Ihre Mandanteninformationen

März 2022

 

Liebe Mandantin, lieber Mandant,

auch im vergangenen Monat hat sich rund um Steuern, Recht und Betriebswirtschaft einiges getan. Über die aus unserer Sicht wichtigsten Neuregelungen und Entscheidungen halten wir Sie mit Ihren Mandanteninformationen gerne auf dem Laufenden. Zögern Sie nicht, uns auf einzelne Punkte anzusprechen, wir beraten Sie gerne!

Mit steuerlichen Grüßen

 

Inhalt

Arbeitsrecht
1. Wann eine Versetzung mitbestimmungspflichtig ist
GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
1. Führen gespaltene Gewinnverwendungen zum Zufluss von Gewinnanteilen?
2. Gesellschaftsvertrag muss Vermögensbindung bei Wegfall des bisherigen Zwecks regeln
3. Ist bei einer Betriebsaufspaltung die erweiterte Kürzung ausgeschlossen?
4. Was bei Schadensersatzansprüchen gegen den GmbH-Geschäftsführer zu beachten ist
5. Wenn sich Gesellschafterlisten widersprechen: Wie ist damit umzugehen?
6. Zur Abspaltung einer 100-prozentigen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Anteilen
7. Zur Veräußerung einer niederländischen Beteiligung nach Zuzug aus den Niederlanden

 

Private Immobilienbesitzer
1. Betriebskostenabrechnung: Warum der Vermieter Original-Belege vorlegen muss
2. Vermietung: Wann und wie die Heizkosten geschätzt werden dürfen
3. Wohngebäudeversicherung: Ist ein Wasserschaden durch undichte Silikonfugen versichert?
Sonstige Steuern
1. Ist das besondere Kirchgeld in Baden verfassungsgemäß?
2. Ist eine geerbte vermietete Immobilie in Kanada erbschaftsteuerlich begünstigt?
3. Keine Schenkungsteuer bei Pauschalabfindung für den Scheidungsfall
Steuerrecht Arbeitnehmer
1. Erstwohnung und Zweitwohnung am Beschäftigungsort: kein Werbungskostenabzug möglich
2. Warum der Hamburger Hafen ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet ist
Steuerrecht Privatvermögen
1. Kindergeld bei krankheitsbedingtem Ausbildungsabbruch
2. Privates Veräußerungsgeschäft: Fristbeginn bei Selbstbenennung
Steuerrecht Unternehmer
1. Darf eine Buchhaltungsgesellschaft Hilfe in Steuersachen leisten?
2. Messekosten: Wann erfolgt eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung?
3. Schadensersatzklagen nach der Datenschutzgrundverordnung: Welches Gericht ist zuständig?
4. Umsatzsteuer bei Verkauf von Backwaren zum Vor-Ort-Verzehr
5. Verluste aus gewerblicher Tätigkeit durch Verwertung von Markenrechten und Internetdomains
6. Vorsteuerabzug: Voraussetzung ist eine ordnungsgemäße Rechnung
7. Wenn ein Istversteuerer Leistungen an einen anderen Istversteuerer erbringt

 

Arbeitsrecht

  1. Wann eine Versetzung mitbestimmungspflichtig ist

Arbeitgeber mit gleicher Tätigkeit mitbestimmungspflichtig? Das LAG Nürnberg entschied zugunsten einer Mitbestimmungspflicht.

Hintergrund

In dem Fall wurden 3 Mitarbeiter innerhalb derselben Stadt in 12 km entfernte Gebäude zum Arbeiten geschickt. Die 3 Betroffenen sind Angestellte eines Krankenhauses bzw. des Servicebetriebs für das Krankenhaus, welches aus 12 km auseinanderliegenden Gebäudekomplexen besteht, dem Klinikum Nord und dem Klinikum Süd. Ihre Aufgabe besteht im Wesentlichen im Patienten-/Leichentransport innerhalb der Standorte. 2 Mitarbeiter aus dem Südstandort sollten länger als einen Monat im Nordkomplex arbeiten und eine Mitarbeiterin umgekehrt im Südstadtgebäude. Der Arbeitgeber wollte so bei künftigen personellen Engpässen flexibler sein.

Es gab so gut wie keine Änderung bei Arbeitsaufgaben, Verantwortung oder Organisationseinbettung. Organisation und Vorgesetzte blieben identisch. Der Nordteil des Klinikums besteht aus mehreren Gebäuden, der Südteil ist ein einziges Gebäude; abgesehen davon blieb auch die Tätigkeit gleich.

Der Betriebsrat wurde an der Maßnahme nicht beteiligt und zog vor Gericht. Er war der Ansicht, dass eine Versetzung i. S. v. § 95 Abs. 3 BetrVG vorlag, die mitbestimmungspflichtig ist.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht entschied, dass sich das Gepräge der Tätigkeit nur so unerheblich änderte, dass hieraus jedenfalls keine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn folgte.

Zugunsten einer Mitbestimmungspflicht kippte die Entscheidung allein an dem Punkt, dass der Einsatzort 12 km von dem ursprünglichen entfernt liegt, wenn auch innerhalb derselben politischen Gemeinde. Beide Standorte sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, aber mit sehr unterschiedlichen Verbindungen. Das ließ den Arbeitsort durch die Brille der Richter als einen „anderen“ erscheinen.

Ob tatsächlich die Annahme einer betriebsverfassungsrechtlichen „Versetzung“ gerechtfertigt ist, entscheidet das Bundesarbeitsgericht in der Revision.

In einem bereits vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatten die Richter gegen eine Mitbestimmungspflicht entschieden. In dem Fall wurden wegen Umbau arbeiten 2 Betriebsabteilungen innerhalb derselben Stadt in ein 3 Kilometer entferntes Gebäude verlegt. Dadurch änderten sich für die Mitarbeiter die täglichen Anfahrtswege und das nähere Umfeld der Büros, ansonsten nichts.

GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer

  1. Führen gespaltene Gewinnverwendungen zum Zufluss von Gewinnanteilen?

 Beschließen die Gesellschafter, dass die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden, aber der auf den Mehrheitsgesellschafter gemäß seiner Beteiligung entfallende Anteil am Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, ist grundsätzlich steuerlich anzuerkennen, wenn die zivilrechtliche Vereinbarung wirksam ist.

Hintergrund

X war geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter verschiedener GmbH. Deren jeweilige Satzung sah vor, dass der einem Gesellschafter nicht ausgeschüttete Gewinn auf einem personenbezogenen Rücklagenkonto gutgeschrieben wird und zu einem späteren Zeitpunkt an diesen Gesellschafter ausgeschüttet werden kann.

Für mehrere dieser GmbH stellten die Gesellschafter im Jahr 2012 die Jahresabschlüsse fest und entschieden sodann über die Verwendung und Verteilung der Bilanzgewinne. Hierzu stellten sie zunächst die Höhe der jeweils ausschüttbaren Gewinne fest. Im Weiteren beschlossen sie, dass die der jeweiligen Beteiligungshöhe entsprechenden Gewinnanteile der Minderheitsgesellschafter an diese ausgeschüttet wurden. Die ebenfalls der Beteiligungshöhe entsprechenden Anteile des X am Gewinn wurden hingegen nicht ausgeschüttet und den personenbezogenen Rücklagen zugeführt. In den Jahresabschlüssen wurden diese Rücklagen als Gewinnrücklagen im Eigenkapital der jeweiligen Gesellschaft ausgewiesen.

Das Finanzamt war der Meinung, dass dem X Einkünfte aus Kapitalvermögen zugeflossen waren, und erhöhte die Kapitalerträge entsprechend.

Dem folgte das Finanzgericht und entschied, dass die Anteile am Gewinn dem X als beherrschendem Gesellschafter bereits mit dem jeweiligen Beschluss über die Einstellung in das persönliche Rücklagenkonto zugeflossen waren.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof sah dies anders. Seiner Entscheidung nach hat das Finanzgericht fehlerhaft angenommen, dass gesellschaftsrechtlich zulässige und steuerlich anzuerkennende Beschlüsse über gespaltene bzw. inkongruente Gewinnverwendungen zum Zufluss von Gewinnanteilen führen. Es hat insbesondere nicht berücksichtigt, dass es aufgrund der Gesellschafterbeschlüsse bereits nicht zu Gewinnausschüttungen an den X gekommen ist, sodass sich die Frage des Zuflusses von Gewinnanteilen gar nicht stellt.

Im Gewinnverwendungsbeschluss entscheiden die Gesellschafter darüber, ob bzw. inwieweit der Gewinn der GmbH thesauriert oder ausgeschüttet wird. Der thesaurierte Gewinn kann in eine Gewinnrücklage eingestellt oder als Gewinn vorgetragen werden. Im Rahmen der Gewinnverteilung bestimmen sie darüber, ob der auszuschüttende Gewinn den Gesellschaftern entsprechend ihren Geschäftsanteilen zusteht oder ob er anteilsabweichend verteilt wird. Für spätere Ausschüttungen aus einer solchen gesellschafterbezogenen Gewinnrücklage, die als Unterkonto der Gewinnrücklage geführt wird, ist erneut ein Beschluss über die Gewinnverwendung zu fassen.

Im Rahmen der Gewinnverwendung können die Gesellschafter beschließen, dass nur die Anteile bestimmter Gesellschafter am Gewinn ausgeschüttet werden, während die Anteile anderer Gesellschafter am Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in gesellschafterbezogene Gewinnrücklagen eingestellt werden. Derart gespaltene Gewinnverwendungen sind gesellschaftsrechtlich zulässig, wenn sie nach der Satzung möglich sind und die Gesellschafter wirksam einen entsprechenden Beschluss fassen. Ein zivilrechtlich wirksamer Beschluss über eine gespaltene Gewinnverwendung, wonach die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden, der auf den Mehrheitsgesellschafter nach seiner Beteiligung entfallende Anteil am Gewinn hingegen nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, ist steuerlich anzuerkennen.

Hiervon ausgehend führt ein gesellschaftsrechtlich zulässiger und steuerlich anzuerkennender Beschluss über die gespaltene/inkongruente Gewinnverwendung nicht zur Gewinnausschüttung an den Gesellschafter, dessen Anteil am Gewinn thesauriert wird, und insoweit auch nicht zum Zufluss eines Gewinnanteils.

Die Revision des X war somit erfolgreich. Soweit eine Thesaurierung im Wege der Einstellung in eine personenbezogene Gewinnrücklage erfolgt ist, ist der Gewinn im Eigenkapital der Gesellschaft verblieben. Die gespaltene Gewinnverwendung führt nicht zur Ausschüttung des thesaurierten Gewinnanteils. Die zivilrechtlich wirksamen Gesellschafterbeschlüsse sind steuerlich anzuerkennen. Dass X beherrschender Gesellschafter war, steht der Anerkennung nicht entgegen.

