Ihre Mandanteninformationen

 

Juli 2022

 

Liebe Mandantin, lieber Mandant,

auch im vergangenen Monat hat sich rund um Steuern, Recht und Betriebswirtschaft einiges getan. Über die aus unserer Sicht wichtigsten Neuregelungen und Entscheidungen halten wir Sie mit Ihren Mandanteninformationen gerne auf dem Laufenden. Zögern Sie nicht, uns auf einzelne Punkte anzusprechen, wir beraten Sie gerne!

Mit steuerlichen Grüßen

 

Inhalt

Arbeitsrecht
1. Warum Arbeitgeber bei vorzeitiger Kündigung nicht immer die Rückzahlung von Fortbildungskosten verlangen können
2. Wiedereinstellungsanspruch kann nicht bei einer Insolvenz geltend gemacht werden
GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
1. Ratenweise Bezahlung einer Vermittlungsleistung in den Folgejahren: Wann entsteht die Steuer?
2. Wegzugsbesteuerung bei Übertragung von GmbH-Anteilen an einen USA-Ansässigen
Kapitalanlage und Versicherung
1. Altersvorsorgeberatung: Wann der Versicherungsvermittler wegen Falschberatung haftet
Land- und Forstwirtschaft
1. Durchschnittsatzbesteuerung: Steuerliche Behandlung von Ausgleichszahlungen aus Aufhebungsvertrag
Lohn und Gehalt
1. Was Sie zur einmaligen Energiepreispauschale vom Arbeitgeber wissen müssen
Sonstige Steuern
1. Gilt die Einziehung von Geschäftsanteilen als Schenkung?
2. Wenn mehrere Nacherbschaften zusammentreffen: Welche Freibeträge gelten?
Steuerrecht Privatvermögen
1. Zur Anlaufhemmung bei Abgabe der Erklärung beim unzuständigen Finanzamt
Steuerrecht Unternehmer
1. Entgeltlich bestellter Nießbrauch: Einkünfte oder Kaufpreiszahlungen?
2. Hotel-Zusatzleistungen: Welcher Umsatzsteuersatz gilt?
3. Investitionsabzugsbetrag: So wird die betriebliche Nutzung nachgewiesen
4. Repräsentationszweck führt zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs
5. Steuersatz: Beigegebene Sachprämie bei Zeitschriftenabonnement
6. Übersiedlung eines Fahrzeugs bei Wohnsitzverlegung: Wann Einfuhrabgaben anfallen
7. Zum 10-Tages-Zeitraum bei Umsatzsteuerzahlung im Januar

 

 

Arbeitsrecht

  1. Warum Arbeitgeber bei vorzeitiger Kündigung nicht immer die Rückzahlung von Fortbildungskosten verlangen können

 Rückzahlungsvereinbarungen über Fortbildungskosten sind zwar grundsätzlich zulässig. Eine Rückzahlungspflicht bei einer gesundheitsbedingten Eigenkündigung benachteiligt jedoch die betroffene Arbeitnehmerin unangemessen, sodass die Rückzahlungsverpflichtung unwirksam sein kann.

Hintergrund

Von Juni 2017 bis Januar 2020 war die Klägerin als Altenpflegerin in einer Reha-Klinik beschäftigt. Im Jahr 2019 nahm sie an einer Fortbildung zum „Fachtherapeut Wunde ICW“ an 18 Arbeitstagen teil. Der mit dem Arbeitgeber geschlossene Fortbildungsvertrag regelte, dass der Arbeitgeber die Kosten übernimmt, während die Arbeitnehmerin sich für mindestens 6 Monate nach dem Ende der Fortbildung zu einer Bindung an den Arbeitgeber verpflichtete. Für den Fall einer vorzeitigen Eigenkündigung wurde zudem eine Rückzahlungspflicht vereinbart.

Als die Klägerin nach erfolgreich abgeschlossener Fortbildung fristgerecht zu Februar 2020 kündigte, forderte der Arbeitgeber im Hinblick auf die Rückzahlungsklausel im Vertrag, die Kosten von ihr anteilig zurück. Die Klägerin verweigerte dies mit der Begründung, dass sie aus gesundheitlichen Gründen gekündigt hatte. Die Klausel benachteiligte sie unangemessen, da sie das Arbeitsverhältnis unverschuldet nicht weiterführen konnte.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht erklärte die Klausel zur Rückzahlungsverpflichtung im Fortbildungsvertrag für unwirksam, da sie die Klägerin unangemessen benachteiligte. Rückzahlungsvereinbarungen über Fortbildungskosten sind zwar grundsätzlich zulässig sind. Im Einzelfall könnten sie Arbeitnehmende jedoch unangemessen benachteiligen. Insbesondere ist es nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht allein an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung der Beschäftigten innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen.

Hier muss vielmehr nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden. Eine Verpflichtung zur Kostenübernahme bei vorzeitigem Ausscheiden benachteiligt Arbeitnehmende unangemessen, wenn diese es nicht in der Hand haben, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen, wie z. B. bei vertragswidrigem Verhalten des Arbeitgebers. Gleiches ist anzunehmen, wenn es Arbeitnehmern wie im vorliegenden Fall krankheitsbedingt unverschuldet und auf Dauer nicht möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Auch dann ist eine Bindung der Beschäftigten an das Arbeitsverhältnis unangemessen und nicht gerechtfertigt.

  1. Wiedereinstellungsanspruch kann nicht bei einer Insolvenz geltend gemacht werden

Bei einem Betriebsübergang können Beschäftigte einen Anspruch auf Wiedereinstellung durch den Betriebsnachfolger haben. Dieser Anspruch erlischt jedoch bei einer Insolvenz spätestens mit Insolvenzeröffnung.

Hintergrund

Der Arbeitnehmer war seit 1986 als Versandleiter bei einem Betten- und Matratzenhersteller mit rund 300 Beschäftigten tätig. 2018 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wirksam zu Ende Juli 2019 aus betriebsbedingten Gründen wegen der geplanten Stilllegung des Betriebs.

Noch während der Kündigungsfrist kam es nach Ansicht des Arbeitnehmers zu einem Betriebsübergang. Entgegen den ursprünglichen Planungen war der Betrieb nicht stillgelegt, sondern die Produktion der Matratzen und Betten mit den vorhandenen Maschinen und Produktionsstraßen ab August 2019 von einem neuen Arbeitgeber ausgeführt worden.

Der Arbeitnehmer verlangte daher von dem neuen Arbeitgeber, der etwa 20 Arbeitnehmer beschäftigte, seine Wiedereinstellung. Gegen eine von diesem vorsorglich erklärte Kündigung erhob er fristgerecht Kündigungsschutzklage. Während des Berufungsverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des neuen Arbeitgebers eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Das Verfahren wurde dadurch unterbrochen. Der Arbeitnehmer erklärte mit Schriftsatz vom 29.6.2020 die Aufnahme des Verfahrens. Der Insolvenzverwalter widersprach der Aufnahme.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass in der Insolvenz des Arbeitgebers kein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers besteht. Wenn ein solcher Anspruch vor Insolvenzeröffnung bereits gegenüber dem insolventen Arbeitgeber entstanden ist, erlischt er mit Insolvenzeröffnung. Denn die Insolvenzordnung bindet den Insolvenzverwalter nur an bereits vom insolventen Arbeitgeber begründete Arbeitsverhältnisse. Es gibt für den Insolvenzverwalter keinen Zwang zum Abschluss eines Arbeitsvertrags. Einen solchen Zwang kann nur der Gesetzgeber anordnen.

Die Revision des Arbeitnehmers hatte jedoch aus prozessualen Gründen Erfolg. Der Wiedereinstellungsanspruch kommt zum Tragen, wenn sich die bei Zugang der Kündigung noch zutreffende Prognose des Arbeitgebers, dass der Beschäftigungsbedarf bei Ablauf der Kündigungsfrist entfällt, etwa wegen eines Betriebsübergangs, als fehlerhaft erweist. Zwar besteht ein solcher Anspruch in der Insolvenz nicht, sodass der Rechtsstreit an sich nicht ZPO unterbrochen wird.

Da im vorliegenden Fall jedoch mit dem Wiedereinstellungsanspruch zugleich die Wirksamkeit der Kündigung angegriffen wird, führt das auch zur Unterbrechung des Rechtstreits über die Wiedereinstellung. Umgekehrt hat die Aufnahme des Kündigungsrechtsstreits, für die es genügt, dass bei Obsiegen des Arbeitnehmers Masseverbindlichkeiten entstehen können, auch die Aufnahme des Streits über die Wiedereinstellung zur Folge.

