Mandantenbrief Steuern Unternehmer August 2015

 

Unternehmer
und Freiberufler

1.

Elektronische Steuererklärung:
Ist schlichtes Vergessen grob fahrlässig?

2.

Reverse-Charge-Verfahren und
Bauleistungen: Keine Nachforderung von Umsatzsteuer

3.

Oldtimer im Betriebsvermögen?
Besser nicht!

4.

Grunderwerbsteuer: Verlängerung
der Festsetzungsfrist bei Verletzung der Anzeigepflicht?

5.

Bekanntgabemangel: Keine
Heilung, wenn Finanzamt Bekanntgabewillen aufgibt

6.

Arbeitszimmer: Wo hat ein
Handelsvertreter seinen Tätigkeitsmittelpunkt?

7.

Fehlerhafte Abrechnungen:
Dienstleister muss Schadensersatz leisten

8.

Instandhaltungsrücklage bei
Mehrhausanlagen: Für jedes Haus darf eine eigene Rücklage gebildet werden

9.

Mahnverfahren: Bei unrichtigen
Angaben hemmt der Mahnbescheid die Verjährung nicht

GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer

1.

Wann haftet der
GmbH-Geschäftsführer für die Umsatzsteuer?

2.

Rückkauf von GmbH-Anteilen ist
keine Rückabwicklung

 

Unternehmer und Freiberufler

 

 

1.
Elektronische
Steuererklärung: Ist schlichtes Vergessen grob fahrlässig?

 Vergisst der
Steuerpflichtige, einen steuermindernden Betrag in seiner Steuererklärung
anzugeben, und wird der Steuerbescheid bestandskräftig, kann dieser zwar
grundsätzlich geändert werden. Das geht aber nur, wenn das Vergessen nicht grob
fahrlässig war.

 

X war an einer GmbH beteiligt, die in 2007 liquidiert
wurde. Der Verlust des X aus der Auflösung der GmbH betrug rund 200.000 EUR.
Die vom Steuerberater des X gefertigten Erklärungen zur Einkommensteuer und zur
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags enthielten keine Angaben zu dem
Veräußerungsverlust. Der Berater hatte den Übertrag in das entsprechende Feld
des elektronischen DATEV-Formulars “schlicht vergessen”.

X beantragte in 2011, den
Verlustfestfeststellungsbescheid zu ändern und den Auflösungsverlust zu
berücksichtigen. Die gegen die ablehnende Entscheidung des Finanzamts erhobene
Klage wies das Finanzgericht ab. Zwar treffe X selbst kein grobes Verschulden.
Jedoch sei ihm das Verschulden seines Beraters zuzurechnen. Das Vergessen der
Übertragung des bereits berechneten Verlustbetrags in den elektronischen
Vordruck sei grob fahrlässig. Wegen des groben Verschuldens an dem
nachträglichen Bekanntwerden der steuermindernden Tatsachen könne die
Veranlagung nicht mehr geändert werden.

 

Entscheidung
Der
Bundesfinanzhof zeigte sich in seiner Entscheidung großzügiger. Er betonte,
dass der Begriff des Verschuldens bei elektronisch gefertigten
Steuererklärungen grundsätzlich so auszulegen ist wie bei schriftlich
gefertigten Erklärungen. Allerdings ist bei elektronischen Erklärungen
besonders zu berücksichtigen, dass die Übersichtlichkeit eingeschränkt sein
kann und die ausgefüllten Felder mitunter schwieriger als bei einer Erklärung
in Papierform zu überblicken sind.

Fehler und Nachlässigkeiten, die üblicherweise
vorkommen und mit denen immer gerechnet werden muss, stellen keine grobe
Fahrlässigkeit dar. Insbesondere bei unbewussten Fehlern, die selbst bei
sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind, kann grobe Fahrlässigkeit
ausgeschlossen sein. Zu solchen unbewussten – rein mechanischen – Versäumnissen
zählen bloße Übertragungs- oder Eingabefehler, wie sie selbst bei sorgfältiger
Arbeit nicht zu vermeiden sind.

