugsmerkmalen besteuern. Entscheidet sich der Arbeitgeber gegen die pauschale Versteuerung, dann muss er den Minijobber darauf nicht hinweisen. So lautet ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG). |
Sachverhalt |
Hätte der Arbeitgeber im Streitfall statt der Abrechnung nach der Steuerklasse III die Pauschalsteuer gewählt, hätten die Minijobberin und ihr Ehegatte im Zuge der steuerlichen Zusammenveranlagung insgesamt 1.327,95 EUR weniger Steuern zahlen müssen. Demzufolge verklagte die Minijobberin ihren Arbeitgeber auf Schadenersatz. Letztlich aber ohne Erfolg. |
Eine nicht gewählte und daher nicht zur Anwendung kommende Abweichung von der Regelbesteuerungsart bedarf nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts keines Hinweises.
Zudem hätte die Arbeitnehmerin mit der Aufforderung zur Abgabe der Lohnsteuerkarte davon ausgehen müssen, dass diese auch zum Einsatz kommen wird.
HINWEIS | Ein Arbeitnehmer, der Wert darauf legt, dass die pauschale Versteuerung für sein Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommt, hat die Möglichkeit, von sich aus nachzufragen und ggf. eine entsprechende Vereinbarung vorzuschlagen, so das Bundesarbeitsgericht.
Quelle | BAG, Urteil vom 13.11.2014, 8 AZR 817/13, Abruf-Nr. 174231 unter www.iww.de.
Arbeitgeber: Kein zeitanteiliger Ansatz der Ein-Prozent-Regelung
| Bei der Besteuerung des geldwerten Vorteils aus der Privatnutzung eines Dienstwagens gilt die Ein-Prozent-Regelung auch dann für den vollen Kalendermonat, wenn der Wagen dem Arbeitnehmer im Kalendermonat nur zeitweise zur Verfügung steht. Eine Aufteilung lehnte das Finanzgericht Baden-Württemberg ab. |
Die Monatswerte sind nur für volle Monate nicht anzusetzen, in denen eine Privatnutzung oder eine Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte ausgeschlossen ist.
Quelle | FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.2.2015, 6 K 2540/14, Abruf-Nr. 144285 unter www.iww.de.
Betriebsprüfung: Zugriff auf Kassendaten von Einzelunternehmen bei einer Außenprüfung
| Verwenden Einzelhändler eine PC-Kasse, die detaillierte Informationen zu den einzelnen Barverkäufen aufzeichnet und diese dauerhaft speichert, dann kann der Betriebsprüfer im Rahmen einer Außenprüfung auch auf die Kasseneinzeldaten zugreifen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in drei zu Apotheken ergangenen Urteilen entschieden. |
Sachverhalt |
In einem der Streitfälle nutzte eine buchführungspflichtige Apotheke ein speziell entwickeltes PC-gestütztes Erlöserfassungssystem mit integrierter Warenwirtschaftsverwaltung. Die Tageseinnahmen wurden über modulare PC-Registrierkassen erfasst, dann durch Tagesendsummenbons ausgewertet und als Summe in ein manuell geführtes Kassenbuch eingetragen. Bei einer Außenprüfung verweigerte das Unternehmen dem Prüfer den Datenzugriff auf die Einzeldokumentation der Warenverkäufe, weil es nicht zu Einzelaufzeichnungen verpflichtet sei. Dies sah der BFH allerdings anders. |
Für bare Kasseneinnahmen hatte der BFH in einer Entscheidung aus 1966 klargestellt, dass der nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfall nicht nur der am Tagesende insgesamt vereinnahmte Betrag (Tageslosung) ist. Gleichzeitig hatte er aber auch angeführt, dass die GoB nur eine Einzelaufzeichnung der Kassenvorgänge im Rahmen des nach Art und Umfang des Geschäftes Zumutbaren verlangen.
Demzufolge hatte der BFH die Einzelaufzeichnungspflicht für Einzelhandelsgeschäfte – in Unternehmen, in denen Waren von geringem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden – dahingehend eingeschränkt, dass die baren Betriebseinnahmen grundsätzlich nicht einzeln aufgezeichnet werden müssen.