 

GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer

  1. Ratenweise Bezahlung einer Vermittlungsleistung in den Folgejahren: Wann entsteht die Steuer?

 Wird eine ratenweise Bezahlung einer Vermittlungsleistung in den Folgejahren vereinbart, begründet dies keine Uneinbringlichkeit i. S. v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG.

Hintergrund

Die T-GmbH (Auftraggeberin) hatte die X (Auftragnehmerin) beauftragt, im Rahmen eines Grundstückskaufs zu vermitteln. X war von Januar bis September 2012 tätig. Der Grundstückskaufvertrag wurde im Jahr 2012 abgeschlossen. Vereinbart war ein Honorar von netto 1 Mio. EUR, das in 5 Teilbeträgen von netto 200.000 EUR im Abstand von jeweils einem Jahr gezahlt werden sollte. Der erste Teilbetrag war am 30.6.2013 fällig. X erstellte jeweils zum Fälligkeitszeitpunkt Rechnungen über die Teilbeträge und versteuerte entsprechend der Vereinnahmung beginnend im Jahr 2013.

Das Finanzamt ging davon aus, dass X aufgrund der im Jahr 2012 erbrachten Vermittlungsleistung das gesamte Vermittlungshonorar bereits im Jahr 2012 zu versteuern hatte.

Das Finanzgericht gab der Klage überwiegend statt. Im Jahr 2012 war lediglich der im Folgejahr (Juni 2013) fällige erste Teilbetrag von 200.000 EUR zu erfassen. Im Übrigen war wegen der hinausgeschobenen Fälligkeit über mehr als 2 Veranlagungszeiträume von einer Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG auszugehen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Es liegt keine Uneinbringlichkeit i. S. v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG vor.

Die Nichtbezahlung eines Teilbetrags der Vergütung vor seiner Fälligkeit bei Vorliegen einer Ratenzahlungsvereinbarung ist nicht als Nichtbezahlung des Preises einzustufen. Sie mindert deshalb nicht die Bemessungsgrundlage. Eine vor ihrem Zahlungstermin nicht fällige Honorarrate ist nicht gleichzusetzen mit der nur teilweisen Erfüllung der bestehenden Forderung.

Dem schließt sich der Bundesfinanzhof für die Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit in § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG an. Die Uneinbringlichkeit liegt somit nicht bereits aufgrund der Vereinbarung einer Ratenzahlung vor. Damit erweist sich das Urteil des Finanzgerichts, wonach bei einer hinausgeschobenen Fälligkeit über mehr als 2 Besteuerungszeiträume Uneinbringlichkeit anzunehmen ist, als unzutreffend.

  • 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 UStG ordnet eine Steuerentstehung mit Leistungsausführung auch für Teilleistungen an. Teilleistungen liegen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird.

Im Streitfall ist offen, ob die Voraussetzungen für eine Teilleistung vorliegen. Zwar ist das Finanzgericht von einer nur „einmaligen Leistung“ ausgegangen. Das Finanzgericht hat dies damit begründet, dass eine abweichende Auslegung der Honorarvereinbarung, wie die X dies mit einer nachträglich gefertigten Ergänzungsvereinbarung erreichen möchte, nicht in Betracht kommt. Denn aus dieser ergibt sich nicht, ob die darin getroffenen Vereinbarungen bereits zum Zeitpunkt der ursprünglichen Honorarvereinbarung bestanden haben. Damit käme es zur Steuerentstehung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG (Sollbesteuerung).

Diese Würdigung ist aber für den Senat nicht bindend, da die X als Revisionsbeklagte hierzu eine zulässige und begründete Verfahrensgegenrüge erhoben hat.

Das Finanzgericht wird neben der Auslegung der schriftlich abgeschlossenen Vereinbarungen auch zusätzliche Erkenntnisse aus einer weitergehenden Beweiserhebung berücksichtigen müssen.

  1. Wegzugsbesteuerung bei Übertragung von GmbH-Anteilen an einen USA-Ansässigen

 Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft auf einen beschränkt Steuerpflichtigen unentgeltlich übertragen, ist das Recht Deutschlands zur Besteuerung der in den übertragenen Anteilen ruhenden stillen Reserven nicht ausgeschlossen oder beschränkt.

Hintergrund

Der Vater V übertrug im Jahr 2009 an seinen Sohn S, der die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besaß und im Zeitpunkt der Übertragung in den USA ansässig war, einen Geschäftsanteil an einer GmbH mit Sitz im Inland. Das Vermögen der GmbH bestand überwiegend aus im Inland belegenem Grundvermögen. In unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hatte V weitere Geschäftsanteile an der GmbH an seine Ehefrau E übertragen.

Das Finanzamt behandelte die Übertragungen auf S und E als teilentgeltliche Erwerbe und setzte für V einen steuerpflichtigen Übertragungsgewinn für die Übertragung auf S und E an.

Für den unentgeltlichen Teil der Übertragung auf S bejahte das Finanzamt die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG. Es ermittelte einen (weiteren) Veräußerungsgewinn und setzte die Einkommensteuer für V entsprechend fest.

Das Finanzgericht folgte dem Finanzamt und wies die gegen die Wegzugsbesteuerung gerichtete Klage des V ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof sah § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG im Streitfall als erfüllt an und entschied, dass eine einschränkende Auslegung nicht in Betracht kommt.

V hat die Anteile an der GmbH, an der er innerhalb der letzten 5 Jahre zu mindestens 1 % beteiligt war, durch teilweise unentgeltliches Rechtsgeschäft auf seinen nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Sohn S übertragen. Damit sind bei V dem Wortlaut nach die Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG erfüllt.

  • 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG ist weder aus teleologisch-historischen noch aus systematischen Gründen einschränkend dahingehend auszulegen, dass durch die unentgeltliche Anteilsübertragung auf einen beschränkt Steuerpflichtigen das Recht Deutschlands zur Besteuerung der in den unentgeltlich übertragenen Anteilen ruhenden stillen Reserven ausgeschlossen oder beschränkt werden müsste.

Die mit der Revision verfolgte einengende Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG ist auch nicht aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten. Denn eine verfassungskonforme Auslegung scheidet aus, wenn sie dem Wortlaut der auszulegenden Norm sowie dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes widerspricht.

Die Norm durchbricht zwar das Realisationsprinzip, nach dem Wertzuwächse grundsätzlich erst bei einer transaktionsbezogenen Gewinnrealisierung erfasst werden dürfen. Jedoch ist ausnahmsweise die Abrechnung der vorhandenen stillen Reserven bereits vorher ohne Transaktion zulässig, wenn ein späterer Steuerzugriff (z. B. aufgrund von DBA) nicht mehr oder nur eingeschränkt möglich wäre. § 6 Abs. 1 AStG verlagert damit lediglich die Besteuerung zeitlich vor, die nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG grundsätzlich vorgesehen ist.

Die einengende Auslegung ist im Streitfall auch nicht unionsrechtlich geboten. Zwar ist bei einer Schenkung von Anteilen die Kapitalverkehrsfreiheit einschlägig. Damit stellt sich jedoch nicht die Frage der Rechtfertigung der sofortigen Entstrickungsbesteuerung nach § 6 AStG. Denn die sog. Standstill-Klausel greift ein, weil mit der Übertragung der Anteile von V auf S eine Direktinvestition vorliegt und § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG für Schenkungen seit dem Stichtag (31.12.1993) unverändert gegolten hat. V kann sich damit nicht auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen.

Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 24 Abs. 1 DBA-USA (Verbot der höheren Besteuerung von Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaats) vor. Dieses Verbot greift schon deshalb nicht ein, weil die Steuerpflicht des V nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an den Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt des S als Erwerber anknüpft.

 

Kapitalanlage & Versicherung

  1. Altersvorsorgeberatung: Wann der Versicherungsvermittler wegen Falschberatung haftet

 Versicherungsvermittler müssen bei der Beratung im Rahmen einer Rürup-Rente die persönliche Situation des Versicherungsnehmers berücksichtigen. Auch müssen sie darauf hinweisen, dass Anleger nicht vorzeitig an ihr Geld kommen. Sonst droht u. U. wegen Falschberatung eine Schadensersatzforderung des Anlegers.

Hintergrund

Der Kläger (41) stand gerade am Ende eines Privatinsolvenzverfahrens und war auf dem Sprung, sich selbstständig zu machen. Ein Versicherungsvermittler vermittelte ihm eine Rürup-Rente zur Altersvorsorge. Abgeschlossen wurde der Vertrag im Jahr 2010, die monatlichen Beiträge i. H. v. 200 EUR sollten bis zum Jahr 2036 gezahlt werden.

Infolge der speziellen Konstruktion und der steuerlichen Förderung der Rürup-Rente war ein Zugriff auf das eingezahlte Kapital vor Ablauf des Vertrags am 1.10.2036 nicht möglich.

