Mandantenbrief Steuern Privatpersonen Juni 2016

 

1.

Darf eine Kunstlehrerin den
Besuch einer Kunstausstellung als Werbungskosten geltend machen?

2.

Vermietung: Wann die Fahrtkosten
in voller Höhe abziehbar sind und wann nicht

3.

Altersentlastungsbetrag
benachteiligt Jüngere nicht

4.

Betriebskostenabrechnung: Die
Jahresabrechnung ist keine Voraussetzung

5.

Leibrente: Wann wird nur der
Ertragsanteil besteuert?

6.

Welche Rolle spielen Steuer-CDs
für die Wirksamkeit einer Selbstanzeige?

7.

Kinderbetreuungskosten: Sind
Ferienaufenthalte der Kinder abziehbar?

8.

Prozesskosten einer Klage auf
Schmerzensgeld sind keine außergewöhnlichen Belastungen

9.

Kann für die Schulverpflegung
die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch genommen
werden?

10.

Wann die Kosten einer
Heimunterbringung als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind

11.

Warum Ehepartner gemeinsam
Einspruch einlegen sollten

12.

Herzlich willkommen: Welche
Dekoration der Vermieter dulden muss

13.

Wann eine Kündigung wegen Überbelegung
wirksam ist

14.

Bodenwelle gegen Sportwagen: Wer
haftet für Unfallschäden?

15.

Einmal Aufzug, immer Aufzug:
Vermieter muss notfalls für Ersatz sorgen

 

1. Darf eine
Kunstlehrerin den Besuch einer Kunstausstellung als Werbungskosten geltend
machen?

 

Besucht eine Kunstlehrerin
Kunstausstellungen und Vernissagen, kann sie die dabei entstandenen Kosten
nicht als Werbungskosten abziehen. Auch eine anteilige Berücksichtigung der
Aufwendungen ist nicht möglich.

 

Hintergrund

Die
Steuerpflichtige war als verbeamtete Lehrerin für Bildende Kunst tätig. Sie
besuchte verschiedene Kunstausstellungen und Vernissagen, bei denen Künstler
ihre Werke ausstellten und neue Entwicklungen und Techniken auf dem Feld der
Kunst präsentierten. Die Veranstaltungen waren für die Öffentlichkeit
zugänglich. Die Kosten für den Besuch der Veranstaltungen machte die
Steuerpflichtige in ihren Einkommensteuererklärungen jeweils zu 50 % als
Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Das
Finanzamt strich jedoch die Kosten mit Hinweis auf das Abzugsverbot.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht ließ einen Abzug der Kosten
ebenfalls nicht zu und wies die Klage ab. Die Begründung der Finanzrichter:
Werbungskosten liegen grundsätzlich nicht vor, wenn die geltend gemachten
Aufwendungen zu den nicht abziehbaren und nicht aufteilbaren unverzichtbaren
Aufwendungen der Lebensführung gehören. Denn diese sind durch die Vorschriften
zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums pauschal abgegolten oder
sind als Sonderausgaben bzw. außergewöhnliche Belastungen abziehbar.

Nur wenn die geltend gemachten Aufwendungen einen
derart engen Bezug zur beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen aufweisen,
dass eine private Mitveranlassung ausgeschlossen werden kann oder diese
gegenüber der beruflichen Veranlassung von untergeordneter Bedeutung ist und in
den Hintergrund tritt, können die Aufwendungen ausnahmsweise geltend gemacht
werden.

Die Kosten für den Besuch von Vernissagen und Kunstausstellungen
gehören jedoch nicht dazu. Denn bei Aufwendungen dieser Art handelt es sich um
solche für kulturelle Veranstaltungen und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben,
die ähnlich wie Konzertbesuche oder der Besuch von Theater- und
Kinovorstellungen von einem breiten interessierten Publikum wahrgenommen
werden.

 

2.  Vermietung:
Wann die Fahrtkosten in voller Höhe abziehbar sind und wann nicht

 

Befindet sich der Mittelpunkt der
Vermietungstätigkeit an einem Vermietungsobjekt, darf der Vermieter die Fahrten
zu diesem Objekt nur mit der Entfernungspauschale abrechnen.

