Mandantenbrief Steuern Privatpersonen Oktober 2015

 

Privatbereich

1.

Impfung durch Betriebsarzt: Ist
ein Impfschaden ein Arbeitsunfall?

2.

Abgeltungsteuer: Bis zu welchem
Zeitpunkt kann der Antrag auf Günstigerprüfung gestellt werden?

3.

Nicht anerkannte
Behandlungsmethode: Können die Kosten steuerlich berücksichtigt werden?

4.

Einspruch: Einfache E-Mail genügt

5.

Kindergeld: Kein Anspruch während
Schulbesuch in der Türkei

6.

Schuhkauf ist Privatsache – auch
bei einer Schuhverkäuferin

7.

Entgangene Arbeitsstelle:
Schadensersatz ist steuerpflichtiger Arbeitslohn

8.

Kostenentscheidung in
Einspruchsentscheidung: Einspruch oder Klage?

9.

Mehrjährige Tätigkeit: Wann wird
die Fünftelregelung angewendet?

10.

Zivilprozess: Kosten sind keine
außergewöhnlichen Belastungen

11.

Stromdiebstahl des Mieters:
Fristlose Kündigung ist gerechtfertigt

12.

Hund ohne Leine: Besitzer haftet
für Unfälle

13.

Nasse Wand im Badezimmer: Wann
die Wohngebäudeversicherung zahlen muss

14.

Verletzung des
Gemeinschaftseigentums: Nur die Wohnungseigentümergemeinschaft kann dagegen
vorgehen

15.

Defekte Toilette im Zug:
Fahrgast kann Schmerzensgeld verlangen

16.

Trotz Anfechtung der
Jahresabrechnung: Zahlungspflicht besteht

17.

Nießbraucher ist rechtlich kein
Wohnungseigentümer



 

1.  Impfung
durch Betriebsarzt: Ist ein Impfschaden ein Arbeitsunfall?

 

Die nächste Grippesaison steht bevor und
viele Arbeitgeber bieten wieder für ihre Mitarbeiter Impfungen an. Kommt es
dabei zu einem Impfschaden, stellt sich die Frage, ob dieser als Arbeitsunfall
anzusehen ist.

 

Hintergrund

Eine Museumsmitarbeiterin ließ sich vom Betriebsarzt
gegen Grippe impfen. Daraufhin erkrankte sie an einem Guillan-Barre-Syndrom.
Sie verklagte die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft auf Anerkennung eines
Arbeitsunfalles, weil ihr die betriebsärztliche Impfung von ihrem Arbeitgeber
angeboten worden sei. Sie habe sich angesichts des Publikumsverkehrs im Museum
vor einer besonderen Ansteckungsgefahr schützen wollen.

 

Entscheidung

Das Sozialgericht Dortmund wies die Klage ab. Die
Begründung: Nur wenn die mit der Tätigkeit verbundene Gefährdung eine
Grippeschutzimpfung über die allgemeine Gesundheitsfürsorge hinaus erforderlich
macht, kommt die Anerkennung eines Arbeitsunfalles in Betracht. Dies sei bei
der Klägerin im Museum nicht der Fall gewesen. Zwar habe sie Kontakt zu
Besuchergruppen gehabt. Die Ansteckungsgefahr sei aber nicht größer gewesen als
an anderen Arbeitsplätzen mit Kontakt zu Kollegen und Publikum oder im privaten
Bereich, wie z. B. beim Einkaufen.

 

2.   Abgeltungsteuer:
Bis zu welchem Zeitpunkt kann der Antrag auf Günstigerprüfung gestellt werden?

 

Bei Einkünften aus Kapitalvermögen fahren
die allermeisten Steuerpflichtigen mit der 25 %igen Abgeltungsteuer günstiger.
Liegt der individuelle Steuersatz doch mal unter 25 %, sollte der Antrag auf
Anwendung der tariflichen Einkommensteuer (Günstigerprüfung) rechtzeitig
gestellt werden.

 

Hintergrund

Die Klägerin erzielte Einkünfte aus
nichtselbstständiger Arbeit und aus einer Leibrente. Zudem hatte sie
Kapitalerträge. Diese gab sie aber nicht in ihrer Einkommensteuererklärung an,
da dafür schon die Abgeltungsteuer von 25 % abgeführt worden war. Im
Einkommensteuerbescheid blieben die Kapitaleinkünfte daher unberücksichtigt.
Nach Ablauf der Einspruchsfrist stellte die Klägerin einen Antrag auf
Günstigerprüfung. Da ihr individueller Steuersatz unter 25 % lag, wollte sie
mit dem Antrag eine niedrigere Einkommensteuer erreichen. Finanzamt und
Finanzgericht lehnten eine Änderung des bestandskräftigen
Einkommensteuerbescheids jedoch ab.