Der Kläger zahlte eine Zeit lang die vereinbarten Beiträge. Nach 5 Jahren machte er geltend, dass er beim Abschluss des Vertrags falsch beraten worden war. Der Vermittler hatte ihn nicht darauf hingewiesen, dass er bis zum Zeitpunkt des Rentenbeginns nicht mehr an sein Geld kommt. Hätte er das gewusst, hätte er den Vertrag nicht abgeschlossen, so der Kläger.

Von der Versicherung verlangte er die Rückzahlung der bislang geleisteten Beiträge wegen Falschberatung. Doch diese stellte den Vertrag lediglich beitragsfrei.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht gab dem Kläger Recht. Die Versicherungsgesellschaft und der Vermittler sind zum Schadensersatz verpflichtet, weil die Beratung des Vermittlers fehlerhaft war.

Konkret ist der Vermittler zum Schadensersatz i. H. v. 11.600 EUR verpflichtet, weil er seine Beratungspflichten verletzt hat.

Nach Auffassung des Gerichts lag keine ordnungsgemäße Beratungsdokumentation vor. Das führt dazu, dass die Beweislast für die Einhaltung der Dokumentationspflichten beim Versicherungsvermittler liegt.

Der Vermittler hat seine Beratungspflichten in 2-facher Hinsicht verletzt. Zum einen, weil er nicht darüber aufgeklärt habe, dass der Anleger nicht vorzeitig an sein Kapital kommt. Zum anderen, weil die Rürup-Rente keine geeignete Anlage für den Kläger war.

Der Hinweis zur fehlenden Möglichkeit, sich das angesparte Kapital vorzeitig auszahlen zu lassen, war eine grundlegende Information, über die der Versicherer bzw. der Versicherungsvertreter den Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrags hätte aufklären müssen. Denn i. d. R. ist bei privaten Rentenversicherungsverträgen eine vorzeitige Auszahlung schon möglich. Die Rürup-Rente ist insoweit ein Spezialfall, weil hier gesetzliche Regelungen im Zusammenhang mit den gewährten Steuervorteilen dazu führten, dass eine vorzeitige Auszahlung nicht möglich ist.

Die zweite Pflichtverletzung des Vermittlers sah das Gericht darin, dass die Rürup-Rente für den eben aus der Privatinsolvenz kommenden Versicherten, der sich selbstständig machen wollte, kein geeignetes Vorsorge-Produkt war. Die wirtschaftliche Situation des Klägers war zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit vielen offenen Fragen behaftet gewesen.

Eine private Rentenversicherung, bei der sich der Versicherungsnehmer auf 26 Jahre festlegt und eine vorzeitige Rückzahlung der Beiträge nicht möglich war, ist nicht zweckmäßig gewesen.

Der Versicherer haftet für den Beratungsfehler des Versicherungsvermittlers gemeinsam mit diesem als Gesamtschuldner.

 

Land- und Forstwirtschaft

  1. Durchschnittsatzbesteuerung: Steuerliche Behandlung von Ausgleichszahlungen aus Aufhebungsvertrag

 Wenn ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb eine Entschädigung für die vorzeitige Aufhebung einer Abnahmeverpflichtung für landwirtschaftliche Erzeugnisse erhält, unterliegt diese der Durchschnittsatzbesteuerung.

Hintergrund

Die Klägerin ist eine GbR und führt einen landwirtschaftlichen Gemüseanbaubetrieb. Zwischen ihr und einer „Obst- und Gemüse GmbH & Co. KG“ (OG KG) bestand seit 2011 ein Vertrag, aufgrund dessen die OG KG verpflichtet war, regelmäßig 70 % der von der Klägerin erzeugten Ware zu durchschnittlichen Preisen abzunehmen und zu vermarkten. Die Klägerin war wiederum verpflichtet, die Qualitätsanforderungen der OG KG zu erfüllen und diese zu beliefern. Der Vertrag konnte ordentlich mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres, erstmals zum 31.12.2015, gekündigt werden.

Mit Vertrag vom 30.6.2013 einigten sich die Klägerin und die OG KG in einem schriftlichen Vertrag auf eine „Gesamtbereinigung der Verhältnisse“ zwischen den Vertragsparteien und auf die Aufhebung des Lieferungsvertrags zum 31.5.2013 bzw. 1.6.2013. Alle wechselseitigen Rechtsansprüche – insbesondere alle Rechte und Pflichten aus dem Anlieferungsverhältnis – wurden durch den Vertrag abgegolten, soweit dort nicht etwas Abweichendes vereinbart wurde.

Zum Ausgleich der aufgrund der vorzeitigen Vertragsauflösung entstehenden Einbußen musste die OG KG eine Zahlung i. H. v. 110.000 EUR zzgl. 10,7 % Umsatzsteuer an die Klägerin leisten. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Abstandszahlung mit dem Regelsteuersatz von 19 % umsatzsteuerlich zu erfassen ist.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass die vereinbarte Zahlung i. H. v. 110.000 EUR für den Ausgleich der aufgrund der vorzeitigen Vertragsauflösung entstandenen Einbußen nicht der Regelbesteuerung unterliegt.

Aufgrund der getroffenen Vereinbarung war zunächst von einem entgeltlichen Leistungsaustausch auszugehen. Die Zahlung war nach dem Wortlaut der Vereinbarung darauf gerichtet, die entstehenden Einbußen zu kompensieren. Gegenleistung ist danach der Verzicht auf die bis dahin bestehende Abnahmeverpflichtung, die ordentlich frühestens zum 31.12.2015 hätte gekündigt werden können.

Die zu zahlende Vergütung rührt somit unmittelbar aus der Tätigkeit der Klägerin. Die Vertragsparteien haben im Aufhebungsvertrag die Entschädigung für denjenigen Zeitraum vereinbart, bis eine ordentliche Kündigung möglich gewesen wäre. Somit ist die Zahlung nicht vergleichbar z. B. mit dem Verkauf des Anlagevermögens, sondern ist als Ersatz gleichzusetzen mit den aus dem Verkauf der selbsterzeugten Waren erzielten Umsätzen.

Voraussetzung für die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung ist, dass der Umsatz „im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes“ ausgeführt wurde. Eine Zuordnung hängt davon ab, ob die Tätigkeit dem Wesen nach im Rahmen des Betriebs ausgeführt worden ist. Durch den Aufhebungsvertrag wurde insbesondere die Verpflichtung der OG KG, Ware bei der Klägerin abzunehmen, beendet – die Abstandszahlung ist daher dem landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin zuzuordnen.

 

Lohn und Gehalt

  1. Was Sie zur einmaligen Energiepreispauschale vom Arbeitgeber wissen müssen

Die Energiepreispauschale i. H. v. 300 EUR soll einen Ausgleich für die aktuell hohen Energiepreise schaffen. Beschäftige sollen sie in den überwiegenden Fällen im September 2022 vom Arbeitgeber ausgezahlt bekommen.

Hintergrund

An Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wird die Energiepreispauschale vom Arbeitgeber ausgezahlt, wenn sie zum 1.9.2022

  • in einem gegenwärtigen ersten Dienstverhältnis stehen und
  • in eine der Steuerklassen I bis V eingereiht sind oder
  • als geringfügig Beschäftigte pauschal besteuerten Arbeitslohn beziehen.

Arbeitgeber sollen die Energiepreispauschale mit der ersten, nach dem 31.8.2022 vorzunehmenden regelmäßigen Lohnzahlung auszahlen.

Energiepauschale und Lohnsteuer-Anmeldung

Zur Finanzierung sollen Arbeitgeber die Pauschalen vom Gesamtbetrag der einzubehaltenden Lohnsteuer entnehmen und diese bei der nächsten Lohnsteuer-Anmeldung gesondert absetzen. Bei monatlicher Anmeldung ist die Energiepreispauschale in der bis zum 10.9.2022 fälligen Anmeldung für den August 2022 abzusetzen. Die Energiepreispauschale wird dazu in der Lohnsteuer-Anmeldung mit einer zusätzlichen Kennzahl aufgeführt.

Energiepauschale und Lohnsteuerbescheinigung

Eine ausgezahlte Energiepreispauschale ist in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung mit dem Großbuchstaben E anzugeben.

Energiepauschale und kleine Arbeitgeber

Für eine Gruppe von Arbeitgebern wird es die Möglichkeit geben, mit der Auszahlung in den Oktober zu gehen. Das gilt für all jene Arbeitgeber, die für alle Mitarbeitenden zusammen weniger als 5.000 Euro Lohnsteuer im Jahr überweisen und die Steuer nur vierteljährlich abführen. In diesem Fall erfolgt der Abzug in der bis zum 10.10.2022 fälligen Lohnsteueranmeldung für das dritte Quartal.

