Mandantenbrief Steuern Privatpersonen Februar 2016

 

1.

Kündigung: Wann gilt diese als
zugegangen?

2.

Resturlaub: Erben können
Abgeltung verlangen

3.

Krankheitskosten: Zumutbare
Belastung ist verfassungsgemäß

4.

Auswärtstätigkeit: Besuche des
Ehepartners sind nicht absetzbar

5.

Versorgungsausgleich: Zahlungen
an geschiedenen Ehegatten können Werbungskosten sein

6.

Ehegatte im Pflegeheim: Ist eine
Zusammenveranlagung trotzdem möglich?

7.

Keine Zweitwohnungsteuer für
Nebenwohnung

8.

Sonstige Vorsorgeaufwendungen:
Beschränkter Abzug ist verfassungsgemäß

9.

Wohnungseigentum: Die erstmalige
plangerechte Herstellung ist Aufgabe aller Eigentümer

10.

Beleidigung: Internet und
soziale Netzwerke sind keine rechtsfreien Räume

11.

Arbeitsplatz darf nicht grundlos
verlassen werden

12.

Hund außer Kontrolle: Das kann
teuer werden!

13.

“Kuckuckskind” kann den
Trennungsunterhalt kosten

14.

Smartphone mit Blitzer-App:
Besser die Finger davon lassen

 

1.   Kündigung:
Wann gilt diese als zugegangen?

 

Wirft der Arbeitgeber das
Kündigungsschreiben an einem Sonntag in den Briefkasten des Arbeitnehmers, gilt
dieses erst am darauf folgenden Montag als zugegangen. Das gilt auch, wenn der
Arbeitnehmer an Sonntagen arbeitet.

 

Hintergrund

Eine Anwaltskanzlei hatte eine Rechtsanwaltsgehilfin
auf Probe eingestellt. Die Probezeit endete am 30.11.2014. Dieser Tag war ein
Sonntag, an dem die Rechtsanwaltsgehilfin auch zur Arbeit verpflichtet war. Für
die Probezeit war eine Kündigungsfrist von 2 Wochen vereinbart. Der
Rechtsanwalt entschloss sich kurz vor Ablauf der Probezeit dazu, der
Anwaltsgehilfin die Kündigung auszusprechen und warf das Kündigungsschreiben am
Sonntag, dem 30.11.2014, in den Briefkasten der Rechtsanwaltsgehilfin.

Die Anwaltsgehilfin wehrte sich dagegen mit einer
Kündigungsschutzklage, da die Kündigung ihrer Auffassung nach erst am Montag,
dem 1.12.2014 zugegangen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei die Probezeit bereits
beendet gewesen. Es gelte daher ab diesem Tag die gesetzliche Kündigungsfrist
von 4 Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats.

 

Entscheidung

Vor dem Landesarbeitsgericht bekam die Arbeitnehmerin
Recht. Wird ein Kündigungsschreiben an einem Sonntag in den Briefkasten
geworfen, gilt die Kündigung erst als am darauf folgenden Montag zu der
üblichen Briefkastenleerungszeit zugegangen. Die Richter vertraten wie die
Vorinstanz die Auffassung, dass eine Kündigung auch dann nicht als an einem
Sonntag als zugegangen angesehen werden könne, wenn der Arbeitnehmer an diesem
Tag arbeiten müsse.

Die Konsequenz: Die seitens des Rechtsanwalts am
Sonntag eingeworfene Kündigung war verspätet, da sie erst am Montag nach Ablauf
der Probezeit zugegangen war. Die Kündigung konnte nach der gesetzlichen
Kündigungsfrist erst nach 4 Wochen zum 31.12.2014 wirksam werden.

 



 

2.  Resturlaub:
Erben können Abgeltung verlangen

 

Stirbt ein Arbeitnehmer, geht sein
Urlaubsanspruch nicht mit seinem Tod unter. Vielmehr wandelt er sich in einen
Urlaubsabgeltungsanspruch der Erben um.

 

Hintergrund

Eine verstorbene Arbeitnehmerin hatte zum Zeitpunkt
ihres Todes noch einen Erholungsurlaubsanspruch von 33 Tagen. Ihre Erben
forderten die Abgeltung dieses Urlaubsanspruchs.