 

Entscheidung

Auch beim Bundesfinanzhof hatte die Klägerin keinen
Erfolg; er hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Seine Begründung:
Eine zeitliche Befristung für den Antrag auf Günstigerprüfung ergibt sich aus
der Bestandskraft der Steuerfestsetzung. Die Voraussetzungen für die Korrektur
eines bestandskräftigen Steuerbescheids liegen hier nicht vor. Zwar wurde dem
Finanzamt erst nach der Steuerfestsetzung bekannt, dass die Klägerin
Kapitaleinkünfte erzielt hatte, die bei der Gesamtbetrachtung der
Besteuerungsgrundlagen zu einer niedrigeren Steuer geführt hätten. Eine
Korrekturmöglichkeit für derartige “neue Tatsachen” ist jedoch nur möglich,
wenn den Steuerpflichtigen an dem nachträglichen Bekanntwerden kein Verschulden
trifft. Ein Verschulden liegt hier aber nach Ansicht des Bundesfinanzhofs vor,
da die Klägerin die Steuerbescheinigung über die einbehaltene
Kapitalertragsteuer bereits vor der Abgabe der Einkommensteuererklärung
erhalten hatte. Deshalb konnte der Antrag auf Günstigerprüfung hier nicht mehr
gestellt werden.

 

3.   
Nicht
anerkannte Behandlungsmethode: Können die Kosten steuerlich berücksichtigt
werden?

 

Krankheitskosten gehören zu den steuerlich
abzugsfähigen außergewöhnlichen Belastungen. Aber gehören auch Aufwendungen für
die operative Beseitigung von Lipödemen (Fettabsaugung an den Beinen) dazu?
Entscheidend ist, ob eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode
vorliegt.

 

Hintergrund

A machte für das Streitjahr 2010 Aufwendungen für eine
Operation zur Beseitigung von Lipödemen (Fettabsaugung an den Beinen) in Höhe
von 5.500 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend. Sie reichte dazu
verschiedene ärztliche Bescheinigungen aus 2010 und 2012 sowie ein
fachärztliches Gutachten aus 2011 ein, das eine Liposuktion als geeignete
Behandlungsmethode ansah.

Das Finanzamt und danach auch das Finanzgericht
lehnten den Abzug ab. Es handelte sich ihrer Ansicht nach um eine
wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode, für die A nicht den
erforderlichen formalisierten Nachweis erbracht hatte.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hat die Entscheidung des
Finanzgerichts nicht beanstandet. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen ist für
wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden die Zwangsläufigkeit in
formalisierter Form nachzuweisen, und zwar durch ein vor Beginn der Behandlung
ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche
Bescheinigung eines Medizinischen Diensts der Krankenversicherung (MDK).
Wissenschaftlich anerkannt ist eine Behandlungsmethode, wenn Qualität und
Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse
entsprechen.

Um zu beurteilen, ob eine wissenschaftlich anerkannte
Behandlungsmethode vorliegt, kann sich das Finanzgericht auf allgemein
zugängliche Fachgutachten oder solche Gutachten stützen, die in Verfahren vor
anderen Gerichten herangezogen wurden. Das Finanzgericht stützte sich im
vorliegenden Fall auf ein früheres Urteil eines Oberverwaltungsgerichts in
einer Beihilfesache. Nach einem in diesem Verfahren vorgelegten
Sachverständigengutachten aus 2009 (also vor der hier streitigen Behandlung in
2010) ist wissenschaftlich nicht hinreichend bewiesen, dass mit einer
Liposuktion eine nachhaltige Reduktion der Lipödembeschwerden einhergeht. Die
Methode war daher bereits vor der Durchführung der Behandlung nicht anerkannt.
Zudem wurde dieses Sachverständigengutachten durch ein dem Oberverwaltungsgericht
vorliegendes Gutachten einer Expertengruppe aus 2011 bestätigt. Die Revision
wurde daher zurückgewiesen.

 



 

4.    Einspruch:
Einfache E-Mail genügt

 

Ein Einspruch kann mit einfacher E-Mail
eingelegt werden. Eine qualifizierte elektronische Signatur ist nicht erforderlich.

 

Hintergrund

A wandte sich gegen die Aufhebung eines
Kindergeldbescheids vom 17.1.2013. Sie erhob ihren Einspruch mit einfacher
E-Mail. Im Bescheid war die E-Mail-Adresse der Familienkasse angegeben. Die
Familienkasse wies den Einspruch als unbegründet zurück. Das Finanzgericht
urteilte, dass der Bescheid bestandskräftig geworden ist, da der Einspruch per
E-Mail nicht wirksam eingelegt wurde. Denn für die Einspruchseinlegung ist eine
qualifizierte elektronische Signatur erforderlich gewesen.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof gab dagegen der Klägerin Recht und
hob das Finanzgerichtsurteil auf.