Sind es weniger als 1.080 EUR Lohnsteuer im Jahr, kann nur die Jahresanmeldung zum 10.1.2023 gemindert werden. Alternativ kann der Arbeitgeber in diesen Fällen ganz auf die Auszahlung verzichten. Dann müssen die Beschäftigten bis zur im Jahr 2023 abzugebenden Steuererklärung warten, um die 300-EUR-Pauschale zu erhalten.

Übersteigt die für die Beschäftigten insgesamt zu gewährende Energiepreispauschale den Betrag, der insgesamt an Lohnsteuer abzuführen ist, wird der übersteigende Betrag dem Arbeitgeber vom Finanzamt ersetzt.

Energiepauschale und Minijobber

Minijobber sollen zwar grundsätzlich eine Energiepreispauschale bekommen. Eine Auszahlung durch den Arbeitgeber kann aber nur erfolgen, wenn der oder die Beschäftigte dem Arbeitgeber vor der Auszahlung schriftlich bestätigt hat, dass es sich um das erste Dienstverhältnis handelt. Die Bestätigung ist zum Lohnkonto zu nehmen.

Wenn der Arbeitgeber keine Lohnsteuer-Anmeldungen abgibt (z. B. Minijobs in Privathaushalten), können die Beschäftigten die Pauschale nur über eine eigene Steuererklärung geltend machen.

Energiepauschale und Steuerpflicht

Die Energiepreispauschale ist steuerpflichtig. Bei geringfügig Beschäftigten soll aus Vereinfachungsgründen auf eine Besteuerung verzichtet werden. Bei den übrigen Beschäftigten erhöht sie die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit.

Die Energiepreispauschale unterliegt als sonstiger Bezug auch dem Lohnsteuerabzug.

Bei der Lohnsteuerberechnung ist sie bei der Berechnung der Vorsorgepauschale jedoch nicht zu berücksichtigen. Hintergrund hierfür ist, dass auf die Energiepreispauschale keine Sozialversicherungsbeiträge anfallen.

 

Sonstige Steuern

  1. Gilt die Einziehung von Geschäftsanteilen als Schenkung?

 Werden GmbH-Anteile eingezogen, bewirkt dies eine Werterhöhung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter. Dies gilt als Schenkung, und zwar auch dann, wenn es sich nicht um eine Zwangseinziehung von Anteilen handelt.

Hintergrund

X und 3 weitere Personen (A, B, C) waren Gesellschafter einer GmbH mit einer Stammeinlage von je 81.000 EUR. Nach dem Gesellschaftsvertrag war die Einziehung von Geschäftsanteilen mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters jederzeit zulässig, ohne Zustimmung war sie unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

Mit notariellem Vertrag beschlossen die 4 Gesellschafter einstimmig die Einziehung des Geschäftsanteils des A zum 31.12.2007. Als Einziehungsvergütung hatte die GmbH an A 75.000 EUR in 75 gleichen Monatsraten zu zahlen. Die Nennbeträge der verbleibenden 3 Geschäftsanteile wurden jeweils um 27.000 EUR auf 108.000 EUR aufgestockt.

Nachdem das Betriebsstätten-Finanzamt der GmbH den Wert des eingezogenen Anteils mit 204.930 EUR gesondert festgestellt hatte, setzte das Finanzamt gegenüber einem der verbliebenen Gesellschafter (X) wegen der Werterhöhung seines GmbH-Anteils Schenkungsteuer fest. Es ermittelte den Unterschiedsbetrag zwischen dem festgestellten Anteilswert und der (abgezinsten) Einziehungsvergütung und berücksichtigte diesen Wert zu einem Drittel.

X war der Ansicht, als Schenkung gelten nur Zwangseinziehungen, die ohne Zustimmung des Gesellschafters erfolgten.

Das Finanzgericht folgte dem Finanzamt und wies die Klage ab. Der Begriff der Einziehung erfasst nicht nur die Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils, sondern auch die Einziehung mit Zustimmung des Anteilsberechtigten.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigt die Auffassung des Finanzamts und des Finanzgerichts. Die Werterhöhung durch die Einziehung des Geschäftsanteils des A unterliegt bei X zu einem Drittel der Schenkungsteuer.

Wird auf Grund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag einer GmbH der Geschäftsanteil eines Gesellschafters bei dessen Ausscheiden eingezogen und übersteigt der Wert seines Anteils zur Zeit seines Ausscheidens den Abfindungsanspruch, gilt die insoweit bewirkte Werterhöhung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter als Schenkung des ausgeschiedenen Gesellschafters. Die Einziehung (Amortisation) bedarf stets einer Grundlage im Gesellschaftsvertrag. Sie ist aber auch ohne Zustimmung des Anteilsberechtigten (Zwangseinziehung) möglich.

Weder dem Wortlaut („eingezogen“) noch der Systematik oder dem Zweck des § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG ist eine Beschränkung auf die Zwangseinziehung zu entnehmen. Mit einem derart engen Verständnis des § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG verbliebe eine Gesetzeslücke, die die Vorschrift für Wertverschiebungen durch Ausscheiden eines Gesellschafters gerade schließen wollte. Die Lücke ergäbe sich daraus, dass § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf Einziehungen nicht anwendbar ist. Denn es fehlt an der erforderlichen Verschiebung der Vermögenssubstanz. Auch die Einziehung mit Zustimmung bewirkt keinen derivativen Erwerb des Anteils durch rechtsgeschäftliche Übertragung. Vielmehr führt sie bei zunächst unverändertem Stammkapital zur Vernichtung des Geschäftsanteils.

Die in § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG enthaltene Wendung „auf Grund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag“ schränkt die Reichweite der Vorschrift nicht ein. Sie enthält keine Begrenzung auf bestimmte Regelungen im Gesellschaftsvertrag, etwa auf Regelungen zur Zwangseinziehung.

 

  1. Wenn mehrere Nacherbschaften zusammentreffen: Welche Freibeträge gelten?

 Haben mehrere Erblasser denselben Vorerben und nach dessen Tod denselben Nacherben eingesetzt, kann der Nacherbe für alle der Nacherbfolge unterliegenden Erbmassen insgesamt nur einen Freibetrag in Anspruch nehmen.

Hintergrund

1966 verstarb der Großvater, 1992 die Großmutter der Geschwister X. Die Großeltern hatten jeweils die Tante der X als Vorerbin und auf deren Tod u. a. die X als Nacherben eingesetzt. Die Tante verstarb 2015 und wurde ihrerseits u. a. durch die X als Miterben beerbt. Der Vater der X war bereits vor der Vorerbin verstorben.

In der Erbschaftsteuer-Erklärung stellten die X Anträge, der Versteuerung der Nacherbfälle ihr Verwandtschaftsverhältnis zu den Großeltern zugrunde zu legen.

Das Finanzamt berücksichtigte in den Erbschaftsteuer-Bescheiden gegenüber den X Freibeträge von 400.000 EUR pro Erben (Enkel der verstorbenen Erblasser bei vorverstorbenem Vater). Die X wandten dagegen ein, jedem von ihnen stehe der Freibetrag i. H. v. 400.000 EUR 2-mal zu, nämlich ein Freibetrag für jede Nacherbschaft, da es sich jeweils um 2 selbstständige Nacherbschaften (einmal nach dem Großvater und einmal nach der Großmutter) handelte.

Das Finanzgericht wies die Klagen der X ab. Einem Nacherben ist auch für mehrere gleichzeitig von demselben Vorerben angefallene Nacherbschaften nur ein Freibetrag zu gewähren. Auch bei mehreren Nacherbschaften liegt erbschaftsteuerrechtlich lediglich ein einheitlicher Erwerb vom Vorerben vor.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des Finanzamts und des Finanzgerichts. Auch bei mehreren Nacherbschaften steht dem Nacherben insgesamt lediglich ein Freibetrag zu.

Während zivilrechtlich der Vorerbe und der Nacherbe zwar nacheinander, aber beide vom ursprünglichen Erblasser erben, gilt erbschaftsteuerrechtlich der Vorerbe als Erbe und der Nacherbe als dessen Erbe. Die Vorschrift fingiert für erbschaftsteuerrechtliche Zwecke, dass der Nacherbe Erbe des Vorerben wird. Die Besteuerungsmerkmale sind im Verhältnis zur Person des Vorerben und nicht des Erblassers anzuwenden.