 

Hintergrund

Die Eheleute besaßen 3 Wohnungen (Objekt I) und ein
Mehrfamilienhaus (Objekt II). Aus diesen erzielten sie Einnahmen aus Vermietung
und Verpachtung. Als Fahrtkosten machten sie auf der Grundlage eines
ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuchs einen Kilometersatz von 2,22 EUR geltend.
Die Fahrten dienten laut Fahrtenbuch der Verwaltung (Streuen, Fegen, Wässern,
Pflanzen). Sie standen aber offenbar auch in Zusammenhang mit Sanierungsarbeiten.

Das Finanzamt berücksichtigte die Fahrten zu den
beiden Objekten nur mit der Entfernungspauschale und damit nur mit 0,30 EUR je
Entfernungskilometer. Für die sonstigen Fahrten akzeptierte es den
Kilometersatz von 2,22 EUR. Das Finanzgericht folgte der Auffassung des
Finanzamts, da der Ehemann an den beiden Objekten eine regelmäßige Tätigkeitsstätte
begründet habe.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigte das Finanzamt und das
Finanzgericht. Der Ehemann hat an den beiden Vermietungsobjekten eine
regelmäßige Tätigkeitsstätte begründet. Denn er suchte die Objekte nicht nur
gelegentlich zu Kontrollzwecken, sondern mit einer hinreichenden Nachhaltigkeit
auf. Die ungewöhnlich hohe Zahl der Fahrten (40 zu Objekt I und II, 125 nur zu
Objekt I und 175 zu Objekt II) belegt seine praktisch arbeitstägliche
Anwesenheit. Die Revision wurde daher zurückgewiesen.

Wird im Zusammenhang mit der Vermietungstätigkeit
außerhalb der Wohnung eine regelmäßige Tätigkeitstätte begründet, können die
Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte nur mit der Entfernungspauschale
geltend gemacht werden. Eine regelmäßige Tätigkeitsstätte liegt dann vor, wenn
das vermietete Objekt der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft und auf
Überschusserzielung angelegten Vermietungstätigkeit des Vermieters ist. Der
regelmäßigen Tätigkeitsstätte muss eine hinreichend zentrale Bedeutung im
Rahmen der mit dem Objekt erzielten Einkünfte zukommen. Das regelmäßige
Aufsuchen des Objekts allein (z. B. zu Kontrollzwecken oder zur Ablesung von
Zählerständen) reicht dafür nicht aus. Vielmehr ist eine gewisse Nachhaltigkeit
und Dauerhaftigkeit der Tätigkeit am Vermietungsobjekt erforderlich.

Gelegentliche Fahrten zu dem vermieteten Objekt sind
deshalb mit den tatsächlichen Kosten je gefahrenem Kilometer abziehbar. Anders
ist es dagegen, wenn der Vermieter ein Objekt nicht nur gelegentlich, sondern
mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht
und dort schwerpunktmäßig tätig wird. Dann unterhält er dort eine regelmäßige
Tätigkeitstätte und für die Fahrten kann der Vermieter nur die
Entfernungspauschale ansetzen.

 

3. 
Altersentlastungsbetrag
benachteiligt Jüngere nicht

 

Der Altersentlastungsbetrag wird erst ab
einem Alter von 64 Jahren gewährt. Trotzdem stellt dies keine unzulässige
Ungleichbehandlung jüngerer Steuerpflichtiger dar.

 

Hintergrund

Die
Ehepartner beantragten beim Finanzamt, bei der Veranlagung zur Einkommensteuer
jeweils den Altersentlastungsbetrag zu berücksichtigen. Er war 1952 geboren,
sie 1966. Die Ehegatten argumentierten, dass die Anknüpfung an das Alter eine
Diskriminierung ist, die nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz
unzulässig ist. Das Finanzamt folgte dieser Argumentation nicht und lehnte den
Antrag ab.

 



 

Entscheidung

Mit ihrer Klage hatten die Eheleute ebenfalls keinen
Erfolg. Die Begründung des Gerichts: Die Kläger erfüllten nicht die
gesetzlichen Altersvoraussetzungen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz kann
die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes nicht verdrängen.