Grobe Fahrlässigkeit liegt nur dann vor, wenn der
Steuerpflichtige oder der Berater in Steuerformularen gestellte Fragen bewusst
nicht beantwortet oder klare und ausreichend verständliche Hinweise bewusst
unbeachtet lässt.

 

2.  
Reverse-Charge-Verfahren
und Bauleistungen: Keine Nachforderung von Umsatzsteuer

 Unternehmen, die Bauleistungen an Bauträger erbracht
und dabei das Reverse-Charge-Verfahren angewendet haben, müssen nach einer
Änderung der Rechtslage bzw. Rechtsprechung nicht rückwirkend Umsatzsteuer
zahlen.

 

Der Antragsteller hatte im Jahr 2009 als
Bauunternehmer Bauleistungen an verschiedene Bauträger ausgeführt. Entsprechend
der damaligen Verwaltungsauffassung gingen die Beteiligten davon aus, dass die
Bauträger als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schulden, weshalb die Steuer
vom leistenden Bauunternehmer nicht an das Finanzamt abgeführt wurde. Aufgrund
eines Urteils des Bundesfinanzhofs forderten die Bauträger die ihrerseits
gegenüber dem Finanzamt angemeldete Umsatzsteuer zurück. Daraufhin setzte das
Finanzamt die Umsatzsteuer gegenüber dem leistenden Bauunternehmer fest und
berief sich dabei auf eine im Jahr 2014 neu geschaffene gesetzliche Regelung.

 

Entscheidung      
Das
Finanzgericht hat dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bauunternehmers
stattgegeben, da dem Antragsteller Vertrauensschutz gewährt werden müsse.
Danach darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht
zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass eine allgemeine
Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, einer obersten Bundes- oder
Landesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem
geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet worden ist. Weil die neue
gesetzliche Regelung diesen Vertrauensschutz ausdrücklich ausschließt, spricht
viel dafür, dass insoweit eine unzulässige echte Rückwirkung vorliegt.
Zumindest erscheint eine solche nicht ausgeschlossen, da der Gesetzgeber mit
der neuen Vorschrift in die zum Zeitpunkt der Gesetzesverkündung bereits
entstandene Umsatzsteuerschuld für 2009 nachträglich eingegriffen hat.

Generell verstößt es gegen jegliches Rechtsempfinden,
wenn bauleistende Unternehmer im Vertrauen auf damals bestehende
Verwaltungsanweisungen gezielt danach gehandelt haben und nun Jahre später in
Anspruch genommen werden sollen.

 

3.   Oldtimer im
Betriebsvermögen? Besser nicht!

 Wird ein Oldtimer als Betriebsvermögen ausgewiesen,
ist das steuerlich nicht immer von Vorteil. Im Gegenteil: Diese steuerliche
Behandlung kann im Einzelfall sogar zu erheblichen Nachteilen führen.

 

Die X-GmbH & Co. KG betreibt eine Werbeagentur.
Anfang 2013 hat sie einen Pkw-Oldtimer für 40.000 EUR erworben. In den Jahren
2013 und 2014 nutzte der alleinige Kommanditist B den Pkw zu wenigen
Kundenbesuchen. Die übrigen Fahrten dienten dem Tanken, der TÜV-Abnahme sowie
der Inspektion. Die betrieblichen Fahrten im Jahr beliefen sich auf 450 bzw.
600 km.

Die KG hat den Pkw innerhalb einer
betriebsgewöhnlichen Restnutzungsdauer von 4 Jahren abgeschrieben, sodass sich
der Restbuchwert am 31.12.2014 auf 20.000 EUR beläuft. Nach einer Außenprüfung
erkennt das Finanzamt die Absetzung für Abnutzung für 2013 und 2014 von je
10.000 EUR nicht als Betriebsausgaben an. Damit ist die KG nicht einverstanden.
Der Pkw werde von ihr als Betriebsfahrzeug zu Werbe- und auch
Repräsentationszwecken genutzt, die durchgeführten Fahrten laut Fahrtenbuch
seien sämtliche als betriebliche Fahrten zu werten. Anfang 2015 hat die KG den
Pkw für 40.000 EUR veräußert.

