Liebe Mandantin, lieber Mandant,

auch im vergangenen Monat hat sich rund um Steuern, Recht und Betriebswirtschaft einiges getan. Über die aus unserer Sicht wichtigsten Neuregelungen und Entscheidungen halten wir Sie mit Ihren Mandanteninformationen gerne auf dem Laufenden. Zögern Sie nicht, uns auf einzelne Punkte anzusprechen, wir beraten Sie gerne!

Mit steuerlichen Grüßen

 

Inhalt

 

Arbeitsrecht
1. Urlaubsabgeltung unterliegt der tariflichen Ausschlussfrist
2. Urlaubsabgeltungsanspruch kann verjähren
GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
1. Allgemeiner Zweckbetrieb einer arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaft
2. Organkreis bei Weitervermietungsmodell: Kürzung Gewerbeertrag
3. Vertrag zur Gewinnabführung: Tatsächlich Durchführung ist entscheidend
4. Wechselseitige Veräußerung von GmbH-Anteilen unter Wert stellt Gestaltungsmissbrauch dar
Kapitalanlage und Versicherung
1. Berufsunfähigkeitsversicherung: Verletzung der Anzeigepflicht führt nicht immer zum Leistungsausschluss
2. Variable Zinsen müssen für den Sparer kalkulierbar sein
Sonstige Steuern
1. Ein Ökokonto und die Grunderwerbsteuer
2. Flurbereinigung: Zu welchem Zeitpunkt wird Grunderwerbsteuer fällig
3. Warum der Solidaritätszuschlag nicht verfassungswidrig ist
4. Warum die erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verfassungsgemäß ist
Steuerrecht Privatvermögen
1. Übernahme fehlerhafter Steuerdaten: Anklicken als mechanische Handlung?
2. Wassergymnastik: Kosten auch mit ärztlicher Verordnung nicht abziehbar
3. Zurechnung der Einkünfte beim Quotennießbrauch
Steuerrecht Unternehmer
1. Drittanstellung bei einer KGaA: Hinzurechnung der Vergütungen
2. Erlass von Zinsen aufgrund von Corona-Maßnahmen möglich?
3. Gelangensbestätigung: Voraussetzungen für Steuerfreiheit
4. Umsatzsteuer bei Apotheken: Was passiert bei Insolvenz des Abrechnungsdienstleisters?
5. Vom Leasingnehmer übernommene Wartungskosten sind gewerbesteuerlich hinzuzurechnen
6. Vorweggenommene Betriebsausgaben: Keine Berücksichtigung bei der Gewerbesteuer
Vereine
1. Handel mit Waren für Blinde: Wann liegt ein Zweckbetrieb vor?

 

 

 

Arbeitsrecht

  1. Urlaubsabgeltung unterliegt der tariflichen Ausschlussfrist

 

Der Abgeltungsanspruch für nicht genommenen Urlaub kann aufgrund einer tariflichen Ausschlussfrist verfallen.

Hintergrund

Der Arbeitnehmer war seit April 2007 in der Redaktion eines Zeitungsverlags beschäftigt -zunächst aufgrund eines Vertrags als freier Mitarbeiter mit Pauschalhonorar, später als angestellter Online-Redakteur. Während seiner Tätigkeit als Pauschalist in der Zeit von April 2007 bis Ende Juni 2010 erhielt er keinen Urlaub. Ende September 2014 endete das Arbeitsverhältnis. Nach dem für Redakteure an Tageszeitungen geltenden Manteltarifvertrag sind nicht erfüllte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen.

Im August 2018 forderte der ehemalige Redakteur den Arbeitgeber auf, insgesamt 65 Arbeitstage Urlaub abzugelten, aus den Jahren als Pauschalist. Die Forderung in Höhe von rund 14.400 EUR brutto für nicht genommenen Urlaub aus den Jahren 2007 bis 2010 wies der Arbeitgeber zurück. Er begründete dies damit, dass ein etwaiger Anspruch aus der Zeit der Tätigkeit als Pauschalist verfallen und verjährt sei.

Entscheidung

Die Vorinstanz stellte fest, dass es sich bei der Pauschalistentätigkeit um ein reguläres Arbeitsverhältnis gehandelt habe. Somit sei der Urlaubsanspruch von 65 Tagen entstanden. Das Gericht hielt den Anspruch jedoch für verjährt und wies die Klage ab. Das BAG stellte fest, dass die Urlaubsabgeltungsansprüche des früheren Redakteurs nicht aufgrund der tariflichen Ausschlussfrist verfallen seien und auch noch nicht verjährt seien.

Deutlich machte das BAG in seiner Entscheidung, dass es grundsätzlich an seiner ständigen Rechtsprechung zur Abgeltung von Urlaubsansprüchen festhält. Danach kann der Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs als reiner Geldanspruch tariflichen Ausschlussfristen unterfallen, so wie er auch verjähren kann. Es sei für den Beginn der Fristen unerheblich, ob der Arbeitgeber seine Hinweispflichten erfüllt habe.

Nach Meinung des BAG lassen sich die neueren Grundsätze zu den Obliegenheitsverpflichtungen des Arbeitgebers in Bezug auf den Urlaubsverfall nicht auf die Abgeltung von Urlaubsansprüchen übertragen. Die Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien sei nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine andere als während des Arbeitsverhältnisses.

Während beim Urlaubsanspruch die Erholung im Vordergrund stehe, beschränke sich der Urlaubsabgeltungsanspruch allein auf die finanzielle Kompensation. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, ende mit dem Arbeitsverhältnis.

Anders als die Vorinstanz entschied das BAG, dass Fristbeginn für die tarifliche Ausschlussfrist nicht das Ende des Arbeitsverhältnisses 2014, sondern erst 2018 sein könnte. Erst nach dem Urteil des EuGH, das neue Regeln für den Urlaubsverfall vorgab, war der Arbeitnehmer verpflichtet, Urlaubsabgeltung für bis dahin nicht gewährten Urlaub aus den Jahren 2007 bis 2010 zu verlangen.

2014 ging auch das BAG noch davon aus, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen. Aus demselben Grund war der Urlaubabgeltungsanspruch auch noch nicht verjährt, stellte das Gericht fest. Die gesetzliche Verjährungsfrist habe der Arbeitnehmer in diesem Fall gewahrt, indem er den Arbeitgeber im Jahr 2018 auf Zahlung von Urlaubsabgeltung gerichtlich in Anspruch nahm.

Das BAG entschied dennoch nicht abschließend, sondern verwies die Sache zurück an das LAG Düsseldorf. Dieses müsse genauer aufklären, ob der Redakteur in den Jahren 2007 bis 2010, in denen er als Pauschalist redaktionelle Aufgaben für den Arbeitgeber ausübte, im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig war.

 

  1. Urlaubsabgeltungsanspruch kann verjähren

 Urlaubsabgeltungsansprüche verjähren nach 3 Jahren. Auch ohne Hinweis des Arbeitgebers beginnt die Frist i. d. R. mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin das Unternehmen verlässt.

Hintergrund

Der Fluglehrer war von 2010 bis 2015 als Ausbildungsleiter in einer Flugschule beschäftigt. In einem schriftlichen Anstellungsvertrag waren 30 Tage Jahresurlaub vereinbart. Der Arbeitgeber gewährte ihm bis 2015 keinen Jahresurlaub. Im Jahr 2015 vereinbarten die Parteien, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit künftig als Selbstständiger ausübt.

Nach einem Flugunfall im Jahr 2019 kündigte der Arbeitgeber dem langjährigen Mitarbeiter. Dieser verlangte daraufhin vor Gericht die Feststellung, dass er sich durchgehend in einem Angestelltenverhältnis befunden habe, wehrte sich gegen die Kündigung und machte unter anderem Urlaubsabgeltungsansprüche für die Jahre 2010 bis 2015 geltend. Der Arbeitgeber meinte, die Ansprüche seien verjährt.

Entscheidung

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Vor dem Bundesarbeitsgericht hatte der Fluglehrer dagegen größtenteils Erfolg. Das Gericht sprach ihm rund 40.000 EUR als Abgeltung für Urlaub aus den Jahren 2010 bis 2014 zu. Ohne Erfolg blieb die Forderung in Bezug auf eine Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015. Der Urlaubsabgeltungsanspruch aus dem Jahr 2015 sei verjährt. Die Verjährungsfrist beginne i. d. R. mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmende das Unternehmen verlässt.

Schon auf Grundlage der früheren Rechtsprechung hätte der Fluglehrer erkennen müssen, dass ihm der Arbeitgeber Urlaub aus diesem Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis endete, abzugelten hatte. Die 3-jährige Verjährungsfrist habe also Ende des Jahres 2015 begonnen. Da der Fluglehrer erst 2019 klagte, konnte er den Anspruch zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geltend machen.

Anderes galt aus Sicht der BAG-Richter für die Ansprüche auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2010 bis 2014. Bei einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Anwendung der Verjährungsregelungen könne die Verjährungsfrist nicht beginnen, solange eine „Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zumutbar sei“.

Nach damaliger Rechtsprechung waren diese Urlaubsansprüche nach Ablauf des Jahres oder Übertragungszeitraums automatisch verfallen. Erst mit der EuGH-Entscheidung v. 6.11.2018 änderte sich die Rechtslage. Zu diesem Zeitpunkt habe der EuGH neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben. Erst danach sei der Fluglehrer gehalten gewesen, die Abgeltung für die Urlaubsjahre von 2010 bis 2014 gerichtlich geltend zu machen.

Das BAG stellte in seinem Urteil zudem klar, dass die 3-jährige Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch ansonsten i. d. R. am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, beginnt – ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten ankommt. Dies begründete das Gericht mit der Unterschiedlichkeit der Ansprüche: Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei insofern eine Zäsur.

 

 

GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer

  1. Allgemeiner Zweckbetrieb einer arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaft

 Entgeltliche Dienstleistungen einer arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaft begründen einen allgemeinen Zweckbetrieb nur dann, wenn die gegenüber ihren Auftraggebern erbrachten Leistungen das ausschließliche Ergebnis der Arbeitstherapie und somit notwendige Folge der Erfüllung des gemeinnützigen Zwecks sind.

Hintergrund

Die X-GmbH betreibt ein auf die textile Vollversorgung von Krankenhäusern und Seniorenheimen mit Mietwäsche spezialisiertes Dienstleistungsunternehmen.

In ihrem örtlichen Einzugsbereich betrieb die wegen Förderung des Wohlfahrtswesens als gemeinnützig anerkannte Y-GmbH eine Großwäscherei, in der sie vorwiegend langzeitarbeitslose Menschen und Menschen mit Behinderung beschäftigte. Das Finanzamt ging davon, die aus dem Wäschereibetrieb erzielten Gewinne seien steuerbefreit, da die Voraussetzungen eines allgemeinen Zweckbetriebs vorlägen.