  1. Gesellschaftsvertrag muss Vermögensbindung bei Wegfall des bisherigen Zwecks regeln

Eine Satzung muss dem Grundsatz der satzungsmäßigen Vermögensbindung genügen. Insbesondere muss sie auch eine ausdrückliche Regelung für den Wegfall des bisherigen Zwecks der Körperschaft enthalten.

Hintergrund

Streitig war die formelle Satzungsmäßigkeit des Gesellschaftsvertrages der C-GmbH. Im Jahr 2014 teilte das Finanzamt der GmbH mit, dass der Gesellschaftsvertrag aus 2012 nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entsprach. Die gemeinnützigen Zwecke müssten wörtlich benannt werden. Im Jahr 2015 beschlossen die Gesellschafter eine Neufassung, wobei zwar Regelungen zur Vermögensbindung im Fall der Auflösung enthalten waren, nicht aber bei Zweckwegfall. Das Finanzamt beanstandete auch die Neufassung und schlug vor, auch die Regelung zur Auflösung der Gesellschaft an die Mustersatzung anzupassen.

Im Jahr 2016 lehnte das Finanzamt die Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen ab, weil der verfolgte Zweck und die Art der Verwirklichung nicht genau bestimmt waren.

Der dagegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht statt. Es war der Ansicht, dass der Gesellschaftsvertrag die satzungsmäßigen Voraussetzungen einhielt. Zudem genügt der Gesellschaftsvertrag angesichts der gewollten und zuvor zuerkannten Steuerbegünstigung den Anforderungen der satzungsmäßigen Vermögensbindung.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und wies die Klage ab. Der Gesellschaftsvertrag in der Fassung aus dem Jahr 2015 genügt nicht den Anforderungen an die satzungsmäßige Vermögensbindung. Vertrauensschutzgesichtspunkte sind nicht zu berücksichtigen.

Eine steuerlich ausreichende Vermögensbindung liegt vor, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist. Diesen Anforderungen an die satzungsmäßige Vermögensbindung genügt die Satzung aus 2015 nicht. Denn in dem Vertrag fehlen ausdrückliche Bestimmungen der Vermögensbindung für den Wegfall des bisherigen Zwecks der GmbH.

Ist der Wegfall des bisherigen Zwecks als Voraussetzung des Vermögensanfalls überhaupt nicht erwähnt, ist eine Auslegung der Satzung in der Weise, dass die Regelung zu einer anderen Art des Vermögensanfalls auf den Wegfall des bisherigen Zwecks zu übertragen ist, nicht möglich. Die vorherige Handhabung der Beteiligten kann nicht zur Auslegung der satzungsmäßigen Vermögensbindung herangezogen werden. Denn Regelungen über die Vermögensbindung bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks müssen in der Satzung selbst getroffen werden. Die Berücksichtigung außerhalb der Satzung liegender Begleitumstände oder des nicht in der Satzung manifestierten Willens der Mitglieder würde dem Gebot des Buchnachweises widersprechen. Sinn und Zweck der satzungsmäßigen Vermögensbindung ist, dass ausschließlich aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist und satzungsmäßig die Bindung des steuerbegünstigt gebildeten Vermögens im Dritten Sektor gewährleistet bleibt.

  1. Ist bei einer Betriebsaufspaltung die erweiterte Kürzung ausgeschlossen?

Eine Beteiligung der an der Betriebsgesellschaft beteiligten Gesellschafter an einer Besitz-Personengesellschaft ist bei der Beurteilung einer personellen Verflechtung als Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung auch dann zu berücksichtigen, wenn die Beteiligung lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht. Der Bundesfinanzhof ändert diesbezüglich seine bisherige Rechtsprechung.

Hintergrund

Die X-GmbH & Co. KG (X-KG) vermietete Räumlichkeiten an die mit ihr über die H-GmbH verbundene M-GmbH & Co. KG (M-KG). Diese nutzte die vermietete Immobilie neben weiteren Grundstücken betrieblich.

Die X-KG beantragte die sog erweiterte Kürzung. Das Finanzamt lehnte dies ab. Es ging davon aus, dass wegen der im Sonderbetriebsvermögen der Kommanditisten der X-KG gehaltenen Beteiligungen an der H-GmbH keine ausschließliche Verwaltung eigenen Grundbesitzes vorlag. Aus den Beteiligungen würden dem Grunde nach gewerbliche Einkünfte erzielt, die nicht ausschließlich auf die Grundstücksverwaltung entfielen. Darüber hinaus war die erweiterte Kürzung zu versagen, weil das Grundstück der X-KG aufgrund der Unternehmensstruktur zumindest zeitweise oder teilweise einem Gewerbebetrieb diente, an dem die Gesellschafter der X-KG beteiligt waren.

Das Finanzgericht gab der dagegen erhobenen Klage statt und entschied insbesondere, dass keine der erweiternden Kürzung entgegenstehende mitunternehmerische Betriebsaufspaltung vorlag. Für eine Betriebsaufspaltung fehlte es an der personellen Verflechtung. Die 100-prozentige Beteiligung der H-GmbH an der Komplementär-GmbH der M-KG genügte nicht, weil ein „Durchgriff“ durch die Kapitalgesellschaft nicht zulässig war.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und wies die Klage ab. Der erweiterten Kürzung steht entgegen, dass zwischen der X-KG und der M-KG eine Betriebsaufspaltung vorgelegen hat. Das hat zur Folge, dass die X-KG als Besitzunternehmen originär gewerbliche Einkünfte erzielt hat. Die Überlassung eines Grundstücks im Rahmen einer Betriebsaufspaltung wird als gewerbliche Tätigkeit beurteilt und schließt die erweiterte Kürzung aus.

Die sachliche Verflechtung liegt darin, dass die X-KG der M-KG mit dem vermieteten Grundstück eine wesentliche Betriebsgrundlage überlassen hat.

Bis zu seinem Tod war A (in der Folgezeit die aus B, C und D bestehende Personengruppe), sowohl unmittelbar als Kommanditist als auch mittelbar über eine jeweils mehrheitliche Beteiligung an der Komplementär-GmbH an der X-KG als Besitzgesellschaft beteiligt. Zugleich waren die gleichen Personen auch mittelbar über eine jeweils mehrheitliche Beteiligung an der alleinigen Kommanditistin (H-GmbH) der M-KG als Betriebsgesellschaft beteiligt. Die H-GmbH wiederum war auch alleinige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH der M-KG. Für die Beurteilung einer personellen Verflechtung zwischen der X-KG und der M-KG sind bei den Gesellschaftern A (bzw. nach dessen Tod B, C und D) auch deren mittelbare Beteiligungen über Kapitalgesellschaften (BV-GmbH bzw. H-GmbH) sowohl an der Betriebsgesellschaft (M-KG) als auch – in Änderung der bisherigen Rechtsprechung – an der X-KG als Besitz-Personengesellschaft zu berücksichtigen.

Nach bisheriger Rechtsprechung kann eine Beteiligung der Betriebsgesellschafter an der Besitzgesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, mangels Mitunternehmerstellung dieser Gesellschafter in der Besitzgesellschaft nicht zu einer personellen Verflechtung führen. Wegen des sog. Durchgriffsverbots kann der Besitzgesellschaft weder die Beteiligung an der Betriebsgesellschaft noch eine damit verbundene Beherrschungsfunktion zugerechnet werden. Andererseits kann jedoch die Herrschaft über das Betriebsunternehmen auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft ausgeübt und damit eine personelle Verflechtung begründet werden. Diese unterschiedliche Rechtsprechung ist auf Kritik gestoßen.

Nach jetziger Auffassung des Bundesfinanzhofs sind für diese Unterscheidung keine sachlichen Gründe ersichtlich. Wenn die Herrschaft über das Betriebsunternehmen nicht auf einer unmittelbaren Beteiligung beruhen muss, sondern auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft als Beteiligungsgesellschaft ausgeübt werden kann, muss dies auch für eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an dem Besitzunternehmen jedenfalls insoweit gelten, als dieses eine Personengesellschaft ist.

Hiervon ausgehend haben im vorliegenden Fall die Beteiligungsverhältnisse zur Beherrschungsidentität hinsichtlich der X-KG und der M-KG geführt. Die beteiligten Personen konnten über ihre Beteiligungen an der H-GmbH, die ihrerseits an der M-KG und deren Komplementär-GmbH beteiligt war, maßgeblichen Einfluss auf die M-KG (Betriebsgesellschaft) nehmen. Außerdem konnten sie aufgrund ihrer Kommanditbeteiligungen an der X-KG und ihrer Beteiligungen an deren Komplementär-GmbH die X-KG (Besitzgesellschaft) entscheidend beeinflussen.

  1. Was bei Schadensersatzansprüchen gegen den GmbH-Geschäftsführer zu beachten ist

Ob gegen einen Geschäftsführer Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, entscheidet die Gesellschafterversammlung. Liegt jedoch kein Beschluss vor, fehlt der GmbH im Gerichtsverfahren die Klagebefugnis.

Hintergrund

Die Klägerin ist eine Wohnungsbaugesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Sie hatte 2 Geschäftsführer. Die Gesellschaft verlangte von einem der Geschäftsführer Schadensersatz, weil er ohne Absprache mit dem weiteren Geschäftsführer Vergütungszahlungen veranlasst hatte, für die nach Auffassung der Gesellschaft kein Rechtsgrund bestand. Erstinstanzlich wurde die Klage vom Landgericht abgewiesen, da die für die Geltendmachung der Ersatzansprüche nötige Entscheidung der Gesellschafterversammlung fehlte. Gegen das Urteil wandte sich die Klägerin mit der Berufung.

Entscheidung

Die Berufung vor dem Oberlandesgericht hatte keinen Erfolg. Zwar holte die Klägerin die für die Geltendmachung der Ersatzansprüche bisher fehlende Entscheidung der Gesellschafterversammlung ein. Da sie jedoch die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs, hier den Eintritt eines Vermögensschadens durch das Verhalten des Geschäftsführers, nicht beweisen konnte, blieb auch die Berufung erfolglos.

Über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen aktuelle oder bereits ausgeschiedene Geschäftsführer entscheidet bei der GmbH die Gesellschafterversammlung durch Beschluss. Der dafür erforderliche Gesellschafterbeschluss muss regeln, um welches Fehlverhalten es geht, ob insoweit gegen den Geschäftsführer überhaupt vorgegangen werden soll und ggf. welche Maßnahmen gegen ihn eingeleitet werden sollen.