Der Altersentlastungsbetrag ist darüber hinaus keine
Sozialleistung, sondern eine steuerliche Belastungsregelung. Diese fällt nicht
in den Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Denn der
Altersentlastungsbetrag verfolgt den Zweck, für bestimmte Einkünfte eine
Entlastung herbeizuführen. Vor diesem Hintergrund liegt auch kein Verstoß gegen
europarechtliche Diskriminierungsverbote und den allgemeinen Gleichheitssatz
nach dem Grundgesetz vor.

 

4. 
Betriebskostenabrechnung:
Die Jahresabrechnung ist keine Voraussetzung

 

Immer wieder streiten Mieter und Vermieter
um Betriebskostenabrechnungen. In diesem Fall erstellte der Vermieter einer
Eigentumswohnung die Abrechnung gegenüber dem Mieter, obwohl die
Jahresabrechnung von der Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht per Beschluss
genehmigt worden war. Ist das zulässig?

 

Hintergrund

Laut
einer Betriebskostenabrechnung musste der Mieter einer Eigentumswohnung eine
Nachzahlung leisten. Laut Mietvertrag soll sich die Abrechnung der Heizkosten
nach den Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft richten.

Die
Hausverwaltung erstellte im August 2014 die Betriebskostenabrechnung für das
Jahr 2013, aufgrund der 2.761 EUR nachgezahlt werden mussten. Eine
Beschlussfassung über die Jahresabrechnung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft
hatte vorher nicht stattgefunden.

Der
Mieter weigert sich, die Nachzahlung zu leisten, da die Jahresabrechnung durch
die Wohnungseigentümer nicht genehmigt sei und deshalb nicht als Grundlage für
die Betriebskostenabrechnung dienen könne.

 

Entscheidung

Vor
Gericht hatte der Mieter keinen Erfolg. Er muss also die Nachzahlung aus der
Betriebskostenabrechnung leisten.

Die
Richter stellten fest, dass eine Beschlussfassung der
Wohnungseigentümergemeinschaft über die Jahresabrechnung vor der Erstellung der
Betriebskostenabrechnung nicht erforderlich war.

Zum
einen ist der Mietvertrag so zu verstehen, dass auch für die
Betriebskostenabrechnungen jeweils der von der Wohnungseigentümergemeinschaft
herangezogene Umlageschlüssel gelten soll. Eine darüber hinausgehende Bindung
des Vermieters an die Beschlüsse der Gemeinschaft sollte dadurch nicht
festgeschrieben werden.

Zum
anderen unterscheiden sich Jahresabrechnung und Betriebskostenabrechnung
aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen, die an beide Abrechnungsarten zu
stellen sind, und des unterschiedlichen Inhalts beider Abrechnungen.
Mietrechtlich sind nur die Kosten entscheidend, die der Eigentümer als
umlagefähig aufgewandt hat. Die Jahresabrechnung enthält zusätzlich die
Gesamteinnahmen der Eigentümergemeinschaft. Diese sind für den Mieter uninteressant.

Der
Vermieter ist in der Lage, die Betriebskostenabrechnung zu erstellen, ohne die
Beschlussfassung über die Jahresabrechnung abzuwarten. Er kann sich durch Belegeinsicht
beim Verwalter die Daten selbst zusammenstellen, die er für die
Betriebskostenabrechnung benötigt.

 

5. Leibrente:
Wann wird nur der Ertragsanteil besteuert?

 

Eine Leibrente kann auf Antrag mit dem
Ertragsanteil besteuert werden. Das gilt aber nur, wenn die Leibrente auf
Beträgen beruht, die bis zum 31.12.2004 geleistet und die mindestens 10 Jahre
oberhalb des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden.

 

Hintergrund

Der
Steuerpflichtige war als Steuerberater selbstständig tätig, seine Ehefrau
arbeitete als Buchhalterin. Ab dem 1.7.2011 erhielt er Leistungen aus der
gesetzlichen Rentenversicherung i. H. v. 5.324 EUR. Mit der Einkommensteuererklärung
für 2011 beantragte er für diese die Besteuerung mit dem Ertragsanteil. Das
Finanzamt besteuerte die Rentenzahlungen jedoch mit einem Besteuerungsanteil
von 62 %. In seinem Einspruch verlangte der Steuerpflichtige, dass ein Anteil
von 54,71 % der Leibrente aus gesetzlicher Rentenversicherung mit einem
Ertragsanteil von 18 % versteuert wird.