Nach der alten gesetzlichen Regelung (bis 31.7.2013)
war der Einspruch schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären.
Nach der Auffassung des Bundesfinanzhofs bedeutet “schriftlich” aber nicht
“Schriftform”. Schriftform bedeutet eigenhändige Unterschrift. Ein solches
Unterschrifterfordernis besteht jedoch im Fall der Einspruchseinlegung nicht.
Hier reicht es aus, wenn aus dem Schriftstück hervorgeht, wer den Einspruch
eingelegt hat. Wird der Einspruch elektronisch eingelegt, setzt dessen
Wirksamkeit deshalb keine elektronische Signatur voraus.

 

5.  
Kindergeld:
Kein Anspruch während Schulbesuch in der Türkei

 

Besucht das Kind für mehrere Jahre eine
Schule in der Türkei, haben die Eltern keinen Anspruch auf Kindergeld in
Deutschland. Auf anderslautende spontane Auskünfte einer
Familienkassenmitarbeiterin können sich Eltern grundsätzlich nicht berufen.

 

Hintergrund

Die Mutter beantragte im Jahr 2013 die Fortzahlung von
Kindergeld über den 18. Geburtstag ihres Kindes hinaus. Gegenüber der
Familienkasse gab sie an, dass sich ihr Sohn bereits seit 2008 zum Schulbesuch
in der Türkei aufhält und nur in den Sommerferien nach Deutschland zurückkehrt.
Die Familienkasse forderte daraufhin das Kindergeld für zurückliegende
Zeiträume zurück. Dagegen wehrten sich die Eltern und argumentierten, dass eine
Mitarbeiterin der Antragsannahmestelle der Familienkasse ihnen bereits in 2008
erklärt hat, dass ein Kindergeldbezug trotz des Schulbesuchs in der Türkei
weiterhin problemlos möglich ist, solange das Kind in Deutschland gemeldet ist und
ein Elternteil arbeitet. Aus Gründen des Vertrauensschutzes darf deshalb keine
Rückforderung des Kindergeldes erfolgen.

 

Entscheidung

Nach Ansicht des Finanzgerichts war jedoch die
Aufhebung der Kindergeldfestsetzung rechtmäßig. Kindergeld kann regelmäßig nur
für Kinder bezogen werden, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im
Inland oder einem EU-/EWR-Staat innehaben. Die Türkei zählt nicht zu diesen
Staaten.

Für ein Kind kann auch bei einem längerfristigen
Schulbesuch im Ausland noch Wohnsitz im Inland angenommen werden, wenn es
regelmäßig in das Inland zurückkehrt. Ein Inlandsaufenthalt während der
Schulferien genügt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs jedoch nicht.
Deshalb hatte der Sohn im Streitfall weder einen Wohnsitz noch einen
gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, sodass den Eltern kein Kindergeld
zustand.

Selbst wenn eine Mitarbeiterin der Familienkasse den
Eltern gegenüber eine positive Aussage zum Fortbezug von Kindergeld bei einem
Auslandsschulbesuch getätigt hat, steht nicht fest, ob diese Person überhaupt
zur abschließenden Entscheidung über eine Kindergeldfestsetzung befugt war.
Diesen Umstand zog das Finanzgericht in Zweifel, da die Eltern die Auskunft
lediglich in der Antragsannahmestelle der Familienkasse erhalten haben wollen.
Auf den Grundsatz von Treu und Glauben konnten sich die Eltern deshalb nicht
berufen.

 



 

6. 
Schuhkauf
ist Privatsache – auch bei einer Schuhverkäuferin

 

Angestellte sind häufig verpflichtet,
Produkte ihres Arbeitgebers während der Arbeitszeit zu tragen, so z. B.
Brillen- oder Schuhverkäufer. Trotzdem sind die Aufwendungen für eine
entsprechende Brille oder für Schuhe keine Werbungskosten.

 

Hintergrund

Die Klägerin ist als Verkäuferin in einem Schuhhaus tätig.
Die Servicestandards des Schuhhauses legen fest, dass jede Mitarbeiterin
während der Arbeit Schuhe aus eigenem Haus tragen muss.

Die Aufwendungen für die entsprechenden Schuhe machte
die Klägerin als Werbungskosten geltend, und zwar in Höhe von 849 EUR. Diese
berücksichtigte das Finanzamt nicht, weil es sich bei den Schuhen um keine
typische Berufskleidung handelt. Dem Argument der Klägerin, dass sie diese
Schuhe nur während der Arbeit, nicht aber in ihrer Freizeit getragen hat,
folgte das Finanzamt nicht.

 

Entscheidung

Auch das Finanzgericht folgte der Argumentation der
Klägerin nicht und wies die Klage ab. Die Begründung: Aufwendungen für
bürgerliche Kleidung sind als Kosten der Lebensführung steuerlich nicht
abzugsfähig. Dies gilt selbst dann, wenn sie so gut wie ausschließlich im Beruf
getragen wird und eigens für diesen Zweck angeschafft wurde. Denn ein
Werbungskostenabzug ist ausgeschlossen, wenn die private Nutzung eines
Kleidungsstücks möglich und üblich ist. Typische Berufskleidung ist dagegen nach
ihrer Beschaffenheit nahezu ausschließlich für die berufliche Verwendung
bestimmt (z. B. Uniformen, Amtstrachten oder Arztkittel). Dazu gehören die
Schuhe der Klägerin nicht. Aus diesem Grund ist eine objektive Abgrenzung
zwischen berufsbezogenen Aufwendungen und Kosten der privaten Lebensführung
nicht möglich.