 

Entscheidung      
Aufwendungen
für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche
Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen sind nicht als
Betriebsausgaben abzugsfähig. Unter diese gesetzliche Regelung fallen nach
Auffassung des Finanzgerichts auch die Aufwendungen für einen Pkw-Oldtimer;
diese sind deshalb nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig. Der Bundesfinanzhof
hatte dies bereits in einer früheren Entscheidung bestätigt, dass Oldtimer –
insbesondere wenn sie wie hier kaum bewegt werden – unter das Abzugsverbot
fallen können.

Bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die vom
Abzugsverbot betroffen sind, ist zur Berechnung des Veräußerungsgewinns als
Buchwert der Wert anzusetzen, der sich unter Berücksichtigung der – den Gewinn
bisher nicht beeinflussenden – Absetzung für Abnutzung ergibt. Der Buchgewinn
aus der Veräußerung des zum Betriebsvermögen gehörenden Fahrzeugs ist also auch
insoweit einkommensteuerpflichtig, als die Absetzung für Abnutzung während der
Besitzzeit dem Gewinn außerhalb der Bilanzen als nicht abziehbare
Betriebsausgabe gewinnerhöhend wieder zugerechnet wurde. Als Veräußerungsgewinn
sind somit 20.000 EUR anzusetzen.

 

4.  Grunderwerbsteuer:
Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Verletzung der Anzeigepflicht?

 

Verletzt ein Notar die ihm obliegende Anzeigepflicht
leichtfertig, indem er die Anzeige an die Körperschaftsteuer- statt an die
Grunderwerbsteuer-Stelle schickt, wird die Festsetzungsfrist für die
Grunderwerbsteuer nicht verlängert.

 

Der Alleingesellschafter G übertrug Geschäftsanteile
an P. Den noch verbliebenen Geschäftsanteil verkaufte er durch Notarvertrag v.
25.4.2001 ebenfalls an P. Der Notar übersandte die Verträge über die
Veräußerungen unter Bezugnahme auf seine Anzeigepflicht an die
Körperschaftsteuer-Stelle des Finanzamts.

Mit Vertrag vom 30.1.2002 erwarb G von P sämtliche
Anteile zurück. Der Notar übersandte diesen Vertrag ebenfalls an die
Körperschaftsteuer-Stelle (eingegangen am 5.2.2002). Die
Körperschaftsteuer-Stelle fertigte darauf eine Kontrollmitteilung an die
Grunderwerbsteuer-Stelle und fügte ihr den Vertrag bei. Ob diese Mitteilung bei
der Grunderwerbsteuer-Stelle eingegangen ist, konnte nicht festgestellt werden.
Erst mit Bescheid vom 22.2.2010 und Änderungsbescheid vom 20.4.2010 setzt das
Finanzamt Grunderwerbsteuer fest.

Dagegen wandte sich G und machte
Festsetzungsverjährung geltend. Das Finanzgericht gab seiner Klage statt.

 

Entscheidung
Der
Bundesfinanzhof konnte über den Fall nicht abschließend entscheiden. In seiner
Begründung stellte er fest:

Der Rückerwerb durch G mit Vertrag vom 30.1.2002
unterlag der Grunderwerbsteuer. Zwar wird bei einem Rückerwerb innerhalb von 2
Jahren die Steuerfestsetzung für den Erwerb und den Rückerwerb aufgehoben. Das
setzt aber voraus, dass der ursprüngliche Erwerb (Verkauf des Restanteils durch
G an P) ordnungsgemäß angezeigt wurde. Das war hier nicht der Fall. Denn die
Anzeige muss grundsätzlich an die Grunderwerbsteuer-Stelle des Finanzamts
übermittelt werden. Eine nicht ausdrücklich an die Grunderwerbsteuer-Stelle
gerichtete Anzeige genügt nur dann, wenn sie sich nach ihrem Inhalt eindeutig
an die Grunderwerbsteuer-Stelle richtet. Die Anzeige des Notars war jedoch
ausdrücklich an die Körperschaftsteuer-Stelle gerichtet.