 

Entscheidung

Nach
Ansicht des Finanzgerichts hat das Finanzamt zu Recht die Leibrente des
Steuerpflichtigen aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Anteil von
62 % der Besteuerung unterworfen worden. Die vom Steuerpflichtigen beantragte
Besteuerung mit dem Ertragsanteil ist nur möglich, soweit die Leibrente auf bis
zum 31.12.2004 geleisteten Beträgen beruht, die oberhalb des Höchstbeitrags zur
gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden. Der Steuerpflichtige muss
nachweisen, dass der Höchstbeitrag mindestens 10 Jahre überschritten wurde.

Diese
Voraussetzungen lagen hier nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund
nicht vor.

 

6.
Welche Rolle
spielen Steuer-CDs für die Wirksamkeit einer Selbstanzeige?

 

Wer Schwarzgeld auf Auslandskonten
versteckt hat, kann mit einer Selbstanzeige einer Bestrafung entgehen. Wurde
jedoch in den Medien vom Ankauf einer Steuer-CD von der Bank des
Steuerpflichtigen berichtet, kann es mit der ersehnten Straffreiheit vorbei
sein.

 

Hintergrund

Ein Anleger unterhielt verschiedene Konten und Depots
bei schweizerischen Banken. Die erzielten Kapitaleinkünfte gab er über Jahre
hinweg nicht in seinen deutschen Einkommensteuererklärungen an.

Zum Jahreswechsel 2011/2012 kauften die deutschen
Finanzbehörden eine Steuer-CD mit Kundendaten einer Bank, bei der der Anleger
ein Konto hatte. Die Presse berichtete darüber und nannte dabei den Namen der
Bank.

Im September 2012 offenbarte sich der Anleger mit
einer Selbstanzeige bei seinem Finanzamt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die
Finanzverwaltung die Datensätze bereits ausgewertet, die Kundendaten des
Anlegers entdeckt, einen Verdachtsprüfungsvermerk geschrieben und ein
Steuerstrafverfahren gegen ihn eingeleitet.

 

Entscheidung

Das Oberlandesgericht entschied zuungunsten des
Anlegers. Seine Selbstanzeige entfaltete keine strafbefreiende Wirkung, denn
seine Steuerstraftat war bereits “entdeckt”.

Maßgeblich ist, ob der Täter nach seiner persönlichen
Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit eine Tatentdeckung annehmen musste. Das
Oberlandesgericht vertritt hierzu eine weitgefasste Auslegung: Das Merkmal des
“Rechnenmüssens” ist bereits erfüllt, wenn der Täter die Tatentdeckung für
durchaus möglich oder wahrscheinlich hält. Es genügt, dass der Täter aufgrund
der ihm bekannten Umstände eine Entdeckung für naheliegend hält, ohne hiervon
aber bereits sicher ausgehen zu müssen.

Im vorliegenden Fall musste der Anleger im Zeitpunkt
seiner Selbstanzeige mit der Tatendeckung gerechnet haben. Durch die
Medienberichterstattung hatte er Kenntnis über den erfolgten Ankauf von
Datensätzen seiner Bank. Er musste also damit rechnen, dass seine
Hinterziehungstaten bereits entdeckt worden waren.



 

 

7.  
Kinderbetreuungskosten:
Sind Ferienaufenthalte der Kinder abziehbar?

 

Besuchen die Kinder ein Ferienlager,
werden sie dort betreut. Deshalb machten die Eltern die entsprechenden Kosten
als Kinderbetreuungskosten bei den Sonderausgaben geltend. Zu Recht?

 

Hintergrund

Die
Eltern hatten die Aufwendungen für die Ferienaufenthalte der Kinder als
Kinderbetreuungskosten geltend gemacht. Ihrer Meinung nach handelt es sich
nicht um Freizeitbetätigungen, sondern die die Betreuung der Kinder habe im
Vordergrund gestanden und sei Hauptzweck der Ferienaufenthalte gewesen. Die
Ferienlager seien mit Kindergarten- oder Hortaufenthalten vergleichbar, bei
denen ebenfalls Freizeitbetätigung stattfinde und sogar besondere Fähigkeiten
vermittelt würden.