 

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht ist derzeit noch der
Auffassung, dass bei Tod eines Arbeitnehmers sein restlicher Urlaubsanspruch
erlischt. Ein finanzieller Ausgleich an die Erben erfolge nicht, da sich der
Anspruch nicht in einen Abgeltungsanspruch wandelt.

Dieser Rechtsprechung ist das Arbeitsgericht Berlin in
dem aktuellen Fall entgegengetreten. Erben können sich vielmehr nach dem Tod
eines Arbeitnehmers dessen Urlaubstage auszahlen lassen, urteilte das Gericht.
Damit folgt es der Linie des Europäischen Gerichtshofs von 2014. Dieser hatte
entschieden, dass durch den Tod des Arbeitnehmers dessen Anspruch auf Abgeltung
des noch ausstehenden Urlaubs nicht untergeht.

Das Arbeitsgericht Berlin hat deshalb der Klage
entsprochen. Begründet hatte es die Entscheidung damit, dass nach der
gesetzlichen Regelung der Urlaub abzugelten sei, wenn er wegen der Beendigung
des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden könne.
Diese Voraussetzungen seien bei dem Tod des Arbeitnehmers gegeben.

 

3. Krankheitskosten:
Zumutbare Belastung ist verfassungsgemäß

 

Krankheitskosten können steuerlich als
außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden – allerdings gekürzt um die
zumutbare Belastung. Diese Kürzung ist nicht verfassungswidrig.

 

Hintergrund

Die Eheleute machten Krankheitskosten von rund 1.200
EUR, die von der Krankenversicherung nicht übernommen wurden, als
außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt sah die Aufwendungen zwar dem
Grunde nach als abzugsfähig an. Wegen der zumutbaren Belastung von rund 39.000
EUR verblieb jedoch kein Abzugsbetrag.

Die Klage der Eheleute, mit der sie geltend machten,
dass die Kosten ohne Gegenrechnung einer zumutbaren Belastung in vollem Umfang
abgezogen werden müssen, hatte vor dem Finanzgericht keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof schloss sich der Auffassung von
Finanzamt und Finanzgericht an und wies die Revision der Eheleute zurück.

Die Argumentation der Richter: Zu dem
einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören grundsätzlich
auch die Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversorgung. Allerdings ist für
die Bemessung des Existenzminimums hinsichtlich der Höhe und der Art der
Aufwendungen auf das sozialrechtlich gewährleistete Leistungsniveau
abzustellen. Nicht vom sozialhilferechtlichen Versorgungsniveau umfasste
Aufwendungen sind nicht Teil des Existenzminimums.

Deshalb ist die zumutbare Belastung für
Krankheitskosten nicht zu beanstanden. Denn dem Gesetzgeber ist es erlaubt,
Versicherte zur Entlastung der Krankenkassen und zur Stärkung des
Kostenbewusstseins in Form von Zuzahlungen zu beteiligen, soweit dies dem
Einzelnen finanziell zugemutet werden kann. Dementsprechend gehören diese
Zuzahlungen auch nicht zum einkommensteuerrechtlichen Existenzminimum.

Eine Zuzahlung kann nicht mehr zumutbar sein, wenn in
das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum eingegriffen wird. Solange
jedoch die Zuzahlungen der Höhe nach das Existenzminimum nicht betreffen, ist
eine Einschränkung der zumutbaren Belastung nicht geboten. Angesichts des
Gesamtbetrags der Einkünfte der Eheleute (650.000 EUR) war kein Anhaltspunkt
dafür ersichtlich, dass das einkommensteuerrechtliche Existenzminimum betroffen
sein könnte.


4.  Auswärtstätigkeit:
Besuche des Ehepartners sind nicht absetzbar

 

Ist ein Arbeitnehmer auswärtig tätig,
können die Aufwendungen für Besuchsfahrten seines Ehepartners nicht als
Werbungskosten abgezogen werden.

 

Hintergrund

Der Ehemann (M) war in 2007 auf verschiedenen
Baustellen im Ausland eingesetzt. Dort besuchte seine Ehefrau (F) ihn dreimal.
Die Aufwendungen für diese 3 Fahrten machte M als Werbungskosten bei seinen
Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend.

Das Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen für die
3 Fahrten nicht. Das Finanzgericht zeigte sich großzügiger und erkannte die
Fahrten an. Wie bei einer doppelten Haushaltsführung müssten auch bei einer
Auswärtstätigkeit die Fahrtkosten des Ehegatten abziehbar sein (sog. umgekehrte
Familienheimfahrt).