Die X-GmbH sah in dem Betrieb der Y-GmbH dagegen einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und beantragte beim Finanzamt, die Y-GmbH als Konkurrentin entsprechend zu besteuern.

Auf die Ablehnung des Finanzamts erhob die X-GmbH Konkurrentenklage gegen das Finanzamt mit dem Antrag, den Wäschereibetrieb der Y-GmbH als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu besteuern.

Das FG gab der Klage statt. Die Zweckbetriebseigenschaft scheitere daran, dass die Y-GmbH in 3 aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen jeweils Gewinne erwirtschaftet habe, die ihren Finanzierungsbedarf überstiegen. Zudem führe das enge Zusammenwirken der Y-GmbH mit ihrer gewerblichen Tochtergesellschaft dazu, dass die Gewerblichkeit der Tochtergesellschaft auf die Y-GmbH abfärbe.

Entscheidung

Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Zum einen schließt die Erzielung von Gewinnen das Vorliegen eines Zweckbetriebs nicht grundsätzlich aus. Zum anderen ergibt sich die Zweckbetriebseigenschaft nicht bereits daraus, dass die wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Personen eine Beschäftigungsmöglichkeit bieten.

Ein Zweckbetrieb setzt insbesondere voraus, dass der Betrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen. Dies verlangt, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb mit den ihn begründenden Tätigkeiten (nicht nur mit den erzielten Einnahmen) unmittelbar der Verwirklichung des steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecks dient. Die Feststellung dieser Voraussetzung erfordert eine Gesamtwürdigung anhand des objektiven Charakters der Betätigung.

Im Gegensatz hierzu hat das FG die Zweckbetriebseigenschaft allein damit verneint, dass die Y-GmbH in 3 aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen erhebliche Gewinne erzielt hat. Ein nach § 65 Nr. 1 AO schädliches Gewinnstreben ist jedoch erst dann anzunehmen, wenn die Erfüllung der steuerbegünstigten Satzungszwecke gegenüber der Gewinnerzielungsabsicht in den Hintergrund tritt. Eine Gewinnerzielung in 3 aufeinanderfolgenden Jahren reicht dafür nicht aus.

Erfüllt sonach eine arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaft mit ihren Tätigkeiten nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs, kann gleichwohl ein allgemeiner Zweckbetrieb vorliegen. Allerdings ergibt sich diese Zweckbetriebseigenschaft nicht bereits daraus, dass arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Personen eine Beschäftigungsmöglichkeit geboten wird. Vielmehr sind die Voraussetzungen des § 65 AO im Einzelnen eingehend zu prüfen.

Der BFH verwies die Sache zur Prüfung der Voraussetzungen des § 65 AO an das FG zurück. Bei Lohnaufträgen einer arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaft wird ein Zweckbetrieb nur dann begründet, wenn die gegenüber den Auftraggebern erbrachten Leistungen das ausschließliche Ergebnis der Arbeitstherapie und somit notwendige Folge der Erfüllung des gemeinnützigen Zwecks sind. Dies schließt es zwar nicht aus, dass die Beschäftigungsgesellschaft auch nicht förderungsbedürftige Mitarbeiter einsetzt. Dies gilt jedoch nur, soweit dieser Einsatz zum Erreichen der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (zur Ausbildung, Anleitung oder Beaufsichtigung der förderungsbedürftigen Mitarbeiter). Ein unvermeidbarer Wettbewerb liegt nicht mehr vor, wenn die Marktteilnahme den für die Integrationsarbeit notwendigen Umfang überschreitet.

 

  1. Organkreis bei Weitervermietungsmodell: Kürzung Gewerbeertrag

 Auch wenn Geschäftsbeziehungen innerhalb eines Organkreises grundsätzlich nicht zu gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnungen und Kürzungen führen, lässt sich daraus keine generelle Versagung der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags ableiten.

Hintergrund

Nach einer Außenprüfung wurde der Konzernmutter M die sog. erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung versagt. M ist ertragsteuerliche und umsatzsteuerliche Organträgerin der A-GmbH. Zudem hat die M weitere Organtochtergesellschaften, welche eigene Immobilien besaßen. Diese Grundstücke wurden von den weiteren Organtöchtern an die A-GmbH vermietet, damit die A-GmbH diese an Dritte vermieten konnte – also ein sog. Weitervermietungsmodell. Die A-GmbH hat die Pachtzahlungen an die Organtöchter als Aufwand verbucht, für diese jedoch keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung vorgenommen.

Für die Organtöchter wurde die erweiterte Kürzung beantragt, welche das Finanzamt abgelehnt hat. Dies wird damit begründet, dass sich innerhalb des Organkreises die Pachterträge bei den übrigen Organtöchtern und der Pachtaufwand bei der A-GmbH neutralisieren.

Entscheidung

Die Klage ist zum Teil begründet. Im Fall eines den Organkreis überschreitenden Weitervermietungsmodells ist eine erweiterte Kürzung für den Grundbesitz wie auch eine Hinzurechnung von innerhalb der Organgesellschaften erfolgten Mietzinszahlungen vorzunehmen. Lediglich der Höhe nach ist die erweiterte Kürzung nur insoweit zu gewähren, als sie den jeweiligen Betrag einer hypothetischen Hinzurechnung der Hälfte der verausgabten Pachtzinsen bei der als Pächterin agierenden Organgesellschaft A-GmbH übersteigt.

Das FG hielt eine vollständige Versagung der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags im Wege einer teleologischen Gesetzesauslegung bei der im Urteilsfall gegebenen Konstellation für nicht gerechtfertigt. Dementsprechend und konsequenterweise ist auch noch eine – bisher nicht erfolgte – Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1e GewStG geboten.

 

  1. Vertrag zur Gewinnabführung: Tatsächlich Durchführung ist entscheidend

 Die Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags muss tatsächlich innerhalb einer angemessenen Zeit erfolgen.

Hintergrund

Zwischen der A-GmbH und deren Alleingesellschafter A wurde im Jahr 2002 ein Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen. Dieser Vertrag entsprach den formellen Anforderungen. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde jedoch beanstandet, dass die an A abzuführenden Gewinne nicht tatsächlich an diesen gezahlt, sondern für die Jahre 2008-2012 jeweils nur auf einem Konto „Verbindlichkeiten gegen Gesellschafter“ gebucht worden sind.

Das Finanzamt hat deshalb den Gewinnabführungsvertrag nicht anerkannt. Es war der Auffassung, dass es an einem Vollzug des Gewinnabführungsvertrags mangele. Allein die Buchung einer Verbindlichkeit sei keine Abführung des ganzen Gewinns an den Organträger; es fehle am Geldfluss.

Entscheidung

Das FG bestätigt diese Rechtsauffassung. Ein Gewinnabführungsvertrag muss nicht nur auf mindestens 5 Jahre abgeschlossen, sondern während seiner gesamten Geltungsdauer auch durchgeführt werden. An dieser materiellen Durchführung des Vertrags fehlt es; die ermittelten Gewinne sind weder durch Zahlung noch durch eine zur Anspruchserfüllung führende und der tatsächlichen Zahlung gleichstehende Aufrechnung abgeführt worden.

Eine tatsächliche Durchführung ist nicht bereits durch einen Ausweis einer Verbindlichkeit in der Bilanz der Organgesellschaft erfolgt. Vielmehr müsste die Verbindlichkeit auch zeitnah erfüllt werden. Auch eine Aufrechnung im Jahr 2017 kann nach Auffassung des FG zu keiner anderen Wertung führen, da es nicht mehr fremdüblich sei, wenn eine Verpflichtung erst viele Jahre nach dem Bilanzstichtag erfüllt wird.

Unabhängig davon würde die Aufrechnung bereits deshalb nicht genügen, da nicht der volle Gewinn an A abgeführt wurde, sondern im Wege des verkürzten Zahlungswegs private Schulden des A bei einer anderen Gesellschaft ausgeglichen worden sind. Das FG hat deshalb die Entscheidung des Finanzamts bestätigt und die körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Organschaft nicht anerkannt.

 

  1. Wechselseitige Veräußerung von GmbH-Anteilen unter Wert stellt Gestaltungsmissbrauch dar

 Ein „Verlust“, der im Zuge einer Anteilsrotation lediglich wegen der Vereinbarung eines den Wert des veräußerten Anteils krass verfehlenden Kaufpreises entsteht, stellt einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts dar.

Hintergrund

Z ist Gründungsgesellschafter der mit einem Stammkapital von 260.000 EUR ausgestatteten X-GmbH und zur Hälfte beteiligt. Neben Z war im Jahr 2017 auch A zur Hälfte beteiligt. Z und A waren zu Geschäftsführern bestellt.

Im Dezember 2017 schloss Z mit A einen privatschriftlichen Kauf- und Abtretungsvertrag, mit dem Z seinen Geschäftsanteil (130.000 EUR) zum Kaufpreis von 12.500 EUR an A veräußerte. Am selben Tag übertrug auch A seinen Geschäftsanteil privatschriftlich zu gleichen Konditionen auf Z. Z hatte den Kaufpreis bereits im Dezember 2017 überwiesen.

Im Januar 2018 schlossen Z und A (erneut) einen – nunmehr notariell beurkundeten – Kauf- und Abtretungsvertrag zu identischen Bedingungen.

Z machte für 2017 einen Verlust aus der Veräußerung i. H. v. (Veräußerungspreis 12.500 EUR ./. Anschaffungskosten 500.000 EUR = 487.500 EUR x 60 % =) 292.500 EUR geltend. Das Finanzamt erkannte den Verlust schon deshalb nicht an, weil der notarielle Vertrag nicht im Streitjahr 2017, sondern erst 2018 geschlossen wurde. Außerdem scheitere die Verlustanerkennung an einer missbräuchlichen Gestaltung. Der von A gezahlte Kaufpreis (12.500 EUR) sei unangemessen gewesen. Denn der gemeine Wert der X-GmbH sei mit rund 1,4 Mio. EUR anzusetzen.

Das FG folgte der Auffassung des Finanzamts und wies die Klage ab.

Entscheidung

Der BFH wies die Revision zurück. Der wechselseitige Anteilsverkauf weit unter Wert zur Verlustnutzung war rechtsmissbräuchlich.

Die Übertragung der Anteile von Z auf A im Dezember 2017 wurde nicht notariell beurkundet und war daher formnichtig. Der Formmangel wurde erst durch die notarielle Beurkundung im Januar 2018 – ohne Rückwirkung im Jahr 2017 – geheilt. Bereits deshalb scheidet eine Berücksichtigung des Verlusts im Streitjahr 2017 aus.

Wirtschaftliches Eigentum an Kapitalgesellschaftsanteilen kann zwar auch erworben werden, wenn die Vertragsparteien die in einem formunwirksamen Vertrag getroffenen Vereinbarungen tatsächlich durchführen. Dafür fehlen jedoch im Streitfall entsprechenden Anhaltspunkte. Die mit den Anteilen verbundene Rechtsstellung ist nicht bereits im Jahr 2017 auf A übergegangen.