Das
Finanzamt erkannte die geltend gemachten Kosten jedoch nicht als
Kinderbetreuungskosten an. In den von den Eltern vorgelegten Belegen seien
keine Kostenanteile für Betreuungsleistungen ausgewiesen.

 

Entscheidung

Das
Finanzgericht entschied, dass Aufwendungen für Ferienaufenthalte der Kinder
deren Freizeitbetätigung dienen. Sie sind deshalb nicht als
Kinderbetreuungskosten zu berücksichtigen.

Die
Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Eltern bei den
Aufwendungen für Schulfahrten und Ferienlager keine konkreten
Betreuungsleistungen nachweisen konnten. Die Schulfahrten seien zwar von den
Lehrern als Betreuungspersonen begleitet worden, aber Kosten seien insoweit
nicht entstanden. Bei den Ferienaufenthalten könne aus den vorgelegten Belegen
nicht entnommen werden, welche Beträge auf die Beaufsichtigung der Kinder entfallen
seien.

 

8.  
Prozesskosten
einer Klage auf Schmerzensgeld sind keine außergewöhnlichen Belastungen

 

Die Kosten eines Zivilprozesses sind
grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Das gilt auch
für eine Klage, mit der Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht werden.

 

Hintergrund

Die
Ehefrau (F) war an den Folgen eines Krebsleidens verstorben. Im Jahr 2011
verklagte der Ehemann (M) den behandelnden Arzt u. a. auf Schmerzensgeld wegen
eines geltend gemachten Behandlungsfehlers.

In
der Einkommensteuer-Erklärung für 2011 machte M von ihm in 2011 gezahlte
Zivilprozesskosten von rund 12.000 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend.
Das Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen jedoch nicht.

Vor
dem Finanzgericht bekam M Recht. Die Richter beriefen sich in der
Urteilsbegründung auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs, nach dem Prozesskosten
aus rechtlichen Gründen als zwangsläufig anzuerkennen sind, wenn sich der Steuerpflichtige
nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat.

 

Entscheidung

Der
Bundesfinanzhof wies dagegen die Klage ab, da er an der in dem Urteil, auf das
sich das Finanzgericht berufen hatte, vertretenen Auffassung nicht mehr
festhält. Zivilprozesskosten sind also nur insoweit abziehbar, als der Prozess
existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens
berührt. Wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine
Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem
üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann er aus rechtlichen oder
tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die
Prozesskosten zwangsläufig erwachsen.

Im
vorliegenden Fall betreffen die Ansprüche wegen Schmerzensgeld nicht
existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens. M lief
nicht Gefahr, ohne diese Ansprüche die Existenzgrundlage zu verlieren und seine
lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Umfang nicht mehr befriedigen zu
können. Die Voraussetzungen für den Abzug der Prozesskosten als
außergewöhnliche Belastungen lagen damit nicht vor.

 

9. 
Kann für die
Schulverpflegung die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen in
Anspruch genommen werden?

 

Die Verpflegung der Kinder in der
Kindertagesstätte oder in der Schule gehört nicht zu den abzugsfähigen Kinderbetreuungskosten.
Aber vielleicht gibt es dafür die Steuerermäßigung für haushaltsnahe
Dienstleistungen?

 

Hintergrund

Der
Kläger machte die Kosten für die Verpflegung seiner Kinder in der Schule als
haushaltsnahe Dienstleistung geltend. Seiner Meinung nach ist die
Dienstleistung “Verpflegung” haushaltsnah, denn nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs gelte ein funktionaler Nähebegriff und funktional gehöre das
Mittagsessen zum Bereich des Haushalts des Klägers.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht folgte dieser Argumentation nicht
und gewährte für das Schulessen der Kinder keine Steuerermäßigung für
haushaltsnahe Dienstleistungen.

Zum einen seien die Aufwendungen für die Verpflegung
von Kindern bereits durch den Kinderfreibetrag abgegolten.

Zum anderen sei die Verpflegung der Kinder in der
Schule funktional nicht dem Haushalt des Steuerpflichtigen zuzurechnen. Es
handele sich bei der Schulverköstigung der Kinder nicht um eine Leistung, die
im unmittelbaren Zusammenhang mit dem klägerischen Haushalt erbracht worden
sei. Denn zu den haushaltsnahen Dienstleistungen gehören nur Tätigkeiten, die
gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts erledigt werden und für die
eine Dienstleistungsagentur oder ein selbstständiger Dienstleister in Anspruch
genommen wird.