Wer aber, so der BFH in den aktuellen Urteilen, ein Kassensystem benutzt, das alle Kassenvorgänge einzeln aufzeichnet und speichert, der verzichtet auf diese Erleichterung und kann sich nachträglich nicht auf die Unzumutbarkeit der Aufzeichnungsverpflichtung berufen. Der Betriebsprüfer kann dann bei einer Außenprüfung auf die Kasseneinzeldaten zugreifen.
PRAXISHINWEISE | Besteht das Datenzugriffsrecht, ist indes zu prüfen, ob die Anforderung im Einzelfall ermessensgerecht ist. Da vorliegend keine Ermessensfehler geltend gemacht wurden, hat sich der BFH hiermit nur am Rande beschäftigt und ausgeführt, dass hierfür keine Anzeichen bestanden.
Zur Ermessensausübung ist aber auch auf ein Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster hinzuweisen. Dort hatte der Außenprüfer die Daten des Warenwirtschaftssystems auch in elektronisch aufbereiteter Form als Excel-Datei verlangt. Die Apothekeninhaberin setzte das Excel-Programmmodul aber gar nicht ein. Das FG wies das Verlangen daher als ermessenswidrig zurück.
Im Hinblick auf berufliche Verschwiegenheitspflichten führt der BFH Folgendes aus: Hält der Steuerpflichtige einzelne Daten für nicht steuerrelevant, muss er sie selektieren. Patientenbezogene Daten, deren Herausgabe er verweigern darf, muss er selbst entfernen. Ist das nicht möglich, kann er den Zugriff nicht aus diesem Grund verweigern. Er trägt damit die Verantwortung und das Risiko, wenn steuer- und nicht steuerrelevante Daten vermengt sind.
Quelle | BFH, Urteile vom 16.12.2014, X R 42/13, Abruf-Nr. 176203 unter www.iww.de; X R 29/13, Abruf-Nr. 176197; X R 47/13, Abruf-Nr. 176198; BFH, Urteil vom 12.5.1966, IV 472/60; FG Münster, Urteil vom 7.11.2014, 14 K 2901/13 AO.
Sozialversicherung: Stimmrechtsbindungsvereinbarung: Geschäftsführer ist sozialversicherungsfrei
| Auch ein geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH, der mit weniger als 50 Prozent am Stammkapital beteiligt ist, kann als selbstständig anzusehen und damit sozialversicherungsfrei sein. |
Das ist nach Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz der Fall, wenn er eine schuldrechtliche Stimmrechtsbindungsvereinbarung aller Gesellschafter mit Einstimmigkeitsvorbehalt vorlegen kann. Denn das spricht in der Regel dafür, dass er auch Gesellschafterentscheidungen gegen seinen Willen verhindern kann.
Quelle | LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.11.2014, L 4 R 556/13, Abruf-Nr. 143783
unter www.iww.de.
Kindergeld: Kindergeld-Merkblätter für 2015
| Die Fachaufsicht über den Familienleistungsausgleich hat die Kindergeld-Merkblätter für 2015 herausgegeben (Mitteilung des Bundeszentralamts für Steuern vom 9.4.2015). |
Die Merkblätter sollen einen Überblick über den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelungen zum Kindergeldrecht geben und können unterwww.iww.de/sl1618 heruntergeladen werden.
Umsatzsteuerzahler: Umsatzsteuer bei Sponsoringmaßnahmen
| Bei der Frage, ob Sponsoringmaßnahmen zu einem umsatzsteuerbaren Leistungsaustausch führen, ist die jeweilige Fallkonstellation entscheidend. Das Bundesfinanzministerium hat seine Sichtweise aktuell ergänzt und äußert sich nun auch zur Behandlung des Sponsorings aus Sicht des Sponsors. |
Wenn der Zuwendungsempfänger (z.B. ein Fußballverein) auf Plakaten, in Veranstaltungshinweisen, in Ausstellungskatalogen, auf seiner Internetseite oder in anderer Weise auf die Unterstützung des Sponsors lediglich hinweist, liegt kein umsatzsteuerbares Leistungsaustauschverhältnis vor. Dieser Hinweis kann unter Verwendung des Namens, Emblems oder Logos des Sponsors, jedoch ohne besondere Hervorhebung oder Verlinkung zu dessen Internetseiten, erfolgen.