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Urteil des Finanzgerichts
auf und wies die Klage ab. Denn die Fahrten der Ehefrau des Arbeitnehmers zu
dessen auswärtiger Tätigkeitsstätte dienen nicht der Förderung des Berufs und sind
daher keine Werbungskosten. Die berufliche Veranlassung ist auch dann nicht
gegeben, wenn der Arbeitnehmer eine Fahrt zur Wohnung selbst nicht durchführen
kann, weil seine Anwesenheit am auswärtigen Tätigkeitsort aus dienstlichen Gründen
erforderlich ist. Der Ersatzcharakter der Fahrt als solcher vermag die
berufliche Veranlassung der an sich privaten Fahrt des Ehepartners nicht zu
begründen.

Beruflich veranlasst sind hier nur die
Mobilitätskosten des steuerpflichtigen Arbeitnehmers selbst für seine eigenen
beruflichen Fahrten. In diesem Fall liegen abziehbare Werbungskosten vor. Denn
der Weg von der Wohnung zur Tätigkeitsstätte und zurück ist notwendige
Voraussetzung zur Erzielung von Einkünften.

 

5. Versorgungsausgleich:
Zahlungen an geschiedenen Ehegatten können Werbungskosten sein

 

Zahlt ein Ehepartner einen Ausgleich
dafür, dass die betriebliche Altersvorsorge vom Versorgungsausgleich ausgenommen
wird, können diese Ausgleichszahlungen als vorweggenommene Werbungskosten
abzugsfähig sein.

 

Hintergrund

Der Kläger hatte mit seiner geschiedenen Ehefrau eine
Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen, nach der die betriebliche
Altersversorgung aus dem Versorgungsausgleich ausgeschlossen wird, der Ehefrau
dafür aber ein Ausgleich gezahlt wird. Der Kläger beantragte beim Finanzamt die
Berücksichtigung des gezahlten Betrags als Werbungskosten bei seinen Einkünften
aus nichtselbstständiger Arbeit.

Das Finanzamt lehnte dies mit der Begründung ab, dass
es sich um einen Vorgang auf der privaten Vermögensebene handele.


 Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klage jedoch statt. Seine
Begründung: Versorgungsausgleichszahlungen bei Ehescheidung gehören zu
abziehbaren Werbungskosten, wenn dem Inhaber des Anspruchs auf betriebliche
Altersversorgung ohne die Ausgleichsvereinbarung bei Renteneintritt geringere
Versorgungsbezüge zufließen würden. Die Ausgleichszahlung diene also in diesem
Fall der Erhaltung der eigenen Versorgungsansprüche.

 



 6. Ehegatte im
Pflegeheim: Ist eine Zusammen-veranlagung trotzdem möglich?

 

Lebt der Ehegatte in einem Pflegeheim,
liegt eine krankheitsbedingt eingeschränkte Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft
vor. Eine Zusammenveranlagung bleibt trotzdem möglich. Das gilt sogar dann,
wenn der Steuerpflichtige mit einem neuen Lebensgefährten zusammenlebt.


 Hintergrund

Die Ehefrau des Klägers erkrankte an Demenz. Nach
Verschlimmerung der Krankheit wurde die Ehefrau in ein Pflegeheim verlegt. Der
Kläger besuchte seine Frau jeden Samstag für mehrere Stunden und beteiligte
sich während der Besuche aktiv an der Pflege, z. B. durch das Anreichen von
Mahlzeiten. Zudem schob er seine Frau im Rollstuhl spazieren. Des Weiteren
verwaltete er die vermögensrechtlichen Angelegenheiten der Ehefrau.

Nach einigen Jahren hatte der Kläger eine neue
Lebensgefährtin. Das Finanzamt lehnte deshalb eine Zusammenveranlagung mit
seiner Ehefrau ab, da eine neue Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft mit der
Lebensgefährtin entstanden sei. Seit diesem Zeitpunkt lebe der Kläger dauernd
getrennt von seiner Ehefrau.


Entscheidung

Das Finanzgericht stellte sich auf die Seite der
Kläger und gewährte die Zusammenveranlagung.