Geht beim Tod des Vorerben neben dem zur Nacherbschaft gehörenden Vermögen zugleich eigenes Vermögen des Vorerben auf den Nacherben über, weil der Nacherbe gleichzeitig Erbe nach dem Vorerben ist, liegen zivilrechtlich 2 Erbfälle vor (einer nach dem Erblasser und ein weiterer nach dem Vorerben). Erbschaftsteuerrechtlich handelt es sich gleichwohl um einen einheitlichen Erwerb vom Vorerben.

Haben mehrere Erblasser (hier die Großeltern) denselben Vorerben (hier die Tante) und auf dessen Tod denselben Nacherben (hier die Geschwister X) eingesetzt, steht dem Nacherben auf Antrag für alle der Nacherbfolge unterliegenden Erbmassen insgesamt lediglich ein Freibetrag zu, der sich nach dem Verhältnis zu demjenigen Erblasser richtet, für den es der Nacherbe beantragt. Soweit dieser Freibetrag nicht verbraucht ist, verbleibt ein Freibetrag für das Vermögen des Vorerben.

Mit der Nacherbfolge tritt erbschaftsteuerrechtlich eine Verschmelzung des Vermögens des Vorerben mit dem der Nacherbfolge unterliegenden Vermögen ein. Beim Tod des Vorerben findet ein einziger Erwerbsvorgang statt, für den auch nur ein einziger Freibetrag gewährt werden kann. § 6 Abs. 2 Satz 4 ErbStG bringt mit der Formulierung „der Freibetrag für das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen“ zum Ausdruck, dass es unabhängig von der Anzahl der Erblasser für das gesamte der Nacherbfolge unterliegende Vermögen immer nur einen einzigen Freibetrag geben kann. § 6 Abs. 2 Satz 4 ErbStG bezweckt, dem Nacherben lediglich den Freibetrag zu gewähren, der dem für ihn günstigsten in Betracht kommenden Freibetrag entspricht.

Die etwaigen Näheverhältnisse zwischen dem Erben und mehreren (ursprünglichen) Erblassern, auf die die Nacherbschaften zurückgehen, erfordern keine kumulative Berücksichtigung mehrerer Freibeträge. Bereits die Deckelung des für den Erwerb vom Vorerben geltenden Freibetrags zeigt, dass das Näheverhältnis des Erben, der gleichzeitig Nacherbe ist, zu jedem Erblasser zwar grundsätzlich berücksichtigt werden kann, diese Berücksichtigung aber nur bis zu dem für den Nacherben günstigsten Freibetrag reichen soll. Wenn beim Zusammentreffen einer Nacherbschaft mit einem Erwerb direkt vom Vorerben die Freibeträge in dieser Weise begrenzt werden, spricht dies dafür, auch beim Zusammentreffen mehrerer Nacherbschaften den anzuwendenden Freibetrag für den Erwerb insgesamt auf den für den Nacherben günstigsten zu begrenzen und einen solchen Erwerb damit im Vergleich zum Erwerb eigenen Vermögens des Vorerben nicht zu privilegieren.

 

Steuerrecht Privatvermögen

  1. Zur Anlaufhemmung bei Abgabe der Erklärung beim unzuständigen Finanzamt

 Wird die Einkommensteuer-Erklärung bei einem unzuständigen Finanzamt abgegeben, kann dies für die Beendigung der Anlaufhemmung genügen. Voraussetzung ist, dass das unzuständige Finanzamt seine Fürsorgepflicht verletzt, indem es die Erklärung lediglich zu den Akten nimmt und nicht weiterleitet, obwohl ihm die zuständige Behörde bekannt ist.

Hintergrund

Kläger X ist Insolvenzverwalter über den Nachlass des M. Das Insolvenzverfahren wurde 2008 eröffnet.

M war selbstständiger Architekt. Für die gesonderte Feststellung der freiberuflichen Einkünfte war das Finanzamt H zuständig. Das Finanzamt A war für die Einkommensteuer-Veranlagung zuständig.

Nach dem Tod des M im Jahr 2020 schätzte das Finanzamt A den Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit für 2010 auf 0 EUR und setzte die Einkommensteuer auf 0 EUR fest, da trotz Aufforderung keine Einkommensteuer-Erklärung abgegeben wurde.

Auch nach mehrmaliger Aufforderung zur Abgabe der Feststellungs- und Einkommensteuer-Erklärung durch das Finanzamt H wurden keine Erklärungen eingereicht. Das Finanzamt H schätzte daher den Gewinn auf 1,6 Mio. EUR. Das Finanzamt H hatte zuvor Fristverlängerungsanträge – ausdrücklich auch für die Einkommensteuer-Erklärung – abgelehnt.

Im Jahr 2011 reichte X die Gewinnermittlung für die freiberufliche Tätigkeit beim Finanzamt H ein. Beigefügt war eine an das Finanzamt H gerichtete auf amtlichem Vordruck gefertigte Einkommensteuer-Erklärung, die in der Anlage S einen Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit von 900.000 EUR auswies.

Das Finanzamt H erließ daraufhin im Oktober 2011 einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid und reduzierte die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit auf 900.000 EUR. Die Einkommensteuer-Erklärung 2010 nahm das Finanzamt H lediglich zu den Akten. Es leitete die Erklärung weder an das Finanzamt A weiter noch informierte es über deren Eingang.

Wegen eines Fehlers hob das Finanzamt H den Gewinnfeststellungsbescheid auf und erließ im Jahr 2012 einen geänderten Feststellungsbescheid mit einer entsprechenden Mitteilung an das Finanzamt A. Im Anschluss hieran erließ das Finanzamt A im Jahr 2013 einen Einkommensteuer-Änderungsbescheid, in dem es Einkünfte aus selbstständiger Arbeit laut gesonderter Feststellung i. H. v. 900.000 EUR ansetzte.

Nachdem X mitgeteilte hatte, diesen Bescheid nicht erhalten zu haben, erließ das Finanzamt A erst am 6.10.2016 einen geänderten Einkommensteuer-Bescheid, mit dem es die Einkommensteuer auf 400.000 EUR (u. a. wegen Berücksichtigung einer KG-Beteiligung des M) festsetzte.

Hiergegen wandte X Festsetzungsverjährung ein. Nach Abgabe der Einkommensteuer-Erklärung beim Finanzamt H am 19.10.2011 stand dem Einkommensteuer-Änderungsbescheid des Finanzamts A vom 6.10.2016 der Ablauf der 4-jährigen Festsetzungsfrist zum 31.12.2015 entgegengestanden.

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg.

Entscheidung

Und auch der Bundesfinanzhof gab dem Kläger Recht. Er entschied, dass vorliegend die Abgabe der Einkommensteuer-Erklärung 2010 bei dem für die Einkommensteuer-Veranlagung unzuständigen Finanzamt H am 19.10.2011 ausnahmsweise bewirkte, dass die Festsetzungsfrist bereits mit Ablauf des Kalenderjahres 2011 zu laufen begonnen hat. Die Festsetzungsfrist endete daher mit Ablauf des 31.12.2015.

X hat als Insolvenzverwalter eine teils unvollständige, aber gleichwohl wirksame Einkommensteuer-Erklärung abgegeben. Der Vordruck enthielt die erforderlichen Mindestangaben zu M, um ein ordnungsgemäßes Veranlagungsverfahren in Gang zu setzen.

Die Anlaufhemmung wird grundsätzlich nur durch die Abgabe der Erklärung beim zuständigen Finanzamt beendet. Wird die Erklärung bei einer unzuständigen Finanzbehörde eingereicht, wird die Anlaufhemmung erst beendet, wenn das zuständige Finanzamt die Erklärung erhält, da es erst dann in der Lage ist, die Veranlagung fristgerecht durchzuführen.

Im Streitfall liegen jedoch besondere Umstände vor. Denn das Finanzamt H hat seine Fürsorgepflicht gegenüber dem X schwerwiegend verletzt, indem es die am 19.10.2011 bei ihm eingereichte Einkommensteuer-Erklärung zu den Akten genommen hat, ohne sie zeitnah an das bekanntermaßen zuständige Finanzamt A weiterzuleiten oder den X zumindest über die unterbliebene Weiterleitung zu informieren. Die Pflichtverletzung ist gravierend, zumal das Finanzamt H in der Ablehnung der von X begehrten Fristverlängerung für die Abgabe der Einkommensteuer-Erklärung am 19.09.2011 selbst den Anschein seiner Zuständigkeit erweckt hatte.

Bei einem Verstoß gegen die Fürsorgepflicht ist der Steuerpflichtige so zu stellen, als wäre der Verstoß nicht passiert. Demnach ist der X so zu behandeln, als habe das Finanzamt H die Einkommensteuer-Erklärung 2010 im Zuge eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs und damit noch im Oktober 2011 an das Finanzamt A weitergeleitet und dieses damit in die Lage versetzt, die Einkommensteuer-Veranlagung für das Streitjahr durchzuführen. Dies hat zur Folge, dass die 4-jährige Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31.12.2011 begonnen hat und am 31.12.2015 abgelaufen ist, sodass insbesondere die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit im Einkommensteuer-Bescheid 2010 vom 6.10.2016 nicht mehr erfasst werden durften.