Ist der Beschluss der Gesellschafterversammlung nicht ausnahmsweise entbehrlich, kann er jedoch wie im vorliegenden Fall im laufenden Verfahren und noch in der Berufungsinstanz nachgeholt werden.

  1. Wenn sich Gesellschafterlisten widersprechen: Wie ist damit umzugehen?

Liegen mehrere Gesellschafterlisten vor, ist die Liste ausschlaggebend, die zuletzt in den Registerordner aufgenommen worden ist.

Hintergrund

Die GmbH wurde im Dezember 2019 gegründet. Die eingereichte Gesellschafterliste wies 2 Gesellschafter aus: Die Gesellschafterin A war mit 26,7 % und die CH UG mit 73,3 % am Stammkapital beteiligt. H war Geschäftsführer der GmbH und zugleich Geschäftsführer sowie Alleingesellschafter der CH UG.

Am 2.11.2020 übermittelte ein Notar eine Gesellschafterliste an das Handelsregister, die nur noch die A als Alleingesellschafterin auswies. Die Liste enthielt einen Hinweis auf darauf, dass die CH UG ihre Geschäftsanteile an die A übertragen hatte. Am 5.11.2020 übermittelte der Geschäftsführer H eine weitere Gesellschafterliste an das Handelsregister, die wiederum beide Gesellschafter (Gesellschafterin A und die CH UG) mit den ursprünglichen Beteiligungen auswies. Diese Liste enthält den Hinweis „Korrektur unrichtiger Eintragung“. Beide Gesellschafterlisten wurden am 11.11.2020 in den Registerordner aufgenommen.

Mit Beschluss v. 7.12.2020 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. A führte am 29.12.2020 allein eine Gesellschafterversammlung durch, verzichtete dabei auf die Einhaltung von Form und Fristen, berief den Geschäftsführer H ab und bestellte B zum Liquidator, der seine Bestellung sodann zur Eintragung in das Handelsregister anmeldete.

Das Registergericht wies die beantragte Eintragung mit der Begründung zurück, dass die CH UG als Mitgesellschafterin nicht an dem Beschluss beteiligt wurde. Maßgebend sei die Gesellschafterliste vom 5.11.2020. Ausweislich dieser Liste war auch die CH UG Gesellschafterin der GmbH. Hiergegen erhoben A und B Beschwerde. Sie sind der Auffassung, die Abberufung sei wirksam beschlossen worden.

Entscheidung

Die Beschwerden hatten keinen Erfolg. Das Kammergericht entschied zum einen, dass die Gesellschafterin A schon nicht befugt war, die Beschwerde zu erheben, denn sie ist nicht in ihren Rechten verletzt. Als Gesellschafterin war sie allenfalls mittelbar beeinträchtigt, was für eine Beschwerde jedoch nicht ausreicht.

Zum anderen hat das Kammergericht aber auch die Beschwerde des B zurückgewiesen. B war nicht wirksam zum Liquidator bestellt worden, denn der gefasste Beschluss war unwirksam. Eine Anmeldung wegen eines Wechsels des Vertretungsorgans erfordert die Prüfung, ob die Abberufung und die Bestellung ordnungsgemäß beschlossen worden sind. Bei dem gefassten Beschluss war die CH UG nicht beteiligt worden. Maßgebend war die Gesellschafterliste vom 5.11.2020. Existieren mehrere Gesellschafterlisten, ist die Liste entscheidend, die zuletzt in den Registerordner aufgenommen worden ist. Sind hingegen mehrere Listen am selben Tag in den Registerordner aufgenommen worden, ohne dass die Reihenfolge aus sich heraus ersichtlich ist, ist die jüngere Liste – das ist hier die vom 5.11.2020 – als zuletzt aufgenommene Liste anzusehen.

  1. Zur Abspaltung einer 100-prozentigen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Anteilen

Die sog. Nachspaltungsveräußerungssperre nach § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG stellt keinen eigenständigen Ausschlussgrund für eine Buchwertfortführung dar. Liegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG nicht vor, kann die Abspaltung zu Buchwerten durchgeführt werden.

Hintergrund

Im Jahr 2004 gliederte die GmbH 1 ihren Geschäftsbetrieb „X“ in eine KG, deren Kommanditistin sie war, gegen die Gewährung von Anteilen aus. Parallel dazu gründete sie die GmbH 2 und legte die KG-Anteile zum Buchwert gegen die Gewährung von Anteilen in die GmbH 2 ein. Anschließend wuchs das Vermögen der KG ebenfalls zu Buchwerten der GmbH 2 im Wege der Anwachsung zu.

Im Jahr 2007 vereinbarten die GmbH 1 bzw. ihre Anteilseigner mit einem potentiellen Erwerber des X-Geschäfts die Veräußerung sämtlicher Anteile an einer noch zu gründenden Gesellschaft (GmbH 3). Im Jahr 2008 spaltete die GmbH 1 ihre 100-prozentige Beteiligung an der GmbH 2 auf die neu gegründete GmbH 3 gegen Gewährung von Anteilen ab.

Das Finanzamt versagte die Buchwertfortführung. Denn die Abspaltung diente allein dazu, die Veräußerung an eine außenstehende Person vorzubereiten. Dem folgte das Finanzgericht und wies die Klage ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof gab dagegen der Klage statt. Er entschied, dass die Buchwertfortführung nicht an der sog. Nachspaltungsveräußerungssperre des § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG scheitert. Da die Voraussetzungen des Satzes 4 nicht vorliegen, konnte die Abspaltung zu Buchwerten durchgeführt werden.

  • 11 Abs. 2 UmwStG (Buchwertansatz) ist nicht anzuwenden, wenn durch die Spaltung die Veräußerung an außenstehende Personen vollzogen wird. Das Gleiche gilt, wenn durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden. Davon ist auszugehen, wenn innerhalb von 5 Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Anteile an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft, die mehr als 20 % der vor Wirksamwerden der Spaltung an der Körperschaft bestehenden Anteile ausmachen, veräußert werden. Hier stellt sich die Frage, ob § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG als eigenständiger Ausschlussgrund zu bewerten ist, der unabhängig von Satz 4 Anwendung finden kann. Der Bundesfinanzhof ist der Ansicht, dass Satz 3 nur die Grundlage für die Vermutung des Satzes 4 regelt und keinen eigenständigen Anwendungsbereich hat, sodass es sich um eine einheitliche Missbrauchsvermeidungsregelung bestehend aus den Sätzen 3 und 4 handelt. § 15 Abs. 2 UmwStG soll missbräuchliche Gestaltungen aufgrund der Buchwertfortführung unterbinden. Die Buchwertfortführung soll in den Fällen ausgeschlossen werden, in denen die Steuerpflicht der Veräußerung dadurch umgangen wird, dass die Anteile der verbleibenden oder der aufnehmenden Körperschaft nach Abspaltung veräußert werden. Würde man demgegenüber dem Satz 3 einen eigenständigen Anwendungsbereich einräumen, würde dies zu der vom Gesetzgeber missbilligten und auch praktisch nur schwerlich durchführbaren Einbeziehung subjektiver Elemente führen. Unterhalb der Schwelle (5 Jahre, 20 %) soll verlässlich kein Fall des Missbrauchs angenommen werden.

Der vorliegende Sachverhalt fällt nicht unter § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG. Die 20 %-Grenze wird nicht erreicht. Ein Rückgriff auf Satz 3 ist ausgeschlossen.

  1. Zur Veräußerung einer niederländischen Beteiligung nach Zuzug aus den Niederlanden

Der Vermögenszuwachs, der bis zum Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht entstanden ist, hat nicht i. S. v. § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG aufgrund gesetzlicher Bestimmungen des Wegzugsstaats im Wegzugsstaat einer der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer unterlegen, wenn dort keine Steuer festgesetzt worden ist.

Hintergrund

X lebte in den Niederlanden und gründete dort in 1998 als Alleingesellschafter eine B. V. (Kapitalgesellschaft) mit einem Stammkapital von 18.000 EUR. Im Jahr 2006 zog er nach Deutschland. Im Jahr 2016 veräußerte er die im Privatvermögen gehaltene Beteiligung an der B. V.

Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG für 2016 berücksichtigte X als Anschaffungskosten einen Wert von 1,1 Mio. EUR.

Laut X handelte es sich bei diesem Wert um den von den niederländischen Steuerbehörden festgestellten Wert der Beteiligung für Besteuerungszwecke in den Niederlanden. Eigentlich hätte nach dem DBA NLD der Besteuerungswert beim Wegzug in einem Steuerbescheid (sog. Konservierungsbescheid) festgestellt und die darauf entfallende Steuer festgesetzt werden müssen. Dann wäre es nicht zu einer sofortigen Besteuerung, sondern zu einer Stundung gekommen, und nach 10 Jahren hätte die Steuer erlassen werden können. Allerdings unterblieb dieses Verfahren durch ein Versehen der niederländischen Steuerbehörden. Im Jahr 2016 einigte man sich dahingehend, dass die niederländische Finanzverwaltung den X so behandelte, als ob der Konservierungsbescheid ergangen wäre. Die niederländische Steuerbehörde bescheinigte deshalb, dass die Gesellschaft bei Wegzug mit einem Wert von 1,1 Mio. EUR der Besteuerung unterlegen habe.

Das Finanzamt lehnte dies ab und setzte als Anschaffungskosten lediglich das Stammkapital an. Unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens berücksichtigte es einen Veräußerungsgewinn von 770.000 EUR. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass Voraussetzung für die Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG die tatsächliche Steuerzahlung war. Zwar hatte die niederländische Steuerbehörde den Wert der Beteiligung festgestellt. Sie hat auf diesen aber weder Steuern festgesetzt noch erhoben.

Das Finanzgericht wies die Klage ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision als unbegründet zurück und entschied, dass erhöhte Anschaffungskosten i. S. v. § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG zumindest einen Steuerbescheid des Wegzugsstaats mit Berechnung und Festsetzung der Steuer voraussetzen.

Mit § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG wird bei Zuzug eines Anteilsinhabers sichergestellt, dass bei der Ermittlung des Gewinns aus einer späteren Veräußerung von steuerverstrickten Anteilen nicht die ursprünglichen Anschaffungskosten, sondern der Wert, den der Wegzugsstaat einer § 6 AStG vergleichbaren Wegzugsbesteuerung unterworfen hat, berücksichtigt wird. Durch diese sog. Wertverknüpfung soll verhindert werden, dass der der Wegzugsbesteuerung unterworfene Wertzuwachs nicht nochmals besteuert wird. Dabei besteht keine Bindung der deutschen Finanzbehörde an die Steuerfestsetzung im ausländischen Wegzugsstaat. Das Finanzamt ist zur eigenständigen Prüfung berechtigt.