Bei einer fehlenden Anzeige beginnt die 4-jährige
Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des dritten Jahrs nach der Entstehung der
Steuer. Die 4-jährige Frist endete somit regulär zum Jahresende 2009.

Allerdings ist zu beachten, dass in 2009, somit vor
Ablauf der regulären 4-jährigen Frist, Bescheide über die gesonderte
Feststellung der Grundstückswerte ergangen waren. Diese Bescheide
(Grundlagenbescheide) haben zu einer Ablaufhemmung von 2 Jahren geführt mit der
Folge, dass insoweit durch die angefochtenen Bescheide aus 2010 die
Grunderwerbsteuer noch festgesetzt werden konnte.

Zur Verletzung der Anzeigepflichten stellt der
Bundesfinanzhof klar, dass Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung nur der
Schuldner sein kann, aber nicht der Notar. Dieser ist weder Steuerpflichtiger
noch nimmt er im Hinblick auf die Anzeigepflicht Angelegenheiten des
Steuerpflichtigen wahr. Eine entsprechende Wahrnehmung setzt eine
rechtsgeschäftliche Beauftragung durch den Steuerschuldner voraus. Die nicht
ordnungsgemäße Anzeige des Notars führte daher nicht zu einer
Fristverlängerung.

Allerdings könnte auf Seiten des G als Steuerschuldner
wegen Nichtabgabe der ihm obliegenden Anzeige eine leichtfertige
Steuerverkürzung vorliegen.

 

5.  
Bekanntgabemangel:
Keine Heilung, wenn Finanzamt Bekanntgabewillen aufgibt

 

Wird eine Bekanntgabevollmacht missachtet, gilt ein
Einkommensteuerbescheid als nicht wirksam bekannt gegeben. Eine nachfolgende
Weitergabe des Bescheids an den Bevollmächtigten kann zur Heilung des
Bekanntgabemangels führen. Das gilt allerdings nicht, wenn das Finanzamt vorher
ausdrücklich seinen Bekanntgabewillen aufgegeben hat.

 

Der am 29.12.2009 an den Steuerpflichtigen bekannt
gegebene Einkommensteuerbescheid 2003 (Schätzungsbescheid wegen Nichtabgabe
einer Steuererklärung) hätte aufgrund einer Bekanntgabevollmacht an den
Bevollmächtigten bekannt gegeben werden müssen. Erst am 13.8.2012 leitete der
Steuerpflichtige den Steuerbescheid an seinen Bevollmächtigten weiter. Dieser
legte noch am gleichen Tag gegen den Bescheid Einspruch ein. Zuvor hatte das
Finanzamt in einem Schreiben vom 3.8.2012 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass
der Ausgangsbescheid vom 29.12.2009 nie existiert habe. Der Erlass eines
erneuten Steuerbescheids sei nun jedoch nicht mehr möglich, da die
Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2003 bereits am 31.12.2010 abgelaufen
sei. Hiergegen richteten sich der eingelegte Einspruch sowie die nachfolgend
eingelegte Klage, mit der für 2003 Verluste aus der Veräußerung von
Beteiligungen geltend gemacht wurden.

 

Entscheidung
Das
Finanzgericht wies die Klage ab und bestätigte, dass die Festsetzungsfrist am
31.12.2010 abgelaufen ist.

Die Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids 2003 am
29.12.2009 war unwirksam, da das Finanzamt die vorliegende Bekanntgabevollmacht
zugunsten des Bevollmächtigten nicht beachtet hatte. Ein derartiger
Bekanntgabemangel kann durch die Weitergabe des Steuerbescheids an den
Bekanntgabeempfänger geheilt werden. In diesem Fall liegt erst zum Zeitpunkt
der Weitergabe des Bescheids eine wirksame Bekanntgabe vor.

Im Streitfall konnte es hierzu jedoch nicht mehr
kommen, da das Finanzamt bereits zuvor gegenüber dem Bevollmächtigten des
Steuerpflichtigen seinen Bekanntgabewillen für den am 29.12.2009 erlassenen
Einkommensteuerbescheid ausdrücklich aufgehoben hatte.