 

7.  Entgangene
Arbeitsstelle: Schadensersatz ist steuer-pflichtiger Arbeitslohn

 

Wird für entgangenen Arbeitslohn eine
Entschädigung geleistet, ist diese steuerpflichtig. Das gilt auch dann, wenn es
noch gar nicht zum Vertragsabschluss gekommen war.

 

Hintergrund

Der Kläger war Vorstandsmitglied einer Bank. Nach der
geplanten Fusion mit einer anderen Bank sollte er dort einen Posten im Vorstand
erhalten. Bevor es dazu kommen konnte, kündigte ihm die Bank jedoch fristlos,
und zwar auf Anordnung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen (jetzt:
BaFin).

Der Kläger verlangte von der BaFin Schadensersatz,
nachdem das Verwaltungsgericht festgestellt hatte, dass diese Anordnung
rechtswidrig war. Auf Grundlage eines Prozessvergleichs leistete diese eine
Schadensersatzzahlung, u. a. für entgangene Gehalts- und Rentenansprüche des
Klägers.

Das Finanzamt behandelte diese Zahlung als steuerpflichtigen
Arbeitslohn, soweit sie auf entgangene Gehalts- und Rentenansprüche entfiel.
Der Kläger vertrat demgegenüber die Auffassung, dass die Zahlung als “echte”
Schadensersatzleistung nicht steuerbar ist.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht schloss sich dagegen dem Finanzamt
an und wies die Klage ab. Die Entschädigungszahlungen sind steuerpflichtiger
Arbeitslohn, denn der Kläger ist damit für die weggefallenen Einnahmen aus der
beabsichtigten Vorstandstätigkeit entschädigt worden. Die Tatsache, dass die
Entschädigung nicht vom Arbeitgeber, sondern von einem Dritten – der BaFin –
geleistet worden ist, ändert daran nichts.

Unerheblich ist auch, dass der Schadensersatz nicht
als Ausgleich für die Kündigung eines bestehenden Arbeitsvertrags geleistet
wurde, sondern dafür, dass ein neuer Vertrag gar nicht erst zustande gekommen
ist.

 



 

8.  Kostenentscheidung
in Einspruchsentscheidung: Einspruch oder Klage?

 

Ist gegen eine mit der
Einspruchsentscheidung verbundene Kostenentscheidung der Einspruch zulässig
oder muss gegen die Kostenentscheidung Klage erhoben werden? Diese Frage hat
der Bundesfinanzhof jetzt entschieden.

 

Hintergrund

V beantragte Kindergeld für seine beiden Kinder.
Dieser Antrag wurde jedoch von der Familienkasse abgelehnt. Der dagegen
eingelegte Einspruch war nur teilweise erfolgreich. Die Familienkasse setzte
für bestimmte Zeiträume Kindergeld fest und wies den Einspruch im Übrigen als
unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung entschied die Familienkasse
zugleich, dass die Aufwendungen, die V im Rechtsbehelfsverfahren entstanden
waren, nicht übernommen werden.

Gegen diese Kostenentscheidung legte V Einspruch ein.
Er beantragte, die ihm entstandenen Kosten anteilig der Familienkasse
aufzuerlegen. Die Familienkasse verwarf diesen Einspruch als unzulässig, da
gegen die Kostenentscheidung allein die Klage, nicht der Einspruch, zulässig
sei.

Das Finanzgericht urteilte zugunsten des V und ging
davon aus, dass gegen die Kostenentscheidung der Einspruch zulässig war.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof vertritt dagegen die Auffassung,
dass gegen die im Rahmen der Einspruchsentscheidung ergangene
Kostenentscheidung ausschließlich die Klage, nicht der Einspruch zulässig ist.
Er begründet seine Auffassung damit, dass er die Kostenentscheidung als Teil
der Einspruchsentscheidung betrachtet, die als solche nicht mit einem erneuten
Einspruch anfechtbar ist.

Die Kostenentscheidung ist zwar ein Verwaltungsakt.
Das bedeutet aber nicht, dass dieser Verwaltungsakt nicht Teil der
Einspruchsentscheidung ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass die
Kostenentscheidung ein Erstbescheid ist, die den Einspruchsführer erstmalig
beschwert. Denn der Betroffene kann unmittelbar Klage gegen die Kostenentscheidung
erheben.

 

9. 
Mehrjährige
Tätigkeit: Wann wird die Fünftelregelung angewendet?

 

Wann liegt eine Vergütung für eine
mehrjährige Tätigkeit vor, die ermäßigt nach der Fünftelregelung besteuert wird?
Jedenfalls muss es sich nicht um einmalige Sondereinkünfte handeln, die für die
Berufstätigkeit unüblich sind und nicht regelmäßig anfallen.