Der Wortlaut „unterlegen“ in § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG lässt zwar die Auslegung zu, dass es nicht auf die konkret festgesetzte und bezahlte, sondern auf die rechtlich vorgesehene ausländische Steuer ankommen soll. Bei der Rechtsfolge wird jedoch eine „Berechnung“ der der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer vorausgesetzt. Das bedeutet, dass zumindest ein Steuerbescheid des Wegzugsstaats mit Berechnung und Festsetzung der Steuer ergangen sein muss.

Dafür spricht auch, dass der Veräußerer nachweisen muss, dass der bis zum Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht entstandene Wertzuwachs einer entsprechenden Steuer unterlegen hat. Der Nachweis, dass die Steuer auch bezahlt worden ist, ist jedoch nicht erforderlich.

Die niederländische Steuerbehörde hat zwar den Wert der Anteile im Zeitpunkt des Wegzugs festgestellt. Sie hat jedoch für den Wertzuwachs in den Niederlanden weder Steuern berechnet noch festgesetzt. Der Wertzuwachs der Beteiligung hat daher in den Niederlanden keiner Steuer „unterlegen“.

Private Immobilienbesitzer

  1. Betriebskostenabrechnung: Warum der Vermieter Original-Belege vorlegen muss

Der Mieter hat das Recht, Einsicht in die Belege einer Betriebskostenabrechnung zu nehmen, und zwar grundsätzlich in die Originale. Nur ausnahmsweise reicht die Vorlage von Kopien aus.

Hintergrund

Die Vermieterin hatte die Betriebskostenabrechnungen für mehrere Jahre erstellt. Die Mieter machten ihr Recht auf Belegeinsicht geltend und verlangten, die der Abrechnung zugrundeliegenden Belege im Original einzusehen. Die Vermieterin hat den Mietern stattdessen Kopien der Belege übersandt. Dies reicht den Mietern nicht. 

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Vermieterin die Original-Belege zur Einsicht vorlegen muss.

Eine Betriebskostenabrechnung muss den Mieter in die Lage versetzen, die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil nachzuprüfen. Zu einer ordnungsgemäßen Abrechnung gehört es, dem Mieter die Einsicht in die Abrechnungsunterlagen zu ermöglichen, soweit dies erforderlich ist, die Abrechnung zu überprüfen oder etwaige Einwendungen vorzubereiten.

Das Einsichtsrecht des Mieters bezieht sich grundsätzlich auf die Original-Belege. Denn der Vermieter hat Belege vorzulegen, soweit sie erteilt worden sind. Erteilt worden sind die Originale. Auch wenn Original-Belege nicht unbedingt solche in Papierform sein müssen, sondern auch digital übermittelt sein können, sind Kopien Original-Belegen grundsätzlich nicht gleichzusetzen. Zudem sind Original-Belege uneingeschränkt geeignet, die Ordnungsgemäßheit der Abrechnung zu überprüfen, selbst wenn sie durch Kopien ersetzbar sein mögen.

Nur in Ausnahmefällen beschränkt sich der Einsichtsanspruch des Mieters auf Kopien oder Scans der Belege. Das kommt etwa in Betracht, wenn der Vermieter von seinem Dienstleister die Belege ausschließlich digital erhalten hat oder dem Vermieter aus sonstigen Gründen ausnahmsweise nicht zumutbar ist, die Originale vorzulegen. Stets müssen die Kopien aber geeignet sein, die dokumentierten Erklärungen unverändert wiederzugeben. Zweifel an der Authentizität und Unverfälschtheit der Unterlagen gehen zulasten des Vermieters.

Ein solcher Ausnahmefall lag hier nicht vor, sodass die Mieter Einsicht in die Originale beanspruchen können.

  1. Vermietung: Wann und wie die Heizkosten geschätzt werden dürfen

Ist der in der Mietwohnung eingebaute Wärmemengenzähler defekt, darf der Vermieter den Wärmeverbrauch einer Wohnung anhand des Verbrauchs vergleichbarer Räume schätzen. Die Vergleichsräume müssen jedoch nicht im selben Gebäude liegen wie die Wohnung, für die die Schätzung erfolgt.

Hintergrund

Der Vermieter hatte die Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2013 bis 2015 erstellt. Nachdem die Mieterin Fehler bemängelt hatte, wurde festgestellt, dass der in der Wohnung eingebaute Wärmemengenzähler defekt war und die Wärmemengen unzutreffend erfasst hatte. Erst 2017 wurde ein funktionierender Zähler eingebaut.

Der Vermieter erteilte korrigierte Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2013 bis 2015. In diesen schätzte er den Wärmeverbrauch der Mieterin anhand des Verbrauchs anderer, teilweise in demselben Haus, teilweise in anderen Häusern gelegener vergleichbarer Wohnungen. Daraus ergab sich eine Nachzahlung von Betriebskosten von gut 1.000 EUR, die der Vermieter einklagte.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Vergleichsräume für die Schätzung in einem anderen Gebäude liegen dürfen.

In Häusern mit zentralen Heizungsanlagen sind die Kosten grundsätzlich nach dem konkreten Verbrauch der einzelnen Nutzer zu verteilen. Deshalb schreibt die Heizkostenverordnung vor, den anteiligen Wärmeverbrauch durch Wärmezähler oder Heizkostenverteiler zu erfassen.

Für den Fall, dass der Verbrauch wegen des Ausfalls eines Messgerätes oder aus sonstigen Gründen nicht erfasst werden kann, sieht die Heizkostenverordnung mehrere Ersatzverfahren vor, die im betreffenden Abrechnungszeitraum an die Stelle der Verbrauchserfassung treten können. So kann der Verbrauch auf Grundlage des Verbrauchs vergleichbarer anderer Räume im selben Abrechnungszeitraum geschätzt werden.

Die Vergleichbarkeit der Räume setzt nicht voraus, dass diese im selben Gebäude liegen wie die Räume, für die die Schätzung erfolgt. Vielmehr kommt es darauf an, dass die anderen Räume im Hinblick auf Merkmale wie Bausubstanz, Konstruktion, Lage oder Größe vergleichbar sind. Dabei muss keine Vergleichbarkeit hinsichtlich sämtlicher Merkmale gegeben sein. Maßgebend ist, dass zu vergleichende Räume bautechnisch und von ihrer Nutzungsintensität (Anzahl der Nutzer/Dauer der Nutzung) im Wesentlichen vergleichbar sind. Das war hier der Fall.

  1. Wohngebäudeversicherung: Ist ein Wasserschaden durch undichte Silikonfugen versichert?

Entsteht durch undichte Silikonfugen ein Wasserschaden im Badezimmer, stellt sich die Frage, ob es sich dabei um einen in der Wohngebäudeversicherung versicherten Leitungswasserschaden handelt. Der Bundesgerichtshof ist der Ansicht, dass diese Schäden nicht von den Versicherungsbedingungen erfasst sind.

Hintergrund

Eine undichte Silikonfuge im Duschbereich verursachte einen Wasserschaden i. H. v. 17.775 EUR. Der Kläger war der Ansicht, dass es sich dabei um ein versichertes Ereignis im Rahmen der Wohngebäudeversicherung handelte.

Das Landgericht sah dies ebenso und verurteilte die beklagte Versicherung zum Ersatz des kompletten Schadens.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof kam zu einer anderen Einschätzung. Er folgte der Auffassung des Versicherers, dass der Schaden nicht durch die dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 2008) gedeckt war.

In den Versicherungsbedingungen sind in Teil A § 3 VGB 2008 unter „Leitungswasser“ 2 Arten von Schäden beschrieben: zum einen Bruchschäden, zum anderen Nässeschäden.

Ein Bruchschaden kommt bei einer undichten Fuge nicht in Betracht. Folglich bleibt nur noch die Möglichkeit eines Nässeschadens. Nach den Versicherungsbedingungen leistet der Versicherer Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig ausgetretenes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden oder abhandenkommen.

Das Leitungswasser muss nach den Versicherungsbedingungen aus Rohren der Wasserversorgung oder damit verbundenen Schläuchen ausgetreten sein. Bei einer undichten Fuge ist nicht davon auszugehen, dass Wasser aus Rohren der Wasserversorgung oder damit verbundenen Schläuchen ausgetreten ist. Eine undichte Fuge hat keine Verbindung mit einem Rohrsystem.

Zwar erwartet ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer von seiner Wohngebäudeversicherung einen umfassenden und lückenlosen Schutz. Diese Erwartung wird aber durch sein Verständnis von Teil A § 3 Nr. 3 Satz 2 VGB 2008 nicht getäuscht. Das dort formulierte Leistungsversprechen für Schäden durch austretendes Leitungswasser ist konkretisiert und bezieht sich nur auf die dort abschließend aufgezählten Quellen.

Die Versicherung muss damit nicht bezahlen, weil das Wasser nicht aus einer in den Versicherungsbedingungen genannten Quelle ausgetreten ist.

Sonstige Steuern

  1. Ist das besondere Kirchgeld in Baden verfassungsgemäß?

In Baden kann ein besonderes Kirchgeld festgesetzt werden. Das wird auch in Zukunft so bleiben, denn nach Ansicht des Finanzgerichts Baden-Württemberg ist dessen Erhebung verfassungsgemäß.

Hintergrund

Die evangelische Klägerin wurde für das Jahr 2015 mit ihrem Ehemann, der keiner Religionsgemeinschaft angehört, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erzielte im Jahr 2015 Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit. Der Steuerbescheid 2015 enthielt die Festsetzung eines Kirchgelds gegen die Klägerin, das von dem zu versteuernden Einkommen der Eheleute erhoben wurde.

Die Klägerin argumentierte, dass sie über eigenes Einkommen verfügte, das für die Kirchensteuer maßgeblich ist. Bei eigenem Einkommen des Ehegatten einer glaubensverschiedenen Ehe durfte die Kirche deshalb nur dieses Einkommen besteuern.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass die Festsetzungen eines besonderen Kirchgelds gegen die Klägerin rechtmäßig war und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzte. Sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und auch des Bundesfinanzhofs ist geklärt, dass die Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten für die Bemessung des besonderen Kirchgelds auch dann am Einkommen beider Ehegatten gemessen werden darf, wenn der kirchenangehörige Ehegatte über ein (geringes) eigenes Einkommen verfügt.