Im Streitfall liege nur eine reine räumliche Trennung
vor, die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft sei
nicht endgültig aufgehoben. Diese räumliche Trennung beruhe auf zwingenden
äußeren Umständen, weil die häusliche Pflege der Ehefrau aufgrund einer
schwerwiegenden Erkrankung unstreitig nicht mehr möglich war. Ursache für die
Trennung sei somit nicht die Aufnahme einer neuen Beziehung. Der Kläger hat die
eheliche Lebensgemeinschaft im weitest möglichen Rahmen aufrechterhalten. Er
hat seine Ehefrau weiterhin besucht und sich um sie gekümmert. Auch die
eheliche Wirtschaftsgemeinschaft bestand weiter fort, da der Kläger Betreuer
seiner Ehefrau war und ihre vermögensrechtlichen Angelegenheiten regelte. Zudem
bezahlte der das Pflegeheim und beglich krankheitsbedingte Zusatzkosten.

 

7.   Keine
Zweitwohnungsteuer für Nebenwohnung

 

Wird eine Zweitwohnung aus beruflichen
Gründen angemietet, ist diese bei Ehegatten von der Zweitwohnungsteuer befreit,
und zwar unabhängig vom zeitlichen Umfang der Nutzung.


 Hintergrund

Der verheiratete X war bis Anfang 2011 mit
Hauptwohnsitz in Hamburg gemeldet, wo er seine Tätigkeit als Rechtsanwalt/Geschäftsführer
überwiegend ausübte. Später verlegte er seinen Hauptwohnsitz an den Wohnort
seiner Ehefrau (Köln), die dort gewerblich tätig ist, und meldete in Hamburg
einen Nebenwohnsitz an. Diesen nutzte er an 2 bis 3 Tagen in der Woche. Die
wöchentliche Arbeitszeit in Hamburg betrug etwa 15 Stunden.

Das Finanzamt setzte gegen X für 2011/2012
Zweitwohnungsteuer für die Nebenwohnung an, da X die Wohnung nur sporadisch und
damit nicht überwiegend beruflich genutzt habe. Das Finanzgericht schloss sich
der Auffassung des Finanzamts an.

 

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof zeigte sich großzügiger und hob
den Zweitwohnungsteuer-Bescheid auf.

Seine Begründung: Nach dem Wortlaut der gesetzlichen
Regelung hängt die Steuerbegünstigung nicht davon ab, dass die Nebenwohnung in
Hamburg von dem dort gemeldeten Ehepartner überwiegend genutzt wird.
Vorausgesetzt ist nur, dass der Ehepartner die Wohnung aus überwiegend
beruflichen Gründen innehat. Ein bestimmter zeitlicher Umfang der Nutzung ist
nicht vorgeschrieben. Der Begriff “überwiegend” bezieht sich ausschließlich auf
die beruflichen Gründe, die für das innehaben der Nebenwohnung maßgebend sein
müssen.

Die Vorschrift ist – abweichend von der Auffassung des
FG – nicht entgegen dem Wortlaut einschränkend dahin auszulegen, dass die
Steuerbegünstigung von einer vorwiegenden Nutzung der Nebenwohnung durch den
dort gemeldeten Partner abhängig ist.

Der Bundesfinanzhof verneint darüber hinaus eine
gleichheitswidrige Begünstigung gegenüber unverheirateten Personen. Die
Differenzierung zwischen den beiden Personengruppen ist gerechtfertigt.

 

8. Sonstige
Vorsorgeaufwendungen: Beschränkter Abzug ist verfassungsgemäß

 

Sonstige Vorsorgeaufwendungen, z. B. für
private Risikolebensversicherungen, Unfallversicherungen oder Kapitallebensversicherungen,
sind nur beschränkt steuerlich abziehbar. Das ist verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden.


 Hintergrund

Der Ehemann erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger
Arbeit und Gewerbebetrieb. Die Ehefrau nur aus Gewerbebetrieb. Die Eheleute
machten Beiträge in Höhe von 4.827 EUR für eine Risikolebensversicherung, eine
Unfallversicherung sowie drei Kapitallebensversicherungen (vor dem 1.1.2005
abgeschlossen) als sonstige Vorsorgeaufwendungen geltend. Da der gemeinsame
Höchstbetrag aufgrund der Beiträge des Ehemanns zur gesetzlichen Kranken- und
Pflegeversicherung überschritten war, berücksichtigte das Finanzamt die darüber
hinausgehenden sonstigen Vorsorgeaufwendungen nicht.