 

Hintergrund

A ist Vorstand einer als gemeinnützig anerkannten
Stiftung. Er erklärte für das Jahr 2007, dass es sich bei seiner von der
Stiftung erhaltenen Tätigkeitsvergütung um ermäßigt zu besteuernden Arbeitslohn
für mehrere Jahre handelt. Denn der Lohnzahlungszeitraum ist ausnahmsweise von
12 auf 14 Monate erweitert worden. Dadurch hat sich der monatliche Durchschnittsbetrag
seiner Bezüge um mehr als 10 % reduziert; darüber hinaus wurde eine möglicherweise
unangemessen hohe gemeinnützigkeitsschädliche Vergütung vermieden.

Das Finanzgericht behandelte die Tätigkeitsvergütung
entgegen dem Finanzamt als eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit, die
nach der Fünftelregelung ermäßigt zu besteuern ist.

 

Entscheidung

Auch der Bundesfinanzhof vertritt eine großzügigere
Auffassung als das Finanzamt.

Nach der Fünftelregelung werden insbesondere
Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten ermäßigt besteuert. Eine Tätigkeit ist
mehrjährig, soweit sie sich über mindestens 2 Veranlagungszeiträume erstreckt
und einen Zeitraum von mehr als 12 Monate umfasst. Bei Einkünften aus
nichtselbständiger Tätigkeit muss es sich nicht um eine abgrenzbare
Sondertätigkeit handeln. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass die
Tätigkeit von der regelmäßigen Erwerbstätigkeit abgrenzbar ist. Denn bei einem
Arbeitnehmer ist jede Vergütung, für eine Tätigkeit, die sich über mindestens 2
Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten
umfasst, atypisch zusammengeballt und damit außerordentlich. Darüber hinaus
müssen wirtschaftliche Gründe für die zusammengeballte Entlohnung vorliegen.

Deshalb ist die Vergütung des A ermäßigt zu besteuern.
Der Lohnzahlungszeitraum wurde einvernehmlich auf 14 Monate verlängert. Es
wurde insbesondere nicht lediglich vereinbart, dass zusätzlich zum jährlichen
Arbeitslohn eine Abschlagszahlung für die folgenden 2 Monate zu leisten war.
Für die Verlängerung des Lohnzahlungszeitraums und die damit verbundene
Zusammenballung des Arbeitslohns lagen auch wirtschaftlich vernünftige
gemeinnützigkeitsrechtliche Gründe vor.

 

10. Zivilprozess:
Kosten sind keine außergewöhnlichen Belastungen

 

Nur wenn ein Rechtsstreit einen
existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens
berührt, können die Kosten des Zivilprozesses steuerlich als außergewöhnliche
Belastungen berücksichtigt werden.

 

Hintergrund

A war von ihrer Mutter testamentarisch zur Alleinerbin
eingesetzt worden. Der Bruder der A zweifelte die Rechtmäßigkeit des Testaments
an. In dem folgenden Zivilrechtsstreit entschied das Amtsgericht zugunsten der
A und erteilte ihr einen Alleinerbschein erteilte. A entstanden aufgrund des
Prozesses Anwalts- und Gerichtskosten von insgesamt rund 7.000 EUR, die ihr
weder von ihrem Bruder noch von dritter Seite erstattet wurden.

A machte die Kosten für 2010 als außergewöhnliche
Belastung geltend. Sie berief sich auf die geänderte Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs, nach der Zivilprozesskosten unabhängig vom Gegenstand des
Rechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig entstehen und daher als
außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.

Trotzdem lehnten das Finanzamt und auch das
Finanzgericht den Abzug der Prozesskosten ab.

 

Entscheidung

Auch der Bundesfinanzhof weist den Abzug der
Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung zurück. Er hält damit an der
eigentlich geänderten Rechtsprechung nicht mehr fest und kehrt zu seiner
früheren Rechtsprechung zurück.

Entscheidend ist die wesentliche Ursache, die zu den
Aufwendungen geführt hat. Nicht die unmittelbare Zahlungsverpflichtung, sondern
das die Verpflichtung adäquat verursachende Ereignis muss zwangsläufig sein.

Bei einem Zivilprozess fehlt es an der
Zwangsläufigkeit, da es in der freien Entscheidung der Parteien liegt, ob sie
sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines Anspruchs dem Prozessrisiko aussetzen.
Anders ist es bei einem Rechtsstreit, der einen existenziell wichtigen Bereich
oder den Kernbereich menschlichen Lebens betrifft. Hier kann eine Zwangslage
eintreten, in der die Verfolgung der rechtlichen Interessen trotz unsicherer
Erfolgsaussicht existenziell erforderlich ist. Dieser Fall kann insbesondere
dann vorliegen, wenn der Betroffene ohne den Rechtsstreit Gefahr läuft, seine
Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem
üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

Davon ausgehend konnten die der A entstandenen
Gerichts- und Anwaltskosten nicht berücksichtigt werden. Ihre Existenzgrundlage
wäre nicht gefährdet gewesen, wenn sie das Erbe nicht angetreten hätte.