Das besondere Kirchgeld verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, nicht gegen den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung und auch nicht gegen den Grundsatz der Individualbesteuerung. Die Erhebung eines besonderen Kirchgelds ist nicht nur in den Fällen zulässig, in denen der – mit seinem nicht kirchenangehörigen Ehegatten zusammenveranlagte – kirchenangehörige Ehegatte über kein eigenes Einkommen verfügt, sondern auch dann, wenn beide Ehegatten über ein Einkommen verfügen.

  1. Ist eine geerbte vermietete Immobilie in Kanada erbschaftsteuerlich begünstigt?

Das deutsche Erbschaftsteuerrecht begünstigt keinen Erwerb eines bebauten und vermieteten Grundstücks des Privatvermögens in Drittländern. Ob dies mit EU-Recht vereinbar ist, muss nun der EuGH klären.

Hintergrund

Der im Jahr 2016 verstorbene Erblasser A vermachte seinem Sohn durch notariell beurkundeten Erbvertrag seinen hälftigen Anteil am Grundvermögen in Kanada sowie 1/3 eines Gesellschaftsanteils an der „A1 GmbH & Co KG“ mit Sitz in Deutschland. Die in Kanada belegenen Grundstücke sind zu Wohnzwecken vermietet und nicht Teil eines Betriebsvermögens. Der Erblasser hatte zu Lebzeiten seinen Wohnsitz in H in Deutschland, wo auch der Sohn zum Zeitpunkt des Erbfalls wohnte.

Die vermachten Vermögensgegenstände sind jeweils mit lebenslangen Nießbrauchsrechten zugunsten der Ehefrau des Erblassers belastet. Der Sohn nahm das Vermächtnis an. Mit Bescheid vom 17.7.2017 setzte das Finanzamt die Erbschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.

Später beantragte der Sohn, dass das Grundvermögen in Kanada gem. § 13c Abs. 1 ErbStG lediglich mit 90 % seines gemeinen Wertes der Besteuerung unterworfen wird. Das aufgrund Vermächtnisses erworbene Grundvermögen in Kanada ist seiner Ansicht nach zu Wohnzwecken vermietet und gehört zum Privatvermögen.

Das Finanzamt lehnte den Änderungsantrag ab. Dagegen wehrt sich der Sohn mit seiner Klage.

Entscheidung

Das Finanzgericht hat Zweifel, ob es mit Art. 63 ff. AEUV vereinbar ist, dass der Erwerb eines bebauten und vermieteten Grundstücks des Privatvermögens, welches in einem Drittstaat (hier: Kanada) belegen ist, von der Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13c Abs. 3 ErbStG i. V. m. § 13c Abs. 1 ErbStG ausgeschlossen ist.

Wäre der Ausschluss von in Drittstaaten belegenen Grundstücken von der Steuerbefreiung nicht mit EU-Recht vereinbar, hätte die Klage zumindest teilweise Erfolg, weil sowohl die Werte für das Grundvermögen in Kanada als auch die Werte der darauf beruhenden Nießbrauchsbelastungen nur mit 90 % bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer anzusetzen wären.

Das Finanzgericht legt dem EuGH die Frage zur Auslegung der Art. 63, 64, 65 AEUV zur Vorabentscheidung vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.

  1. Keine Schenkungsteuer bei Pauschalabfindung für den Scheidungsfall

 Vereinbaren Eheleute für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen eines Ehepartners in einer bestimmten Höhe, die erst zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu leisten sind, liegt in einer solchen Bedarfsabfindung keine freigebige Zuwendung vor. Dieser Vorgang fällt damit nicht unter die Schenkungsteuer.

Hintergrund

Die Ehefrau F schloss anlässlich ihrer Eheschließung im Jahr 1998 mit ihrem Ehemann E einen Ehevertrag, in dem sie Gütertrennung und den Ausschluss des gesetzlichen Versorgungsausgleichs vereinbarten. Für den Fall der Scheidung wurde der F ein indexierter Zahlungsanspruch eingeräumt, der bei 15-jähriger Dauer der Ehe 2 Mio. DM betragen sollte.

Die Ehe wurde im Jahr 2014 nach 15 Jahren geschieden. E zahlte an F den vereinbarten Ausgleichsbetrag.

Bei der Festsetzung der Schenkungsteuer gegen F erfasste das Finanzamt den Betrag als freigebige Geldzuwendung nach Steuerklasse II mit 30 % unter Berücksichtigung von Vorerwerben und des Freibetrags von 20.000 EUR.

Das Finanzgericht wies die dagegen erhobene Klage mit der Begründung ab, dass die Zuwendung freigebig gewesen war, da sie nicht mit einer Gegenleistung der F verknüpft worden war. Aus der Vereinbarung konnte kein Verzicht der F auf eine Zugewinnausgleichsforderung abgeleitet werden.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof sah dies anders und hob sowohl Finanzgerichtsurteil als auch Schenkungsteuer-Bescheid auf. Die Leistung des E erfüllt nicht den Besteuerungstatbestand einer freigebigen Zuwendung.

Die Zahlung einer „Pauschalabfindung“ unter Preisgabe eines künftig entstehenden Zugewinnausgleichanspruchs vor Eingehung der Ehe ist eine steuerbare freigebige Zuwendung. Denn die Zahlung wird weder zur Befriedigung eines Forderungsrechts noch als Gegenleistung für einen Verzicht getätigt. Ein Forderungsrecht besteht in diesen Fällen nicht. Denn die Zugewinnausgleichsforderung entsteht erst, wenn die Zugewinngemeinschaft endet.

Anders ist es jedoch, wenn die zukünftigen Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung umfassend individuell regeln und für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen eines Ehepartners an den anderen vorsehen, die erst zu diesem Zeitpunkt zu leisten sind. Bei einer solchen Bedarfsabfindung wird keine pauschale Abfindung ohne Gegenleistung erbracht. Es werden lediglich die Rechte und Pflichten der künftigen Ehegatten durch umfangreiche Modifikation der familienrechtlichen Ansprüche im Wege einer Pauschalierung neu austariert. Wird ein derartiger Vertrag nach Art eines Gesamtpakets abgeschlossen, mit dem alle Scheidungsfolgen geregelt werden, kann dieses Paket nicht in Einzelleistungen aufgeteilt und eine Einzelleistung der Schenkungsteuer unterworfen werden. Damit würde verkannt, dass ein solcher Vertrag einen umfassenden Ausgleich aller Interessengegensätze anstrebt und insoweit keine der Einzelleistungen ohne Gegenleistung ist. Wird die Ehe dann tatsächlich beendet, erfolgt die Zahlung des vorab vereinbarten Betrages in Erfüllung dieser Vereinbarung.

Die Zahlung des E erfüllt nicht den Tatbestand einer freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Denn E hat sich nicht zu einer sofortigen Pauschalabfindung ohne Gegenleistung verpflichtet. F sollte erst im Fall einer Scheidung eine Zahlung zur Abgeltung verschiedener familienrechtlicher Ansprüche erhalten. Diese wurden lediglich dem Umfang nach durch die vorherige Vereinbarung modifiziert. Hinzu kommt, dass es sich bei der Abfindungszahlung nicht um eine singuläre Abrede zwischen F und E handelte. Vielmehr ist die Klausel in ein Vertragskonvolut über die Rechtsfolgen der Eheschließung eingebettet. Das verbietet eine isolierte Betrachtung. Außerdem fehlt es am subjektiven Willen zur Freigebigkeit. Aus Sicht des E diente die Abfindungszahlung dem Schutz seines Vermögens vor unwägbaren finanziellen Verpflichtungen infolge einer Scheidung. Mit seiner Leistung wollte er eine in einem kausalen Zusammenhang stehende Gegenleistung erhalten.

Steuerrecht Arbeitnehmer

  1. Erstwohnung und Zweitwohnung am Beschäftigungsort: kein Werbungskostenabzug möglich 

Mietet der Steuerpflichtige am Beschäftigungsort eine beruflich veranlasste Zweitwohnung und wohnt er im „eigenen Hausstand“ ebenfalls am Beschäftigungsort, liegt keine doppelte Haushaltsführung vor.

Hintergrund

Der Kläger mietete in unmittelbarer Nähe zu seiner Arbeitsstätte eine Zweitwohnung an. Seine Hauptwohnung lag etwa 35 bis 40 Fahrminuten von der Arbeitsstätte entfernt. Er begründete dies damit, dass er bei Bedarf jederzeit kurzfristig seine schwer erkrankte Ehefrau unterstützen müsste und so die Unterbrechungen der Arbeitszeiten zeitlich deutlich reduzieren könnte. Das Finanzamt lehnte die geltend gemachten Kosten der doppelten Haushaltsführung ab und ließ auch den Kostenabzug als außergewöhnliche Belastungen nicht zu.

Entscheidung

Das Finanzgericht lehnte ebenfalls den Werbungskostenabzug für eine doppelte Haushaltsführung ab. Es handelte sich auch nicht um außergewöhnliche Belastungen.

Bei einer doppelten Haushaltsführung müssen der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort auseinanderfallen. Nur dann ist der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt. Eine doppelte Haushaltsführung ist deshalb nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige in einer Wohnung am Beschäftigungsort einen (beruflich veranlassten) Zweithaushalt führt und auch der vorhandene „eigene Hausstand“ am Beschäftigungsort belegen ist. Denn dann fallen der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort nicht auseinander. Bei Prüfung der Frage, ob dies der Fall ist, muss auf alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgestellt werden und neben der Entfernung auch die Verkehrsanbindung mit privaten und öffentlichen Verkehrsmitteln, die Erreichbarkeit dieser Verkehrsmittel bei Arbeitsbeginn und -ende sowie evtl. besondere Umstände beim Arbeitsablauf mit einzubeziehen sein.

Eine Wohnung am Beschäftigungsort kann danach regelmäßig angenommen werden, wenn sie in einem Bereich liegt, von dem aus der Arbeitnehmer üblicherweise täglich zu diesem Ort fahren kann. Dabei liegen Fahrzeiten von etwa einer Stunde für die einfache Strecke noch in einem zeitlichen Rahmen, in dem es einem Arbeitnehmer zugemutet werden kann, von seinem Hausstand die Arbeitsstätte aufzusuchen.