 

6.  
Arbeitszimmer: Wo
hat ein Handelsvertreter seinen Tätigkeitsmittelpunkt?

 Auch ein Handelsvertreter kann seinen qualitativen
Tätigkeitsmittelpunkt im häuslichen Arbeitszimmer haben. Voraussetzung ist,
dass er in diesem Raum prägende betriebswirtschaftliche Tätigkeiten ausübt und
keiner klassischen Außendiensttätigkeit nachgeht.

 

Ein selbstständiger Handelsvertreter war überregional
im Wurst- und Käsevertrieb tätig. Für diese Tätigkeit hatte er sich ein
häusliches Arbeitszimmer eingerichtet, für das er 2010 Raumkosten von insgesamt
3.595 EUR hatte. Das Finanzamt erkannte die Kosten nur beschränkt mit 1.250 EUR
als Betriebsausgaben an, weil der Tätigkeitsmittelpunkt nicht im Arbeitszimmer
liege. Entscheidend sei, dass er die prägenden Tätigkeiten (z. B. Präsentation
neuer Waren, Betreuung der Neukunden) vor allem im Außendienst ausübe.

 

Entscheidung
Das
Finanzgericht war da anderer Meinung. Es entschied, dass der
Tätigkeitsmittelpunkt des Handelsvertreters sehr wohl im häuslichen
Arbeitszimmer liegt und ließ die Raumkosten komplett zum Abzug zu.

Entscheidend war für das Gericht, dass der
Handelsvertreter keiner klassischen Außendienststätigkeit nachgegangen war,
sondern in erster Linie an der Vermittlung von Liefergeschäften im Innendienst
beteiligt war. Ein erheblicher Anteil seiner Arbeitszeit entfiel darauf, Preis-
und Sortimentslisten, Monatsübersichten und sog. 26-Wochen-Analysen für jeden
Kunden zu erstellen. Seine Aufgabe erstreckte sich auch auf die individuelle
Angebots- und Bedarfsermittlung für jeden einzelnen Kunden. Die prägenden
betriebswirtschaftlichen Tätigkeiten hatte der Vertreter im häuslichen
Arbeitszimmer ausgeübt. Dieser Raum war quasi seine unternehmerische
Schaltzentrale.

 



 

7. Fehlerhafte
Abrechnungen: Dienstleister muss Schadensersatz leisten

 Ein Dienstleister, der fehlerhafte
Heizkostenabrechnungen erstellt, muss dem Vermieter den dadurch entstandenen
Schaden ersetzen. Das sind zum einen die Beträge, die der Vermieter seinen
Mietern nach einer Abrechnungskorrektur erstatten muss, zum anderen die von
anderen Mietern zu wenig gezahlten Beträge, die der Vermieter nicht mehr
nachfordern kann.

 

Der Dienstleister hatte für die Wohnanlagen die
Abrechnungen für die Jahre 2008 und 2009 erstellt. Dabei addierte er
Zählerstände, die nicht hätten addiert werden dürfen. Die Heiz- und
Warmwasserkosten wurden den Wohnungen daher falsch zugeordnet. Die Abrechnungen
wurden den Mietern übersandt. Teilweise leisteten die Mieter Nachzahlungen,
teilweise erhielten sie Guthaben ausbezahlt.

Die korrigierten Abrechnungen haben die Mieter im
November 2014 erhalten. Die überzahlten Beträge in Höhe von insgesamt 60.000
EUR wollen die Vermieter ihren Mietern erstatten. Diesen Betrag fordern sie als
Schadensersatz von dem Dienstleister.

 

Entscheidung      
Das
Landgericht Berlin gab den Vermietern Recht.

Indem er Zählerstände zusammengerechnet hat, die er
nicht hätte addieren dürfen, hat der Dienstleister seine vertragliche
Verpflichtung, eine verbrauchsabhängige ordnungsgemäße Abrechnung zu erstellen,
verletzt.