 

11. Stromdiebstahl
des Mieters: Fristlose Kündigung ist gerechtfertigt

 

Es gibt zahlreiche clevere Möglichkeiten,
Strom zu sparen. Eine Stromquelle des Vermieters unbefugt anzuzapfen, zählt
allerdings nicht dazu. Denn dann darf der Vermieter fristlos kündigen.

 

Hintergrund

Im November 2013 fanden in dem Haus, in dem sich die
vermietete Wohnung befindet, Bauarbeiten statt. Im Treppenhaus war eine
Baustromversorgung installiert. Diese wurde aus der Wohnung heraus angezapft.
Die Stromversorgung der Wohnung selbst war wegen Zahlungsrückständen
unterbrochen.

Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis wegen der
unbefugten Stromentnahme fristlos, hilfsweise ordentlich, und verlangt die
Räumung der Wohnung.

Der Mieter wendet ein, wegen des Stromausfalls nicht
mehr in der Wohnung gewohnt zu haben. In der Wohnung habe sich ein Verwandter
aufgehalten.

 

Entscheidung

Die Räumungsklage des Vermieters hatte Erfolg. Die
unberechtigte Entnahme von Strom aus einer Stromquelle des Vermieters ist ein
wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung. Deshalb berechtigt dies den
Vermieter zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses.

Selbst wenn nicht der Mieter selbst, sondern sein
Besucher den Strom entnommen haben sollte, ist die Kündigung berechtigt. Da
sich der Besucher nach dem Vortrag des Mieters 2 Monate in der Wohnung
aufgehalten hat, lag eine Gebrauchsüberlassung vor. Der Mieter hatte daher ein
Verschulden des Besuchers zu vertreten.

 

12.  
Hund ohne
Leine: Besitzer haftet für Unfälle

 

Wer seinen Hund ohne Leine frei laufen lässt,
muss sich bewusst sein, dass er damit ein Risiko für andere Verkehrsteilnehmer
darstellen kann. Und: Kommt es zu einem Unfall, ist der Hundebesitzer in der
Haftung.

 

Hintergrund

Ein Mann geht mit seinem Hund spazieren und lässt ihn
auf einem landwirtschaftlichen Weg frei laufen. Der Hund lief auf der anderen
Seite des Weges und zog die Leine hinter sich her. Als sich von hinten eine
Fahrradfahrerin näherte und klingelte, reagierte der Hund zunächst nicht auf
den Pfiff des Herrchens. Erst als die Fahrradfahrerin auf Höhe von Hund und
Beklagtem war, wechselte der Hund auf die andere Seite. Die Fahrradfahrerin
musste stark bremsen, stürzte und verletzte sich so stark am Knie, dass sie
vier Wochen im Rollstuhl sitzen musste und sich weitere sechs Wochen nur mit
Gehstützen fortbewegen konnte.

 

Entscheidung

Die Klage der Radlerin auf Schmerzensgeld und
Schadensersatz hatte Erfolg. Der Hundehalter haftet allein für die
Unfallfolgen, da er fahrlässig gehandelt hat.

Zum einen ließ er seinen offensichtlich nicht
ausreichend folgsamen Hund auf dem von Radfahrern frequentierten Weg frei
laufen. Zum anderen schleppte der Hund die Leine hinter sich her, was die
Fahrlässigkeit erhöht. Darüber hinaus lief der Hund auf der anderen Straßenseite.

Die Fahrradfahrerin hat sich dagegen nicht fehlerhaft
verhalten und sie traf kein Mitverschulden. Sie hatte ja bereits abgebremst und
geklingelt. Mehr konnte man von ihr nicht erwarten. Insbesondere nicht, dass
sie absteigt und das Fahrrad vorsichtig an Hund und Passant vorbeischiebt.

 

13. Nasse Wand
im Badezimmer: Wann die Wohngebäudeversicherung zahlen muss

 

Ein Wasserschaden im Haus ist kein Spaß.
Weigert sich dann auch noch die Versicherung, den Schaden zu übernehmen, ist
das richtig ärgerlich. Umso erfreulicher ist ein Urteil aus Schleswig-Holstein,
das zugunsten des geschädigten Hausbesitzers entschied.

 

Hintergrund

Ein Hausbesitzer entdeckte im Badezimmer eine nasse
Wand. Ein Sachverständiger erkannte nach dem Abschlagen der Fliesen als Ursache
einen altersbedingten Verschleiß einer dauerelastischen Fuge am Übergang von
der Badewanne zur Wand. Die Reparatur sollte 6.515 EUR kosten.