Das Finanzgericht wies die Klage zurück, da es sich
bei den streitigen Beiträgen nicht um existenziell notwendige Aufwendungen der
Daseinsvorsorge handele, die steuermindernd zu berücksichtigen seien.


 Entscheidung

Der Bundesfinanzhof schloss sich den Argumenten des
Finanzgerichts an und wies die Revision zurück.

Die eingeschränkte Berücksichtigungsfähigkeit von
Vorsorgeaufwendungen führt zur Nichtabziehbarkeit der weiteren
Vorsorgeaufwendungen. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur steuerlichen
Freistellung der Beiträge gilt jedoch nur für Versicherungen, die den Schutz
des Lebensstandards in Höhe des Existenzminimums gewährleisten (subjektives
Nettoprinzip). Dazu gehören die Kranken- und Pflegeversicherung, allerdings
beschränkt auf das Sozialhilfeniveau. Auf das höhere Sozialversicherungsniveau
ist nicht abzustellen.

Die faktische oder rechtliche Zwangsläufigkeit
weiterer Aufwendungen im Rahmen der Daseinsvorsorge, auch wenn sie mit der
Absicherung einer Krankheit oder Pflegebedürftigkeit vergleichbar sind, ist
unerheblich. Kapitalversicherungen sind zwar grundsätzlich als Sonderausgaben
berücksichtigungsfähig. Übersteigen sie jedoch die abziehbaren Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge, sind sie der Höhe nach überhaupt nicht mehr
abziehbar. Dagegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit dies
im Einzelfall zu einer ungünstigeren Behandlung führt, ist diese als Folge der
gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit hinzunehmen.

Den verfassungsrechtlichen Vorgaben folgend sind die
Krankenversicherungsbeiträge, die die Basisversorgung betreffen, in vollem
Umfang abziehbar.

 

9. 
Wohnungseigentum:
Die erstmalige plangerechte Herstellung ist Aufgabe aller Eigentümer

 

Wird eine Wand, die 2
Sondereigentumseinheiten voneinander abgrenzt, nicht plangerecht hergestellt,
kann der betroffene Wohnungseigentümer von der Wohnungseigentümergemeinschaft
die Verlegung der Wand verlangen.


 Hintergrund

Das Gebäude mit 18 Wohnungen wurde 1972 gebaut. Beim
Bau des Kellers wurde von den Bauplänen abgewichen, um einen Fensterzugang für
den innenliegenden Kellerraum Nr. 7 zu schaffen. Durch die hierfür
erforderliche Verlegung einer Innenwand verkleinerte sich der nach den Plänen
8,43 Quadratmeter große Kellerraum Nr. 3 um 3,94 Quadratmeter.

1984 wurde das Gebäude in Wohnungseigentum aufgeteilt.
2011 erwarb der Kläger das Sondereigentum an der Wohnung Nr. 3 sowie am
Kellerraum Nr. 3.

In einer Eigentümerversammlung im April 2013
beantragte er zu beschließen, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft den
Kellerraum Nr. 3 in den Grenzen, die sich aus dem Aufteilungsplan ergeben,
herstellt. Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Hiergegen hat der
Eigentümer Anfechtungsklage erhoben. Zugleich verlangt er festzustellen, dass
die dem Aufteilungsplan entsprechende Herstellung des Kellerraums Nr. 3 auf
Kosten der WEG beschlossen ist.


 Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat dem Kläger Recht gegeben. Er
kann die plangerechte Herstellung des Kellerraums Nr. 3 von den übrigen
Eigentümern verlangen.

Jeder Wohnungseigentümer kann von den übrigen
Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich verlangen, dass
das Gemeinschaftseigentum plangerecht hergestellt wird, da unter Instandsetzung
auch die erstmalige Herstellung des Gemeinschaftseigentums zu verstehen ist.
Das gilt im Grundsatz auch, wenn ein Gebäude planwidrig erstellt wurde und
sodann die Planwidrigkeit behoben wird.

Die Trennwand zwischen den Kellerräumen Nr. 3 und Nr.
7 ist planwidrig, weil sie dem Aufteilungsplan, dem die ursprüngliche Planung
zugrunde gelegt wurde, widerspricht. Für die Abgrenzung des Sondereigentums ist
nicht die tatsächliche Bauausführung, sondern der Aufteilungsplan maßgeblich.