Im vorliegenden Fall diente der Aufenthalt in der Zweitwohnung in erster Linie der angenehmeren Gestaltung der Pflegesituation und stellt keine gezielte therapeutische Maßnahme dar und ist insofern auch nicht medizinisch indiziert. Die Aufwendungen für das Wohnen stellen Kosten der allgemeinen Lebensführung dar und erleichtern zwar das Leben der Ehefrau, sind aber dennoch freiwillige Aufwendungen und nicht zwangsläufig. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Anmietung der Wohnung aus medizinischen Gründen zweckmäßig ist, so handelt es sich allenfalls um Folgekosten der Krankheit, die nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können.

  1. Warum der Hamburger Hafen ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet ist 

Ein Hafenarbeiter, der im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung auf dem Hamburger Hafengelände eingesetzt wird, ist in einem sog. weiträumigen Tätigkeitsgebiet tätig. Das hat zur Folge, dass er seine Fahrten zwischen Wohnung und Hafenzugang nur mit der Entfernungspauschale abrechnen kann. 

Hintergrund

Der Kläger war als Hafenarbeiter nach seinem Arbeitsvertrag auch im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung einsetzbar. Im Jahr 2015 wurde er von seinem Arbeitgeber an 4 verschiedenen Liegeplätzen innerhalb des Hamburger Hafens eingesetzt. Der Kläger rief arbeitstäglich bei seinem Arbeitgeber an, um seinen jeweiligen Einsatzort zu erfahren.

In seiner Einkommensteuerveranlagung setzte er seine arbeitstäglichen Fahrten zwischen Wohnung und Hafenzufahrt als Reisekosten an und rechnete für den Hin- und Rückweg jeweils 0,30 EUR/km. Das Finanzamt berücksichtigte für diese Fahrten jedoch nur die Entfernungspauschale mit 0,30 EUR je Entfernungskilometer. Seiner Ansicht nach handelte es sich bei dem Hamburger Hafengebiet steuerlich um ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet, sodass der Fahrtkostenabzug eingeschränkt war. 

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass das Finanzamt für die Fahrten zu Recht nur die Entfernungspauschale angesetzt hatte. Zwar konnte der Hamburger Hafen nicht als erste Tätigkeitsstätte qualifiziert werden, da es an einer dauerhaften Zuordnung des Arbeitnehmers mangelte. Der Ansatz der Entfernungspauschale war trotzdem gerechtfertigt, weil der Hafen ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet war.

Der Arbeitnehmer musste nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft und typischerweise arbeitstäglich dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet aufsuchen. Da im Arbeitsvertrag ausdrücklich auf die Satzung für den Gesamthafenbetrieb Hamburg verwiesen worden war, kann davon ausgegangen werden, dass er nur bei den dort ansässigen Hafeneinzelbetrieben einsetzbar war. Er hatte den Hamburger Hafen auch typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen.

Steuerrecht Privatvermögen

  1. Kindergeld bei krankheitsbedingtem Ausbildungsabbruch

Ein Kind kann wegen Berufsausbildung nicht berücksichtigt werden, sobald es sein Ausbildungsverhältnis krankheitsbedingt nicht nur unterbrochen, sondern abgebrochen hat.

Hintergrund

Die volljährige Tochter A der Mutter M begann im Februar 2016 eine 2-jährige schulische Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin. Die Familienkasse setzte entsprechend das Kindergeld fest.

Im September 2017 teilte M der Familienkasse mit, dass A ab September 2017 bis Februar 2018 vollzeitbeschäftigt war. Danach werde sie ihre Ausbildung fortsetzen. A war jedoch bereits im März 2017 vorzeitig von der Schule abgegangen. Die Familienkasse hob darauf die Kindergeldfestsetzung auf und forderte das Kindergeld i. H. v. 1.344 EUR für April bis Oktober 2017 von M zurück.

M wandte ein, dass A Ende 2016 erkrankt und nach ärztlichen Attesten nicht zu einer regelmäßigen Teilnahme am Schulunterricht fähig war. Sie hatte daher ab März 2017 mit der Ausbildung ausgesetzt, um diese im September 2017 wieder aufzunehmen. Da dies von der Schule nicht bewilligt worden war, hatte sie zur Überbrückung bis zur Fortsetzung der Ausbildung die Beschäftigung angenommen.

Die Familienkasse war der Ansicht, dass A mit dem Abgang von der Schule im März 2017 ihre Ausbildung beendet hatte. Da eine Erklärung der A, nach Ende der Erkrankung weiterhin die Schule besuchen zu wollen, nicht vorlag, kam eine Berücksichtigung nicht in Betracht. Das Finanzgericht gab der Klage statt. Es ging von einer unterbrochenen Ausbildung aus.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück.

Eine Berufsausbildung setzt voraus, dass das Kind einen Ausbildungsplatz hat und ausbildungswillig ist. Wird das Ausbildungsverhältnis beendet, z. B. durch Abmeldung von der Schule oder Aufhebung des Ausbildungsvertrags, fehlt es am formalen Fortbestehen eines Ausbildungsverhältnisses. Dementsprechend kommt für A eine Berücksichtigung unter dem Gesichtspunkt der Berufsausbildung ab April 2017 nicht mehr in Betracht. Denn sie hat mit der Abmeldung von der Schule ihre Ausbildung (infolge der Erkrankung) nicht nur unterbrochen, sondern abgebrochen.

Eine Berücksichtigung wegen fehlendem Ausbildungsplatz setzt voraus, dass der Beginn der Ausbildung nicht an anderen Gründen als dem Mangel eines Ausbildungsplatzes scheitert. Ist ein Kind aus Krankheitsgründen gehindert, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben oder diesen zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kommt eine Berücksichtigung daher nur unter eingeschränkten Voraussetzungen in Betracht.

Zunächst muss es sich um eine vorübergehende Krankheit handeln. Die gesundheitliche Beeinträchtigung an der Aufnahme einer Ausbildung darf regelmäßig nicht länger als 6 Monate andauern. Entscheidend ist die zu erwartende Dauer der Funktionsbeeinträchtigung.

Außerdem muss die Ausbildungswilligkeit des Kindes für den Anspruchszeitraum nachgewiesen werden. Das Kind muss sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemühen. Zur Vermeidung missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes muss sich die Ausbildungsbereitschaft durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben.

Als Nachweis kommt etwa die schriftliche Erklärung, sich unmittelbar nach Ende der Krankheit um eine Berufsausbildung zu bemühen, in Betracht. Ebenso denkbar ist, dass das Kind während der Erkrankung den früheren Ausbildungsbetrieb oder eine andere Ausbildungseinrichtung wegen einer (Wieder-)Aufnahme der Ausbildung konkret anspricht.

Im Streitfall hat das Finanzgericht keine genaueren Feststellungen zur Art voraussichtlichen Dauer der Erkrankung getroffen. Bei länger dauernder Erkrankung kommt eine Berücksichtigung als behindertes Kind in Betracht. Es fehlen auch nähere Feststellungen zur Frage der Ausbildungswilligkeit für den gesamten Streitzeitraum von April bis September 2017. A hat zwar im April 2017 gegenüber der Schule ihre weitere Ausbildungswilligkeit dokumentiert. Wegen der Aufnahme der Vollzeitbeschäftigung ab September 2017 könnte der Entschluss zur Aufnahme dieser Erwerbstätigkeit bereits im Zeitraum ab März 2017 gefasst worden sein.

  1. Privates Veräußerungsgeschäft: Fristbeginn bei Selbstbenennung 

Ist der Grundstückskaufvertrag mit einem befristeten Erwerberbenennungsrecht ausgestattet, kommt es zur Anschaffung im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts im Zeitpunkt der Selbstbenennung (Selbsteintritt). Das gilt selbst dann, wenn der Benennungsberechtigte das Grundstück mit dem späteren Fristablauf ohnehin erworben hätte. 

Hintergrund

Frau A schloss am 21.9.2000 einen Grundstückskaufvertrag, an dem das Bundesland X als „Veräußerer“ und die A als „Benenner“ beteiligt waren. Demnach verkauft X Teilflächen für zu errichtende Reihenhäuser an noch zu benennende Erwerber. A konnte bis zum 30.6.2002 Erwerber benennen. Nach Fristablauf galt sie selbst als Erwerber der Anteile, für die sie keinen Erwerber benannt hatte. A benannte am 20.8.2001 sich selbst und ihren Ehemann als Käufer einer Parzelle. Am 25.2.2011 veräußerten sie das Objekt mit Gewinn.

Das Finanzamt setzte für das Jahr 2011 Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften der Eheleute an. Bezüglich der Veräußerung der A ging das Finanzamt davon aus, dass A sich erst mit der Selbstbenennung am 20.8.2001 verbindlich zum Erwerb verpflichtete. Der Vertrag vom 21.9.2000 habe lediglich eine bedingte Verpflichtung enthalten.

Das Finanzgericht entschied, dass A das Objekt bereits am 21.9.2000 erworben und damit die 10-jährige Haltefrist eingehalten hatte. 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Klage ab. In dem Abschluss eines Käuferbenennungsvertrags liegt noch nicht die Annahme eines Kaufangebots. Die vertragliche Bindung ist erst durch den Selbsteintritt der A, d. h. hier am 20.8.2001 und damit innerhalb der Bindungsfrist eingetreten.

Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung sind die Zeitpunkte des Abschlusses der obligatorischen Verträge entscheidend. Bei einem unbedingten und nicht genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäft liegt die Bindung regelmäßig mit dem Vertragsabschluss vor. Auch bei einer aufschiebenden Bedingung tritt die Vertragsbindung bereits mit dem Rechtsgeschäft ein, da die Parteien die Vertragsbeziehungen nicht mehr einseitig lösen können.

In dem Grundstückskaufvertrag vom 21.9.2000 hat X als „Veräußerer“ zwar ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags abgegeben (sog. Angebot mit Benennungsrecht). In dem Abschluss des Käuferbenennungsvertrags liegt jedoch noch keine Annahme des Kaufangebots. Eine Bindung bestand zunächst nur für den Verkäufer. Erst mit der Benennung eines Käufers kommt es zur Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot. Dementsprechend kommt der Kaufvertrag mit dem vom Benennungsberechtigten Benannten zustande, wenn dieser das Angebot annimmt. So hat die A die Rechte aus dem Kaufangebot durch Benennung (Vertrag v. 20.8.2001) an ihren Ehemann abgetreten. Durch die Annahme des Kaufangebots durch den Ehemann („Erwerber“) ist der Kaufvertrag zwischen ihm und X wirksam innerhalb der Behaltefrist zustande gekommen.