 

10. Wann die
Kosten einer Heimunterbringung als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind

 

Wer krank oder pflegebedürftig ist und
sich deshalb in einem Heim versorgen lässt, kann die entsprechenden Kosten
grundsätzlich steuerlich als außergewöhnliche Belastungen geltend machen.
Probleme gibt es jedoch, wenn der Steuerpflichtige sich nur aus Altersgründen
für eine Heimunterbringung entscheidet.

 

Hintergrund

Die
Klägerin machte zum einen Krankheitskosten i. H. v. 1.225 EUR, zum anderen
Aufwendungen für Pflege und Betreuungsleistungen i. H. v. 1.557 EUR als
außergewöhnliche Belastungen geltend.

Die
Aufwendungen der Klägerin für Unterkunft und Verpflegung in dem Seniorenheim
erkannte das Finanzamt jedoch nicht an, da es sich um Kosten der Lebensführung
handele. Diese seien durch den Grundfreibetrag abgegolten.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht folgte den Argumenten des Finanzamts
und entschied, dass die Unterbringungskosten der Klägerin nicht zwangsläufig
sind. Zwar erfüllte die Klägerin die Voraussetzungen für die Pflegestufe I,
eine vollstationäre Pflege war jedoch nicht erforderlich. Deshalb geht das
Gericht davon aus, dass die Aufwendungen der Klägerin für ihre Unterbringung im
Wohnstift übliche Aufwendungen der Lebensführung sind.

Die Unterbringungskosten sind nur dann als
außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn die Unterbringung in
einem Altenheim veranlasst sei, weil der Betroffene infolge einer Krankheit
pflegebedürftig geworden sei, nicht dagegen, wenn der Steuerpflichtige erst
während des Aufenthalts erkrankt sei.

 



 

11. Warum
Ehepartner gemeinsam Einspruch einlegen sollten

 

Legt nur ein Ehegatte gegen den
gemeinsamen Zusammenveranlagungs-Steuerbescheid Einspruch für sich ein, kann
das zum Problem werden. Denn richtet sich eine Steuerfestsetzung in dem
Bescheid nur an den anderen Partner, wird diese vom Einspruch nicht erfasst.

 

Hintergrund

Die Klägerin ist Mitglied der
evangelischen-lutherischen Kirche, ihr Ehemann ist Mitglied einer
freireligiösen Gemeinschaft, die keine Kirchensteuer erhebt.

Für das Jahr 2012 setzte das Finanzamt ein besonderes
Kirchgeld fest. Dieses ist eine Form der Kirchensteuer, das von den
Kirchenmitgliedern erhoben wird, die sich zusammen mit ihrem Ehegatten
veranlagen lassen und selbst über kein oder ein geringeres Einkommen als der
Ehegatte verfügen, der keiner steuererhebenden Kirche, Religionsgemeinschaft
oder weltanschaulichen Gemeinschaft angehört.

 

Entscheidung

Vor dem Finanzgericht hatte die Klägerin keinen
Erfolg. Denn ihre Klage gegen die Festsetzung des besonderen Kirchgelds war
unzulässig, da sie nicht rechtzeitig Einspruch eingelegt hatte.

Zwar lag ein Einspruchsschreiben vor, das in der
Fußzeile die Namen beider Eheleute und ihre Adresse enthielt. Allerdings hatte
nur der Ehemann diesen Einspruch unterschrieben und in der Ich-Form verfasst.
Von der Klägerin sprach er nur in dritter Person.

Die Versäumung der Einspruchsfrist kann nicht dadurch
geheilt werden, dass das Finanzamt den Einspruch nicht als unzulässig
zurückgewiesen hatte.

 

12. Herzlich
willkommen: Welche Dekoration der Vermieter dulden muss

 

Ein Mieter hängte an seine Wohnungstür
eine Dekoration, um Besucher willkommen zu heißen. Da der Vermieter Wert auf
ein neutrales und gepflegtes Treppenhaus legte, verlangte er vom Mieter, die
Dekoration zu entfernen. Zu Unrecht, wie sich vor Gericht herausstellte.