Zwar steht es einem Steuerpflichtigen frei, ob, wann und an wen er seine Anteile veräußert. Dies gilt auch, wenn die Veräußerung zu einem Verlust führt. Die Berücksichtigung ist damit nicht von vornherein rechtsmissbräuchlich. Anders ist es jedoch, wenn ein „Verlust“ nur dadurch entsteht, dass ein den Wert des Anteils krass verfehlender Kaufpreis vereinbart wird. Denn dann kommt der „Verlust“ nicht durch eine den Anteilen innewohnende Wertminderung, sondern durch einen Verkauf unter Wert zustande.

Die X-GmbH war nach den Feststellungen des FG im Zeitpunkt der Veräußerung wirtschaftlich erfolgreich. Die Kennzahlen (Eigenkapital, Jahresüberschüsse, Ausschüttungen, Geschäftsführergehälter) lassen nicht den Schluss zu, dass der vereinbarte Kaufpreis (jeweils 12.500 EUR) auch nur annähernd dem Wert der veräußerten Anteile im Veräußerungszeitpunkt entsprach. Der „Verlust“ des Z aus der Veräußerung war mithin im Veräußerungszeitpunkt nicht real eingetreten, sondern nur das rechnerische Ergebnis der vertraglichen Vereinbarung eines Unter-Wert-Verkaufs, bei dem der Kaufpreis die Wertverhältnisse der Anteile in krasser Weise verfehlte und demnach nicht eine geminderte Leistungsfähigkeit des Z widerspiegelte.

Der Anteilsrotation kann kein realer wirtschaftlicher Hintergrund beigemessen werden. Denn sie diente lediglich dazu, durch den Verlust aufgrund des Unter-Wert-Verkaufs einen Steuererstattungsanspruch auszulösen, der die Tilgung privater Aufwendungen ermöglichen sollte.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die an der Anteilsrotation beteiligten Vertragsparteien (Z und A) die jeweilige Übertragung ihres Anteils unter Wert nur deshalb vorgenommen haben, weil sie im Gegenzug hierfür zivilrechtlich zwar einen „anderen“, wirtschaftlich gesehen jedoch einen wertidentischen Kapitalgesellschaftsanteil zu einem dem realen Wert nicht entsprechenden Kaufpreis zurückerhalten haben. Derartige gegenläufige oder ringförmige Rechtsgeschäfte werden von der Rechtsprechung als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn sie keine verständliche wirtschaftliche Veränderung bewirken. Für derartige Fälle ist anerkannt, dass ein steuerrechtlich dem Grunde nach erheblicher Vorgang dann nicht berücksichtigt werden kann, wenn er durch einen gegenläufigen Rechtsakt erst geschaffen oder wieder ausgeglichen wird und damit von vornherein eine wirtschaftliche Belastung vermieden werden soll.

 

 

Kapitalanlage & Versicherung

  1. Berufsunfähigkeitsversicherung: Verletzung der Anzeigepflicht führt nicht immer zum Leistungsausschluss

 

Wer beim Antrag auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung Krankheiten oder Behandlungen verschweigt, läuft Gefahr, den Versicherungsschutz rückwirkend zu verlieren – es sei denn, der Antragsteller kann glaubhaft machen, dass er einen Arztkontakt vergessen hat.

Hintergrund

Eine junge Frau hatte im Jahr 2013 eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) abgeschlossen. Am 20.2.2016 stellte sie einen Antrag auf Leistungen aus der Versicherung. Ein Sachverständiger hatte bei ihr eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt, die dazu führe, dass die Frau auf Dauer zu mehr als 50 % in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt sei.

Die Versicherung reagierte auf den Antrag mit Ermittlungen zum Gesundheitszustand der Versicherten und sprach am 10.10. eine rückwirkende Vertragsanpassung aus. Mit der Vertragsanpassung wurden Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit rückwirkend ab Vertragsbeginn aus dem Versicherungsschutz ausgeschlossen, sofern psychische und/oder psychosomatische Erkrankungen oder nachgewiesene Folgen dieses Leidens die Ursache der Berufsunfähigkeit bilden.

Die Versicherung begründete ihr Vorgehen damit, dass die Versicherte im Versicherungsantrag objektiv falsche Angaben gemacht habe. So habe sie verschwiegen, dass sie als 18-jährige im Zeitraum zwischen Juni und September 2008 und damit im nach den Antragsunterlagen maßgeblichen 5-Jahreszeitraum von ihrer Hausärztin eine Überweisung zu einem Therapeuten erhalten habe. Von dem Therapeuten wurde sie in 5 probatorischen Sitzungen untersucht. Allerdings hatte der Therapeut nach den Sitzungen entschieden, dass eine Behandlung des Lampenfiebers, das Anlass für die Überweisung gewesen war, nicht erforderlich sei.

Entscheidung

Das OLG entschied zugunsten der Versicherten. Die Rechte des Versicherers nach § 19 Abs. 4 VVG entstünden nur dann, wenn der Versicherungsnehmer seine Obliegenheit verletzt, dem Versicherer die ihm bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung bekannten Gefahrenumstände anzuzeigen. Daran fehle es hier.

Als Krankheit im Sinne der Berufsunfähigkeitsversicherung komme nur ein Zustand in Betracht, der vom normalen Gesundheitszustand so stark und so nachhaltig abweiche, dass dadurch die berufliche Leistungsfähigkeit oder die berufliche Einsatzmöglichkeit dauerhaft beeinträchtigt werde. Ein ausgeprägtes Lampenfieber unterhalb der Schwelle zur krankhaften Prüfungsangst stellt nach Auffassung des OLG noch keine Beschwerde der Psyche dar.

Entscheidend sei in dem Fall, dass die Versicherte vor Gericht glaubhaft bekundet habe, sie habe den gesamten Sachverhalt, der zum Zeitpunkt des Versicherungsantrags knapp 5 Jahre zurücklag, aus ihrem Gedächtnis gelöscht, weil sie nicht aus eigenem Antrieb, sondern nur auf Drängen ihrer Mutter der Abklärung ihres „Lampenfiebers“ zugestimmt habe. Bis auf ein nettes Gespräch sei bei den 5 Sitzungen nichts Besonderes herausgekommen.

Der Versicherten könne keine Verletzung der Anzeigepflicht vorgeworfen werden, entschied das Gericht.

 

  1. Variable Zinsen müssen für den Sparer kalkulierbar sein

 In Sparverträgen mit variablem Zinssatz müssen Klauseln zu Zinsänderungen für die Sparer transparent und kalkulierbar formuliert sein. Zinsänderungen sind an einem für die Sparer nachvollziehbaren Referenzzins auszurichten.

Hintergrund

Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverband als Musterkläger im Rahmen eines Musterfeststellungsverfahrens gegen die Sparkasse Vogtland als Musterbeklagte. Diese schloss Anfang der 1990er Jahre Prämiensparverträge mit Verbrauchern, die eine variable Verzinsung der Spareinlage vorsahen. Ab dem 3. Sparjahr war eine gestaffelte, verzinsliche Prämie vorgesehen.

Nach den geschlossenen Sparverträgen waren die von vielen Sparkassen für diese Verträge verwendeten „Bedingungen für den Sparverkehr“ Bestandteil des Sparvertrags. Hiernach gab die Bank den von ihr zu vergütenden Zinssatz „jeweils durch Aushang im Kassenraum“ bekannt. Hierzu heißt es weiter. „Für bestehende Sparanlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist“.

Der Musterkläger machte insbesondere geltend, die Zinsänderungsklausel sei intransparent und damit unwirksam, und forderte außerdem die Festlegung eines Referenzzinssatzes.

Erstinstanzlich war die Klage nur teilweise erfolgreich.

Entscheidung

Die Revision des Verbraucherschutzverbandes hatte Erfolg. Der BGH stellte klar, dass vertragliche Individualvereinbarungen im Rahmen der Musterfeststellungsklage nicht berücksichtigt werden müssten. Solche Vereinbarungen hätten lediglich in Klageverfahren zwischen den einzelnen Verbrauchern und der Musterbeklagten Bedeutung. Die Festlegung eines Referenzzinssatzes im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung im Musterfeststellungsverfahren werde hierdurch nicht ausgeschlossen, da die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils für solche besonderen Einzelfallumstände nach dem Wortlaut des § 613 Abs. 1 ZPO nicht greife.

Nach Auffassung des BGH ist es im Ergebnis nach dem Konzept der auf ein langfristiges Sparen angelegten Sparverträge im Sinne der Transparenz für die Sparer interessengerecht, eine Referenz für die Verzinsung der Spareinlagen in Form eines Referenzzinssatzes heranzuziehen.

Im Rahmen einer solchen ergänzenden Vertragsauslegung ist es nach Auffassung des Senats weiterhin interessengerecht, dass bei Zinsanpassungen der anfängliche relative Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz beibehalten wird. Nur dies gewährleiste, dass das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleibt. Die Folge dieser Verhältnismethode sei, dass sich die absolute Zinsmarge der Sparkasse bei einem Anstieg des Referenzzinssatzes erhöht und bei einem Absinken reduziert. Dieses Ergebnis sei kein Verstoß gegen die Grundsätze des Preisanpassungsrechts, da die Musterbeklagte keinen Einfluss auf die Höhe der Zinsanpassungen habe.

 

Sonstige Steuern

 

  1. Ein Ökokonto und die Grunderwerbsteuer

 Die Gegenleistung für die Übernahme eines Ökokontos gehört zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage.

Hintergrund

Die Klägerin war Teilnehmerin des beschleunigten Zusammenlegungsverfahrens B nach dem Flurbereinigungsgesetz. Nach dem Zusammenlegungsplan hatte die Klägerin kein Grundstück eingeworfen, aber mehrere Grundstücke erhalten. Für eines dieser Grundstücke hatte der Voreigentümer die Einrichtung eines Ökokontos beantragt und erhalten. In der Ausführungsanordnung ordnete die Bezirksregierung E die Ausführung des Zusammenlegungsplans an. Die Bezirksregierung teilte dies dem Beklagten mit und bat um Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung. Dem Schreiben waren mit dem Zusammenlegungsplan übereinstimmende Auszüge beigefügt, aus denen die der Klägerin nunmehr zugeordneten Grundstücke ersichtlich waren. In den Auszügen ist auch eine Seite über Ausgleiche und Entschädigungen enthalten. Darin werden folgende Beträge aufgeführt: Geldausgleich für die Übernahme von genehmigtem Sandabbaurecht, Geldausgleich für die Übernahme eines Ökokontos, einmaliger Kostenbeitrag zu den Ausführungskosten, Vermessungskosten.