 

Steuerrecht Unternehmer

 

  1. Entgeltlich bestellter Nießbrauch: Einkünfte oder Kaufpreiszahlungen?

 Wenn der Eigentümer einem Dritten ein dingliches oder obligatorisches Nutzungsrecht einräumt, muss immer geprüft werden, ob und inwieweit der Eigentümer oder der Nutzungsberechtigte den Tatbestand der Einkünfteerzielung erfüllt oder ob es sich um Kaufpreiszahlungen für die Veräußerung einer Immobilie handelt.

Hintergrund

Der Kläger erzielte aus dem notariell beurkundeten Nießbrauchsvertrag v. 2.10.2008 über das Objekt D Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Laut Nießbrauchsvertrag wurde der Fa. AA GmbH & Co. B KG („KG“) ein Nießbrauch an dem Objekt bestellt. Als Gegenleistung verpflichtete sich diese dazu, den Kläger von der Zahlung von Zins und Tilgung aus einer Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Bank freizustellen. Das Finanzamt setzte die vom Nießbraucher zu zahlenden Beträge als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung an. Als Ausgaben berücksichtigte es die AfA und die vom Kläger getragenen Kosten (Zinszahlungen).

Der Kläger war der Ansicht, dass es sich rechtlich nicht um laufende Zahlungen der KG für die zeitlich befristete Einräumung eines Nießbrauchs, sondern um Kaufpreiszahlungen für die Veräußerung der Immobilie handelte. Denn im Notarvertrag war Frau H ein Ankaufsrecht am Grundstück eingeräumt worden und das wirtschaftliche Eigentum demzufolge bereits am 2.10.2008 auf die KG übergegangen. Dem folgte das Finanzamt nicht.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass der Kläger aus entgeltlichem Nießbrauch aus dem Objekt D Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat. Ist das zugewendete Nutzungsrecht wie hier der Nießbrauch entgeltlich bestellt, hat der Eigentümer das für die Bestellung gezahlte Entgelt grundsätzlich im Jahr des Zuflusses bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Die dingliche Natur des Rechts steht der Zurechnung des Entgelts zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nicht entgegen, da die Begriffe Vermietung und Verpachtung einkommensteuerrechtlich weit auszulegen sind und auch wirtschaftlich vergleichbare Nutzungsüberlassungen einschließen.

Übt allerdings ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen. Ein wirtschaftlicher Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers wird von der Rechtsprechung angenommen, wenn der Herausgabeanspruch des Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat oder wenn dem Eigentümer überhaupt kein Herausgabeanspruch mehr zusteht. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen.

Hiernach kann ein Wirtschaftsgut einem anderen als dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen sein, wenn es ihm aufgrund eines „Mietkaufvertrags“ überlassen wird. Darunter versteht man Vereinbarungen, in denen Elemente eines Mietvertrags mit denen eines Kaufvertrags verbunden sind. Diese Verträge können so gestaltet sein, dass sie bei wirtschaftlicher Bewertung von Anfang an als Kaufverträge anzusehen sind. Maßgebend ist, ob die Vertragsbedingungen so ausgestaltet sind, dass der Mieter vernünftigerweise keine andere Wahl hat, als von seinem Ankaufsrecht Gebrauch zu machen, sodass der Mieter von Anfang an daran interessiert ist, Eigentum zu erwerben. Wesentliche Kriterien sind Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Mietkäufer.

Vorliegend waren die Vertragsbedingungen nicht so ausgestaltet, dass der Nießbraucher keine andere Wahl hatte, als von seinem Ankaufsrecht Gebrauch zu machen. Die KG als Nießbrauchsberechtigte konnte nicht wählen. Ihr ist keine Kaufoption eingeräumt worden. Das Ankaufsrecht war Frau H eingeräumt worden, die aber nicht Nießbraucherin war. Nießbraucher (KG) und Käufer (Frau H) waren nicht personenidentisch.

 

  1. Hotel-Zusatzleistungen: Welcher Umsatzsteuersatz gilt?

 Für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, gilt nicht der ermäßigte Steuersatz, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind. Bezüglich dieses Aufteilungsgebots ist ernstlich zweifelhaft, ob es mit Unionsrecht vereinbar ist.

Hintergrund

Die X-GmbH betreibt ein Hotel. In der Umsatzsteuer-Erklärung 2017 ging sie davon aus, dass Übernachtung, Frühstück und Spa eine einheitliche Leistung zum ermäßigten Steuersatz von 7 % ist.

Das Finanzamt vertrat dagegen die Auffassung, dass es sich um jeweils eigenständige Leistungen handelte, von denen die Übernachtung dem ermäßigten (7 %) und Frühstück sowie Spa dem Regelsteuersatz (19 %) zu unterwerfen sind.

Hiergegen legte die X Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Zugleich beantragte sie beim Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Umsatzsteuer-Bescheids.

Das Finanzamt lehnte die AdV ab. Auch hiergegen legte die X Einspruch ein, über den ebenfalls noch nicht entschieden ist.

X beantragte darauf AdV beim Finanzgericht, das den Antrag ablehnte. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuer-Bescheids 2017 bestanden seiner Ansicht nach keine ernstlichen Zweifel. Das Aufteilungsgebot ist unionsrechtskonform. Auch eine unbillige Härte ist nicht erkennbar.

Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts wendet sich X mit einer Beschwerde.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bejahte die ernstlichen Zweifel am Aufteilungsgebot für Hotelübernachtungen mit Zusatzleistungen. Damit war die Beschwerde für das Jahr 2017 begründet. Der Bundesfinanzhof setzte die Vollziehung des Umsatzsteuer-Änderungsbescheids 2017 bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung einer Entscheidung im Einspruchsverfahren aus.

Frühstück und Spa gehören bisher zu den Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen und deshalb von der Steuersatzermäßigung ausgenommen sind. Dies gilt auch, soweit diese weiteren Leistungen als Nebenleistungen zu der ermäßigt zu besteuernden Übernachtungsleistung, der Hauptleistung, erbracht werden. Das Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, wurde vom Bundesfinanzhof bisher als unionsrechtskonform angesehen.

Nach Ergehen des EuGH-Urteils Stadion Amsterdam sieht der Bundesfinanzhof es als fraglich an, ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist. Der EuGH hat dort entschieden, dass eine einheitliche Leistung, die aus 2 separaten Bestandteilen (Haupt- und einem Nebenbestandteil) besteht, nur zu dem für den Hauptbestandteil geltenden Mehrwertsteuersatz zu besteuern ist, und zwar auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils bestimmt werden kann. Hieraus könnte für das Aufteilungsgebot folgen, dass bei unselbstständigen Nebenleistungen die gesamte einheitliche Leistung dem ermäßigten Steuersatz der Hauptleistung „Übernachtung“ zu unterwerfen ist.

Angesichts dieser ungeklärten und umstrittenen Rechtslage ist die beantragte AdV zu gewähren. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärenden Fragen grundsätzlich nicht im summarischen Beschlussverfahren der AdV zu entscheiden. Die Klärung muss vielmehr dem Hauptsacheverfahren, d. h. im Rahmen einer noch zu erhebenden Klage, vorbehalten bleiben.

 

  1. Investitionsabzugsbetrag: So wird die betriebliche Nutzung nachgewiesen

 Die fast ausschließliche betriebliche Nutzung eines Pkw kann im Rahmen des Investitionsabzugsbetrags und der Sonderabschreibung nach § 7g EStG durch ein Fahrtenbuch erbracht werden. Aber auch andere Beweismittel sind möglich.

Hintergrund

Der selbstständig tätige Rechtsanwalt R hatte in den Jahren 2009 und 2013 für die künftige Anschaffung eines Pkw jeweils einen Investitionsabzugsbetrag gebildet.

Im Jahr 2011 schaffte er einen Pkw (Audi Q 5) an, den er bis 2016 behielt. Für das Fahrzeug nahm er im Jahr 2013 eine Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG in Anspruch. Im Jahr 2016 erwarb er einen weiteren Audi Q 5. Beide Fahrzeuge ordnete er dem Betriebsvermögen zu.

Daneben hielt R einen weiteren Pkw (BMW Z 4) im Betriebsvermögen, der von seiner in der Kanzlei angestellten Ehefrau auch für private Fahrten genutzt wurde. Zudem stand R selbst ein weiterer Pkw für Privatfahrten zur Verfügung.