 

Hintergrund

Im
Mietvertrag ist geregelt, dass Mieter Schilder, Aufschriften und Gegenstände
nur mit Zustimmung des Vermieters in gemeinschaftlichen Räumen und am Gebäude
anbringen oder auf dem Grundstück aufstellen dürfen.

Eine
Mieterin hatte an der Außenseite ihrer Wohnungstür ein “Willkommen”-Schild
angebracht, darunter befanden sich ein Kranz und eine Blume.

Die
Vermieterin war nicht damit einverstanden und verlangte, Schild und Kranz zu
entfernen. Ihre Begründung: Damit es keinen Streit gebe, dulde sie keine Form
der Dekorationen in ihren Treppenhäusern. Leerstehende Wohnungen seien außerdem
besser zu vermieten, wenn das Treppenhaus gepflegt und neutral sei. Auch
hinsichtlich des Brandschutzes müsse sie auf die Nutzung und Gestaltung der
Treppenhäuser achten.

 

Entscheidung

Mit ihrer Klage hatte die Vermieterin allerdings
keinen Erfolg. Die Mieterin darf die Dekoration an der Außenseite der
Wohnungstür hängen lassen, da kein vertragswidriger Gebrauch der Mietsache
vorliegt.

Trotz der Regelung im Mietvertrag kann die Vermieterin
nicht verlangen, dass die Mieterin die Dekoration entfernt. Die Interessen der
Vermieterin (Vermeiden von Abgrenzungsfragen, besserer Eindruck vom
Treppenhaus, Brandschutz) übersteigen diejenigen der Mieterin (Besuchern einen
herzlichen Empfang zu signalisieren) nicht, sodass die Klägerin verpflichtet
wäre, dem Anbringen der Dekoration zuzustimmen.

Am Treppenhaus hat der Mieter ein Mitbenutzungsrecht.
Dieses umfasst seit jeher die Erlaubnis, eine Fußmatte vor die Wohnungstür zu
legen. Die umstrittene Dekoration beanstandete das Gericht nicht, da das
Treppenhaus weiterhin seine Funktion vollständig erfüllen kann. Eine
Beeinträchtigung wäre allenfalls minimal und rein optischer Natur. Unter
bestimmten Voraussetzungen ist sogar das Abstellen von Kinderwagen im
Treppenhaus erlaubt.

Darüber hinaus haben sich keine anderen Mieter bei der
Vermieterin beschwert. Die Befürchtung der Vermieterin, es könnten Mehraufwand
und Abgrenzungsprobleme auftreten, ist nur allgemeiner Natur und nicht durch
konkrete Anhaltspunkte belegt. Dasselbe gilt für die Befürchtung, die
Vermietung anderer Wohnungen könne erschwert werden.

 

13. Wann eine
Kündigung wegen Überbelegung wirksam ist

 

Ein Vermieter darf ein Mietverhältnis
kündigen, wenn die Wohnung überbelegt ist. Das gilt leider auch, wenn die
Kinder des Mieters der Grund für die Überbelegung sind.

 

Hintergrund

Der Mieter hatte seit 2011 eine 1-Zimmer-Wohnung mit
einer Wohnfläche von knapp 26 qm angemietet, bestehend aus einem Wohnraum mit
16 qm, einer Küchenzeile und einem Bad mit Toilette.

Laut Mietvertrag durfte er nur den Ehepartner mit in
der Wohnung aufnehmen. In der Wohnung lebten jedoch tatsächlich 4 Personen,
nämlich der Mieter, seine Ehefrau und seine 2010 und 2013 geborenen Kinder.

Nachdem der Mieter der Aufforderung nicht nachgekommen
war, die Anzahl der in der Wohnung lebenden Personen zu reduzieren, kündigte
der Vermieter den Mietvertrag.

 

Entscheidung

Das
Gericht hielt die Kündigung für wirksam und entschied damit zuungunsten der
Familie. Die Begründung der Richter: Durch die Überbelegung der Wohnung hatte
der Mieter gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen.

Zwar
darf ein Mieter seine Kinder und seinen Ehegatten in die Wohnung mit aufnehmen.
Hierdurch darf aber keine Überbelegung eintreten. Eine solche Überbelegung
liegt vor, wenn bei Familien durchschnittlich weniger als 10 qm pro Person zur
Verfügung stehen. Diese Grenze ist hier weit unterschritten, da auf eine Person
gerade einmal 4 qm Wohnfläche kommen und es sich um eine Einzimmerwohnung
handelt.