Das Finanzamt des Beklagten setzte daraufhin mit Bescheid Grunderwerbsteuer fest. Die Klägerin legte dagegen Einspruch ein und beantragte, die Grunderwerbsteuer herabzusetzen und den Geldausgleich für das Ökokonto, den Kostenbeitrag zu den Ausführungskosten und die Einnahmen aus dem Grunderwerb steuermindernd zu berücksichtigen. Mit Einspruchsentscheidung wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Entscheidung

Nach Auffassung des FG ist die Klage unbegründet. Demnach hat der Beklagte als Bemessungsgrundlage insbesondere den Geldausgleich für das Ökokonto zu Recht als Teil der Bemessungsgrundlage angesetzt. Leistungen für ein Grundstück, auf dem Ökopunkte ruhen, werden in voller Höhe für das Grundstück, dessen Zustand die Ökopunkte in gewissem Umfang repräsentieren, und nicht daneben für ein eigenständiges Wirtschaftsgut „Ökopunkte“ erbracht.

Ein Ökokonto und die darauf eingebuchten Ökopunkte sind ein naturschutzrechtliches Instrument. Ökopunkte sind während ihrer gesamten Existenz mit dem Grundstück verbunden und kein davon zu trennendes Wirtschaftsgut. Sie existieren von ihrer Einbuchung auf dem Ökokonto bis zur Löschung oder Abbuchung der Maßnahme und repräsentieren in dieser Zeit einen bestimmten, (teilweise) behördlich anerkannten naturschutzrechtlichen Grundstückszustand.

Auch die weiteren vom Beklagten berücksichtigten Leistungen der Klägerin sind zu Recht als Teil der Bemessungsgrundlage angesetzt worden: Die der Teilnehmergemeinschaft entstandenen Vermessungskosten wurden für den Erwerb des Grundstücks erstattet.

Die Sandabbaurechte sind keine Mineralgewinnungsrechte oder sonstige Gewerbebauberechtigungen i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GrEStG, weil es sich bei Sandvorkommen um grundeigene Bodenschätze handelt.

 

  1. Flurbereinigung: Zu welchem Zeitpunkt wird Grunderwerbsteuer fällig

 Eine Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan stellt auf den dort benannten Wirkungszeitpunkt einen steuerbaren Erwerbsvorgang im Rahmen der Grunderwerbsteuer dar. Der maßgebende Steuersatz richtet sich nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Ausführungsanordnung.

Hintergrund

X war Teilnehmer eines 2002 eingeleiteten Flurbereinigungsverfahrens in Niedersachsen. In der Verhandlung v. 22.4.2009 über den Verkauf von Masseland wurde vereinbart, dass X Masseland gegen Mehrabfindung von 33.428 EUR erwirbt, die er am 1.11.2009 zu zahlen hatte. Die entsprechende Besitzeinweisung hatte bereits 2008 stattgefunden. Am 29.7.2016 ordnete die Flurbereinigungsbehörde die vorzeitige Ausführung des Flurbereinigungsplans mit Wirkung zum 29.8.2016 an.

Das Finanzamt setzte im Jahr 2016 für den Erwerb vom 29.8.2016 Grunderwerbsteuer i. H. v. 5 % fest. Der ursprünglich (bis 2006) bundeseinheitliche Steuersatz von 3,5 % wurde für Niedersachsen ab 2011 auf 4,5 % und ab 2014 auf 5 % erhöht.

Die Klage, mit der X die Anwendung des im Jahr 2009 noch geltenden Steuersatzes von 3,5 % beantragte, wurde vom FG mit der Begründung abgewiesen, der Erwerbsvorgang (Übergang des Eigentums) sei durch die vorzeitige Ausführungsanordnung der Flurbereinigungsbehörde zum 29.8.2016 verwirklicht worden.

Entscheidung

Der BFH wies die Revision zurück. Der für die Grunderwerbsteuer maßgebliche Rechtsvorgang hat sich erst am 29.8.2016 (Anordnung der vorzeitigen Ausführung des Flurbereinigungsplans) verwirklicht. Somit ist der zu diesem Zeitpunkt geltende Steuersatz von 5 % anzuwenden.

Die Flurbereinigungsbehörde ordnet die Ausführung des Flurbereinigungsplans entweder nach dessen Unanfechtbarkeit oder vorzeitig an. Zu dem in der Ausführungsanordnung zu bestimmenden Zeitpunkt (hier: 29.8.2016) tritt der im Flurbereinigungsplan vorgesehene neue Rechtszustand an die Stelle des bisherigen. Damit ist der Eigentumswechsel bewirkt. Das Grundbuch ist zu berichtigen. Das Verfahren endet durch Schlussfeststellung.

Dem Eigentumswechsel geht kein einen Übereignungsanspruch begründendes Rechtsgeschäft voraus. Bis zum Abschluss des Flurbereinigungsverfahrens steht nicht fest, ob es überhaupt zu einer Zuteilung von Land kommen wird. Auch eine vorläufige Besitzeinweisung vermittelt keine gesicherte Rechtsposition. Die in einer Verhandlungsniederschrift erklärte Bereitschaft, Masseland gegen Entgelt zu übernehmen, begründet keinen Anspruch auf Übereignung dieses Landes. Selbst eine wirksame Planvereinbarung über eine entsprechende Zuteilung stellt kein Rechtsgeschäft für die Grunderwerbsteuer dar. Planvereinbarungen geben nur den Anstoß zu einem später eintretenden gesetzlichen Eigentumswechsel. Der notwendig vor der Ausführungsanordnung erlassene Flurbereinigungsplan ist kein Rechtsgeschäft im Rahmen der Grunderwerbsteuer, sondern Verwaltungsakt.

Bei einem Eigentumsübergang ohne vorausgehendes den Übereignungsanspruch begründendes Rechtsgeschäft verwirklicht der Übergang des Eigentums den steuerbaren Tatbestand. Das ist im Fall der Landzuteilung im Flurbereinigungsverfahren der Zeitpunkt, in dem die Rechtswirkungen der Ausführungsanordnung eintreten.

Der maßgebende Steuersatz richtet sich nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Ausführungsanordnung und beträgt somit 5 %. Der Steuersatz gilt für Rechtsvorgänge, die ab dem 1.1.2014 „verwirklicht“ werden. Eine Ausführungsanordnung im Flurbereinigungsverfahren ist auch im Sinne dieser Vorschrift im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens und damit dem Zeitpunkt des Eigentumswechsels „verwirklicht“.

 

  1. Warum der Solidaritätszuschlag nicht verfassungswidrig ist

 Der Solidaritätszuschlag war in den Jahren 2020 und 2021 nicht verfassungswidrig. Insbesondere verstößt er nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Hintergrund

Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eheleute wenden sich gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für die Jahre 2020/2021.

Mit ihrer Klage hatten die Eheleute vor dem FG keinen Erfolg. Das FG war der Auffassung, beim Solidaritätszuschlag handele es sich um eine Ergänzungsabgabe i. S. d. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG, deren Erhebung bis 2019 unstreitig nicht verfassungswidrig gewesen sei. Dies gelte auch für 2020 und ab 2021.

Entscheidung

Das angefochtene FG-Urteil wurde lediglich aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben. In der Sache hatte die Revision jedoch keinen Erfolg und führte zur Abweisung der Klage. Der BFH bejaht die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags.

Mit der Einführung des SolZG 1995 hat der Bund seine Gesetzgebungszuständigkeit nicht überschritten. Zwar darf der Bund unter der Bezeichnung „Ergänzungsabgabe“ keine Steuer einführen, die den Vorstellungen des Verfassungsgebers zur Ergänzungsabgabe widerspricht und das finanzielle Ausgleichssystem zu Lasten der Länder verändert. Das ist beim Solidaritätszuschlag jedoch nicht der Fall. Er führt mit dem Satz von 5,5 % nicht zur „Aushöhlung“ der dem Bund und den Ländern gemeinschaftliche zustehenden Einkommensteuer und Körperschaftsteuer.

Der Gesetzgeber war verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, das SolZG 1995 wegen fehlender zeitlicher Befristung 2020 aufzuheben. Das SolZG 1995 ist auch nicht durch bloßen Zeitablauf oder veränderte tatsächliche Umstände verfassungswidrig geworden. Eine Ergänzungsabgabe muss nicht von vornherein befristet werden und der Mehrbedarf für die Ergänzungsabgabe kann sich auch für längere Zeiträume ergeben. Ein dauerhafter Finanzbedarf muss jedoch regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern erhoben werden. Er darf nicht über eine Ergänzungsabgabe gedeckt werden. Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe durch Zeitablauf verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für ihre Einführung maßgeblich waren, grundsätzlich ändern oder wenn eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist. Für 2005 und 2007 hat der BFH nicht verlangt, den Solidaritätszuschlag zur Deckung von Bedarfsspitzen nicht mehr zu erheben. Diese Grundsätze hat er später auf 2011 übertragen.

Für die Streitjahre 2020 und 2021 gilt im Ergebnis nichts anderes. Der von der Normallage abweichende wiedervereinigungsbedingte Finanzbedarf des Bundes ist auch in den Jahren 2020 und 2021 noch gegeben. Der Gesetzgeber hat die Verringerung dieses Bedarfs durch die Beschränkung des Solidaritätszuschlags auf die Bezieher höherer Einkommen ab 2021 berücksichtigt. Bei einer Generationenaufgabe kann der finanzielle Mehrbedarf des Bundes für einen sehr langen Zeitraum anzuerkennen sein. Dieser Zeitraum ist beim Solidaritätszuschlag jedenfalls 26 bzw. 27 Jahre nach seiner Einführung noch nicht abgelaufen. Diese legislative Begründung sieht der BFH zur Rechtfertigung des Solidaritätszuschlags als ausreichend an.

Dass ab 2021 rund 90 % der Steuerpflichtigen vom Solidaritätszuschlag freigestellt sind, ergibt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Bei Steuern, die an der Leistungsfähigkeit ausgerichtet sind, ist die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig und geboten. Deshalb kann der Gesetzgeber auch bei einer Ergänzungsabgabe, die im wirtschaftlichen Ergebnis eine Erhöhung der Einkommensteuer darstellt, solche Erwägungen anstellen. Der Finanzierungszweck als Hauptzweck schließt es nicht aus, dass zugleich Lenkungszwecke und/oder sozialpolitische Zwecke verfolgt werden. Dabei können die Maßstäbe und Kriterien durchaus differieren. Vor diesem Hintergrund ist die ab 2021 bestehende Staffelung des Solidaritätszuschlags (Freigrenze mit Gleitzone) gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip gerechtfertigt. Es liegen – im Hinblick auf Differenzierungsziel und Ausmaß der Ungleichbehandlung – angemessene sachliche Gründe vor, die eine willkürliche Differenzierung ausschließen.

 

  1. Warum die erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verfassungsgemäß ist

 Die erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG.