Das Finanzamt war der Auffassung, die beiden in den Jahren 2009 und 2013 angeschafften Pkw seien auch für private Zwecke genutzt worden. Da die von R geführten Aufzeichnungen nicht als ordnungsgemäßes Fahrtenbuch anerkannt werden könnten, war die ausschließliche oder fast ausschließliche betriebliche Nutzung nicht nachgewiesen. Dieser Nachweis kann nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erbracht werden. Die Berechnung nach der 1 %-Methode genügt nicht, da diese Methode auf einer etwa 20 %igen Privatnutzung beruht. Der Investitionsabzugsbetrag und die Sonderabschreibung sind daher rückgängig zu machen.

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Der Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung war wegen der fehlerhaften Aufzeichnungen nicht erbracht worden.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied, dass die fast ausschließliche betriebliche Nutzung nicht nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch, sondern auch durch andere Unterlagen nachgewiesen werden kann.

Investitionsabzugsbetrag und Sonderabschreibung setzen voraus, dass das Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauffolgenden Wirtschaftsjahr ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird. In beiden Fällen ist eine betriebliche Nutzung von mindestens 90 % erforderlich. Der Nachweis obliegt dem Steuerpflichtigen.

Zu einem ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuch gehört, dass es zeitnah und in geschlossener Form geführt ist und die zu erfassenden Fahrten vollständig und fortlaufend wiedergibt. Diese Anforderungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die lückenhaften Aufzeichnungen des R sind daher nicht geeignet, den erforderlichen Nachweis der fast ausschließlich betrieblichen Nutzung zu erbringen.

Der Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung ist nicht auf ordnungsgemäße Fahrtenbücher beschränkt. Er kann auch durch andere Beweismittel geführt werden. Denn die Fahrtenbuchmethode stellt keine allgemeine Vorschrift zum Nachweis der Nutzungsanteile von Kfz dar. Ihre Anwendung kommt daher im Rahmen des § 7g EStG nicht in Betracht.

Beim Fehlen ordnungsgemäßer Fahrtenbücher kann der Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung eines Pkw auch nicht anhand der 1 %-Regelung geführt werden. Denn der Durchschnittswert von monatlich 1 % des Bruttolistenpreises entspricht etwa einer Privatnutzung von 20 bis 25 %, also mehr als nur 10 %. Die 1 %-Regelung ist nicht auf § 7g EStG übertragbar.

 

  1. Repräsentationszweck führt zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs

 Dient das Halten von Rennpferden überwiegend der persönlichen Repräsentation des Steuerpflichtigen, kann insoweit kein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden. Denn wegen des Repräsentationszwecks steht dem Vorsteuerabzug das Abzugsverbot des § 15 Abs. 1a UStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG entgegen.

Hintergrund

X ist Manager einer von ihm beherrschten Unternehmensgruppe (KG). Er betrieb in den Streitjahren 2007 bis 2013 als Einzelunternehmer einen Pferderennstall.

Der Rennstall erzielte im Streitzeitraum fast nur Verluste. Er wurde vom Finanzamt einvernehmlich ertragsteuerlich als Liebhabereibetrieb beurteilt.

Das Finanzamt ließ die Vorsteuerbeträge aus den Eingangsleistungen für den Rennstall nicht zum Abzug zu. Denn der Stall wurde von X im Rahmen seiner Freizeitgestaltung als private Leidenschaft und Hobby betrieben und diente überwiegend der persönlichen Repräsentation des X und in geringerem Umfang der KG.

Dem folgte das Finanzgericht und wies die Klage ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied ebenfalls, dass X der Vorsteuerabzug für den Pferderennstall nicht zusteht. Die Würdigung des Finanzgerichts, dass das Halten von Rennpferden überwiegend der Repräsentation diente, war nicht zu beanstanden.

X hat, indem er Einnahmen aus dem Verkauf von Rennpferden erzielte, eine nachhaltige bzw. wirtschaftliche Tätigkeit mit dem Pferdestall ausgeübt. Damit konnte er grundsätzlich als Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sein. Im Übrigen nahm er auch an Rennen mit platzierungsabhängigen Preisgeldern teil, die zu nichtsteuerbaren Umsätzen führen.

Der Vorsteuerabzug ist vorliegend allerdings nach § 15 Abs. 1a UStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG ausgeschlossen. Der Aufwand des X wird seiner Art nach von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG (Jagd, Fischerei, Segeljachten, Motorjachten, ähnliche Zwecke) erfasst. Das Finanzgericht hat „ähnliche Aufwendungen“ i. S. v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG bejaht. Das Halten von Rennpferden hatte überwiegend der persönlichen Repräsentation des X wie auch – wenn auch in geringerem Umfang – der von ihm beherrschten KG gedient.

Da X somit keinen Vorsteuerabzug beanspruchen kann, ist die Frage, ob er für die umsatzsteuerliche Einordnung der Teilnahme an Rennen (mit platzierungsabhängigen Preisgeldern) als wirtschaftliche Tätigkeit Vertrauensschutz beanspruchen kann, obsolet.

X schuldet die in Gutschriften ausgewiesene Steuer über nicht steuerbare Leistungen, für die platzierungsabhängige Preisgelder gezahlt wurden. In den Fällen des unrichtigen Steuerausweises, in denen über eine tatsächlich erbrachte Leistung abgerechnet wird, muss sich der Empfänger der Gutschrift die vom Aussteller unrichtig ausgewiesene Steuer zurechnen lassen, wenn er der Abrechnung mittels Gutschrift zugestimmt und der ihm übermittelten Gutschrift mit zu hohem Steuerausweis nicht widersprochen hat.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. In den Gutschriften wurde jeweils über die Leistung eines Unternehmers (X) abgerechnet und ein höherer Steuerbetrag, als er für den (nichtsteuerbaren) Umsatz geschuldet wird, gesondert ausgewiesen. Auch wenn X mit der Teilnahme an Rennen, für die platzierungsabhängige Preisgelder gezahlt wurden, insoweit nichtsteuerbare Umsätze ausgeführt hat, ist er im Übrigen wirtschaftlich tätig geworden.

 

  1. Steuersatz: Beigegebene Sachprämie bei Zeitschriftenabonnement

 Bei Abschluss eines Zeitschriftenabonnements werden manchmal Sachprämien gewährt oder es wird z. B. eine DVD zur Zeitschrift beigegeben. Diese Beigabe stellt jeweils eine selbstständige Lieferung dar, wenn die DVD und die Zeitschrift unterschiedlichen Zwecken dienen, der Preis der DVD den Preis der Zeitung übersteigt, der Inhalt der DVD nicht extra für die Zeitschrift entwickelt wurde und die DVD unabhängig und langfristiger als die Zeitschrift genutzt werden kann.

Hintergrund

Die Klägerin verkauft Zeitschriften eines Verlags im eigenen Namen. Wurden beim Abschluss von Zeitschriftenabonnements mit Privatkunden Neukunden durch Bestandskunden geworben, erhielt der Bestandskunde eine Sachprämie. Das gleiche gilt für Neu- und Bestandskunden, die selbst einen Abonnementvertrag abschlossen. Die Klägerin vertrieb auch eine reine Programmzeitschrift, teils auch mit beiliegender Film-DVD. Diese war innen in der Zeitschrift angebracht. Die beigegebenen DVDs wurden von der Klägerin nach Erwerb der erforderlichen Filmlizenzen selbst hergestellt.

Das Finanzamt stufte die Sachprämien und die DVDs als eigenständige Leistung ein und unterwarf diese dem Regelsteuersatz.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts handelt es sich bei der Lieferung der Sachprämie und der DVD um eine eigenständige Lieferung zum Regelsteuersatz von 19 %. Dagegen unterliegt die Lieferung von Zeitungen dem ermäßigten Steuersatz von 7 %.

Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für einen Durchschnittsverbraucher keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Eine einheitliche Leistung liegt vor, wenn 2 oder mehr Elemente geliefert werden, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Nach der Rechtsprechung teilt bei einer einheitlichen Leistung die unselbstständige Nebenleistung das steuerliche Schicksal der Hauptleistung.

Die Lieferung der Prämie verfolgt einen eigenen Zweck und stellt nicht nur das Mittel dar, um die Lieferung von Zeitschriften in einem Abonnement unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Eine rechtliche Verknüpfung durch die Regelung in einem einheitlichen Vertrag führt nicht zur Unterordnung einer Leistung gegenüber einer anderen Leistung. Dem steht nicht entgegen, dass die Sachprämie aus Sicht der Klägerin allein dazu dient, Kunden zum Abschluss eines Abonnementvertrags zu motivieren. Denn die subjektive Einordnung einer Leistung durch die Parteien, insbesondere durch die Klägerin als liefernde Unternehmerin, hat keinen Einfluss auf die umsatzsteuerliche Einordnung.