 

14.
Bodenwelle
gegen Sportwagen: Wer haftet für Unfallschäden?

 

Führt eine riesige Bodenwelle auf einer
Autobahn zu einem Unfall, stellt sich die Frage, wer für den Schaden haftet.
Ist es die zuständige Behörde, die nicht vor dieser Bodenwelle gewarnt hat?
Oder ist es der Autofahrer, der die Richtgeschwindigkeit deutlich überschritten
hatte? Das Gericht machte halbe halbe.

 

Hintergrund

Der Kläger war auf einer Autobahn mit 200 km/h
unterwegs, als er von einer 18 Zentimeter, quer zur Fahrbahn verlaufenden
Bodenwelle ausgehoben wurde und verunglückte.

An dieser Stelle hatte es bereits einen tödlichen Unfall
gegeben. Auch hatte die Polizei empfohlen, an dieser Stelle Warnschilder
aufzustellen und die Geschwindigkeit zu begrenzen. Die für den Straßenbau
zuständige Behörde hatte die Bodenwelle trotzdem als unkritisch angesehen.

Der Autofahrer verklagte die Behörde auf
Schadensersatz, und zwar wegen der Selbstbeteiligung i. H. v. 5.000 EUR, die er
bezahlen musste, sowie der höheren Versicherungsprämie infolge der Rückstufung.

Die Behörde sah sich dagegen nicht in der Haftung.

 

Entscheidung

Mit
seiner Klage hatte der Autofahrer nur teilweise Erfolg. Zwar sah das Gericht
eine Amtspflichtverletzung der Behörde gegeben. Trotzdem haftet der Autofahrer
zu 50 %, weil er die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h deutlich überschritten
hatte.

Die
Behörde haftet ebenfalls zu 50 %, weil sie vor der Gefahr hätte warnen müssen.
Denn Verkehrsteilnehmer können erwarten, dass diejenigen Gefahren ausgeräumt
oder vor ihnen gewarnt wird, die für einen Verkehrsteilnehmer, der die nötige
Sorgfalt beachtet, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er
sich nicht oder nicht rechtzeitig einrichten kann.

Darüber
hinaus müssen Verkehrsteilnehmer bei wichtigen Straßen darauf vertrauen können,
dass es keine erheblichen Niveauunterschiede gebe. Das gelte auch in Zeiten
knapper Kassen.

 

15. Einmal
Aufzug, immer Aufzug: Vermieter muss notfalls für Ersatz sorgen

 

Ist bei Abschluss des Mietvertrags über
eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus ein Aufzug vorhanden, gehört dieser zum
vertraglich vereinbarten Zustand der Mietsache. Der Vermieter muss deshalb
einen kaputten Aufzug reparieren oder erneuern, er darf ihn aber nicht einfach
ersatzlos entfernen.

 

Hintergrund

Die
Mieterin wohnt seit 1976 im 4. Stock eines Mehrfamilienhauses. Bei Abschluss
des Mietvertrags gab es in dem Haus einen Personenaufzug. Die Mieterin ist
inzwischen 82 Jahre alt und zu 100 % schwerbehindert. Ohne Aufzug kann sie ihre
Wohnung nicht verlassen.

Nachdem
Ende Januar 2015 der Fahrstuhl wegen sicherheitstechnischer Mängel außer
Betrieb gesetzt worden war, untersagte der TÜV die Personenbeförderung, weil
der Aufzug nicht über eine Notrufvorrichtung verfügte. Im Sommer 2015 baute die
Vermieterin den Aufzug aus.

 

Entscheidung

Mit
ihrer Klage verlangte die Mieterin, dass die Vermieterin wieder einen Aufzug
bis zum 4. Obergeschoss einbauen lässt. Zu Recht, wie das Gericht entschied. Zu
Beginn des Mietverhältnisses war ein Personenaufzug vorhanden. Damit gehört
dieser zum vertraglich vereinbarten Zustand der Mietsache. Diesen muss die
Vermieterin wieder herstellen, indem sie einen neuen Personenaufzug einbauen
lässt.