Doch die Wohngebäudeversicherung weigert sich, die
Kosten zu übernehmen. Ihre Begründung: Die Schäden seien durch Spritz- und
Planschwasser entstanden. Wahrscheinlich sei über die Handbrause beim Duschen
Wasser auf die Fensterbank der Außenbank gelangt und von dort in das
Ständerwerk. Weder die Fensterbank noch die gefliesten Wände gehörten zu den
mit dem Rohrsystem verbundenen Einrichtungen im Sinne der
Versicherungsbedingungen. Zudem habe der Kläger Obliegenheiten verletzt, weil
er die Schadenstelle verändert habe.

 



 

Entscheidung

Das Oberlandesgericht entschied zugunsten des
Hausbesitzers, dass ein Versicherungsfall eingetreten ist. Der Kläger kann also
von seiner Versicherung die Regulierung des Wasserschadens verlangen.

Die Begründung der Richter: Als Leitungswasser gilt
u.a. Wasser, das bestimmungswidrig und unmittelbar ausgetreten ist, z. B. aus
Zu- oder Ableitungsrohren der Wasserversorgung und der damit verbundenen
Schläuche oder aus mit den Zu- oder Ableitungsrohren der Wasserversorgung
verbundenen Einrichtungen oder aus deren wasserführenden Teilen. Ob das Wasser
durch die Silikonfuge zwischen Badewannenrand und Fliesenunterkante in die Wand
eingedrungen oder durch die womöglich schon recht alten Fliesen in die Wand
gelangt ist, ist nach Ansicht des Gerichts unerheblich, so das Gericht.

Der Hauseigentümer hat auch keine Obliegenheit
verletzt. Zwar schreiben die Versicherungsbedingungen vor, dass die
Schadenstelle möglichst so lange unverändert gelassen werden muss, bis sie von
der Versicherung freigegeben worden ist. Man kann dem Kläger aber nicht
verdenken, dass er, nachdem er den großflächigen Wasserschaden entdeckt hatte,
dessen Ursache ihm nicht klar war, sofort Maßnahmen ergriff, um den Schaden
festzustellen und er deshalb ein Sanierungsunternehmen einschaltete.

 

14. Verletzung
des Gemeinschaftseigentums: Nur die Wohnungseigentümergemeinschaft kann dagegen
vorgehen

 

Beeinträchtigt ein Bauvorhaben eines
Nachbarn das Gemeinschaftseigentum, kann dagegen nur die Wohnungseigentümergemeinschaft
vorgehen, nicht ein einzelner Wohnungseigentümer.

 

Hintergrund

Auf dem Nachbargrundstück soll ein Mehrfamilienhaus
mit Garagen errichtet werden. Gegen die Baugenehmigung wendet sich eine
Wohnungseigentümerin. Sie hat Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben und
rügt, die in der Landesbauordnung vorgeschriebenen Abstandsflächen seien nicht
eingehalten. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind die
vorgeschriebenen Abstandsflächen tatsächlich unterschritten, allerdings
betrifft dies nur das Gemeinschaftseigentum.

Die Wohnungseigentümerin beantragt, die aufschiebende
Wirkung ihrer Klage gegen die Baugenehmigung anzuordnen.

 

Entscheidung

Obwohl im vorliegenden Fall das Gemeinschaftseigentum
beeinträchtigt ist, hatte der Antrag keinen Erfolg. Denn die
Wohnungseigentümerin kann sich nicht darauf berufen, dass ihr
Miteigentumsanteil durch das Bauvorhaben rechtswidrig beeinträchtigt werde. Nur
die Wohnungseigentümergemeinschaft und nicht der einzelne Wohnungseigentümer
ist berechtigt, Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums im Wege von
Abwehrrechten gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück geltend zu
machen. Anhaltspunkte dafür, dass hier eine Verletzung des Sondereigentums der
klagenden Eigentümerin gegeben sein könnte, waren nicht ersichtlich.

 

15. 
Defekte
Toilette im Zug: Fahrgast kann Schmerzensgeld verlangen

 

Ist die einzige Toilette in einem Zug
defekt, verschlossen und unbenutzbar, können Fahrgäste unter Umständen
Schmerzensgeld verlangen. Zumindest war ein weiblicher Fahrgast mit einer
entsprechenden Klage erfolgreich.

 

Hintergrund

Die Klägerin bestieg eine Regionalbahn. Kurz nach
Abfahrt der Bahn verspürte sie ein dringendes menschliches Bedürfnis und machte
sich auf die Suche nach der Zugtoilette. Die Regionalbahn verfügte aber nur über
eine einzige, die defekt und deshalb verschlossen war. Der Zugbegleiter konnte
der Frau nicht helfen, insbesondere gab es keine Möglichkeit, einen
Zwischenstopp für einen Toilettenbesuch am Bahnhof zu nutzen. Kurz vor Ende der
2-stündigen Fahrt ging das Ganze dann in die Hose.

Ihre Forderung nach Schmerzensgeld wies die Bahn
jedoch ab.