Dies gilt nach der jüngst vorgenommenen Ergänzung der Finanzverwaltung auch dann, wenn der Sponsor auf seine Unterstützung in gleicher Art und Weise lediglich hinweist. Dagegen ist von einer Leistung des Zuwendungsempfängers an den Sponsor auszugehen, wenn dem Sponsor das ausdrückliche Recht eingeräumt wird, die Sponsoringmaßnahme im Rahmen eigener Werbung zu vermarkten.
PRAXISHINWEIS | Es ergeben sich folgende Grundsätze:
- Erfolgt die Sponsorenzahlung nicht im Leistungsaustausch, fällt keine Umsatzsteuer an.
- Liegt allerdings ein Leistungsaustausch vor, wird grundsätzlich Umsatzsteuer fällig.
Es ist jedoch zu beachten, dass auch hier die Kleinunternehmerregelung gilt, wonach Umsatzsteuer beim Unterschreiten gewisser Umsatzgrenzen nicht erhoben wird.
Quelle | BMF-Schreiben vom 25.7.2014, IV D 2 – S 7100/08/10007: 003, Abruf-Nr. 142580 unter www.iww.de.
Abschließende Hinweise
Steuertermine: Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 06/2015
| Im Monat Juni 2015 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |
Steuertermine (Fälligkeit):
- Umsatzsteuer (Monatszahler): 10.6.2015
- Lohnsteuer (Monatszahler): 10.6.2015
- Einkommensteuer (vierteljährlich): 10.6.2015
- Kirchensteuer (vierteljährlich): 10.6.2015
- Körperschaftsteuer (vierteljährlich): 10.6.2015
Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.
Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 15.6.2015. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.
Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):
Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat Juni 2015 am 26.6.2015.
Verzugszinsen: Berechnung der Verzugszinsen
| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |
Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 30. Juni 2015 beträgt – 0,83 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:
- für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 4,17 Prozent
- für einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag (§ 497 Abs. 1 BGB): 1,17 Prozent
- für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,17 Prozent
Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).
Übersicht / Basiszinssätze |
|
Zeitraum |
Zinssatz |
01.07.2014 bis 31.12.2014 |
-0,73 Prozent |
01.01.2014 bis 30.06.2014 |
-0,63 Prozent |
01.07.2013 bis 31.12.2013 |
-0,38 Prozent |
01.01.2013 bis 30.06.2013 |
-0,13 Prozent |
01.07.2012 bis 31.12.2012 |
0,12 Prozent |
01.01.2012 bis 30.06.2012 |
0,12 Prozent |
01.07.2011 bis 31.12.2011 |
0,37 Prozent |
01.01.2011 bis 30.06.2011 |
0,12 Prozent |
01.07 2010 bis 31.12.2010 |
0,12 Prozent |
01.01.2010 bis 30.06.2010 |
0,12 Prozent |
01.07 2009 bis 31.12.2009 |
0,12 Prozent |
01.01.2009 bis 30.06.2009 |
1,62 Prozent |
01.07.2008 bis 31.12.2008 |
3,19 Prozent |
01.01.2008 bis 30.06.2008 |
3,32 Prozent |
01.07.2007 bis 31.12.2007 |
3,19 Prozent |
01.01.2007 bis 30.06.2007 |
2,70 Prozent |
01.07.2006 bis 31.12.2006 |
1,95 Prozent |
01.01.2006 bis 30.06.2006 |
1,37 Prozent |
01.07.2005 bis 31.12.2005 |
1,17 Prozent |
01.01.2005 bis 30.06.2005 |
1,21 Prozent |
01.07.2004 bis 31.12.2004 |
1,13 Prozent |
01.01.2004 bis 30.06.2004 |
1,14 Prozent |
01.07.2003 bis 31.12.2003 |
1,22 Prozent |
01.01.2003 bis 30.06.2003 |
1,97 Prozent |
01.07.2002 bis 31.12.2002 |
2,47 Prozent |