Hintergrund

Der Kläger erwarb von seiner Mutter im Dezember 2011 ein in der Schweiz belegenes Grundstück gegen Bestellung eines hinter dem Wert des Grundstücks zurückbleibenden sog. lebenslänglichen Nutznießungsrechts nach Schweizer Recht. Der Kläger und seine Mutter, die beide deutsche Staatsangehörige waren, hatten vor der Übertragung ihre Wohnsitze in der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben und waren im November 2011 in die Schweiz verzogen.

Nachdem die Mutter des Klägers 2013 verstorben war, setzte der Kläger als deren Alleinerbe das Finanzamt im Rahmen des Erbschaftsteuerverfahrens von dem schenkweisen Erwerb des Grundstücks in Kenntnis. Das Finanzamt setzte mit Bescheid v. 8.12.2017 Schenkungsteuer für den Grundstückserwerb fest.

Auf den Einspruch des Klägers hin setzte das Finanzamt die Schenkungsteuer mit Bescheid vom 27.3.2018 im Hinblick auf eine Neubewertung des Nutznießungsrechts herab; im Übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg.

Mit seiner Klage vor dem FG machte der Kläger im Wesentlichen geltend, die erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 2 Buchst. b ErbStG sei verfassungs- und unionsrechtswidrig. Das FG wies die Klage ab.

Entscheidung

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen und entschied: Die sog. erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es handelt sich nicht um eine nachrangige Ausnahme, die unter Folgerichtigkeitsaspekten einer erhöhten Rechtfertigung bedürfte.

Die Einbeziehung der deutschen Staatsangehörigen mit Auslandswohnsitz in die unbeschränkte Steuerpflicht gehört zur Bestimmung des Umfangs des Steuergegenstands, der dem Gesetzgeber weiten Gestaltungsspielraum eröffnet.

Dem Gesetz lässt sich keine Grundentscheidung entnehmen, wonach als Inländer i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG zunächst und vorrangig nur natürliche Personen gelten sollen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG und § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c ErbStG enthalten vielmehr weitere Tatbestände, bei denen der Gesetzgeber einen besonderen Inlandsbezug unterstellt.

In Anbetracht der somit weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der unbeschränkten Schenkungsteuerpflicht erweist sich die konkrete Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG als sachgerecht und nicht willkürlich.

Dass der Gesetzgeber eine unbeschränkte Steuerpflicht grundsätzlich ohne verfassungsrechtliche Bedenken an die Staatsangehörigkeit knüpfen darf, ist anerkannt. Im Falle der erweiterten unbeschränkten Schenkungsteuerpflicht kommt hinzu, dass der Gesetzgeber diese Steuerpflicht nicht allein an die Staatsangehörigkeit geknüpft hat, sondern die Steuerpflicht zusätzlich auf einen Zeitraum von 5 Jahren beschränkt hat, in dem kein inländischer Wohnsitz bestanden hat.

Die erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht leidet auch nicht an einem mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren strukturellen Erhebungs- und Vollzugsdefizit.

Es liegt auch keine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG unter dem Aspekt der Ausreisefreiheit vor.

 

Steuerrecht Privatvermögen

  1. Übernahme fehlerhafter Steuerdaten: Anklicken als mechanische Handlung?

 

Wird eine Steuererklärung elektronisch übermittelt und durch Anklicken ein Fehler gemacht – welche verfahrensrechtliche Möglichkeiten gibt es? Bei fehlerhafter Übernahme von Steuerdaten liegt jedenfalls kein Schreib- oder Rechenfehler i. S. d. § 173a AO vor.

Hintergrund

Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger erzielten u.a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Sie übermittelten die Einkommensteuererklärung 2018 elektronisch an das Finanzamt. Dieses führte die Veranlagung erklärungsgemäß durch. Nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids 2018 beantragten die Kläger die Korrektur des Bescheids nach § 173a AO. Sie trugen vor, dass sie bei der Erstellung der Steuererklärung die auf ihrem Computer lokal in einem für steuerliche Zwecke angelegten Ordner hinterlegten Daten aufgerufen hätten, um diese anschließend in die zu erstellende Einkommensteuererklärung 2018 zu übernehmen. Dabei sei versehentlich nicht der Ordner mit den Steuerdaten des Jahres 2018, sondern der des Jahres 2017 durch „Anklicken“ ausgewählt worden. Infolgedessen seien die höheren Vermietungseinkünfte aus dem Jahr 2017 übernommen worden. Das Finanzamt lehnte die begehrte Änderung des Einkommensteuerbescheids ab.

Entscheidung

Das FG hat dem Finanzamt Recht gegeben und die Korrektur des Bescheids abgelehnt. Schreibfehler i. S. v. § 173a AO seien insbesondere Rechtschreibfehler, Wortverwechslungen, Wortauslassungen oder fehlerhafte Übertragungen. Rechenfehler seien vorrangig Fehler bei der Addition, Subtraktion, Multiplikation oder Division sowie bei der Prozentrechnung. Fehler bei der Übertragung von Daten sowie bei der Eingabe der elektronischen Steuererklärung würden dem Wortlaut nach vom Tatbestand des § 173a AO nicht erfasst.

Den Klägern sei vorliegend weder ein Schreib- noch ein Rechenfehler unterlaufen. Ein Rechenfehler scheide bereits aus, weil die Übermittlung der Steuerdaten des Vorjahres nicht auf einer fehlerhaft durchgeführten Rechenoperation beruht habe. Den Klägern sei auch kein Tippfehler unterlaufen, denn bei der versehentlich erfolgten Auswahl des falschen Datenordners handele es sich nicht um einen Fehler in der manuellen Verwendung von Buchstaben bzw. Zahlen/Ziffern und damit nicht um einen Schreibfehler im Sinne der Vorschrift.

Die fehlerhafte Auswahl bzw. das „fehlerhafte Anklicken“ stellt als mechanische Handlung eine ähnliche Unrichtigkeit dar, die jedoch nicht vom Wortlaut des § 173a AO erfasst ist.

Das FG hat darüber hinaus eine Berichtigung nach § 129 AO verneint, weil die Übernahme des von den Klägern fehlerhaft ausgewählten Datensatzes des Jahres 2017 in die Einkommensteuererklärung 2018 durch das Finanzamt ohne Kenntnis der Akten des Jahres 2017 nicht als offenbare Unrichtigkeit erkannt werden konnte und deshalb nicht offenbar war.

 

 

  1. Wassergymnastik: Kosten auch mit ärztlicher Verordnung nicht abziehbar

 Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio zur Durchführung eines ärztlich verordneten Funktionstrainings (Wassergymnastik) stellen keine außergewöhnlichen Belastungen dar.

Hintergrund

Die behinderte Klägerin (GdB 30) bekam eine ärztliche Verordnung zur Behandlung der zunehmend schmerzhaften Bewegungseinschränkungen und zur funktionalen Verbesserung und zur Schmerzreduktion. Die Verordnung umfasste ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik. Die entsprechenden Kosten wurden von der Krankenkasse übernommen. Die Klägerin nahm zunächst an den Wassergymnastikkursen in einem Verein teil.

Später absolvierte sie die Kurse in einem näher zu ihrem Wohnort gelegenen Fitnessstudio. Hier wurde das Training von qualifizierten Übungsleitern mit einer gültigen Übungsleiterlizenz für den Rehabilitationssport durchgeführt. Dazu war eine Anmeldung im Fitnessstudio und die Zahlung eines reduzierten Beitrags für das auf die Teilnahme an den verordneten Kursen zugeschnittene Modul („Wellness und Spa“) erforderlich. Der Beitrag umfasste zusätzlich zur Teilnahme an dem verordneten Funktionstraining auch noch die Saunabenutzung und weitere Aqua-Fitnesskurse.

Das Finanzamt lehnte einen Abzug der Kosten (Fitnessstudiobeitrag, Reha Vereinsbeitrag, Fahrtkosten) als außergewöhnliche Belastungen ab.

Entscheidung

Die Klage vor dem FG hatte nur teilweise Erfolg. Das Gericht entschied, dass die Fitnessstudio-Mitgliedsbeiträge für ein für die Teilnahme an dem verordneten Funktionstraining zugeschnittenes Grundmodul (hier „Wellness und Spa“) jedenfalls dann keine außergewöhnlichen Belastungen darstellen, wenn mit dem Mitgliedsbeitrag auch weitere Leistungen abgegolten werden (hier: Saunanutzung; Aqua Fitnesskurse), die ihrer Art nach nicht nur von kranken, sondern auch gesunden Menschen in Anspruch genommen werden, um die Gesundheit zu erhalten, das Wohlbefinden zu steigern oder die Freizeit sinnvoll zu gestalten, und eine Aufteilung nach objektiven Kriterien nicht möglich ist.

In diesem Fall ist keine Zwangsläufigkeit gegeben. Die Klägerin hätte die ärztlich verordneten Kurse auch außerhalb eines Fitnessstudios durchführen können. Die räumliche Nähe allein begründet keine Zwangsläufigkeit.

Allerdings sind die Beiträge für einen Reha-Verein, der die ärztlich verordneten Kurse in einem Fitnessstudio durchführt, abzugsfähig. Es handelt sich hierbei um als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennende Heilbehandlungskosten.

 

  1. Zurechnung der Einkünfte beim Quotennießbrauch

 Der Quotennießbraucher erzielt nur dann die auf den Anteil entfallenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn die vertraglichen Regelungen über die Bestellung des Quotennießbrauchs sicherstellen, dass der Gesellschafter die Entscheidungen nicht allein und/oder gegen den Willen des Quotennießbrauchers treffen kann.

Hintergrund

X ist an der ABC-GbR zu 1/6 beteiligt. Deren Zweck ist die Haltung und Nutzung des Gesellschaftsvermögens. Dieses besteht im Wesentlichen aus einem Grundstück, an dem die GbR ein Erbbaurecht bestellt hat. Daraus bezieht sie Erbbauzinsen.

Im Jahr 2012 räumte X seinem volljährigen Sohn (S) an seinem Gesellschaftsanteil schenkweise einen Nießbrauch mit einer Quote von 50 % ein. In dem Vertrag ist u.a. bestimmt, dass Nießbraucher und Nießbrauchsbesteller die gesellschaftlichen Mitwirkungsrechte an dem belasteten Anteil gegenüber der Gesellschaft gemeinschaftlich ausüben. Die Mitwirkungsrechte sollen jedoch im Außenverhältnis zu den Mitgesellschaftern weiterhin durch den Gesellschafter (X) wahrgenommen werden.

Das Finanzamt berücksichtigte im Bescheid für 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen den S nicht als am Gesamtergebnis der Gesellschaft Beteiligten. Das FG wies die dagegen erhobene Klage des X ab. Der Nießbrauch sei mangels Zustimmung der anderen Gesellschafter schon nicht wirksam bestellt worden. Außerdem sei dem Mieter/Pächter des Objekts der Eintritt des S in die Vermieterstellung nicht mitgeteilt worden sei.