Das Ausmaß der Abweichung zwischen tatsächlicher Bauausführung
und Aufteilungsplan ist unerheblich. Entgegen der ganz überwiegenden Ansicht
entsteht Sondereigentum auch dann nicht ausnahmsweise in den von der
tatsächlichen Bauausführung vorgegebenen Grenzen, wenn diese nur unwesentlich
vom Aufteilungsplan abweicht. Vielmehr kann Sondereigentum nur in den Grenzen
entstehen, die sich aus dem zur Eintragung in das Grundbuch gelangten Aufteilungsplan
ergeben. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob auch geringfügige Abweichungen
einen Anspruch einzelner Wohnungseigentümer auf Herstellung eines plangerechten
Zustands bzw. auf Anpassung der Teilungserklärung und des Aufteilungsplans
begründen können.

Das Sondereigentum an den Kellerräumen Nr. 3 und Nr. 7
ist in den vom Aufteilungsplan vorgegebenen Grenzen entstanden. Die Lage beider
Räume ist nach dem Aufteilungsplan ohne weiteres identifizierbar. Es befindet
sich lediglich eine Trennwand an einer anderen Stelle als vorgesehen.

Zu Recht verlangt der Eigentümer von Wohnung und
Keller Nr. 3 die dem Aufteilungsplan entsprechende Herstellung von den übrigen
Eigentümern. Die Mitwirkung daran wird nicht allein vom benachbarten
Sondereigentümer des Kellerraums Nr. 7 geschuldet. Die erstmalige plangerechte
Herstellung einer Wand, die 2 Sondereigentumseinheiten voneinander abgrenzt,
ist Aufgabe aller Wohnungseigentümer. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die
Wand Gemeinschaftseigentum ist oder möglicherweise “gemeinsames Sondereigentum”
der beiden betroffenen Sondereigentümer. Ebenso ist unerheblich, ob es sich um
eine tragende oder eine nicht tragende Wand handelt.

Der Herstellungsanspruch kann ausgeschlossen sein,
wenn die tatsächliche Bauausführung nur unwesentlich vom Aufteilungsplan
abweicht. Weil das Kellerabteil Nr. 3 aber durch die tatsächliche Bauausführung
fast halbiert wird, handelt es nicht um eine unwesentliche Abweichung. Dass
gemessen daran unverhältnismäßige Kosten durch die Versetzung der Wand
verursacht werden, ist nicht ersichtlich.

 

10. 
Beleidigung:
Internet und soziale Netzwerke sind keine rechtsfreien Räume

 

Wer andere beleidigt, muss mit
Konsequenzen rechnen. Das gilt auch für Schüler, die per Smartphone Beleidigungen
an Lehrer senden. Sogar der Rauswurf aus der Schule ist möglich.


 Hintergrund

Der Schüler hatte aus Wut über seine Lehrerin diese über
den Smartphone-Dienst “WhatsApp” aggressiv beleidigte.

Die Reaktion der Schule kam prompt. Die Schulleiterin
verfügte den sofortigen Unterrichtsausschluss des Schülers für die Dauer von 15
Tagen und drohte für den Fall einer Wiederholung den Ausschluss aus der Schule
an. Hiergegen legte der Schüler Widerspruch beim Regierungspräsidium ein, der
jedoch abgelehnt wurde. Beim Verwaltungsgericht stellte der Schüler daraufhin
einen Eilantrag, den Vollzug des sofortigen Ausschlusses vom Unterricht
auszusetzen.


 Entscheidung

Aber auch vor dem Verwaltungsgericht hatte der Schüler
keinen Erfolg, seinem Antrag wurde nicht stattgegeben. Die Begründung der
Richter: Durch seine Äußerungen habe der Schüler die Schulleiterin aggressiv
beleidigt. Mit seinen Äußerungen habe er das Persönlichkeitsrecht der
Schulleiterin in schwerer Weise verletzt, den Schulfrieden erheblich gestört,
sein unangebrachtes Verhalten durch die Äußerungen gegenüber einem Mitschüler
am nächsten Tag nochmals gesteigert und damit wiederholt.