Deshalb handelt es sich um zwei isolierte Lieferungen, die durch ihre vertragliche Verknüpfung wirtschaftlich betrachtet „künstlich“ miteinander verbunden werden.

Zeitschrift und DVD sind nicht so eng miteinander verbunden, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Sowohl die DVD als auch die Zeitschrift können grundsätzlich einzeln erworben werden. Vorliegend dienen die DVD und Zeitschrift unterschiedlichen Zwecken, da der Preis der DVD den Preis der Zeitung übersteigt, der Inhalt der DVD nicht extra für die Zeitschrift entwickelt wurde und die DVD unabhängig und langfristiger als die Zeitschrift genutzt werden kann.

Die DVD nimmt auch nicht Bezug auf die Zeitschrift. Es handelt sich meist nur um einen (normalen) Spielfilm. DVD und Zeitschrift dienen ebenso unterschiedlichen Zwecken, obwohl sie beide die Konsumenten unterhalten. Damit unterscheidet sich der Streitfall von einer speziell auf die Inhalte einer Computerzeitschrift abgestimmten DVD, die nur zusammen mit der Zeitschrift verkauft wird und einer CD, die zu einem verkauften Buch gehört und bei dem die CD dem Lesen des Buches dient.

Da die DVDs grundsätzlich einen eigenen Markt haben, würde es sich wettbewerbsverzerrend auswirken, wenn im Streitfall die DVD dem ermäßigten Steuersatz unterliegen würde.

 

  1. Übersiedlung eines Fahrzeugs bei Wohnsitzverlegung: Wann Einfuhrabgaben anfallen

 Wird ein als Übersiedlungsgut zur Endverwendung angemeldeter Pkw vor Ablauf der 12-monatigen Verwendungsfrist verkauft, werden Einfuhrabgaben fällig. Dies gilt auch dann, wenn ein unfallbedingter wirtschaftlicher Totalschaden Grund für den Verkauf ist.

Hintergrund

Die Klägerin verlegte im Juli 2016 ihren Wohnsitz von der Schweiz nach Deutschland. Dabei meldete sie unter Verwendung des Formulars „0350 Zoll-Anmeldung für Übersiedlungsgut“ am 27.7.2016 beim Hauptzollamt einen Pkw als Übersiedlungsgut zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zur Endverwendung an.

Die Zollbehörde wies darauf hin, dass die Waren ohne vorherige Unterrichtung der Überwachungszollstelle nicht vor dem 26.7.2017 veräußert werden dürften. Bei Weitergabe vor Ablauf dieser Frist würden Einfuhrabgaben erhoben.

Im Rahmen einer Steueraufsichtsmaßnahme stellte das Hauptzollamt später fest, dass die Klägerin das Fahrzeug am 28.2.2017 – und damit vor Ablauf der 12-monatigen Verwendungsfrist – wegen eines wirtschaftlichen Totalschadens infolge eines Unfalls verkauft hat. Die Überwachungszollstelle wurde darüber nicht informiert. Daraufhin wurde ein Einfuhrabgabenbescheid erlassen. Gegen diesen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage.

 

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass eine Befreiung von den Einfuhrabgaben nicht eingreift. Zwar ist das Übersiedlungsgut natürlicher Personen, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz in das Zollgebiet der Gemeinschaft verlegen, von den Eingangsabgaben befreit. Jedoch darf das Übersiedlungsgut vor Ablauf einer Frist von 12 Monaten nach Annahme des Antrags auf Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr ohne vorherige Unterrichtung der zuständigen Behörden weder verliehen, verpfändet, vermietet, veräußert noch überlassen werden.

Bei pflichtwidriger Verfügung über das Übersiedlungsgut – namentlich bei Veräußerung vor Ablauf der 12-Monatsfrist – werden die Eingangsabgaben auf die betreffenden Waren nach den zum Zeitpunkt der Veräußerung geltenden Sätzen, nach der Beschaffenheit und dem Zollwert erhoben, die von den zuständigen Behörden zu diesem Zeitpunkt festgestellt oder anerkannt werden.

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend eine Einfuhrzollschuld entstanden, indem die Klägerin ihren Pkw ohne vorherige Unterrichtung der Zollbehörden am 28.2.2017 und damit vor Ablauf der 12-Monatsfrist veräußert hat. Mit der vorzeitigen Veräußerung wurde letztlich die Verpflichtung in Bezug auf die Endverwendung der Ware nicht erfüllt.

Die von der Klägerin angeführten Gründe für die Veräußerung stehen der Entstehung der Einfuhrabgaben nach Ansicht des Gerichts nicht entgegen. Für die Veräußerung des Fahrzeugs waren zwar wirtschaftliche Gründe maßgeblich, nämlich der unfallbedingte wirtschaftliche Totalschaden sowie die zivilrechtliche Obliegenheit zur Schadensminderung. Dies ändere jedoch nichts daran, dass es sich um einen Veräußerungsvorgang, mithin um einen bewussten und gewollten Vorgang gehandelt habe.

 

  1. Zum 10-Tages-Zeitraum bei Umsatzsteuerzahlung im Januar

 Voraussetzung für regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben ist zum einen, dass sie kurze Zeit vor Beginn bzw. kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit gezahlt werden. Zum anderen müssen sie aber auch in diesem Zeitraum fällig geworden sein.

Hintergrund

X führt einen Gewerbebetrieb mit Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für Mai bis Juli 2017 leistete er verspätet erst am 9.1.2018. Trotzdem machte X die Zahlungen noch als Betriebsausgaben für 2017 geltend.

Das Finanzamt versagte den Abzug und erhöhte den Gewinn entsprechend. Denn die Ausgaben waren nicht rund um die Jahreswende 2017/2018, sondern weit vorher fällig geworden. Damit lagen die Abzugsvoraussetzungen eines Abflusses kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres nicht vor.

Das Finanzgericht folgte der Auffassung des Finanzamts und wies die Klage ab.

Mit der Revision machte X geltend, das Erfordernis, dass die regelmäßig wiederkehrende Ausgabe kurze Zeit vor oder nach Beendigung des betroffenen Kalenderjahres fällig geworden sein muss, ist § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht zu entnehmen. Es kommt deshalb lediglich auf die wirtschaftliche Zuordnung der Ausgabe und den Zeitpunkt der Zahlung an.

Entscheidung

Die Revision hatte keinen Erfolg. Der Bundesfinanzhof entschied, dass die Zahlungen erst für das Jahr 2018 zu berücksichtigen sind. Die Voraussetzungen für eine hiervon abweichende zeitliche Zuordnung der Zahlungen als regelmäßig wiederkehrende Ausgaben liegen nicht vor.

Bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung gilt für den Betriebsausgabenabzug das Abflussprinzip. Ausgaben sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet wurden. Auf die Fälligkeit kommt es grundsätzlich nicht an. Somit war trotz der bereits im Jahr 2017 eingetretenen Fälligkeit nach dem Abflussprinzip der Betriebsausgabenabzug erst für 2018 möglich.

Nach dem Ausnahmetatbestand in § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG sind regelmäßig wiederkehrende Ausgaben in dem Kalenderjahr abzusetzen, zu dem sie wirtschaftlich gehören, soweit sie kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres geleistet wurden (10-Tage-Zeitraum). Zwar handelt es sich bei Umsatzsteuer-Vorauszahlungen um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben. Zudem gehörten die Vorauszahlungen im Streitfall wirtschaftlich ins Jahr 2017. Es fehlt jedoch an der weiteren Voraussetzung, dass die Ausgabe kurze Zeit vor Beginn bzw. kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit fällig geworden ist.

Der Bundesfinanzhof hat bereits mehrfach vertreten, dass regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben nur zu berücksichtigen sind, wenn sie (über den Wortlaut von § 11 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 1 Satz 2 EStG hinaus) innerhalb des 10-Tage-Zeitraums vor oder nach Ende des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit fällig geworden sind.

Die Finanzverwaltung verlangt ebenfalls die Fälligkeit innerhalb des 10-Tage-Zeitraums.

Diese Auffassung vertritt ganz überwiegend auch das Schrifttum.

Der Bundesfinanzhof schließt sich nunmehr der herrschenden Meinung zum Erfordernis der Fälligkeit innerhalb des 10-Tages-Zeitraums an. Dafür sprechen systematische und teleologische Erwägungen. Mit der Ausnahme vom Zu- und Abflussprinzip sollen Zufälligkeiten vermieden werden, die entstehen würden, wenn man die Zahlung mal in dem einen oder mal in dem anderen Jahr berücksichtigen würde.