Den Vermietern ist durch die fehlerhaften Abrechnungen
ein Schaden entstanden. Und zwar zum einen in Höhe der von einigen Mietern zu
viel geleisteten Zahlungen, zum anderen in Höhe der den anderen Mietern zu
wenig berechneten Heizkosten, denn diese können die Vermieter nicht
nachträglich durch eine Änderung der Betriebskostenabrechnungen geltend machen.
Die Betriebskostenabrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des 12.
Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist
ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen,
es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu
vertreten. Im vorliegenden Fall haben die Vermieter jedoch die verspätete
Geltendmachung der Heiz- und Warmwasserkosten zu vertreten, denn sie müssen
sich das Verschulden des Dienstleisters als ihres Erfüllungsgehilfen zurechnen
lassen.

Die Mieter, die zu viel geleistet haben, können
deshalb eine Rückzahlung dieser Zahlungen verlangen. Zwar ist die Frist für
Einwendungen gegen die ersten, fehlerhaften Betriebskostenabrechnungen
abgelaufen. Allerdings hätten die Mieter die verspätete Geltendmachung der
Einwendungen nicht zu vertreten, denn die ursprünglichen
Betriebskostenabrechnungen enthielten Fehler, die durch bloße Prüfung und
gegebenenfalls Vergleich mit dem Mietvertrag nicht erkennbar waren.

 

8. 
Instandhaltungsrücklage
bei Mehrhausanlagen: Für jedes Haus darf eine eigene Rücklage gebildet werden

 In Mehrhausanlagen darf die Eigentümergemeinschaft
getrennte Instandhaltungsrücklagen für einzelne Gebäude bilden.

 

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft besteht aus zwei
Komplexen mit Wohngebäuden (Komplex A und B). Die beiden beklagten Eigentümer
sind Sondereigentümer sämtlicher Wohnungen in Komplex B. Die
Gemeinschaftsordnung sieht vor, dass eine angemessene Instandhaltungsrücklage
für das gemeinschaftliche Eigentum angesammelt wird.

Die Eigentümer beschlossen in einer
Eigentümerversammlung am 7.12.2004 mehrheitlich, die Instandhaltungsrücklagen
für die Komplexe A und B zu trennen. Die vorhandene Rücklage wurde Komplex A
zugerechnet, für Komplex B sollte eine eigene Rücklage angespart werden. In den
Folgejahren wurden die Instandhaltungsrücklagen getrennt ausgewiesen und
Rücklagen von 469.000 EUR für Komplex A und von 88.000 EUR für Komplex B
angespart.

In einer Eigentümerversammlung am 11.10.2012 vertrat
der Verwalter die Meinung, dass die Rücklagen wieder zusammengeführt werden
müssten. Die Eigentümer beschlossen daraufhin mit einfacher Mehrheit, dass die
Eigentümer der Wohnungen in Komplex B per Sonderumlage eine Ausgleichszahlung von
rund 50.000 EUR zuzüglich 1.080 EUR monatlich bis zum Inkrafttreten eines
gemeinschaftlichen Wirtschaftsplans an die Gemeinschaft leisten müssen. Die
Eigentümer weigern sich, den geforderten Betrag zu zahlen.

 

Entscheidung
Der
Bundesgerichtshof ist der Ansicht, dass die Eigentümer der Wohnungen in Komplex
B zu Recht die Zahlung des Ausgleichsbetrags verweigert haben.

Die Gemeinschaftsordnung sieht vor, dass für die
Komplexe A und B getrennte Instandhaltungsrücklagen gebildet werden.
Ursprünglich war zwar vorgesehen, eine einheitliche Instandhaltungsrücklage für
die Wohngebäude zu bilden. Diese Regelung ist aber durch den Beschluss vom
7.12.2004 geändert worden.

Es ist zulässig, für Mehrhausanlagen in der
Gemeinschaftsordnung buchungstechnisch getrennte Rücklagen zu bilden, deren
Verwendungszweck jeweils die Instandhaltung der einzelnen Gebäude oder
Gebäudekomplexe ist. Ungeachtet einer solchen Zweckbindung gehören die
getrennten Instandhaltungsrücklagen zum Verwaltungsvermögen des Verbands. Hier
handelt es sich um eine solche Mehrhausanlage mit getrennten Baukörpern, was
eine eindeutige Kostenzuordnung erlaubt.