 Erschwerend kam hinzu, dass der Schüler bereits vorher
ähnlich auffällig geworden war. Aus den Klassentagebucheinträgen seien
zahlreiche Vorfälle ersichtlich, die zu besonderen Erziehungsmaßnahmen seitens
der Schule geführt hätten. Ein solches Verhalten dürfe und könne eine Schule
nicht dauerhaft hinnehmen, wolle sie den Schulfriedens bewahren.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei die
Reaktion der Schule absolut verhältnismäßig und damit rechtmäßig.

 

11. 
Arbeitsplatz
darf nicht grundlos verlassen werden

 

Verlässt ein Sicherheitsmitarbeiter einen
besonders zu sichernden Bereich grundlos über einen längeren Zeitraum, verletzt
er damit seine arbeitsrechtlichen Pflichten in erheblicher Weise. Deshalb darf
der Arbeitgeber auch ohne Abmahnung kündigen.


 Hintergrund

Der Kläger war seit dem 1.1.2010 bei einem
Sicherheitsunternehmen beschäftigt. Er sollte den Ein- und Ausgangsbereich
überwachen, der durch ein Drehkreuz gesichert wird. Das Drehkreuz wird mittels
Zufallsgenerator gesperrt, der entsprechende Mitarbeiter muss sich dann zu
einer Sicherheitskontrolle in den danebengelegenen Wachraum begeben. Im Juli
2014 stellte das Unternehmen fest, dass Gold im Wert von insgesamt ca. 74.000
EUR aus dem Produktionsbereich entwendet wurde. Bei der Auswertung der Überwachungskamera
wurde festgestellt, dass der Kläger den Zufallsgenerator ausgeschaltet und den
Kontrollbereich über einen längeren Zeitraum verlassen hatte. Während dieser
Zeit konnten die Mitarbeiter das Drehkreuz ohne Kontrolle passieren. Deshalb
wurde dem Sicherheitsmitarbeiter fristlos gekündigt.

Das Arbeitsgericht erachtete die Kündigung für
unwirksam.


 Entscheidung

Vor dem Landesarbeitsgericht bekam jedoch der
Arbeitgeber Recht. Entscheidend war für die Richter, dass der Kläger seine
arbeitsvertraglichen Pflichten besonders schwerwiegend verletzt habe. Für das
Unternehmen sei eine zuverlässige Ausgangskontrolle von erheblicher Bedeutung,
da selbst bei der Entwendung kleinster Mengen ein wirtschaftlich großer Schaden
entstehen könne.

Im Falle einer längeren Abwesenheit von mehr als 5
Minuten, hätte der Arbeitnehmer gemäß einer Arbeitsanweisung einen
eingewiesenen Mitarbeiter benachrichtigen müssen. Dies habe er jedoch aus nicht
nachvollziehbaren Gründen unterlassen und den Kontrollraum aus privaten Gründen
für längere Zeit zu verlassen. Dies sei mit den Erwartungen an einen
Sicherheitsmitarbeiter in keiner Weise in Einklang zu bringen. Einer vorherigen
Abmahnung bedurfte es aufgrund des massiven Fehlverhaltens nicht.

 

12.   
Hund außer
Kontrolle: Das kann teuer werden!

 

Wer als Hundehalter seinen Hund nicht
unter Kontrolle hat, sollte eine gute Versicherung haben. Denn kommt jemand
durch den “wilden” Hund zu Schaden, kann das teuer werden.


 Hintergrund

Die Klägerin führte ihren Labradormischling per
Fahrrad aus, als sie auf die Beklagte und ihre Dogge traf. Die Halterin der
Dogge hatte ihren Hund in einem angrenzenden Feld zwischen die Beine genommen
und am Halsband festgehalten, um eine mögliche Konfrontation mit dem Labrador-Mischling
und seiner Halterin zu vermeiden. Doch die Dogge riss sich los und stürzte auf
Radfahrerin nebst Hund zu.

Die Klägerin stürzte vor Schreck vom Rad und zog sich
erhebliche Knieverletzungen zu. Deshalb klagte sie auf Schadensersatz. Begründung:
Die Dogge habe sie zu Fall gebracht. Ihr eigener Hund sei an dem ganzen
Geschehen völlig unbeteiligt gewesen.

 

Entscheidung

Das Landgericht entschied, dass die Doggen-Besitzerin
für alle Schäden hafte, die der Klägerin durch den Angriff entstanden sind und
noch zukünftig entstehen würden – und gab damit der Klägerin Recht.