Ebenso hat auch die A das Kaufangebot des X erst mit ihrer Benennung in der notariellen Urkunde am 20.8.2001 bindend angenommen. Durch die Selbstbenennung ist es zwar nicht zu einer Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot als Zwischengeschäft gekommen. Aber erst durch den Selbsteintritt hat A die erforderliche rechtsgeschäftliche Annahmeerklärung abgegeben und damit bindend zum Ausdruck gebracht, dass sie das Angebot annehmen und das Grundstück erwerben wolle. Vorher fehlte es an der für die Fristbestimmung maßgebenden rechtlichen Bindungswirkung. Bis zur Selbstbenennung hätte sie sich durch die einseitige Benennung eines Dritten als Erwerber einseitig von dem Kaufvertrag lösen können.

Steuerrecht Unternehmer

  1. Darf eine Buchhaltungsgesellschaft Hilfe in Steuersachen leisten?

Selbstständige Buchhalter sind nicht zur Steuerberatung berechtigt. Deshalb ist auch eine Buchhaltungsgesellschaft, die Lohnsteueranmeldungen durchführt, nicht berechtigt, einen Antrag auf Erlass eines Verspätungszuschlags zur Lohnsteueranmeldung zu stellen. 

Hintergrund

Die Klägerin ist ein selbstständiges Buchhaltungsbüro und führt Arbeiten nach § 6 Nr. 4 StBerG durch. Sie beantragte den Erlass eines Verspätungszuschlags für ihre Mandantin, die B-GmbH. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Klägerin mit der Stellung des Erlassantrags unbefugt geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen leistete und wies sie als Bevollmächtigte der B-GmbH insoweit zurück.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass das Finanzamt die Klägerin zu Recht bezüglich der Stellung eines Antrags auf Erlass eines Verspätungszuschlags zurückgewiesen hat.

Soweit ein Bevollmächtigter geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leiste, ohne dazu befugt zu sein, ist er mit Wirkung für alle anhängigen und künftigen Verwaltungsverfahren des Vollmachtgebers im Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörde zurückzuweisen. Ob jemand zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, richtet sich nach dem StBerG. Danach darf die Hilfeleistung in Steuersachen geschäftsmäßig nur von Personen und Vereinigungen ausgeübt werden, die hierzu befugt seien. Das Verbot gilt nicht für das Buchen laufender Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen der Lohnsteueranmeldungen.

Vorliegend hatte die Klägerin auch einen Antrag auf Erlass des Verspätungszuschlags zur Lohnsteueranmeldung gestellt. Aus § 6 Abs. 4 StBerG lässt sich diese Befugnis jedoch nicht ableiten. Ein Erlassantrag stellt auf sachliche oder persönliche Billigkeitsgründe ab, die die Klägerin im Rahmen ihrer Buchführungstätigkeiten für die B-GmbH nicht ohne Weiteres abschätzen kann. Dies soll im Interesse der Allgemeinheit und der Steuerpflichtigen anderen Personen als einem ausgebildeten steuerlichen Berater nicht überlassen werden.

  1. Messekosten: Wann erfolgt eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung?

Werden gemietete Wirtschaftsgüter nur bis zu 3-mal im Jahr für die Teilnahme an Fachmessen benötigt, stellen diese kein sog. fiktives Anlagevermögen dar. Eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung findet nicht statt.

 Hintergrund

Eine GmbH nahm im Jahr 2016 an 3 Fachmessen mit einer Gesamtdauer von 10 Tagen teil. Hierbei hat sie den Messestand jeweils gemietet. Das Finanzamt rechnete diese Mietaufwendungen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags hinzu. Der Einspruch der GmbH blieb erfolglos.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Zwar werden 20 % der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, bzw. 50 % der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, hinzugerechnet. Doch dazu gehören nicht die hier zu beurteilenden Aufwendungen für einen Messestand.

Es mangelt zum einen an einer feststellbaren Gegenleistung für die Überlassung von beweglichen oder unbeweglichen Wirtschaftsgütern. Die Aufwendungen sind eher für den Auf- und Abbau des Messestands erbracht worden. Bei anderen Kostenelementen könnte es sich zwar um Miet- und Pachtzinsen handeln. Doch ist in die Kosten des Messeveranstalters als Zahlungsempfänger wohl auch dessen Organisationsaufwand in die Kostenberechnung eingeflossen.

Schließlich sind die Aufwendungen nicht für Wirtschaftsgüter entstanden, die Anlagevermögen darstellen würden, wenn sie im Eigentum der Klägerin stünden – sog. fiktives Anlagevermögen. Für die Abgrenzung ist auf die Zweckbestimmung des Wirtschaftsguts in dem Betrieb abzustellen; dazu ist der jeweilige Geschäftsgegenstand des Unternehmens maßgeblich. Bei der Klägerin ist demnach für Wirtschaftsgüter eines Messestandes mit nur 3-maliger Nutzung im Jahr kein dauerhaftes Vorhandensein erforderlich.

  1. Schadensersatzklagen nach der Datenschutzgrundverordnung: Welches Gericht ist zuständig?

Wer gegen das Finanzamt auf Schadensersatz wegen Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung klagen möchte, muss sich an die Zivilgerichte wenden. Die Finanzgerichte sind insoweit nicht zuständig.

Hintergrund

Der Kläger machte vor dem Finanzgericht Schadensersatz geltend, da seiner Ansicht nach die Finanzverwaltung bei einer Betriebsprüfung gegen ihre Pflichten im Zusammenhang mit der Datenverarbeitung verstoßen hatte. Das Finanzgericht wies den Kläger darauf hin, dass es möglicherweise nicht zuständig ist, weil es sich um einen Amtshaftungsanspruch handele, der vor den Zivilgerichten geltend zu machen ist. Der Kläger hielt an seiner Auffassung fest, dass eine Zuständigkeit der Finanzgerichte besteht.

Entscheidung

Das Finanzgericht verwies das Verfahren an das Landgericht. Die Zuständigkeit des Finanzgerichts ist gegeben, wenn eine Abgabenangelegenheit vorliegt. Mit der Klage macht der Kläger aber keine Abgabenangelegenheit oder damit zusammenhängendes Begehren geltend, sondern er verlangt Schadensersatz aufgrund einer behaupteten rechtswidrigen Handlung des Finanzamts. Es wird damit ein Amtshaftungsanspruch geltend gemacht, für den eine Zuständigkeit der Zivilgerichte besteht. Auch ist der Finanzrechtsweg nur für Klagen im Zusammenhang mit der Verarbeitung von Daten durch die Finanzbehörden eröffnet. Für Schadensersatzklagen gilt dies nicht. Auch die DSGVO und das Europarecht sehen keine Sonderzuständigkeit der Finanzgerichte vor.

  1. Umsatzsteuer bei Verkauf von Backwaren zum Vor-Ort-Verzehr

Verkauft eine Bäckerei in Filialen Speisen zum Verzehr vor Ort, führt sie damit sonstige Leistungen aus, wenn Mehrweggeschirr und Mehrwegbesteck verwendet wird, das nach dem Verzehr der Speisen zurückgenommen und gereinigt wird. Vor Inkrafttreten des § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG unterlagen diese dem Regelsteuersatz.

Hintergrund

Die A stellt Backwaren her. In ihren Filialen stellt sie Geschirr, Tische und Bestuhlung zum Verzehr vor Ort bereit. Die meisten Filialen befanden sich in sog. Vorkassenzonen (nicht durch geschlossene Wände abgetrennte Eingangsbereiche) von Lebensmittelmärkten. Einige Filialen waren separat betriebene Ladengeschäfte.

In allen Filialen wurden die zum Verzehr vor Ort bestimmten Waren und Speisen direkt am Verkaufstresen an die Kunden abgegeben, die das Geschirr i. d. R. in bereitstehende Regale zurückgaben. Ansonsten räumte das Personal der A die Tische ab. Anschließend wurde das Geschirr von Arbeitnehmern der A gereinigt.

A meinte, dass die in der Gesamtleistung enthaltenen Dienstleistungen dem jeweiligen Umsatz nicht das Gepräge gaben. Der Umsatz war deshalb in der Gesamtschau als ermäßigt zu besteuernde Lieferung von Nahrungsmitteln zu qualifizieren.

Das Finanzamt und ihm folgend das Finanzgericht vertraten dagegen die Auffassung, dass die Dienstleistungselemente gegenüber den Lieferungselementen im Vordergrund standen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision als unbegründet zurück.

Die Abgabe von zubereiteten oder nicht zubereiteten Speisen und/oder Getränken „zusammen mit ausreichenden unterstützenden Dienstleistungen“, die deren sofortigen Verzehr ermöglichen, gelten als Restaurant- und Verpflegungs-Dienstleistung. Die Art der Zubereitung ist nicht entscheidend. Vielmehr müssen die unterstützenden Dienstleistungen zum einen ausreichend sein, um den sofortigen Verzehr dieser Speisen zu gewährleisten, und zum anderen im Verhältnis zu deren Abgabe überwiegen. Dabei sind Aspekte wie Service, Garderoben, Toiletten und die Bereitstellung von Geschirr, Mobiliar oder Gedeck zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind Dienstleistungen und Verzehrvorrichtungen ohne Mitbenutzungsrecht eines Dritten.

Nach diesen Grundsätzen liegt bei der Abgabe von Speisen zum Mitnehmen eine ermäßigt zu besteuernde Lieferung vor. Die Schwelle zum Restaurantumsatz ist jedoch überschritten, wenn standardisiert zubereitete Speisen durch einen Imbissstand zum Verzehr an einem Tisch mit Sitzgelegenheiten abgegeben werden. Denn die Bereitstellung von Mobiliar mit Geschirr und Besteck erfordert einen gewissen Personaleinsatz.

A hat den Kunden nicht nur Backwaren und Fast-Food verkauft, sondern diesen gegenüber auch zusätzliche Dienstleistungen erbracht, indem sie neben der Zubereitung der standardisierten Produkte zum Verzehr Tische und Sitzmöglichkeiten sowie Tassen, Geschirr und Besteck zur Verfügung gestellt hat. Das Mobiliar war sowohl aus objektiver Empfängersicht als auch nach den objektiven Gegebenheiten ausschließlich zur Nutzung durch die Kunden der A bestimmt. Aufgrund dieser Dienstleistungen (Verzehrvorrichtungen, Serviceleistungen, Geschirrstellung) war nach der Sicht des Durchschnittsverbrauchers der Dienstleistungscharakter in den Vordergrund getreten, sodass die Gesamtleistung als Restaurationsleistung und damit Dienstleistung zu qualifizieren war. Der personelle Einsatz konnte insbesondere im Vergleich mit einem Außer-Haus-Verkauf nicht mehr als nur geringfügig angesehen werden.