Der am 11.10.2012 gefasste Beschluss über die
Ausgleichszahlung ist hingegen nichtig. Da die Gemeinschaftsordnung nunmehr
getrennte Instandhaltungsrücklagen vorsieht, entbehrt die in dem Beschluss
vorgesehene Zahlungspflicht der erforderlichen Grundlage. Die einheitliche
Instandhaltungsrücklage, deren Auffüllung die Zahlung dienen soll, gibt es
nicht.

 

9.   
Mahnverfahren: Bei
unrichtigen Angaben hemmt der Mahnbescheid die Verjährung nicht

 Der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids sollte
richtig ausgefüllt sein. Denn wer bewusst wahrheitswidrige Erklärungen abgibt,
kann am Ende leer ausgehen.

 Der Kläger hatte im Jahr 1992 Wohnungseigentum
erworben. Der Kaufpreis wurde über ein Darlehen finanziert. Später kamen dem
Kläger Zweifel, ob die Darlehensgeberin ihn vor Vertragsabschluss zutreffend
über die Risiken des Vertrags aufgeklärt hatte. Seine Prozessbevollmächtigten
reichten am 30.12.2008 einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids ein. In dem
Antragsformular kreuzten sie ein Feld an, wonach der geltend gemachte Anspruch
nicht von einer Gegenleistung abhängt. Die Prozessbevollmächtigten waren sich
bei dieser Erklärung bewusst, dass der Inhalt unrichtig ist. Sie machten
nämlich den sog. großen Schadenersatz geltend, d. h. sie forderten Ersatz des
gesamten Erfüllungsinteresses. Im konkreten Fall konnte der Schadenersatz nur
Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der Eigentumswohnung verlangt
werden.

 

Entscheidung
Der
Bundesgerichtshof lehnte die Schadensersatzklage – wie alle Instanzen vor ihm –
ab. Die Einleitung eines Mahnverfahrens ist ausgeschlossen, wenn der geltend
gemachte Anspruch von einer Gegenleistung abhängt, die noch nicht erbracht ist.
In diesem Fall ist der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids zwingend
zurückzuweisen. In Kenntnis dieser Rechtslage hatten die
Prozessbevollmächtigten des Antragstellers bewusst die unrichtige Erklärung
abgegeben, der Anspruch sei von einer Gegenleistung nicht abhängig.

Dieses Verhalten der Prozessbevollmächtigten des
Antragstellers bewertete der Bundesgerichtshof als einen Missbrauch des
Mahnverfahrens zum Zweck der Verjährungshemmung mit unwahren Angaben. Ein
solcher Rechtsmissbrauch verwehrt es dem Antragsteller, sich auf die durch
unrichtige Angaben erschlichene Rechtsposition zu berufen.

Auch die Zuerkennung des kleinen Schadensersatzes
versagte der Bundesgerichtshof dem Kläger. Im Gegensatz zum großen
Schadenersatz ist der kleine Schadensersatz lediglich auf Ausgleich des
Differenzschadens unter Beibehaltung der bereits ausgetauschten Leistungen
gerichtet. Die unlautere Vorgehensweise bei Antragstellung verwehrt es nach
Ansicht des Bundesgerichtshofs dem Kläger, sich nun auf die Geltendmachung des
kleinen Schadensersatzanspruchs zurückzuziehen – auch wenn der Antrag dann
richtig gewesen wäre.

Seine rechtsmissbräuchliche Vorgehensweise führt dazu,
dass die Verjährungshemmung nicht eingetreten ist. Damit ging der Kläger völlig
leer aus.

 

 

GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer

 

 

1.  Wann haftet der
GmbH-Geschäftsführer für die Umsatzsteuer?

 Ein GmbH-Geschäftsführer kann Einwendungen gegen die
Richtigkeit einer Umsatzsteuer-Festsetzung vorbringen, solange diese unter
Vorbehalt steht.