 

Entscheidung

Vor Gericht bekam die Klägerin jedoch Recht. Die “Bahn
Regio AG” habe nämlich die Pflicht, in ihren Zügen zumindest bei Fahrten von
längerer Dauer eine funktionstüchtige Toilette mitzuführen. Ist das nicht der
Fall, liege darin ein Organisationsverschulden der Bahn, aus dem sich
Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche der Fahrgäste ergeben können
aufgrund von psychischen und physischen Beeinträchtigung durch die Notlage.

Zumindest hätte die Bahn die Fahrgäste vor dem
Betreten des Zugs darauf aufmerksam machen müssen, dass eine funktionierende
Toilette nicht an Bord war. In dieser fehlenden Unterrichtung liege ein
schuldhaftes Verhalten.

Die Klägerin trifft kein Mitverschulden, insbesondere
ist sie nicht verpflichtet, vor dem Besteigen eines Zugs die Bahnhofstoilette
zu benutzen. Vielmehr dürfe ein Fahrgast darauf vertrauen, dass Züge über eine
funktionierende Toilette verfügen.

 

16.
Trotz
Anfechtung der Jahresabrechnung: Zahlungspflicht besteht

 

Wird eine Jahresabrechnung von einem
Wohnungseigentümer angefochten, ändert dies erst einmal nichts an seiner
Zahlungspflicht. Solange diese nicht rechtskräftig für unwirksam erklärt worden
ist, kann ein Wohnungseigentümer nicht einwenden, die Abrechnung sei unwirksam.

 

Hintergrund

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft verklagte eine
Wohnungseigentümerin auf Zahlung des restlichen Hausgelds. Sie stützte ihren
Anspruch auf eine beschlossene Jahresabrechnung.

Diese Jahresabrechnung war jedoch angefochten und vom
Amtsgericht für ungültig erklärt worden. Dagegen wurde Berufung eingelegt.

Während dieses Berufungsverfahren noch lief, wurde der
Zahlungsklage der Wohnungseigentümergemeinschaft stattgegeben, wogegen wiederum
die Wohnungseigentümerin Berufung eingelegt hat.

Schließlich wurde in dem Verfahren über die
Jahresabrechnung die Berufung zurückgenommen. Im Zahlungsprozess haben die
Parteien daraufhin die Hauptsache für erledigt erklärt. Streitig war jetzt nur
noch, wer die Kosten des Prozesses tragen muss.

 

Entscheidung

Das Gericht entschied, dass die Wohnungseigentümerin
die Kosten des Zahlungsprozesses tragen muss. Die Begründung: Ihre Klage gegen
die Jahresabrechnung hatte keine aufschiebende Wirkung. Solange Beschlüsse
nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden sind, sind sie gültig und
begründen daher auch eine Zahlungspflicht. Die Eigentümerin hätte den
Zahlungsprozess also auch ohne das erledigende Ereignis verloren.

Denn da in jedem Falle bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Anfechtungsverfahrens bezüglich der Jahresabrechnung eine
Zahlungspflicht des Wohnungseigentümers besteht, ist die Verteidigung gegen die
Inanspruchnahme durch die Wohnungseigentümergemeinschaft mit dem Argument, der
Beschluss sei ungültig, ohne jegliche Erfolgsaussicht.

 

17.  
Nießbraucher
ist rechtlich kein Wohnungseigentümer

 

Nießbraucher einer Eigentumswohnung sind
keine Wohnungseigentümer und deshalb nicht verpflichtet, die Inanspruchnahme
des Sondereigentums für Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum zu dulden.

 

Hintergrund

Die Beklagten sind Nießbraucher einer
Eigentumswohnung. Auf einer Eigentümerversammlung wurde die Sanierung von
Terrassen und Balkonen beschlossen. Außerdem wurde die Verwalterin ermächtigt,
gerichtliche Schritte gegen Eigentümer einzuleiten, die die Durchführung
baulicher Maßnahmen behindern oder den Zugang zu den zu sanierenden Stellen
verweigern, sowie bevollmächtigt, hierzu einen Rechtsanwalt zu beauftragen.

Die Nießbraucher verweigerten das Betreten der von
ihnen bewohnten Wohnung zum Zwecke der Sanierung und sprachen gegen die
beauftragten Firmen und den Architekten ein Hausverbot aus.

 

Entscheidung

Die Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Duldung
der Sanierungsarbeiten und Gestattung des Zutritts zur Wohnung hat keinen
Erfolg.

Die gesetzlichen Regelungen rechtfertigen kein
Vorgehen gegen Fremdnutzer. Darunter fallen auch Nießbraucher.

In Betracht kommen könnten Ansprüche gegen die
Nießbraucher aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Diese stünden allerdings nur den
einzelnen Wohnungseigentümern zu. Von der Wohnungseigentümergemeinschaft
dürften sie nur geltend gemacht werden, wenn diese die Ansprüche durch das sog.
Ansichziehen vergemeinschaftet hätte. Dies war hier nicht der Fall.