  1. Verluste aus gewerblicher Tätigkeit durch Verwertung von Markenrechten und Internetdomains.

Die Verwertung von Markenrechten und Internetdomains stellt eine gewerbliche Tätigkeit dar, wenn sie mit Gewinnerzielungsabsicht und unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ausgeübt wird.

Hintergrund

Der Kläger ließ sich seit 1998 Markenrechte auf Vorrat gegen Zahlung einer entsprechenden Gebühr eintragen, entwickelte Markennamen, die er sich schützen ließ und erwarb passende Internetdomains. Der Kläger hatte bis zum Jahr 2011 insgesamt 347 Markenrechte erworben und davon 13 an 7 verschiedene Erwerber veräußert.

Das Finanzamt war der Ansicht, dass keine gewerbliche Tätigkeit vorlag, da der Kläger nicht selbst werbend tätig wurde, sondern auf Kontaktaufnahme von Seiten der Kunden wartete. Die Verluste wurden dementsprechend steuerlich nicht berücksichtigt.

Der Kläger vertrat die Auffassung, dass es sich um ein fehlgeschlagenes Investment und nicht um Liebhaberei handelte. Die Höhe der Investitionen und Zeitdauer der Tätigkeit deuteten eindeutig auf einen Gewerbebetrieb hin. Darüber hinaus hatte eine vorhergehende Betriebsprüfung eine gewerbliche Tätigkeit anerkannt, wodurch ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden war.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass der Kläger die Tätigkeit selbstständig und nachhaltig ausübte, da er über einen Zeitraum von mehreren Jahren Markenrechte eintragen ließ, um diese gegen Entgelt zu veräußern. Durch die Absicht, diese an jeden Interessenten, der bereit war, als Gegenleistung ein marktübliches Entgelt zu zahlen, zu übertragen, nahm er am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil. Durch die Eintragung im Register ist er ausreichend nach außen in Erscheinung getreten. Aus einem weitergehenden werblichen Auftreten hätte ersichtlich werden können, dass diese Marken nicht benutzt werden. Dies hätte zur Folge haben können, dass Marken gelöscht und damit wertlos werden.

Auch das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht konnte das Finanzgericht nicht feststellen. Die Geschäftsidee war risikobehaftet, was jedoch nicht die Feststellung des Fehlens einer Gewinnerzielungsabsicht zuließ. Entscheidend für eine Gewerblichkeit der Tätigkeit war für das Finanzgericht, dass der Kläger die Markenrechte nicht nur an- und verkauft, sondern dass er diese durch Namengebung und Registereintragung selbst geschaffen hat.

  1. Vorsteuerabzug: Voraussetzung ist eine ordnungsgemäße Rechnung

Bei mehreren Unternehmen einer Firmengruppe, die unter derselben Anschrift ansässig sind, muss in Eingangsrechnungen das Unternehmen genannt sein, das die jeweilige Leistung tatsächlich bezogen hat. Ist jeweils ein anderes Unternehmen der Firmengruppe als Leistungsempfänger bezeichnet, können diese Rechnungen nicht mit Rückwirkung berichtigt werden.

Hintergrund

Die Klägerin ist eine GbR, an der in verschiedene Mitglieder der Familie A und die A GmbH & Co. OHG als Gesellschafter beteiligt waren. Die OHG betrieb eine Vorsorge- und Rehabilitationsklinik. Die Klägerin erzielte Umsätze aus Vermietung und Verpachtung von eigenen oder geleasten Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen. Dabei führte sie sowohl umsatzsteuerpflichtige als auch umsatzsteuerfreie Leistungen aus.

Das Finanzamt beanstandete Rechnungen, die an folgende Adressaten bzw. angebliche Leistungsempfänger ausgestellt worden waren: „Hotel C“, „D Hotel-Betriebsgesellschaft“, „Architekt E für Hotel C“, „Gesundheitszentrum F zu Händen Herrn F“, A GmbH & Co. KG zu Händen F und „F“. Es erfolgten Vorsteuerkürzungen für die Jahre 2009 bis 2011. Im Jahr 2016 veranlasste die Klägerin die Berichtigung der überwiegenden Anzahl der vom Finanzamt beanstandeten Rechnungen hinsichtlich der Bezeichnung des Leistungsempfängers. Der Vorsteuerabzug für 2009 bis 2011 wurde dennoch verweigert. 

Entscheidung

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Das Finanzamt hat den Vorsteuerabzug sowohl aus den ursprünglichen Rechnungen als auch aus den berichtigten Rechnungen zu Recht abgelehnt. Die „Berichtigung“ der beanstandeten Rechnungen hat keine Rückwirkung.

Die Nennung des vollständigen Namens und der Adresse des Leistungsempfängers stellt eine fundamentale Angabe jeder Rechnung dar, sodass bei klaren Mängeln eine rückwirkende Berichtigung nicht in Betracht kommt. Der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist zu entnehmen, dass dann nicht von berichtigungsfähigen Rechnungen auszugehen ist, wenn es diesen an der richtigen Bezeichnung des Leistungsempfängers fehlt, weil dann nämlich keine Rechnung vorliegt.

Die Entscheidung steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der er eine Rechnungsberichtigung bei einem fehlenden Rechtsformzusatz für zulässig erachtet hatte. Der vorliegende Fall ist damit nicht vergleichbar, weil hier unter derselben Adresse verschiedene Unternehmen mit unterschiedlichen Firmennamen ansässig waren, die zudem teilweise steuerpflichtige und teilweise steuerfreie Umsätze ausführten.

  1. Wenn ein Istversteuerer Leistungen an einen anderen Istversteuerer erbringt

Der jahrelangen deutschen Praxis, dass der Vorsteuerabzug auch dann bereits im Zeitpunkt des Bezugs der Leistung möglich ist, auch wenn der Leistende als Istversteuerer sein Entgelt noch nicht erhalten hat und damit seine Ausgangssteuer noch nicht entstanden ist, hat der Europäische Gerichtshof verworfen. 

Hintergrund

Die Beteiligten streiten darum, ob der Vorsteuerabzugsanspruch des Leistungsempfängers nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG bereits mit der Ausführung der Leistung oder erst mit der Entrichtung des Entgelts entsteht, wenn der Leistungserbringer die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet (sog. Istversteuerer).

Die Klägerin erzielte in den Streitjahren Umsätze mit der Vermietung eines Gewerbegrundstücks, das sie ihrerseits gemietet hatte. Sowohl die Klägerin als auch ihre Vermieterin hatten wirksam auf die Steuerbefreiung für derartige Vermietungsumsätze verzichtet und somit zur Umsatzsteuer optiert. Beiden war von der Finanzverwaltung gestattet worden, die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten, sondern nach den vereinnahmten Entgelten zu berechnen.

Ab dem Jahr 2004 wurden die Mietzahlungen der Klägerin teilweise gestundet. Dies hatte zur Folge, dass die Klägerin in den Streitjahren 2013 – 2016 Zahlungen für die Grundstücksüberlassung in den Jahren 2009 – 2012 leistete. In den Zahlungen waren jeweils 19 % Umsatzsteuer enthalten. Die Klägerin machte ihren Vorsteuerabzugsanspruch – unabhängig von dem Mietzeitraum, für den die Zahlungen bestimmt waren – immer in dem Voranmeldezeitraum bzw. Kalenderjahr geltend, in dem die Zahlung erfolgte.

Das beklagte Finanzamt beanstandete dieses Vorgehen und erließ geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2013 – 2016. Nach Auffassung des Finanzamts war der Vorsteuerabzug bereits mit der Ausführung des Umsatzes – hier der monatsweisen Überlassung des Grundstücks – entstanden und hätte daher jeweils für den entsprechenden Zeitraum geltend gemacht werden müssen.

Die Klägerin machte geltend, dass die angegriffenen Bescheide gegen die MwStSystRL verstießen und die Auffassung des Finanzamts, wonach das Vorsteuerabzugsrecht immer schon mit der Ausführung des Umsatzes entstehe, nicht zutreffend ist. Wenn der Leistende seine Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet, entsteht der Vorsteueranspruch des Leistungsempfängers vielmehr erst dann, wenn der Leistungsempfänger das Entgelt entrichtet hat.

Im Hinblick auf das nationale Recht folgte das Finanzgericht Hamburg der Rechtsauffassung des Finanzamts. Das Finanzgericht hatte jedoch Zweifel, ob die nationale Rechtslage vereinbar mit Art. 167 der MwStSystRL ist. Nach dem Wortlaut dieser Norm entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, „wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht“.

Entscheidung

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, Art. 167 MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der das Recht auf Vorsteuerabzug bereits im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes entsteht, wenn der Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer nach einer nationalen Abweichung gem. Art. 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL erst bei Vereinnahmung des Entgelts entsteht und dieses noch nicht gezahlt worden ist.

Zunächst stellt der Europäische Gerichtshof fest, dass der Wortlaut von Art. 167 MwStSystRL klar und unzweideutig ist. Die Vorschrift stellt die allgemeine Regel auf, dass das Recht des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer auf die entsprechende abziehbare Steuer entsteht.

Weiter stellt der Europäische Gerichtshof fest, dass nach Art. 63 MwStSystRL Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt eintreten, zu dem die Leistung erbracht wird. Nach Art. 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL können die Mitgliedstaaten jedoch abweichend u. a. von Art. 63 MwStSystRL vorsehen, dass der Steueranspruch für bestimmte Umsätze oder Gruppen von Steuerpflichtigen spätestens bei der Vereinnahmung des Preises entsteht. Da Art. 66 MwStSystRL eine Abweichung von Art. 63 MwStSystRL darstellt, ist Art 66 eng auszulegen. Um zu einer Auslegung zu gelangen, bei der Art. 66 Abs. 1 Buchst. b und Art. 167 MwStSystRL, nach dem das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht, miteinander in Einklang stehen, muss somit in Fällen, in denen der Steueranspruch gem. Art. 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL spätestens bei der Vereinnahmung des Preises entsteht, auch das Recht auf Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt der Vereinnahmung des Preises entstehen.

Schließlich führt der Europäische Gerichtshof aus, Art. 167a MwStSystRL ist eine fakultative Regelung, die die Mitgliedstaaten vorsehen können und deren Anwendung wiederum zu der Abweichung gehört, die bereits durch Art. 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL vorgesehen ist. Der Zusammenhang zwischen dem Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer und dem Recht des Steuerpflichtigen auf sofortigen Vorsteuerabzug kann daher nur in Fällen des Art. 167a MwStSystRL aufgehoben werden.