 

 

Steuerrecht Unternehmer

 

  1. Drittanstellung bei einer KGaA: Hinzurechnung der Vergütungen

 Ist bei einer KGaA die Komplementärin, eine GmbH & Co. KG, zu 100 % an ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin, einer GmbH, beteiligt, und sind in dieser GmbH sowohl Kommanditisten der KG als auch nicht an der KG beteiligte Personen Geschäftsführer, führt die Übertragung der Geschäftsführung der KGaA durch Anstellungsvertrag auf diese Personen (sog. Drittanstellung) nicht dazu, dass die dadurch ausgelösten Aufwendungen die Hinzurechnung bei der KGaA mindern.

Hintergrund

Komplementärin und Geschäftsführerin der X-KGaA ist die Y-GmbH & Co. KG (KG), der für die Geschäftsführung ein Aufwendungsersatz zustand. Komplementärin der Y-KG ist die S-GmbH, deren Anteile die Y-KG hält. Kommanditisten der Y-KG und Geschäftsführer der S-GmbH waren 3 Personen (K, R, H). Diese waren jeweils aufgrund eines Anstellungsvertrags zugleich zu Geschäftsführern der X-KGaA bestellt.

Das Finanzamt rechnete die Vergütungen für die Geschäftsführung, die Tantiemen und Zuführungen zu Pensionsrückstellungen nach § 8 Nr. 4 GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb der X-KGaA hinzu.

Dem folgte das FG und wies die Klage ab.

Entscheidung

Der X-KGaA sind bei der Ermittlung des Gewerbeertrags dem Gewinn aus Gewerbebetrieb sämtliche im Zusammenhang mit der Geschäftsführung angefallenen Vergütungen an ihre persönlich haftende Gesellschafterin nach § 8 Nr. 4 GewStG hinzuzurechnen.

  • 8 Nr. 4 GewStG ist eine Korrekturvorschrift zu § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG. Sie bezweckt, eine Doppelbelastung mit Ertragsteuer zu vermeiden. Wenn damit die Vergütung für die Geschäftsführung nicht der Körperschaftsteuer bei der KGaA unterliegt, stellt § 8 Nr. 4 GewStG im Gegenzug sicher, dass dieser Gewinnanteil der Gewerbesteuer unterliegt. Das ist unabhängig davon, ob der persönlich haftende Gesellschafter mit seinen Einkünften aus der KGaA selbst der Gewerbesteuer unterliegt. Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit Gewerbesteuer ordnet sodann § 9 Nr. 2b GewStG auf der Ebene des persönlich haftenden Gesellschafters die Kürzung der nach § 8 Nr. 4 GewStG dem Gewerbeertrag einer KGaA hinzugerechneten Gewinnanteile an, wenn sie bei der Ermittlung des Gewinns angesetzt wurden.

Aufwendungen, die einem persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA entstehen, weil er die ihm übertragenen Geschäftsführungsaufgaben von anderen Personen (Fremdgeschäftsführern) wahrnehmen lässt, mindern die Hinzurechnung nicht. Die Tatbestandsvoraussetzungen sind aus der Sicht der KGaA zu beurteilen. Deshalb sind sämtliche Vergütungen, die die Komplementäre der KGaA für die Geschäftsführung erhalten, derartige Gewinnanteile, auch soweit die Vergütungen den Aufwendungen entsprechen, die einem Komplementär durch Fremdgeschäftsführer entstehen. Gleiches gilt, wenn eine GmbH persönlich haftende und nach der Satzung geschäftsführungsbefugte und vertretungsberechtigte Gesellschafterin ist.

Die K, R, H waren bereits aufgrund gesetzlicher Regelung und satzungsgemäß mittelbar über die KG und die S GmbH zur Geschäftsführung der X-KGaA berufen. Persönlich haftende Gesellschafterin und damit Geschäftsführerin der KGaA war die Y-KG. Diese wurde durch ihre Komplementärin, die S-GmbH vertreten. Diese wiederum wurde durch ihre Geschäftsführer K, R, H vertreten. Die Übertragung der Geschäftsführung durch Anstellungsvertrag zwischen K, R, H einerseits und der X-KGaA andererseits (sog. Drittanstellung) steht dem nicht entgegen. Sie hebt die mittelbar bestehende organschaftliche Stellung der Geschäftsführer nicht auf. Dies folgt daraus, dass der Y-KG als persönlich haftender Gesellschafterin der X-KGaA ein Ersatzanspruch für die Aufwendungen, die ihr mit der Geschäftsführung entstehen, zusteht. Die Geschäftsführer üben damit faktisch und wirtschaftlich ihre Tätigkeit für Rechnung der KG, vertreten durch die S GmbH, aus. Deren Tätigkeit ist dieser deshalb im Ergebnis der KG zuzurechnen.

Das unmittelbare Anstellungsverhältnis mit der X-KGaA stellt sich wirtschaftlich gesehen als Abkürzung des Zahlungswegs hinsichtlich des bestehenden Ersatzanspruchs der Y-KG gegenüber der X-KGaA dar. Der Aufwendungsersatz durch die KGaA wurde unmittelbar durch Zahlung an die Geschäftsführer geleistet. Dies gilt gleichermaßen für Fremdgeschäftsführer, die nicht beteiligt waren, als auch für Geschäftsführer, die Kommanditisten der KG waren (K, R, H ab Erwerb des Kommanditanteils). Für Zwecke des § 8 Nr. 4 GewStG kann insoweit nicht auf den einzelnen Geschäftsführer abgestellt und eine Hinzurechnung teilweise ausgeschlossen werden, da einzig die juristische Person als persönlich haftende Gesellschafterin zur organschaftlichen Vertretung der KGaA berufen ist.

Entscheidung

Der BFH wies die Revision zurück. Auch bei einem Quotennießbrauch ist einkommensteuerrechtlich erforderlich, dass der Nießbraucher in gleicher Weise wie der Gesellschafter an der Willensbildung der Gesellschaft mitwirken kann.

Dem Nießbraucher an einem Gesellschaftsanteil können die auf den Gesellschafter entfallenden Einkünfte aus VuV ganz oder zum Teil persönlich zuzurechnen sein, obwohl er zivilrechtlich kein Gesellschafter wird. Die Zurechnung setzt voraus, dass ihm eine Stellung eingeräumt ist, die der eines Gesellschafters im Wesentlichen entspricht. Dazu müssen dem Nießbraucher (zusätzlich zum Nießbrauchsrecht) weitere Rechte, insbesondere Stimmrechte, eingeräumt werden.

Beim Quotennießbrauch kann dazu nicht auf das Außenverhältnis abgestellt werden, da der einzelne Gesellschafter das Nutzungsüberlassungsverhältnis nicht allein (sondern nur gemeinschaftlich mit den anderen Gesellschaftern) beherrscht. Es kommt daher darauf an, ob und inwieweit der Quotennießbraucher anstelle des Gesellschafters die wesentlichen Mitbestimmungsrechte effektiv ausüben kann. Er muss daher den Gesellschafter bei der Mitwirkung an der Willensbildung in der Gesellschaft wirksam beschränken können und deshalb bei wirtschaftlicher Betrachtung selbst (ggf. „anteilig“) als Gesellschafter anzusehen sein. Seine Rechtsstellung muss mithin der des Gesellschafters vor allem im Hinblick auf die Ausübung der wesentlichen Stimm- und Verwaltungsrechte so angenähert sein, dass der Gesellschafter insoweit jedenfalls nicht ohne den Nießbraucher handeln kann.

Da Stimmrechte einheitlich ausgeübt werden müssen, wird dem Quotennießbraucher eine an die Stellung des Gesellschafters „angenäherte“ Position nur eingeräumt, wenn er die wesentlichen Stimm- und Verwaltungsrechte des Gesellschafters nicht nur diesem gegenüber (intern) ausüben, sondern auch durchsetzen kann. Das erfordert, dass der Nießbraucher den Gesellschafter zumindest „blockieren“ und damit verhindern kann, dass der Gesellschafter Entscheidungen mitbeschließt, die dem Willen des Nießbrauchers entgegenstehen. Die vertraglichen Regelungen über die Bestellung des Quotennießbrauchs müssen sicherstellen, dass der Gesellschafter die Entscheidungen – auch über die Grundlagen der Gesellschaft – nicht gegen den Willen des Quotennießbrauchers treffen kann.

Nach dem zwischen X und S bestehenden Vertrag sollte bei Fragen, welche die Grundlage der Gesellschaft oder den Kernbereich der Mitwirkungsrechte betreffen, das Stimmrecht allein vom Gesellschafter ausgeübt werden. Aufgrund dieser Klausel wird dem Nießbraucher keine Position vermittelt, die ihn in die Lage versetzt, anstelle des Gesellschafters die diesem in der Gesellschaft zustehenden wesentlichen Mitbestimmungsrechte effektiv ausüben. Damit sind die (dem Quotennießbrauch anteilig unterfallenden) Einkünfte aus VuV nicht dem Nießbraucher S, sondern dem Gesellschafter A zuzurechnen.

 

  1. Erlass von Zinsen aufgrund von Corona-Maßnahmen möglich?

 Nachzahlungszinsen sind zu erlassen, wenn diese auf einen Zeitraum entfallen, in dem ein Anspruch auf eine zinsfreie Stundung bestand.

Hintergrund

Gegenüber dem Kläger wurde am 13.5.2020 der Körperschaftsteuerbescheid 2018 erlassen. Mit diesem Bescheid setzte das Finanzamt auch Nachzahlungszinsen für den April 2020 fest. Mit Schreiben vom 18.5.2020 beantragte der Kläger unter Hinweis auf ein BMF-Schreiben zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie die zinsfreie Stundung aller Zahlungsansprüche sowie den Erlass der Nachzahlungszinsen wegen sachlicher Unbilligkeit der Zinsfestsetzung. Er verwies darauf, dass bei einem Erlass des Bescheids vor dem 1.4.2020 etwaige Zahlungsansprüche zinslos zu stunden gewesen wären.

Das Finanzamt gewährte die Stundung, lehnte aber den Erlass der festgesetzten Zinsen ab.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Das FG entschied, dass die Zinsen aus sachlichen Billigkeitserwägungen zu erlassen seien. Eine Steuer oder eine steuerliche Nebenleistung seien entweder aus persönlichen oder sachlichen Gründen zu erlassen.

Eine sachliche Unbilligkeit liege nach der Rechtsprechung des BFH vor, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar dem gesetzlichen Tatbestand nach besteht, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht zu rechtfertigen ist.

Zweck der Regelung zu den Nachzahlungszinsen nach § 233a AO sei es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuer bei einzelnen Steuerpflichtigen zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt festgesetzt wird. Dabei soll der Liquiditätsvorteil eines Steuerpflichtigen abgeschöpft werden, der dadurch entsteht, dass eine Steuer erst nach einem Ablauf von 15 Monaten nach dem Entstehungszeitraum festgesetzt wird.