Sowohl die Voraussetzungen für eine
Tierhaltergefährdungshaftung als auch für eine Verschuldenshaftung seien hier
gegeben.

Das Gericht sah keine Mithaftung der Labrador-Halterin.
Begründung: Eine etwaige Verantwortlichkeit trete im Falle einer Abwägung in
jedem Fall hinter jene der Beklagten zurück.

 

13. “Kuckuckskind”
kann den Trennungsunterhalt kosten

 

Schiebt eine Ehefrau ihrem Ehemann
vorsätzlich ein außerehelich gezeugtes Kind als eigenes unter, kann dies zu
einem Ausschluss des Unterhaltsanspruchs führen. Dies gilt selbst dann, wenn
die Ehe mehr als 30 Jahre andauerte.


 Hintergrund

Die Ehefrau lebt seit Mitte 2012 von ihrem Ehemann
getrennt. Sie verlangt einen Trennungsunterhalt in Höhe von 940 EUR.

Der Ehemann bestritt, der Vater des aus der Ehe
stammenden Kindes zu sein. Ein vom Amtsgericht eingeholtes Gutachten bestätigte
die Vermutung des Ehemannes. Das Amtsgericht hat daraufhin den
Trennungsunterhalt auf 394 EUR beschränkt, da die Geburt eines nicht vom
Ehemann abstammenden Kindes eine schwere Verfehlung darstelle.


 Entscheidung

Die dagegen eingelegte Beschwerde der Ehefrau wies das
Oberlandesgericht als unbegründet zurück.

Zum einen ist ein Unterhaltsanspruch zu versagen,
herabzusetzen oder zeitlich zu beschränken, soweit die Inanspruchnahme des
Verpflichtenden grob unbillig wäre, weil dem Berechtigten offensichtlich
schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den
Verpflichteten zur Last fällt. Die Ehefrau hatte während der Empfängniszeit
außerehelichen Geschlechtsverkehr. Nach Überzeugung der Richter hatte sie
Kenntnis von der möglichen anderweitigen Vaterschaft und handelte daher mit
bedingtem Vorsatz.

Zum anderen habe die Ehefrau eine falsche
eidesstattliche Versicherung abgegeben und einen versuchten Prozessbetrug zum
Nachteil ihres Ehemannes begangen.

Obwohl die Ehe mehr als 30 Jahre andauerte und die
Frau nach der Geburt des Kindes nur sporadisch arbeitete, wurde auch im Rahmen
einer umfassenden Interessensabwägung und unter Berücksichtigung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das Fehlverhalten der Frau als besonders schwer
gewertet, was zu einem weitreichenden Ausschluss des Unterhaltsanspruchs führe.

 

14. Smartphone
mit Blitzer-App: Besser die Finger davon lassen

 

Wer auf seinem Smartphone eine sog.
Blitzer-App installiert und aktiviert hat, muss mit einer Geldbuße rechnen,
wenn er erwischt wird.


 Hintergrund

Ein Autofahrer hatte sein mit einer Blitzer-App
ausgestattetes Smartphone am Armaturenbrett befestigt. Dies ist verboten, urteilte
das Amtsgericht und belegte den Autofahrer mit einer Geldstrafe von 75 EUR.
Dagegen legte der Mann Rechtsbeschwerde beim Oberlandesgericht ein.


 Entscheidung

Das Oberlandesgericht bestätigte die Geldstrafe für
den Autofahrer. Denn durch die installierte App bekommt das Smartphone eine
neue Zweckbestimmung und ist damit ein technisches Gerät, das dafür bestimmt
ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören.



 Deshalb sei eine derartige Verwendung eines Smartphones
vergleichbar mit der Nutzung mobiler Navigationsgeräte, die mit einer
sogenannten Ankündigungsfunktion ausgestattet sind, die Autofahrer vor
bevorstehenden Geschwindigkeitskontrollstellen warnt. Auch bei diesen Navis ist
die Ankündigungsfunktion nur eine von vielen anderen Funktionen. Dennoch ist
sie dort auch verboten.

Daran ändere auch nichts, dass ein Smartphone
hauptsächlich zur mobilen Telekommunikation und nicht primär dazu bestimmt sei,
Geschwindigkeitsmessungen anzuzeigen.