 

Das Finanzamt nimmt X als Geschäftsführerin für
Umsatzsteuer-Schulden der A-GmbH aus 2002 in Haftung. Der der Haftung
zugrundeliegende Steuerbescheid wurde formell bestandskräftig. Der Einspruch
der GmbH wurde zurückgewiesen. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb in der
Einspruchsentscheidung ausdrücklich bestehen. Klage wurde von der GmbH nicht
erhoben. Sie beantragte lediglich, den Umsatzsteuer-Bescheid zu ändern und die
steuerpflichtigen Umsätze zu mindern. Über diesen Änderungsantrag hat das
Finanzamt nicht entschieden.

X wandte sich mit Einspruch und Klage gegen den
Haftungsbescheid und machte geltend, die Umsatzsteuer sei gegen die GmbH zu
hoch festgesetzt worden. Das Finanzgericht wies die Klage mit der Begründung
ab, X müsse die unanfechtbar gegenüber der GmbH festgesetzte Steuer gegen sich
gelten lassen.

 

Entscheidung      
Nach
Auffassung des Bundesfinanzhofs darf X Einwendungen gegen die Steuerschuld der
GmbH geltend machen.

Die Drittwirkung der Steuerfestsetzung nach deren
Unanfechtbarkeit lässt bei einer Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung
den Anspruch des Steuerpflichtigen (GmbH) und seines Vertreters (X) auf
Änderung der Steuerfestsetzung unberührt. Beide Regelungen haben einen
voneinander unabhängigen Anwendungsbereich. Auch wenn eine unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung ergangene Steuerfestsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen mit
förmlichen Rechtsbehelfen (Einspruch, Klage, Nichtzulassungsbeschwerde,
Revision) nicht mehr anfechtbar und damit unanfechtbar festgesetzt ist, kann
eine solche Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden, solange der
Vorbehalt wirksam ist. Ein in Haftung genommener Vertreter kann daher auf eine
Änderung einer solchen Steuerfestsetzung hinwirken und uneingeschränkt
Einwendungen gegen die Richtigkeit der Steuerfestsetzung und gegen die Höhe der
Haftungsschuld geltend machen.

 

2. Rückkauf von
GmbH-Anteilen ist keine Rückabwicklung

 Werden GmbH-Anteile gegen Rückzahlung des Kaufpreises
zurückübertragen, liegt kein rückwirkendes Ereignis vor. Eine bestandskräftige Steuerfestsetzung
bezüglich der ursprünglichen Anteilsveräußerung ist deshalb nicht möglich.

 

Der Kläger war alleiniger Gesellschafter einer GmbH.
Im Jahr 2003 veräußerte er sämtliche GmbH-Anteile für insgesamt 250.000 EUR an
zwei Erwerber. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer für 2003 unter
Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns fest.

Die Käufer erhoben eine Zivilklage gegen den Kläger,
weil er sie unter Vorlage unrichtiger Bilanzen der GmbH getäuscht habe. Das
Landgericht verurteilte den Kläger zur Rückerstattung des vollständigen
Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückabtretung der Anteile. Im Berufungsverfahren
vor dem Oberlandesgericht schlossen die Vertragsparteien im Jahr 2010 einen
Vergleich. Der Kläger musste gegen Rückabtretung der Anteile nur 125.000 EUR
zurückzahlen.

Das Finanzamt lehnte den Antrag des Klägers auf
Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2003 ab, weil kein rückwirkendes
Ereignis vorliege, sondern ein Rückkauf der Anteile vereinbart worden sei.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht schloss sich der Auffassung des
Finanzamts an und wies die Klage ab. Ein rückwirkendes Ereignis liegt bei einem
bereits vollzogenen Rechtsgeschäft nur vor, wenn die Rückabwicklung im
Kaufvertrag selbst angelegt sei und das Rechtsgeschäft tatsächlich vollständig
rückabgewickelt werde.

Im Streitfall seien die wirtschaftlichen Folgen der
bereits vollzogenen Anteilsveräußerung nicht vollständig beseitigt worden. Der
Vergleich stelle vielmehr eine neue vertragliche Vereinbarung zwischen dem
Kläger und den Käufern und kein gesetzliches Schuldverhältnis dar.

Der aufgrund des Vergleichs gezahlte Betrag in Höhe
von 125.000 EUR sei beim Kläger im Fall einer späteren Auflösung der GmbH
allerdings gewinnmindernd zu berücksichtigen.