Dieser gesetzliche Grund greife hier indes nicht durch. Zwar bestehe ein abstrakter Liquiditätsvorteil des Klägers; er entfällt im Sachverhalt aber, da der Kläger unstreitig aufgrund des BMF-Schreibens bereits ab 19.3.2020 einen Anspruch auf zinsfreie Stundung der Körperschaftsteuer-Nachzahlung 2018 gehabt habe. Dieses Schreiben sei somit bereits vor dem Erlass des Steuerbescheids ergangen. Insoweit bestehe ein Anspruch auf Erlass der Nachzahlungszinsen.

 

  1. Gelangensbestätigung: Voraussetzungen für Steuerfreiheit

 Fehlen die formellen Nachweise der Gelangensbestätigung, kann der Nachweis des Gelangens in das übrige Gemeinschaftsgebiet nicht durch den Nachweis der Zahlung mittels Banküberweisung geführt werden.

Hintergrund

Der klagende Großhändler lieferte Friseurbedarfsartikel an die Firma A-GmbH, M D X, in Frankreich. Die Ausgangsrechnungen mit Hinweis auf das Vorliegen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung und ohne deutschen Umsatzsteuerausweis wurden teils bei Abholung in bar und teils per Banküberweisung bezahlt.

Tatsächlich existiert eine in Frankreich gegründete im dortigen Handelsregister eingetragene Firma A S. à. r. l. mit der satzungsmäßigen Anschrift in Frankreich (im Folgenden: „A“). Deren alleiniger und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer im Streitjahr war D. Dieser bestätigte, dass ein T. mit Wohnsitz im Inland Handlungsvollmacht für alle Handelsaktivitäten der A habe.

Als Nachweis für die Steuerbefreiung nach § 6a UStG legte der Kläger dem Finanzamt jeweils mit einem Stempel der A (mit Anschrift, aber ohne Rechtsformzusatz) und einem Unterschriftszug (ohne Angabe des Namens des Unterzeichners im Klartext) versehene Gelangensbestätigung nach § 17a UStG 2018 der (laut Kopfzeile) „GmbH“ vor. In den Bestätigungen wurde die Abholung in Deutschland gezeigt.

Nach Auffassung des Finanzamts reichen die beschriebenen Gelangensbestätigungen nicht aus, da sich die dort geleistete Unterschrift des Abholers nicht zuordnen lasse. Sie weiche deutlich von den Unterschriften des D. und des T. auf ihren Ausweispapieren ab.

Entscheidung

Nach Auffassung des FG hat das Finanzamt die Steuerfreiheit für die o. g. Lieferung zurecht abgelehnt.

Die Steuerfreiheit nach § 6a UStG für innergemeinschaftliche Lieferungen erfordert unter anderem zwingend, dass der Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist. Dies kann der Lieferer u. a. durch eine Bestätigung des Abnehmers, dass der Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist, nachweisen (sog. Gelangensbestätigung).

Diese muss u.a. zwingend die Unterschrift des Abnehmers oder eines von ihm zur Abnahme Beauftragten enthalten. Die vorgelegten Gelangensbestätigungen sind nicht ordnungsgemäß, weil sie ihren Aussteller nicht leicht und eindeutig nachprüfbar erkennen lassen. Bei juristischen Personen wie der A können Erklärungen nur durch den gesetzlichen Vertreter oder durch eine sonstige (von diesem beauftragte) natürliche Person im Namen der juristischen Person abgegeben werden.

Fehlt es an der Offenlegung des Namens der die Erklärung im Namen der Gesellschaft tatsächlich abgebenden und unterzeichnenden natürlichen Person und lässt sich dieser Name auch nicht durch Auslegung oder durch Heranziehung weiterer Beweismittel (wie z. B. den Unterschriften auf den erlangten Ausweiskopien) bestimmen, so fehlt es – wie im Streitfall – an der eindeutigen und leicht nachprüfbaren Angabe des Ausstellers.

Die Gelangensbestätigungen enthalten neben der aufgebrachten Unterschrift zwar einen Stempel mit der Bezeichnung „A“ und der Anschrift der A, jedoch nicht den Namen der die Gelangensbestätigung tatsächlich ausstellenden und unterzeichnenden Person. Da sich die aufgebrachte Unterschrift keiner der Unterschriften des D. und des T. auf den vom Kläger vorgelegten Ausweiskopien und auch nicht der Vollmacht zu Gunsten des T. zuordnen lässt, ist eine anderweitige ergänzende Bestimmung des Namens des Ausstellers nicht möglich. Auch enthält der neben der Unterschrift aufgebrachte Stempel der „A“ keinen Rechtsformzusatz.

Wird die Gelangensbestätigung elektronisch übermittelt, ist ausnahmsweise eine Unterschrift des Abnehmers oder seines Bevollmächtigten zur Führung des Belegnachweises nicht erforderlich. Dies greift jedoch im Streitfall nicht. Dass die A einen Teil der Lieferungen durch Banküberweisung bezahlt hat, genügt insoweit nicht, da dieser Aspekt über die tatsächlichen Umstände der Verschaffung der Verfügungsmacht noch keine zuverlässige Auskunft gibt.

Ebenso wurde die Ware beim Kläger mit inländischem Kfz eines Dritten abgeholt. Bei dem Dritten handelt es sich möglicherweise anstatt T. als belegten Bevollmächtigten der A um einen weiteren, in Deutschland ansässigen Friseurartikel-Händler. Bei dem dann gegebenen Reihengeschäft hätte der Kläger eine vorangestellte unbewegte und damit im Inland steuerpflichtige Lieferung erbracht.

 

 

  1. Umsatzsteuer bei Apotheken: Was passiert bei Insolvenz des Abrechnungsdienstleisters?

 Ein selbstständiger Apotheker, der Heil- und Arzneimittel an eine Krankenkasse liefert, vereinnahmt das Entgelt bereits bei Zahlung der Krankenkasse an das beauftragte Inkassounternehmen. Das Entgelt wird aus Sicht des Apothekers nicht uneinbringlich, wenn über das Vermögen des Inkassounternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet wird.

Hintergrund

Der Kläger betreibt als selbstständiger Unternehmer eine Apotheke, die den gesetzlichen Krankenkassen die Arznei- oder Heilmittel liefert, die die Versicherten gem. § 2 SGB V als Sachleistungen erhalten. Er berechnet die entstandene Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten und gibt monatliche Voranmeldungen ab. In einem „Vertrag zur Übernahme der Abrechnungstätigkeit und des Einzugs von Rezeptforderungen“ beauftragte er ein Rechenzentrum mit der Abrechnung mit den Krankenkassen.

Nachdem das beauftragte Rechenzentrum insolvent wurde, stritt der Kläger mit dem Finanzamt bezüglich der Voranmeldungszeiträume August und September 2020 darüber, ob er geschuldete Umsatzsteuerbeträge gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG berichtigen durfte. Konkret ging es um Beträge, die das Rechenzentrum bereits von den Krankenkassen eingezogen bzw. erhalten hatte, die wegen der Insolvenz aber nie an den Kläger ausgezahlt/weitergeleitet wurden.

Entscheidung

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Es ist grundsätzlich unstrittig, dass der Kläger in den streitbefangenen Monaten aufgrund der besonderen Vorgaben des SGB umsatzsteuerpflichtige Lieferungen an die jeweiligen Krankenkassen erbracht hat, indem er die Medikamente/Heilmittel an seine Kunden (Patienten) herausgab. Es spielt insoweit keine Rolle, dass der Kläger seine Kaufpreisansprüche an das Abrechnungszentrum abgetreten hat.

Die Umsätze des Klägers wurden nicht dadurch uneinbringlich, dass das Rechenzentrum wegen der eingetretenen Insolvenz Teile des Entgelts nicht mehr an den Kläger weitergeleitet hat. Insoweit sind die Leistungsverhältnisse zwischen dem Kläger und den Krankenkassen einerseits und dem Abrechnungszentrum andererseits getrennt zu betrachten. Die Krankenkassen haben die von ihnen geschuldeten Zahlungen auf den Kaufpreis tatsächlich bewirkt, und zwar ganz offenkundig mit Einwilligung des Klägers.

Mit diesen Zahlungen ist der Anspruch des Klägers auf den Kaufpreis jeweils erloschen. Mithin hat der Kläger sein Entgelt bereits in dem Augenblick vereinnahmt, in dem die Krankenkassen auf dessen Rechnung an das Abrechnungszentrum zahlten.

 

  1. Vom Leasingnehmer übernommene Wartungskosten sind gewerbesteuerlich hinzu-zurechnen

 Wartungskosten, die vertraglich auf den Leasingnehmer abgewälzt werden, sind Teil der „Leasingrate“ und deshalb gewerbesteuerrechtlich hinzuzurechnen.

Hintergrund

Die X-GmbH schloss als Leasingnehmerin Leasingverträge über Kraftfahrzeuge mit verschiedenen Unternehmen ab. Wie vertraglich vereinbart, übernahm sie neben den Steuern, Versicherungsbeiträgen und Straßenbenutzungsgebühren usw. auch die anfallenden Wartungsgebühren (Wartungs- und Reparaturkosten) von rund 4 Mio. EUR pro Jahr.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Wartungsgebühren seien Teil der Leasingraten. Sie seien daher nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzuzurechnen.

Dem folgte das FG und wies die Klage ab.

Entscheidung

Die vom Leasingnehmer im Rahmen von Leasingverträgen aufgewendeten „Wartungsgebühren“ fallen unter die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG.

Der Leasingvertrag stellt einen atypischen Vertrag dar, der aber seiner Rechtsnatur nach in erster Linie nach Mietrecht zu beurteilen ist. Dabei sind die von den Parteien typischerweise verfolgten Interessen zu berücksichtigen. Die vereinbarten Leasingraten sind nicht nur das Entgelt für eine zeitlich begrenzte Gebrauchsüberlassung, sondern zugleich für die vom Leasinggeber erbrachte Finanzierungsleistung. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Leasingvertrag bei der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung anders zu behandeln wäre als ein Mietvertrag. Denn auch bei der Miete ist im Entgelt ein Finanzierungsanteil für die Überlassung von Sachkapital enthalten.

Der Begriff der „Leasingraten“ in § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG ist ebenso wie bei den Miet- und Pachtzinsen wirtschaftlich zu verstehen. Das ergibt sich aus der Rechtsnatur des Leasingvertrags als besondere Form des Mietvertrags. Außerdem ergibt sich dies aus der im Gesetz angelegten Gleichstellung der Leasingraten mit den Miet- und Pachtzinsen durch die Einfügung des Klammerzusatzes („einschließlich Leasingraten“). Das Leasing erscheint danach als atypische Form der Miete. Mit dieser Formulierung hat der Gesetzgeber klargestellt, dass keine Differenzierung hinsichtlich der pauschalierten Hinzurechnung des Finanzierungsanteils der Leasingraten im Vergleich zu den Miet- und Pachtzinsen beabsichtigt ist.

Nach dem Mietrecht gehören die Wartungsgebühren grundsätzlich zu den vom Vermieter bzw. Leasinggeber zu tragenden Lasten. Der Leasinggeber kann diese Kosten – abweichend von der mietrechtlichen Grundregel – auf den Leasingnehmer abwälzen. Das entspricht der üblichen Leasingpraxis und beruht darauf, dass der Leasinggeber eine Investitionsentscheidung des Leasingnehmers finanziert und das von ihm erworbene Leasinggut dem Leasingnehmer zur Nutzung zur Verfügung stellt. Das Sachnutzungsinteresse liegt damit ganz überwiegend beim Leasingnehmer, nicht beim Leasinggeber, der rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer des Leasingguts bleibt und ein Interesse an der Erhaltung des Restwerts besitzt. Die Übernahme der Wartungs- und Reparaturkosten beruht damit auf den Regelungen des Mietrechts i.S.v. § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG und nicht etwa auf einem besonderen Vertragstyp „Leasingvertrag“. Das bedeutet, dass nach dem gesetzestypischen Lastenverteilungssystem auch die vom Leasingnehmer übernommenen Wartungskosten Bestandteil der Leasingrate sind.

Darüber hinaus gilt die Überlegung, dass die vertragliche Überwälzung von Nebenkosten vom Vermieter/Verpächter auf den Mieter/Pächter sich typischerweise in einer Verminderung des „reinen“ Miet- oder Pachtzinses auswirkt. Das gilt ebenso bei Abwälzung der Wartungskosten auf den Leasingnehmer für die Höhe der Leasingrate. Wirtschaftlich betrachtet stellen besondere Vergütungen für die Wartungsarbeiten nichts anderes dar als Teile des Entgelts, das der Leasingnehmer für die Überlassung des Gebrauchs und die Abnutzung zu entrichten hat. Es wäre mit der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht vereinbar, wenn das für die Wartung zu leistende Entgelt verschieden behandelt würde, je nachdem, ob es in der Leasingrate enthalten ist oder besonders entrichtet wird.

 

  1. Vorweggenommene Betriebsausgaben: Keine Berücksichtigung bei der Gewerbesteuer

 Ein Gewerbebetrieb im gewerbesteuerrechtlichen Sinne setzt die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr voraus. Vor Betriebseröffnung entstandene Betriebsausgaben sind daher gewerbesteuerrechtlich unbeachtlich.

Hintergrund

A pachtete ab dem 1.12.2017 einen Imbissbetrieb einschließlich Inventar von der bisherigen Betreiberin (B). Im Dezember 2017 renovierte A die angepachteten Räume. In dieser Zeit blieb der Imbiss geschlossen. Im Januar 2018 eröffnete er den Betrieb für Gäste.

In seiner Gewinnermittlung (Einnahmen-Überschuss-Rechnung) wies A für Juli bis Dezember 2017 einen Verlust von ./. 15.000 EUR aus (vorab entstandene Betriebsausgaben). Davon entfielen auf Juli bis November ./. 7.000 EUR (Maklerkosten usw.) und auf Dezember 2017 ./. 8.000 EUR (Renovierung). In seiner GewSt-Erklärung 2017 gab A einen Gewerbeertrag von ./. 15.000 EUR an.

Das Finanzamt berücksichtigte diese Aufwendungen nicht und setzte den Gewerbesteuer-Messbetrag 2017 auf 0 EUR fest. Ein Betrieb im Sinne des GewStG sei erst ab der Betriebseröffnung im Januar 2018 anzunehmen. Die vorhergehenden Aufwendungen (insbesondere die Renovierung im Dezember 2017) stellten gewerbesteuerrechtlich unbeachtliche Vorbereitungshandlungen dar.

Da FG gab der Klage teilweise statt. Es legte der Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrags das im Dezember 2017 erzielte Ergebnis (./. 8.000 EUR) zugrunde. Zwar seien die Tätigkeiten des A bis einschließlich November 2017 als gewerbesteuerrechtlich unbeachtliche Vorbereitungshandlungen anzusehen. Bereits zum 1.12.2017 habe A jedoch nach § 2 Abs. 5 GewStG einen Betrieb neu gegründet. Der Zeitraum von der Betriebsgründung am 1.12.2017 bis zum Beginn der Abgabe von Speisen und Getränken im Januar 2018 sei nach § 2 Abs. 4 GewStG als vorübergehende Unterbrechung des neu gegründeten Betriebs unschädlich.

Entscheidung

Der BFH widerspricht dem FG. Vorweggenommene Betriebsausgaben sind beim Gewerbeertrag nicht zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des FG gilt dies auch beim Übergang eines Gewerbebetriebs im Ganzen. Im Dezember 2017 liegt keine unschädliche vorübergehende Betriebsunterbrechung vor.

Abweichend vom Einkommensteuerrecht wirken sich vorweggenommene (vorab entstandene) Betriebsausgaben bei der Gewerbesteuer nicht aus. Denn die Gewerbesteuer ist eine auf den tätigen Betrieb bezogenen Real-(Sach-)Steuer, Gegenstand ist nur der auf den laufenden Betrieb entfallende Gewinn. Die Einkommensteuer als vom Leistungsfähigkeitsprinzip beherrschte Personensteuer erfasst dagegen sämtliche betriebliche Handlungen von der ersten Vorbereitungshandlung bis zur Veräußerung oder Entnahme des letzten betrieblichen Wirtschaftsguts. Dementsprechend sind vor der Betriebseröffnung geleistete Aufwendungen (Maklerprovisionen, Beraterkosten, allgemeine Anlaufkosten) bei der Gewerbesteuer – anders als bei der Einkommensteuer – vom Abzug ausgeschlossen.

Hiervon ausgehend ist der Imbissbetrieb des A erst mit seiner Eröffnung für die Kundschaft (In-Gang-Setzung des Betriebs) im Januar 2018 als Gegenstand der Gewerbesteuer entstanden. Nicht nur bei den ab Juli 2017 ausgeübten Tätigkeiten, sondern auch bei den von A im Dezember 2017 ausgeführten Renovierungen handelt es sich um Vorbereitungshandlungen. Solche Geschäfte, die ausschließlich auf der Erwerbsseite, nicht aber auf der Absatzseite getätigt werden, sind nicht geeignet, eine Teilnahme am Marktgeschehen zu begründen. Die Ausgaben sind daher zwar einkommensteuerlich als vorweggenommene Betriebsausgaben abziehbar, gewerbesteuerlich dagegen nicht zu berücksichtigen.

 

 

Vereine

  1. Handel mit Waren für Blinde: Wann liegt ein Zweckbetrieb vor?

 Der Verkauf von Hilfsmitteln für Blinde ist grundsätzlich eine typische Handelstätigkeit, die nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs i. S. v. § 68 Nr. 4 AO erfüllt.

Hintergrund

Die gewerblich tätige A-GbR betreibt im Wesentlichen den Handel mit Waren und die Erbringung von Dienstleistungen für blinde und sehbehinderte Menschen. Ihre Umsätze unterliegen dem Regelsteuersatz.

Der eingetragene gemeinnützige Verein V vertritt als Selbsthilfeorganisation die Interessen von blinden und stark sehbehinderten Menschen. In diesem Zusammenhang verkauft er – ebenso wie die A – Hilfsmittel für blinde und sehbehinderte Menschen über ein Ladengeschäft, auf Messen und über das Internet. Außerdem berät V blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen sowie deren Angehörige zu Hilfsmitteln und stellt Hilfsmittel bereit.

Das Finanzamt besteuerte die Umsätze des V mit dem ermäßigten Steuersatz (7 %). Es sah die Tätigkeit des V nicht als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb an, sondern als Zweckbetrieb (Einrichtung der Wohlfahrtspflege). Dagegen erhob A Klage zum FG mit dem Antrag, das Finanzamt zu verpflichten, die Umsätze des V ebenfalls dem Regelsteuersatz zu unterwerfen. Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, die Wettbewerbsverzerrung sei zur Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke des V unvermeidbar.

Entscheidung

Auf die Revision der A hob der BFH das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Der Verkauf von Waren ist grundsätzlich eine typische Handelstätigkeit, die nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs i. S. v. § 68 Nr. 4 AO (Fürsorge für blinde Menschen) erfüllt. Der Verkauf von Hilfsmitteln für blinde oder sehbehinderte Menschen über ein Ladengeschäft kann jedoch ein Zweckbetrieb sein, wenn über eine im Einzelhandel übliche reine Produktberatung hinaus weitere fürsorgeorientierte Hilfestellungen erforderlich sind.

Bei V handelt es sich zwar um eine Körperschaft, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt. Allerdings gilt die Steuersatzermäßigung nach Satz 2 nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Demnach erfordert die Steuersatzermäßigung, dass gem. § 64 Abs. 1 AO ein Zweckbetrieb i. S. d. §§ 65 bis 68 AO vorliegen muss. Diesen hat das FG fehlerhaft bejaht.

Die steuerliche Begünstigung nach § 68 Nr. 4 AO erfordert, dass sich die Einrichtung in ihrer Gesamtrichtung als Zweckbetrieb darstellt. Sie muss erkennbar darauf abzielen, die satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen und diesen zu dienen. Somit setzt die Durchführung der Fürsorge i. S. v. § 68 Nr. 4 AO bei V voraus, dass er als Selbsthilfeorganisation die Interessen von blinden oder wesentlich sehbehinderten Menschen vertritt und durch entsprechende Beratung deren medizinische Versorgung und soziale Stellung verbessert. Der bloße Verkauf im Ladengeschäft oder über das Internet im Sinne einer typischen Handelstätigkeit, die nur mit einer üblichen, produkt- und anwendungsbezogenen Beratung einhergeht, wie sie im Facheinzelhandel allgemein üblich ist, genügt dafür nicht.

Verkaufstätigkeiten können aber dann dem Fürsorgezweck des § 68 Nr. 4 AO entsprechen und die steuerbegünstigten Satzungszwecke des V verwirklichen, wenn z. B. neu erblindeten Personen neben einer reinen Produktberatung weitere fürsorgeorientierte Hilfestellungen gegeben werden oder wenn Verkaufstätigkeiten im Zusammenhang mit einem unentgeltlichen Kursangebot zur Förderung der gemeinnützigen Tätigkeit stehen.

Das FG hat die Art der Beratungen bei Verkäufen über das Ladengeschäft festzustellen. Eine Aufteilung in einen steuerbegünstigten Zweckbetrieb und einen steuerschädlichen Teil des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs scheidet aus, wenn die Verkaufstätigkeiten nicht trennbar sind. Es kann dann auf den überwiegenden Charakter der Tätigkeiten abzustellen sein, wobei nicht durch Fürsorgegesichtspunkte geprägte Verkaufstätigkeiten von weniger als einem Drittel unbeachtlich sein können.